Project Gutenberg's Ein treuer Diener seines Herrn, by Franz Grillparzer Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 8-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. EIN TREUER DIENER SEINES HERRN von FRANZ GRILLPARZER Trauerspiel in fuenf Aufzuegen Personen: Koenig Andreas von Ungarn Gertrude, seine Gemahlin Bela, beider Kind Herzog Otto von Meran, der Koenigin Bruder Bancbanus Erny, seine Frau Graf Simon, Bruder des Bancbanus Graf Peter, Ernys Bruder Der Hauptmann des koeniglichen Schlosses Zwei Edelleute von Herzog Ottos Gefolge Mehrere Hauptleute Ein koeniglicher Kaemmerer Ein Arzt Eine Kammerfrau der Koenigin Ernys Kammerfrau Zwei Diener des Bancbanus Zwei Diener der Koenigin Ein Soldat Erster Aufzug Saal in Bancbanus' Hause. Hohe Bogenfenster, altertuemliches, unscheinbares Geraete schicklich verteilt. Lichter auf dem Tische. Vor Tagesanbruch. Bancbanus im Vorgrunde am Tische stehend. Zwei Diener sind beschaeftigt ihn anzukleiden. Der eine haelt den Kalpak, der andere kniet, die Sporne befestigend. Von der Strasse herauf (toent unter Geschrei, Gelaechter und Haendeklatschen). Bancbanus! Ho, Bancbanus! Bancbanus. Der Sporn da drueckt! Erster Diener. Ach Herr! Bancbanus. Bei toll und unklug! Du ziehst ja fester an! Lass nach! lass nach! Erster Diener. Man weiss kaum, was man tut! Bancbanus. So schlimmer denn! Erster Diener. Der Laerm-- Bancbanus. Was nur? Erster Diener. Dort unten auf der Strasse-- Bancbanus. Was kuemmert dich die Strasse? Sieh du hier! Ein jeder treibe, was ihm selber obliegt, Die andern moegen nur ein Gleiches tun. Gesang (zur Zitherbegleitung auf der Strasse). Alter Mann Der jungen Frau, Ist er klug, Nimmt's nicht genau! Viele Stimmen (unter Laerm und Gelaechter). Bancbanus! Ho Bancbanus! Erster Diener (die Faust vor die Stirn gedrueckt). Dass Gift und Pest! Bancbanus (der mittlerweile den Guertel umgebunden hat). Den Saebel nun! Erster Diener. Ach Herr! Ihr wolltet? Bancbanus. Was? Erster Diener (den Saebel halb ausgezogen). Den Saebel aus der Scheide, Das Tor geoeffnet, wir da hinter Euch, Hineingesprengt ins hoehnende Gelichter, Und--hui!--wo waren sie? Bancbanus. Bist du so kriegrisch? Ich will dir einen Platz im Heere suchen! Hier wohnt der Frieden; ich bin nur sein Mietsmann, Sein Lehensmann, sein Gast. Verhuete Gott, dass er mich laermend finde, Und Miet' und Wohnung mir auf Unzeit kuende! Die Narrenteidung lass, und gib den Saebel. (Er guertet ihn um.) Der Ungar traegt im Frieden auch den Stahl, Zueckt er ihn gleich nicht ohne herbe Wahl; Wie denn der Ehemann den Reifen, den er traegt, Auch in der Fremde nicht vom Finger legt. Der Saebel an der Huefte soll nur kunden, Dass Ungar und Gefahr wie Mann und Frau verbunden. Nu, nu, lass nur und geh! Erster Diener. Ach Herr, mein Herr! Sie werfen Sand und Steine nach dem Fenster! Bancbanus. So mach es auf; die Scheiben kosten Geld; Sind sie geoeffnet, schaden keine Wuerfe. Den Kalpak reiche du, ich muss aufs Schloss. Der Koenig will mit Tagesanbruch fort. Was ist die Glocke? Zweiter Diener. Vier Uhr! Bancbanus. Hohe Zeit. Sieh du nach meiner Frau. Erster Diener (am Fenster). Dort stehen sie! Bancbanus. Lass stehn! lass stehn! Erster Diener. Der Prinz inmitten drin. Bancbanus. Was Prinz? Erster Diener. Ich hab's gesehn! Bancbanus (mit halb gezuecktem Saebel). Gesehen, Schuft? Haett' ich's gesehn mit diesen meinen Augen, Weit eher glaubt' ich, dass ich wachend traeume, Als Uebles von dem Schwager meines Herrn! Geh fort!--Muss ich hier toben wie ein Fant, Scheltwort' ausstossen--und--bei toll und unklug!-- Ein Rat des Koenigs!--Nu, ein feiner Rat! Ei wollt' ich doch, du waerst auf Farkahegy. Zwoelf Steine ueber dir!--Ei, dies und das! Geh sag ich, geh! Ich will nicht weiter sprechen. (Dienerin kommt mit einem Becher.) Was bringst nun du? Dienerin. Den Fruehtrunk, gnaed'ger Herr! Bancbanus. Setz immer hin!--Ist meine Frau schon wach? Dienerin. Ja wohl! Bancbanus. Jawohl?--Warum denn kommt sie nicht? Ja wohl ist zweimal ja; wenn zweimal wach denn, So sollte sie doch mindstens einmal kommen! Ja wohl! Gott segne mir die Redensarten! Ein andermal sprich. Ja! Nun also denn! Warum nur kommt sie nicht? Dienerin. Ich sollte fragen, Ob Ihr erlaubt? Bancbanus. Ich gebe mich gefangen! Die Torheit, merk ich, steckt, wie Fieber, an. Ob ich erlaube, fraegt sie? Guter Gott! Soll ich erlauben, und hab nie verwehrt! (Erny erscheint an der Tuere.) Ei, Erny, gruess dich Gott! Was ficht dich an? Laesst du durch Kaemmrer mich um Einlass bitten? Ich bin ein Feind von Neuerungen, Kind! Mach mir nichts Neues, bitt ich dich gar sehr! Erny (nach vorn kommend). So zuernt Ihr nicht? Bancbanus. Warum denn?--Ja, dort unten? Die Strasse, Kind, ist jedermanns Gemeingut. Wir haben sie nicht herbestellt, wir koennen, Genaugenommen, ihnen's auch nicht wehren. Ob's gleich nicht artig ist, so frueh am Tage Die Schlaefer schon zu stoeren durch Gesang. Erny. Doch wisst Ihr denn auch, wer?-- Bancbanus. Ich mag's nicht wissen. Erny. Gertrude sagt,--der Prinz-- Bancbanus. Nu, sei's darum! Der gute Herr hat Musse, lass ihn schwaermen! Gesang (auf der Strasse). Schoen Erny, lieb und gut, Verschlaefst dein junges Blut, Vermaehlest ohne Scheu Dem Winter deinen Mai. Viele Stimmen. Bancbanus! Ho Bancbanus! Bancbanus (der waehrend des Gesanges den Becher ergriffen und getrunken hat). Der Mittlere singt falsch, und haelt nicht Takt. Dass Gott! Ein schlechtes Lied verdirbt die reinste Kehle! Erny. Ha, Scham und Schmach! Bancbanus. Fuer wen? Mein liebes Kind! Nur eine Schmach weiss ich auf dieser Erde, Und die heisst: unrecht tun! Erny. Allein, die Worte! Des argen Liedes Worte, die sie sangen. Bancbanus. Ich achtete nicht drauf und rate dir ein Gleiches. Der Vorzug ist's der Worte vor den Taten, Sie schaed'gen nur, wenn man sich ihnen leiht. Nun lass von anderm uns, von Noet'germ sprechen. Der Koenig zieht nach Halisch mit dem Heer, Des Reiches alte Rechte zu bewahren; Mit Tagesanbruch will er heute fort, Ich bin beschieden, samt den andern Raeten, Zu hoeren noch sein koeniglich Gebot. Ich geh aufs Schloss. Erny. Wie? jetzt? Bancbanus. Warum denn nicht? Erny. Jetzt, da das Haus von jenen tollen Haufen Umlagert steht? Bancbanus. Mein Kind, gib dich zufrieden! Die lauten Klaeffer scheu ich nicht zumeist! Ich geh in meines Koenigs Dienst und Auftrag; Und dann: haett' ich dies Haupt an sechzig Jahre Aufrecht getragen unter Sturm und Sonne, Damit ein junger Fant sich mutig fuehlte, Zu mehr, als drauss zu laermen vor der Tuer? (Auf die Brust schlagend.) Sei ruhig, Kind, mein Waechter geht mit mir. Ich also will nach Hofe. Du indes, Wenn's anders dir gefaellt, zieh dich zurueck Ins Innere des Hauses, hoerst du wohl? Verlischt das Licht hier, und ermangelt Antwort, So wird der Poltrer seines Polterns satt Und geht zuletzt von selbst. Willst du, mein Kind? Erny. Wie gern! Bancbanus. Nun denn, leb wohl! Noch einen Kuss! Doch nein! So aufgeregt, das hiesse rauben, Komm ich zurueck, so gibst du ihn wohl selbst! Erny (in seine Arme eilend). Mein Gatte! Geschrei (auf der Gasse). Bancbanus! Ho Bancbanus! Bancbanus. Laermet, laermt nur zu! (Die Hand auf Ernys Herz legend.) Wenn's ruhig hier, (auf seine eigne Brust) ist hier auch alles Ruh'. (Geht ab. Die Diener folgen.) Erny (bleibt in horchender Stellung, nach der Tuere gekehrt, stehen). Er geht.--Nun sind sie still! Horch!--Es war nichts! Kammerfrau (die ein Licht ergriffen hat). Beliebt's Euch, gnaed'ge Frau? Erny. Ja so!--ich komme! (Zum Gehen gewendet.) Sonst war der Prinz doch artig, scheu vielmehr. Was sah er wohl an mir, das ihm zu solchem Tolldreistem, frevlem Treiben gab den Mut? Komm, komm, wir wollen noch ein Stuendchen schlafen! (Geht ab, die Kammerfrau mit dem Lichte voran.) * * * * * Strasse vor Bancbanus' Hause. Otto von Meran, und Edelleute von seinem Gefolge. Sie halten zum Teile musikalische Instrumente. Erster Begleiter. Das Licht verschwindet oben in der Kammer. Otto. Beachtet man so wenig unser Tun? Schlag einer an das Tor, und jubelt laut! Ich will ihn reizen, will! und gaelt's das Aergste! Erster Begleiter (am Tore horchend). Der Riegel klirrt, man dreht den Schluessel, Herr! Der Feind tut einen Ausfall, wie es scheint. Otto. Zieht euch zurueck, und harret, was geschieht. (Sie ziehen sich zurueck.--Das Tor wird geoeffnet. Bancbanus tritt heraus, vor ihm ein Diener mit einer Fackel.) Bancbanus (zum Pfoertner). Verschliess das Tor genau und oeffne niemand, Bis ich zurueckgekehrt. Hoerst du?--Nun gut! (Das Tor wird geschlossen.) Erster Begleiter (leise). Es ist Bancbanus selbst! Zweiter Begleiter. Er geht nach Hofe. Otto. Gebt ihm noch einen Aerger auf den Weg! Erster Begleiter (laut). Der Dachs faehrt aus dem Bau! Otto. Windhunde vor! Erster Begleiter. Melamp! Zweiter Begleiter. Garzaun! Erster Begleiter. Baff, baff! Zweiter Begleiter. Bau, bau! Diener. Seht Ihr? Im Finstern stehen sie! Bancbanus. Was kuemmert's dich? Geh mit dem Licht voran, und leuchte! Fort! (Quer ueber die Buehne gehend, ab.) Otto (nach vorn kommend). Er ist nicht aufzubringen, nicht zu aergern, Was ich beginn, er spottet meiner Wut! Ich will ihm nach, ich will ihn stehen heissen, Ihm lachen in sein glotzend Angesicht; Ihr werdet sehn, die hochgekniffnen Brauen, Sie senken sich um keines Haares Breite; Die Falten alle seiner Lederhaut, Sie bleiben, wie sie Zeit und Stumpfheit bogen. Ich zupf ihn an dem Bart, er merkt es nicht! Ich ras und tob, er aber fragt: Was nun? Setzt mich nach Frankreich, bringt nach Welschland mich! Der Mann, der Bruder, der mein Liebchen huetet, Er mische Gift, er sende Moerder aus! Den Todesdolch in der durchstossnen Brust, Will sterbend ich ihm sagen: wohlgetan! Doch dieser Gleichmut foltert, martert mich! Bringt Licht! ich will mein Toben sehn! Erster Begleiter. Allein Bedenkt, erlauchter Herr! Otto. Bedenken? was? Erster Begleiter. Die Nachbarschaft! Otto. Ich lache dieser Troepfe! Ist meine Schwester Koenigin im Land, Dass ich viel fragen soll nach Brauch und Sitte? Ich wollt' ihn aergern; seht, das war der Punkt! Ihn, der die Jagd mir hemmt, die Lust verdirbt. Was kuemmert mich sein Weib mit ihrem blonden Haar? Nicht einmal blond, aus Gelb und Fahl gemischt; Mit ihrem Antlitz, weiss und weiss und weiss, Kaum auf den Wangen roetlich ueberstrahlt. Schoen ist sie wohl!--Wenn dieses blaue Auge, So ernst und schroff, und doch so feurig auch, Wenn's je--Ich sage dir, ich hab's gesehn, Wie sie im vollen Kreis des ganzen Hofes Die teilnahmsvollen Augen, blau und gross, Nach mir hin richtete, minutenlang, In starrer, wohlgefaelliger Betrachtung. Von mir ertappt, von meinem Blick begegnet, Zog sie den ihren nicht verstohlen ab; Nein noch verweilend, wie ein kuehner Feind, Der nicht den Ruecken kehrt, und langsam weicht, Ertrug sie die Begegnung, und erst spaet, Willkuerlich, nicht gezwungen, kehrte sie Von mir den frost'gen Strahl. Es war nicht Liebe, Ich geb es zu; doch Wohlgefallen war's. Allein, was kuemmert's mich? Was frag ich viel Nach ihr und ihrem Blick? Noch andre Weiber, Und schoenre Weiber gibt's, und minder sproede, Mich reizt es nicht, zu schmelzen diesen Schnee, Zu Eis gedaemmt in ihres Mannes Gletschern; Den Mann zu aergern gilt's, der meiner Werbung Durch seine Sicherheit zu spotten scheint. Was sonst sich gibt, als Zutat nehm ich's hin; Reicht mir die Zither! Noch den letzten Sturm. (Der Hauptmann des koeniglichen Schlosses tritt auf, von einem Diener begleitet.) Hauptmann (zum Herzog). Wo weilt der Herzog Otto von Meran? Ist er zugegen? Otto. Nein! Hauptmann (zum Gefolge gewendet). Man sagte doch-- (Ottos Begleiter weisen schweigend auf ihren Herrn.) Hauptmann (zu Otto zurueckkehrend). Verzeiht, ich kannt Euch nicht, die Schatten truegen! Otto. Ich muss doch selber wissen, wo ich bin! Der Herzog ist nicht hier; er will nicht hier sein! Hauptmann. Doch sendet mich die Koen'gin, Eure Schwester. Otto. O Schwesterliebe, laestig schon als Liebe! Was will sie denn, die Schwester, stets besorgt? Hauptmann (halb leise). Sie laesst Euch bitten, eilig heimzukehren. Der Koenig will zur Stunde fort. Sie hofft Ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und Das Aeusserste, das Letzte zu versuchen, Um ihren Wunsch, sich Euch, solang er fern, Beizugesellen in des Reichs Geschaeften, Beim Abschied zu erlangen. Zwar sie zweifelt. Doch sollt Ihr heim, damit, wenn's doch gelaenge, Ihr Euch beflissen zeigt, durch kluge Worte Befestiget den Eindruck, den sie hofft. Otto. Nun denn, es sei! Es ist ihr Lieblingswunsch; Sie fuegt sich gerne sonst auch meinen Wuenschen. Obgleich mich selbst erborgte Herrschaft, Geteilte Herrschaft nimmermehr erfreut. Kommt! die Belagerung ist aufgehoben! Der Feind erhole sich, und traeum indessen Von seinem, der zuletzt wohl unser Sieg. (Alle ab.) * * * * * Saal in der koeniglichen Burg. Koenig Andreas, voellig geruestet, tritt aus der Seitentuere links. Die Koenigin, im Nachtkleide, folgt, ihn zurueckhaltend. Ein Kaemmerer, der des Koenigs Helm traegt, oeffnet die Tuere. Gertrude. Ich bitt Euch, weilt noch laenger, mein Gemahl! Koenig. Geliebtes Weib, du weisst, es draengt die Pflicht. Gertrude. Doch draengt auch Liebe, jeden, der sie fuehlt. Koenig. Schon eine Stunde gab dir der Gemahl, Der Koenig darf dir keine zweite geben. Der Tag bricht an, das Heer erwartet mich. (Zum Kaemmerer.) Ruft meine Raete, ruft den ganzen Hof, Dass sie vernehmen ihres Koenigs Willen. Gertrude (zum Koenig). Halt noch!--Verzeiht! Es ist die Gattin nicht, Es ist das Reich, das noch zwei Worte fordert. (Zum Kaemmerer.) Verweilt im Vorgemach, bis man Euch ruft. (Der Koenig winkt gewaehrend. Der Kaemmerer geht ab.) Gertrude. Ich weiss, Ihr ruft den Hofhalt und die Raete, Um fuer die Zeit, da Ihr vom Lande fern, Zu ordnen die Regierung, das Geschaeft. Den ersten Platz im Staate nun, ich weiss es, Weil Eure Lieb' ich kenn, und ihr's verspracht, Bestimmt Ihr mir, der Mutter Eurer Kinder, Der treusten Hueterin von ihrem Erbe. Insoweit dank ich Euch und bin zufrieden. Doch ist noch eins, das mich mit Sorg' erfuellt. Koenig. Und was, Gertrude, sprich! Gertrude. Ihr habt erklaert, Ob nun mit Recht, mit Unrecht, stell ich hin, Dass manches sich ergibt im Kreis des Herrschers, Das rasch persoenliches, selbsteignes Walten, Zutun und Fassen fordert und bedingt Und eines Maennerarms bedarf. Koenig. So ist's. Gertrude. Den Mann nun, der vollziehe, was beschlossen, Eruebrigt noch zu nennen, zu bestimmen. Koenig. Auch dafuer ist gesorgt! Gertrude. O stille! still! Sprecht keinen Namen aus, der, ausgesprochen, Zu Schluessen stempelt pruefende Gedanken, Und Euch zu halten noetigt das Gesagte; Nicht weil es gut, nein, weil Ihr es gesagt. Wenn Ihr mich liebt, wenn ich Euch jemals wert, So gebt den Herzog, meinen Bruder, mir Als Mitgenoss des fuerstlichen Geschaefts. Ich seh es, Eure Stirne runzelt sich. Ihr liebt ihn nicht! Schon oft hab ich's bemerkt, Mit Schmerz, mit tiefem Kummer es bemerkt, Ihr liebt ihn nicht! Koenig. Ich liebe, was ich achte. Gertrude. So achtet Ihr ihn nicht? Wer darf das sagen? O glaubt nicht, was der Neid von ihm berichtet, Die Scheelsucht, die nur lobt, was klein wie sie. Der Schwester glaubt, die ich ihn kenn und liebe; Die ich ihn liebe, ja! denn wahrlich, Herr, Die Liebe nur erkennt und ist gerecht. Ihr gebt ihm Fehler. Sei's! doch schaut um Euch, Wo lebt der Mann hier Landes, ihm vergleichbar? Sprech ich zuerst von seines Aeussern Gaben? Wie sie so herrlich sind, unuebertroffen, Und alle dienstbar seinem kuehnen Geist. Sein blitzend Aug', es blitzt auch auf die Feinde, Der frische Mund macht Ueberredung suess, Die Heldenbrust, der Glieder kraeft'ger Bau Verkuendet ihn als Herrn und als Gebieter. Glaubt Ihr, ein Meuter wagte zu bestehn, Mit dem Gefuehl der Schuld in seiner Brust, Vor eines solchen Blick?--Fuerwahr, fuerwahr! Des Geistes hohe Gaben acht ich alle, Doch erst, wenn so des Aeussern Trefflichkeiten, Herolden gleich, vor ihnen her trommeten, Dann ziehn sie ein als Koenige der Welt. Koenig. Du bist begeistert! Gertrude. Ja, ich bin's, und weh mir, Wenn ich's nicht waere, wo es Wuerd'ges gilt. Sagt selbst, ist nicht mein Bruder tapfer, klug, Entschlossen und verschwiegen, listig, kuehn, Kein Zaudrer? Koenig. Ja. Gertrude. Was fehlt ihm also? Koenig. Sitte! Gertrude. Nun, er ist jung, viel geht der Jugend hin, Und viel erreicht sie selbst durch ihre Fehler. Er ist geschaeftlos, gebt ihm ein Geschaeft! Und dann was tut er auch? Er schwaermt, er liebt. In Frankreich achtet man den Juengling wenig, Der nicht bei Weibern gilt, im Zwist der Minne Den Geist voruebend schaerft fuer ernstern Zwist. Koenig. So ueb' er sich in Frankreich, wo man's duldet, Und abgeklaert, sei er willkommen mir. Von andern Voelkern borgt das Schlimme nicht, Wer weiss, ob euch erreichbar ist ihr Gutes? Der Franke mag durch manche hohe Gaben Den Leichtsinn adeln, dem er gern sich gibt; Mein Land bewohnt ein einfach stilles Volk, Zu jeder Art des Guten rasch und tuechtig, Doch Sitte haelt ihr unverrueckbar Mass Streng zwischen allzuwenig, und zuviel, Und bannt den sproeden, ueberscharfen Sinn. So ist, so muss es sein, so soll es bleiben! (Geht gegen die Mitteltuere zu.) Gertrude. Hoert nur noch eins.--Ihr nanntet oft mich stolz, Ein kuehnes Weib, vergleichbar einem Mann. Ich war's, ich bin's! Und doch--seht mich hier knien. (Sie kniet.) Gebt meinen Bruder mir als Reichsgehilfen! Goennt ihm den Namen nur! Ich will ihn hueten, Er soll nichts tun, um was ich nicht gewusst. Wie einem Vogel man die Fluegel schneidet, Nun huepft er frei, und duenkt sich frei, und ist's nicht. So will ich halten ihn, mit Liebe fuettern, Und er soll Dank mir zwitschern, und gedeihn. Goennt ihm den Namen nur, dass er sich fuehle, Zufrieden sei, zum erstenmal zufrieden. (Der Koenig hat sie aufgehoben.) Ihr seht mich schwach; ich schaeme mich, und doch Kann ich nur wiederholen: Tut's, o tut's! Koenig. Macht mich der Bruder eifersuechtig nicht? Gertrude. Nicht so! Ich liebe dich, weiss Gott, wie innig! Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte. Erst nach durchlebter Jugend fand ich dich, Und seitdem wandelt auch mein Geist mit dir. Doch er, an seiner Wiege stand ich schon, Er war die Puppe, die ich taendelnd schmueckte; Mein Vaterland, der Eltern stilles Haus, Mein erst Gefuehl, die Kindheit lebt in ihm. Ich grollte stets, dass ich ein Maedchen war, Ein Knabe wuenscht' ich mir zu sein, wie Otto. Er wuchs heran, in ihm war ich ein Juengling, In ihm ging ich zur Jagd, bestieg das Ross, In ihm lockt' ich des Burgwarts bloede Toechter.-- Ihr wisst, wie ich die Zucht als Weib gehalten, Doch tat mir's wohl, in seinem kecken Tun Traumweis zu ueberfliegen jene Schranken, In die ein enger Kreis die Weiber bannt. Er ist mein Ich, er ist der Mann Gertrude, Ich bitt Euch, trennt mich nicht von meinem Selbst! Soll er mein Helfer sein, wir wollen leben Wie drei Geschwister, Euer Volk das dritte! Soll er? Koenig. Was machst du, Weib, aus mir? Gertrude. Soll er? Koenig. Nun wohl, ich will ihn sprechen. Gertrude. Dank, o Dank! Koenig. Du dankst zu frueh! Nur einen Teil der Macht, Das Heer vielleicht, soll er indes verwalten, Und unter Aufsicht. Gertrude. Unter mir! das Ganze. Koenig (mit dem Fusse stampfend). Hollah! (Der Kaemmerer tritt ein.) Ruft meinen Schwager, Herzog Otto! Ihr zoegert?-- Kaemmerer. Herr! Gertrude (gegen den Kaemmerer, der indes Gebaerden gemacht hat). Mein Bruder ist nicht wohl. Koenig (zum Kaemmerer). Bei deinem Kopf! Wo ist der Herzog Otto? Kaemmerer. Herr, nicht daheim! Koenig. Seit wann? Kaemmerer. Die ganze Nacht. Koenig (zu Gertruden). Ihr seht, der Reichsverweser hat Geschaefte, Wir wollen sie nicht laestig noch vermehren. (Er oeffnet selbst die Mitteltuere.) Herein, wer noch im Vorsaal! Herrn und Raete! Lasst uns besorgen, was noch weiter obliegt. Kaemmerer (zur Koenigin). Erlauchte Frau-- Gertrude. Dass du verdammt waerst! (Sie zerreisst ihr Schnupftuch.) (Die Grossen und Raete sind indes mit Verbeugungen eingetreten. Darunter Bancbanus, die Grafen Simon und Peter. Sie ordnen sich im Mittelgrunde. Der Koenig steht vorn am Tische rechts. Die Koenigin ihm gegenueber auf der linken Seite.) Koenig. Edle Herrn! Die Pflicht ruft mich aus eurer Mitte fort. Galizien, das Ungarns altes Anrecht, Durch Erb' und Unterwerfung uns zu Dienst, Man sucht durch Trug und schlaugelegte Raenke Es abzuziehn von der beschwornen Pflicht. Mein Heer erwartet mich, dass wir versuchen, Was die Gewalt vermag im Dienst des Rechts. Ich scheide, lebet wohl. Damit indes-- (Herzog Otto kommt, sich durch die Versammlung durchdraengend, die er mit den Augen mustert.) Otto. Wie? Keine Frauen hier? Nur Baerte, Baerte? Ah, Schwester! Gertrude. Sieh, Unsel'ger! Dort der Koenig! Otto. Nun schoen! Ich dacht', Ihr waert schon abgereist! (Geht auf ihn zu.) Koenig. Beliebt's Euch, tretet dorthin, Herr! Wir haben Noch ein'ge Kleinigkeiten abzutun. Nicht hier! Ich bitt Euch, dort! Wir werden eilen! (Otto geht quer ueber die Buehne und stellt sich in die Naehe der Koenigin.) Nun denn. Solang ich fort, vom Lande fern, Wird meine Frau hier, eure Koenigin, Vertreten meine Statt. Ihr gebt die Ehren, Sonst mir gezollt. Sie wird im Rate sitzen, Vollziehn mit Unterfert'gung das Geschaeft. Sie teilt Belohnung, leiht im Lehenhof; Was Gnade gibt, empfaengt man nur durch sie. In Sachen bloss des Rechts, und was noch sonst Des kuehlern Blicks bedarf, und dies Papier benennt, Stell ich an ihre Seite zum Genossen, Der auch im Rate sitzt, und ohne den Nichts von dem uebrigen auch wird verhandelt; Der stets den Vortrag fuehrt, und mir berichtet, Wo sich in Wichtigem die Meinung teilt (Pause, in der er die Raete fixiert.) Gertrude (zu Otto). Ungluecklicher, warum kamst du so spaet? Koenig. Zu alledem zum Reichsgehilf ernenn ich-- Tritt vor Bancbanus! Hier!--Ernenn ich dich! Sei du ihr Aug' und Ohr, sei Hand und Arm, Sie wird der Geist sein, der durch dich gebietet. Stets warst du treuer Diener deines Herrn, Du wirst's auch hierin sein. Bancbanus. Ach Herr, bedenkt! Koenig. Es ist bedacht! Bancbanus. Ich bin ein schwacher Mann! Koenig. So minder wohl verlockt dich die Gewalt! Bancbanus. Bin alt! Koenig. Ist Herrschen denn ein Knabenspielwerk? Ich hab's gesagt, und reif erwogen auch; Dein Weigern zeigt mir, dass ich recht gewaehlt. Wo ist mein Sohn? bringt meinen Sohn zum Abschied! Hier, dies Papier bezeichnet deinen Kreis; Wie vorwaerts nicht, so rueckwaerts nicht gefusst! Denn, was du darfst, ist dem gleich, was du musst. Kannst du den Herzog hier im Heere brauchen, So tu's; wenn nicht, ich stell es dir anheim. Geh hin, und kuess die Hand der Koenigin, Sei ihr zu Dienst, und bitt um ihre Gnade. Wo ist mein Sohn? Bancbanus (sich der Koenigin naehernd). Erlauchte Frau, erlaubt! Gertrude (ihre Hand heftig zurueckziehend). Tolldreist und Tor! Koenig. Was ist? Gertrude, wie? Verweigerst du die Hand dem Manne, dem-- Gott und Gericht! Ist das der volle Dank? Beginnt der Unfried, eh' ich noch geschieden? Gib deine Schrift! Bancbanus, gib die Vollmacht! Vor weiterm will ich wohl mein Land bewahren! Die Koeniginnen sassen sonst am Kunkel, Solang ihr Mann im Feld. Bancbanus, gib! Ich will Euch Grenzen setzen, dass Ihr's wahrnehmt, Und waert Ihr blind vor Hochmut und vor Grimm! Gertrude. Hier meine Hand! Ich werd Euch gnaedig sein, Wenn Ihr's verdient. Koenig. Geh hin, Bancban, geh hin! Was? Seh ich recht? Wohl eine Traene gar? Bancbanus. Ich sagt Euch's, Herr! Ich tauge nicht dafuer! Koenig. Du taugst, mein Freund, nur du! Kuess ihre Hand. Ob heftig zwar, ist sie gerecht und klug. (Man hat den kleinen Bela gebracht. Bancbanus kuesst die Hand der Koenigin.) Und nun, lebt wohl! Gertrude, teures Weib! Bela, mein Sohn! Mein gutes, liebes Kind! Lebt wohl, ihr alle! alle meine Freunde! (Zu Bancbanus.) Vor andern aber wend ich mich zu dir, Dem ich mein Haus vertraue, Weib und Kind. Als ich dich waehlte, dacht' ich Ruhe mir, In Feld und Stadt, in Schloss und Huetten Ruhe. Die fordr' ich nun von dir. Kehr ich zurueck, Und finde sie gestoert, die fromme Ruhe;-- Nicht strafen werd ich dich, nur dich vermeiden, Und stirbst du, setzen auf dein ruhmlos Grab: Er war ein Greis, und konnte sich nicht zuegeln; Er war ein Ungar, und vergass der Treu; Er war ein Mann, und hat nicht Wort gehalten! Doch wird's nicht kommen so, ich weiss, ich weiss! Lebt alle wohl, und Gott sei ueber euch! (Er geht.) Alle (draengen sich um ihn, indem sie rufen): Heil auf den Weg! Glueck zu! Kehrt siegreich wieder! Zweiter Aufzug Saal im koeniglichen Schlosse. Im Hintergrunde fuehrt eine grosse, zu Anfang geschlossene Pforte nach den aeussern Galerien. Rechts, im Vorgrunde, ein erhoehter Lehnsessel, im Halbkreise herum mehrere Stuehle. Seitentueren. Zunaechst der Tuere rechts ein bedeckter Tisch. Die Koenigin sitzt, von den Raeten umgeben, Bancbanus, Schriften in der Hand, steht, und traegt vor. Bancbanus. Obgleich die Kinder zweiter Ehe nun Dagegen Einspruch tun, so sagt ein Blatt, Vollzogen vom Testator eigenhaendig, Ein rechtsbestaendig, kraeftig Kodizill-- Wo steckt es nur? (Seinen Nachbar anblickend.) Ihr Schwager? Seid so freundlich, Und haltet mir die Schriften, dass ich suche. (Er gibt Graf Petern einen Teil seiner Schriften und sucht in den uebrigen. --Herzog Otto tritt zur Tuere linker Hand ein.) Otto. Noch nicht geendigt? Koenigin. Eben.-- (Zu den Raeten.) Gut fuer heute! Die Sitzung, edle Herrn, ist aufgehoben! (Die Raete stehen auf, die Koenigin tritt zu ihrem Bruder.) Bancbanus (noch immer suchend). Mein Schreiber hat's verschoben. Dass dich doch! Koenigin. Wie er mich langweilt nur, der alte Tor! Glueck auf, Ihr Herrn! wir sehen uns demnaechst. Sie entlaesst mit einer Kopfneigung die Raete, diese gehen.--Koenigin zu Otto.) Ich merke festlich Treiben hier im Schloss, Was schafft man? Bancbanus. Seht! Da hab ich's doch gefunden. Kraft dieses Dokuments--Wo sind die Raete? Koenigin. Sie gingen, so geduldig nicht, als ich, Im Schlosshof wohl nach Eurer Schrift zu suchen! (Otto lacht laut auf.) Bancbanus (die Schrift emporhaltend). Hier ist die Schrift!--Nu, nu, im naechsten Rat Erwaegt man-- Koenigin. Sprach ich denn nicht schon: gewaehrt? Bancbanus. Gewaehrt! gewaehrt! Lag diese Schrift nicht vor, So war nichts zu gewaehren! (Er steckt die Schrift wieder unter die Papiere.) Liege du! Zu seiner Zeit kommt noch das Wort an dich. Koenigin. Was also sind die Festlichkeiten, die--? Otto. Kommst du mit mir, so sollst du selber sehn! (Koenigin gibt ihm den Arm.) Bancbanus. Vorerst nur eines noch! Koenigin. Das nenn ich laestig! Bancbanus. Der Fall ist laestig, ja, und dringend auch. Landfahrer haben, hoechst verdaechtig Volk, Bei Bihar sich gezeigt. Es wird nun noetig, Zweihundert-- Otto. Saecke! Bancbanus. Wie?--Es wird nun noetig, Zweihundert-- Otto. Saecke! Bancbanus. Reiter, gnaed'ger Herr, Dahin zu senden. Wenn Eu'r Gnaden Bruder, Der Herzog, nun nach Taetigkeit verlangt, So koennte man der Reiter Fuehrung ihm-- Otto. Sehr gnaedig, in der Tat! Koenigin. Das ist zuviel! Ihr schmeichelt, wie das Tierchen in der Fabel. Mein Bruder soll zweihundert Reiter fuehren? Schickt Euren Schwager--Euren--was weiss ich?! Bancbanus. Wie Ihr befehlt.-- Koenigin. Und schweigt fuer jetzt, ich bitte! Wem also gelten jene Festlichkeiten, Die man bereitet, seh ich, rings im Schloss? Otto. Ich wollte frueher schon dir alles melden, Doch diese Herrn--(Zu Bancbanus.) Beliebt's Euch, Platz zu nehmen? Wie, oder duenkt Euch ein Spaziergang besser In freier Luft? Wir haben schoenes Wetter. Bancbanus. Ich bleibe noch, ich bin noch nicht zu Ende. Koenigin. Wie also? sprich! Otto. Du weisst, wir feiern heute Das Wiegenfest des Kleinen, deines Sohns. Die Herren sind, die Fraun bei ihm versammelt Und binden ihn mit kleinen Gaben an. Da hab ich denn gewagt, in deinen Zimmern Dem Feste zu bereiten noch ein Fest. Die Meinung war, dich erst zu ueberraschen, Doch liebst du, weiss ich, Ueberraschung nicht. Drum sieh, ach, und verzeih! (Er hat die Seitentuere rechts geoeffnet, die Koenigin sieht hinein.) Koenigin. Du guter Bruder! Otto. Nun hier noch. (Er klatscht in die Haende, die Seitentuere links oeffnet sich. Der kleine Bela laeuft herein, mit kindischen Gaben schimmernd behangen. Hinter ihm Herren und Damen, darunter Erny.) Bela. Mutter! Mutter! Koenigin (zu ihm niedergekauert und ihn kuessend). O mein Kind! (Ihrem Bruder die Hand drueckend.) Was soll ich sagen? (Zum Kinde.) Und so reich beschenkt! Habt Dank, Ihr Herrn! Ihr edlen Frauen, Dank! Fuer alles, was Ihr unserm Sohne goennt. Wir stuenden tiefer noch in Eurer Schuld, Wenn unser Bruder, Herzog Otto hier, Nicht der Vergeltung Pflicht auf sich genommen. Nehmt teil denn an dem Feste, an den Freuden, Die er fuer uns, die er fuer Euch ersann. Es ist zwar noch am Tag, allein wir wollen Mit Lust den freud'gen Abend fuehren ein. Graf Iwan, Dank!--Ei, Graefin Erny, goennt Ihr Uns auch einmal die schoene Gegenwart? Wir rauben stuendlich Euren Gatten Euch, Und nicht zu seiner Freude, fuercht ich fast; Er findet uns zu schuelerhaft, zu leicht. (Zu Otto halblaut.) Du arger Schalk! das Fest galt also mir? Ich denk du gabst dir's selbst und deinen Wuenschen! Otto. Ihr zuernt doch nicht? Koenigin. Was Scherz ist, tadl' ich nicht. Nun auf! ein jedes waehle den Gefaehrten, Dem es bei Tanz und Tisch die Rechte goennt.-- Nicht so!--Nein, das Verbundne lasst uns trennen! Des Gatten, des Geliebten Recht erlischt Beim frohen Fest, das Fremdes soll verbinden. Ich selbst, da es der Koenigin nicht ziemt, Im Scherz auch einen Mann als Freund zu gruessen, (Zu Erny.) Erwaehle, Graefin, Euch mir zum Gefaehrten, Wenn nicht vielmehr zum Manne mich fuer Euch. Gebt mir die Hand! die Rechte! (Ernys Hand in ihre beide lassend.) Glaubt, ich lieb Euch! Mein schoenes Kind, ich lieb Euch, weiss es Gott! Wir tanzen nicht, wir wandeln durch die Gaeste, Und wenn der Hausfrau rings besorgte Pflicht Mich von Euch ruft, so soll mein teurer Bruder Vertreten meine Statt. Dann tanzt Ihr wohl Ein Schrittchen, oder zwei. Seid Ihr's zufrieden? Mein frommes Kind, ich lieb Euch wahrlich sehr! Nun fort! (Die Gaeste, die sich paarweise in Ordnung gestellt haben, setzen sich in Bewegung. Koenigin zu Bancbanus, der noch immer im Vorgrunde rechts steht.) Was aber machen wir mit Euch? (Waehrend des Vorigen ist die Tuere der Galerie geoeffnet worden. Diese ist mit Leuten aller Art angefuellt, die zum Teil Bittschriften halten.) Wer sind die Leute da? Bancbanus. Eu'r hoher Gatte Empfing um diese Stunde die Suppliken, Bittschriften aller Art. Koenigin. Tut's denn statt mir! Ihr liebt die Feste nicht. Weiss Gott, ich fuerchte, Ihr tadelt mir den Tanz, das Mahl, die Gaeste. Bleibt hier, und hoert, was jene dort begehren. Hier ist ein Tisch, Papier und Feder hier. Fuer eines jeden Unterhaltung sorg ich. Eu'r Weibchen soll indes Euch nicht vermissen, So viel traut mir nur zu! Beliebt's, Ihr Herrn? (Sie geht mit Erny an der Reihe der Gaeste vorueber in die Seitentuere rechts ab, die Gaeste folgen.) Bancbanus (zu einigen Dienern, die zurueckgeblieben sind). Rueckt mir den Tisch ein wenig seitwaerts! So! Du laesst die Leute vor! Du uebernimmst Die Schriften, die sie reichen, legst sie hierher! Die Feder ist wohl stumpf? (Haelt sie vors Auge.) Nu, nu, sie geht! Nur Ordnung sag ich euch! (Zum ersten Supplikanten.) Was also willst du? (Er entfaltet die Bittschrift.) Jan Farkas. Ei mit deiner alten Bitte? Hat dich der Koenig nicht schon abgewiesen? Nun glaubst du wohl, weil er vom Lande fern? Der Koenig ist noch da, hier, siehst du, steht er, Und drinnen-- (Auf das Zimmer der Koenigin zeigend, vor sich hin.) Nu, weiss Gott, drin huepft und tanzt er. (Laut.) Nichts da! Geh fort! Lass Bessern deine Stelle! (Ein Zweiter tritt vor.) Die Erbschaftssache! Nu, wir wollen sehn. Im heut'gen Rat kam's noch nicht zur Entscheidung, Im naechsten wird's geschehn. Glueck auf, mein Freund! (Hofleute gehen vorueber in die Zimmer der Koenigin. Sie zeigen mit dem Finger auf Bancbanus, und fluestern sich in die Ohren.--Bancbanus zu einem Dritten.) Entschaed'gung, weil der Prinz auf letzter Jagd Die Saat verwuestet.--Er? Der Prinz allein? Die ganze Saat? Wohl nur des Prinzen Jaeger? Weshalb denn schreibst du: Er? Wo bleibt die Achtung, Verwuenschtes Volk, fuer eurer Fuerstin Bruder? Man wird den Schaden schaetzen und vergueten. Ich bin ermuedet; bringt mir einen Stuhl! (Ein Stuhl wird gebracht. Er setzt sich.--Ein Edelmann vom Gefolge des Prinzen, eine Dame fuehrend, aus dem Seitenzimmer links: ein Kaemmerer oeffnet.) Edelmann (zur Dame). Ihr muesst zum Fest, die Koenigin nimmt's uebel. Sei's auch, dass Ihr nicht wohl, so tanzt denn nicht, Doch kommen muesst Ihr; es geht glaenzend her. Was ist denn hier? Gehoert das mit zum Fest? (Der Kaemmerer spricht leise zu ihm, wobei er lachend auf Bancbanus weist.) Bancbanus (zu andern Bittwerbern). Was kniet ihr? Auf! Der Koenig duldet's nicht, Und ich soll knieen sehn von meines Gleichen? Ich bin ein Untertan, wie andre. Auf! Edelmann (lachend). Nu, das ist lustig! Lasst uns denn hinein! (Zu Bancbanus im Vorbeigehn.) Seid Ihr der Pfoertner, Herr, des heut'gen Fests? Was zahlt man Eintritt? Bancbanus. Klugheit nicht; Ihr bliebt sonst haussen wohl! (Edelmann und Dame ab.) Verwuenschtes Volk! (Die Bittschrift in der Hand.) Ich sehe wohl, warum ihr erst gekniet. Die Bitt' ist unstatthaft. Seht doch! Zehn Goldstueck Fuer jede Lieferung! Nicht acht, nicht fuenf! Ein Diener (reisst die Seitentuere rechts auf und schreit). He, Wasser und Zitronen! Zweiter Diener (zur entgegengesetzten Seite hereinkommend, schreit ebenso). Hier! Bancbanus. Nu, nu! Ein wenig sacht! Erster Diener. Hier sitzt er. Blitz! Derweile Setzt Herzog Otto seinem Weibchen zu. Lass ihn uns schrauben!--Edler Herr, befehlt Ihr Ein wenig Wasser zu hoechstnoet'ger Kuehlung? Bancbanus. Ja, ja, mein Sohn, gib her! (Er nimmt das Glas. Die beiden Diener platzen in Lachen aus und laufen davon.) Was soll denn das? (Die Grafen Simon und Peter stuerzen erhitzt aus den Zimmern der Koenigin.) Peter. Es ist zuviel! Simon. Bancbanus, du noch hier? Bancbanus. Wo anders sonst? Simon. Fuehlst du denn nicht? O sag ihm's, Sag ihm's, ich bitte dich! Mich wuergt der Zorn. Peter. Fuehlt Ihr denn nicht, dass Ihr der Spott des Hofes? Bancbanus. Der Spott? Warum? Peter. Dass draussen vor der Tuer-- Bancbanus. Ich uebe, was mein Amt. Ei spottet nur! (Nach rueckwaerts gekehrt.) Die Fordrung ist zu hoch, mein guter Freund! Acht Taler sind genug. Das, Schreiber, schreibe! Simon. Bancban, auf Tod und Leben, hoere mich! Heiss diese Leute gehn! (Auf die Bittwerber zeigend.) Bancbanus. Du scherzest wohl? Simon. Nun denn, auf die Gefahr, dass sie uns alle hoeren! (Halblaut.) Indes du hier den Pfoertner spielst des Festes-- So nannten sie dich drin und lachten! lachten!-- Umschwaermt der Prinz dein Weib. Bancbanus. Ich kann's nicht aendern! Kann ihn nicht aendern, wollt' ich's noch so gern. Peter. Er tanzt mit ihr. Bancbanus. Zum Tanz ward sie geladen. Peter. Drueckt ihr die Hand. Bancbanus. Er kriegt den Druck nicht wieder, Dafuer bin ich dir gut. Simon. Bist du so zahm? Hab Mitleid mindestens mit deinem Weibe. Sie fuehlt die Schmach, der Scheelsucht Spoetterblicke, Kaum haelt des Hofes Brauch sie noch beim Feste; Doch Unwill' glueht in ihrem Angesicht. Bancbanus. Doch Unwill' glueht in ihrem Angesicht. Das sagst du selbst, und willst: ich soll sie hueten? Tanz zu! tanz, Erny, zu! Du wahrst dein selbst! (Er kehrt zu den Bittschriften zurueck.) Simon. Nun denn, so dulde, was du dulden willst. Ich kehre heim. Peter. Und ich zum Tanz zurueck. Und wagt er's, seiner Frechheit Raum zu geben Durch leiseste Beruehrung nur der Hand, So straf ich auf der Tat sein ruchlos Werben Und Blut soll ihres Tanzes Estrich faerben. (Die Hand am Saebel, durch die Seitentuere rechts ab. Graf Simon geht auf der entgegengesetzten Seite.--Herzog Otto aus der Seitentuere links mit einem Begleiter.) Otto (im Auftreten zu Graf Simon). Ist Graefin Erny hier? Simon. Seht selbst! und seht Euch vor! (Ab.) Otto. Unhoeflich Tier! Wo aber ist sie hin? Ihr Gatte hier? Mit eins war sie verschwunden. (Zu seinem Begleiter.) Sagt' ich dir nicht, du sollst auf jeden Schritt?-- Komm und vollfuehre! was ich sonst gebot. (Im Voruebergehen.) Bancban, ist Eure Gattin schon nach Hause? Bancbanus. Ich weiss es nicht. Otto. Nu, nu, es soll sich weisen. (In den Tanzsaal ab.) Bancbanus. Hier ist es allzulaut. Kommt, folget mir, Im Vorsaal draussen, auf den innern Gaengen Macht leichter das und ruhiger sich ab. Die Koenigin verzeiht wohl solchen Wechsel. (Er fasst die auf dem Tische liegenden Papiere zusammen. Erny, erhitzt und schwer atmend, kommt, sich unter den Supplikanten wegdraengend, durch die Mittelpforte.) Erny. Hier, endlich hier! Nun, Gott sei tausend Dank! Bancbanus. Je, Kind, was kommt dir an? Vom Tanz erhitzt. Du gingst wohl durch den Schlosshof? Herr und Gott, Es kann dein Tod sein, schneidend weht die Luft. Du boeses Kind, was machst du mir fuer Sorge! Erny. Nun ist es gut! Weil nur bei dir! O gut! (Sie setzt sich in den Stuhl.) Bancbanus. Zu luftig ist es hier. Zurueck zum Tanz! Ein Reihen oder zwei erwaermt dich wieder. Erny (aufspringend). Zum Tanz? Ich weiche nicht von deiner Seite! So drueck ich mich in deine Naehe, so. Trotz sei geboten, wer von hier mich trennt! Bancbanus. Und dennoch muss es sein. Sieh hier, Geschaefte. Erny. Ich geh mit dir, ich falte dir die Blaetter, Ich streue Sand, wie ich wohl oft getan; Doch nicht in jenen Saal mehr. Nein! fuerwahr! Bancbanus. Was war denn? Erny. Nichts. Doch geh ich nicht von dir. Bancbanus. Bancbanus' Weib steht gut in seiner Naehe, Des Reichsverwesers Frau gehoert zum Fest. Erny. Gib sie zurueck denn, dieses Amtes Buerde, Sei Ernys Gatte bloss, mit ihr beglueckt. Bancbanus. Was faellt dir ein? Weil du nicht gern beim Fest, Soll ich von Hof, Unfrieden herrschen lassen, Verwirrung rings im Land? Ich hab's versprochen, Dem Koenig angelobt bei seinem Scheiden, Den Frieden zu bewahren hier, die Ruh', Und werd es halten, trifft was immer zu. Dem Dienste folg ich, folg dem Feste du! (Die Stiegen herauf toent Geraeusch von Stimmen und Schwertergeklirre.) Was ist? Horch!--Schwerterklang!? (Zu einem Diener, der hereinstuerzt.) Mein Freund, was gibt's? Diener. Herr, Eures Bruders Diener, und des Prinzen, Sie streiten, sie sind handgemein, man ficht. Bancbanus. Die Diener meines Bruders? Wer gab Anlass? Diener. Des Prinzen Leute reizten sie durch Spott. Bancbanus. Gleichviel! Wo ist mein Schwert? Erny. Ich will mit Euch, Ihr wagt Euch sonst. Bancbanus. Bist du nicht klug? Bleib hier. (Ein Kaemmerer kommt aus dem Zimmer der Koenigin.) Kaemmerer (zu Erny). Die Koenigin verlangt nach Euer Gnaden. Bancbanus. Hoerst du? Geh hin! Ich schlicht indes die Fehde. (Zu den Supplikanten.) Ihr harret auf der Treppe, bis die Ruh', Neu hergestellt, uns Musse gibt zur Rede. (Er geht, die uebrigen folgen.) Erny. Er geht.--Wo ist der Kaemmrer, der mich rief Zur Koenigin?--Gleichviel! Ich will nur hin! Was kann der Prinz auch tun? Ich war wohl toericht! Zurueck zum Fest und ihm ins Aug' geblickt! Du aber Gott, du gib mir Mut und Kraft, Der Unbill zu begegnen mit Verachtung! Gib, dass kein Wort, kein Wink, kein Laut Bestaet'ge was er meint und was er hofft!-- Doch erst das Haar geordnet und die Kleider, Verraten moechten sie mein kindisch Zagen, Des waer' er froh, allein da harre du! (Im Vorgrunde stehend, und die Locken an den Fingern aufwickelnd.) Sie glauben, weil ich selten sprech und wenig, Ich koenne mich nicht wahren, nicht verteid'gen. Mein Vater sprach wohl oft: sie hat's im Nacken! Ich hab es auch. Ihr sollt noch wahrlich sehn! (Sie betrachtet noch ihre Schuhe.) Nun ist es gut. Der Schuh sitzt fein genug! Nun ist es gut! nun will ich nur hinein! (Otto, der, waehrend der letzten Worte, durch die Seitentuere rechts, leise eingetreten ist, naehert sich jetzt von hinten, ihre beiden Arme mit dem Aeussersten der Finger beruehrend.) Otto. Verstaerkt Ihr noch die Macht so vieler Reize? O schmueckt Euch nicht! wir sind schon wund genug! Erny (links nach dem Vordergrunde zurueckweichend). O Gott! Er selbst! Otto. Ich bin's, und hochbeglueckt, Dass die Gelegenheit, so oft gesucht, Und nie gefunden, guenstig dar sich beut. Erny. So glaubt Ihr? Lasst mich! Ich will fort! Otto. O bleibt! Erny. Der Koenigin Befehl-- Otto (vorkommend). Er ist erdichtet, Von mir erdichtet. So wie jener Streit, Der Euren Gatten in dem Schlosshof haelt, Auf mein Geheiss sich, auf mein Wort entspann. Ich wollt' Euch sprechen, und ich tu's, beim Himmel! Es komme was da will! Der Ort ist guenstig: Das Fest hat aus der Naehe sich gezogen, In fernen Zimmern dampft das frohe Mahl. Wir sind allein, und doch, die Tueren offen, (Auf die offene Pforte des Hintergrundes zeigend.) Der kleinste Ruf fuehrt Zofen her und Diener, Ihr seid so sicher gegen jede Kuehnheit, Als nur am eignen Herd. Erny. Und dennoch fort! Otto. Auch das! Hier ist mein Arm! Kommt mit zum Fest! Doch glaubt Ihr, mir dadurch Euch zu entziehn, So irrt Ihr, Graefin, sehr. Ihr kennt mich nicht. Doch wer mich kennt, der weiss, in Hofes Mitte, Am offnen Markt, heiss ich Euch Rede stehn, Und leg Euch vor dieselben Fragen, die-- Nichts mehr, als dies,--ich hier Euch stellen wollte. Doch ist's Euch nicht genehm, gut, wir verschieben's! Erny. O Uebermass des straeflichsten Erkuehnens! Otto. Ihr seid was eitel, merk ich, gute Graefin. Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag sein! Vielleicht! Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht so erregbar. Ein Menschenkenner bin ich, Menschenforscher, Zumal auf Fraun geht meine Wissbegier. Die tausend Formen zu erspaehn, die Kruemmen, In denen sich das eins und eine birgt, Das eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwaeche! Bin ich nicht gut, so wollt' ich's auch nicht scheinen! Ihr aber scheinet Tauben, fromme Tauben, Und seid's in einem nur, in ew'ger Glut. Erny. Das anzuhoeren ziemt mir nicht. Otto (aus dem Wege weichend). O ja; Die eine laesst sich trauen einem Greise, Mit grauem Bart und Haar, ein schlottrig Scheusal, Voll Launen, abgeschmackt, zum Tollhaus reif; Doch ehrt und liebt sie ihn. Erny. Sie ehrt und liebt ihn! Otto. Wenn je und dann sie schielt nach huebschen Jungen, Minutenlang mit ihrem Blick verweilt, Je, Neugier! Ei, zum Sehn ward uns das Auge! Wie? Oder auch schon Menschenforscherin, Auflauernd der Entwicklung des Geschlechts, Und vom Gefuehl gewendet zum Erkennen? Erny. Ich weiss, Ihr wollt beleid'gen und erniedern; Was sonst Ihr meint, weiss und versteh ich nicht. Otto. Ihr blicktet nie nach andern, ei, ich weiss! Ihr wart auch jene nicht, wie, oder doch? Die, als man ihr beim Tanz die Hand-- Erny. Ihr luegt! Otto. Verteidigt nicht, bevor man noch beschuldigt! Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrueckt, Den Druck zurueckegab. Ich fuehlt' es, ja! Erny. So moegen diese Finger denn verdorren, Und Feuer sie bestrafen, lohe Glut, Wenn absichtslos sie und dem Willen fremd Euch andres kuendeten, als Hass und Abscheu! Otto. Als Hass und Abscheu. Gut! (Mit starker Stimme.) So gebt zurueck denn Die Haare, die Ihr stahlt von meinen Haaren! Ich war nicht lang an diesen Hof gekommen, Da sandt' ich zum Geschenk sie meiner Schwester, In Kleinod sie zu fassen und Geschmeid. Ihr aber glaubtet Euch allein und stahlt Vom Putztisch Euch ein Proebchen. War's nicht so? Erny. O Gott! Mein Gott! Otto. Das also wirkte! O Heuchelei, du abscheuwuerd'ges Laster, Und doch in Euch so schoen, wie all das Eure! Lasst mich Euch danken fuer die schoene Suende. O alle Tugend gleicht ihr nicht an Reiz. (Er kniet.) Erny. Mein Prinz!--O glaubt!--Doch steht vom Boden auf! Dass jene Locke, kaum in meiner Hand-- Steht auf, ich bitt Euch!--dass ich sie verbrannt; Dass ich--o Gott! mein Gott!--Steht auf!--Man kommt! Soll ich mit Traenen Euch im Auge bitten? (Mit dem Fusse auftretend.) Ich will nicht, sag ich Euch. Ich duld es nicht! Otto. Ich soll Euch hoeren, und Ihr selbst verweigert's? Erny. Ich will Euch hoeren, nur steht auf vom Boden! Otto (aufstehend). Es sei! Doch auf Bedingung! Seht, Ihr schuldet Mir die Geschichte jener Locke; ich Hab eine Frage noch an Euch zu stellen. Goennt zu geheimer Unterredung mir Ein Viertelstuendchen, wo und wann Ihr wollt. Erny. Geheimes ich und Ihr? Otto. Geheim um Euretwillen! Bringt Zof' und Diener mit, mir gilt das gleich! Verwahrt Euch, wie Ihr wollt. Nur lasst mich fragen! Mir ist's um meine Zweifel nur zu tun. Seht Ihr denn uebrall Liebe, eitles Volk? Doch sprechen muss ich Euch, muss Antwort haben! Und wollt Ihr anders nicht, so sei es hier. Noch einmal knieend bitt ich Euch darum. (Er beugt das Knie.) Erny. Halt ein! Ich will! Otto. Ihr goennt mir ein Gespraech Und wo? und wann? Erny. O nirgends, ach, und nie! Otto. Ich seh, es macht Euch Mueh', davon zu sprechen. Hier ist Papier und Feder, ich will gehn. Zwei Zeilen, die Ihr schreibt, mit Zeit und Ort, Genuegen mir. Wenn heim die Gaeste kehren, Nah im Getuemmel ich mich Euch des Aufbruchs, Und lese, was Ihr schriebt; mein Heil, mein Glueck. Bis dahin lebet wohl! O meine Wuensche! (In die Seitentuere rechts ab.) Erny. Weh mir! Was ist geschehn? Gerechter Gott! Wenn in den ersten Tagen, da er kam, Er fromm mir schien und gut--O pfui, pfui, pfui! Erbaermliches Gefuehl, du bleibst mir fremd! Und sagen will ich's ihm! Doch hier, und jetzt Dem Rasenden, in Mitte seines Hofs? Und sprech ich nicht, so kehrt er tobend wieder, Kniet, droht, beschimpft. Ich will ihm schreiben, ja! Er hat's begehrt, und ich, ich will es tun, Will schreiben ihm, ihn sprechen ohne Zeugen, Und hoeren soll er ein verzweifelnd Herz! (Sie eilt zum Tische.) Und doch, es ist nicht gut, es ist nicht recht! Woher sonst dieses Zittern, diese Angst? Ist niemand hier? Mir kommt ein Schwindel an Horch!--Stimmen--Menschen--Wo verberg ich mich? (Sie hat das vor ihr liegende Blatt rasch gefaltet in den Busen gesteckt, und steht zitternd, zwischen Tisch und Mauer gedraengt, da.--Bancbanus kommt.) Bancbanus. Der Streit ist abgetan. So schnell geschlichtet, Als er begann. Fast scheint mir's angelegt, Absichtlich angelegt, die Ruh' zu stoeren. (Auf ein Geraeusch wendet er sich um.) Doch wer ist dort?--Ha, Erny, du? Und bleich Und zitternd? Kind, was war? Was ist geschehn? (Er will sie anfassen, sie weicht zurueck.) Fliehst du vor mir? Ha, du bist krank. Nur Hilfe! Ist niemand hier? Erny. O still! Ich bin nicht krank! Bancbanus. Nicht krank? Und Todesblaesse deckt die Wangen, Aufzuckend fiebert eisig jedes Glied? Lass uns nach Hause, komm! (Er greift nach ihrer Hand; sie eilt an ihm vorueber, dem Vorgrunde zu.) Erny. Ich kann's nicht tragen! Gluehend brennt das Blatt, Das frevle Blatt auf meinem schuld'gen Busen. (Sie wirft das Blatt von sich.) Nur fort! Nur fort! (Zu Bancban, der es aufgehoben hat.) Vernicht, zerreiss, vertilg es! Und niemand ahne, niemand, was es birgt! Bancbanus (es entfaltend). Was birgt es denn? Sieh, es ist leer? Erny. Ha, leer? Der Hoelle Zuege sind drauf eingegraben. Bancbanus. Mag sein! Doch lesbar nur fuer Gott, und fuer die Brust, Die es gedacht, obgleich sie's nicht geschrieben! Hier ist dein Blatt! Nimm es zurueck! Erny. Ich nicht! Bancban, auf diesem Blatt wollt' ich dem Prinzen schreiben! Bancbanus. Verhuet es Gott! Erny. Und kamst du nicht, ich tat's! Bancbanus. Die Koenigin mag wohl in Sorgen sein Ob jenes Streits; den Ausgang meld ich ihr. Erny. Und laessest du mich so allein? Bancbanus, Willst du dein Weib nicht strafen und nicht hueten? Bancbanus. Bestrafen? Hueten? Ei, sag du nur selbst, Wie fang ich's an? Fuehr ich dich tobend heim? Versperre dich ins innerste Gemach Mit Schloss und Riegel, unter Tor und Gitter, Verschreib ich Stumme mir aus Mohrenland, Verschnittne, die mein Weib allsehend hueten. Und nachts, die Diebslaterne in der Hand, Schleich ich mich hin, und forsche, ob's noch schliesst? Die Ehre einer Frau ist eine ehrne Mauer, Wer sie durchgraebt, der spaltet Quadern auch. Erny. O hart, zu hart, Bancban, mein Gatte! Bancbanus. Ich bin wohl alt genug, und du bist jung, Ich lebensmued und ernst, du heiter bluehend, Was gibt ein Recht mir, also dich zu quaelen? Weil du's versprachst? Ei, was verspricht der Mensch! Weil's so die Sitte will? Wer fraegt nach Sitte. Wenn nicht in deiner Brust ein still Behagen, Das Fluestern einer Stimme lebt, die spricht: Der Mann ist gut, auf Rechttun steht sein Sinn, Er liebt, wie keiner mich, und wie zu keinem Fuehl ich zu ihm Vertraun. Wenn's so nicht spricht, Dann Gott mit dir, und mit uns allen, Erny, Dann schreib dem Prinzen nur! Erny. Mann! Gatte! Vater! Bancbanus. Ich weiss wohl, was sie sagen: Seht den Alten, Er freit' ein junges Weib. Er taeuscht, man zwingt sie. Sag, Erny, selbst, wardst du getaeuscht, gezwungen? Von wem? und wann? Als Nemaret, dein Vater, Im Tod zusammenfuegte unsre Haende, Der bluehnden Tochter und des Jugendfreundes, Dem Schutz dich anvertrauend eines Gatten, Wer zoegerte, dein rasches Wort zu nehmen? Wer schob die Heirat auf? Wer bat, beschwor dich, Dein Alter zu bedenken, und das seine? Allein du wolltest, und er fuegte sich, Weiss Gott, wie gern. Wenn's nun dich reut-- Erny. Bancban! So lag der Prinz vor mir auf seinen Knien, So werf ich mich vor dich hin, ach, und schwoere. Bancbanus. Was faellt dir ein? Du knien vor mir, und schwoeren? Dein Wort sei ja! und nein! weisst du dich schuldlos, Tritt hin vor mich und sag: Ich bin's! Hoerst du? Ich bin's, bin schuldlos!--und sieh mir ins Auge! Nichts da! Den Blick nicht auf den Boden! Hier, Auf mich dein Aug'!--Ja so, es schwimmt in Traenen?! --Misshandeln, Kind, misshandeln wollt' ich nicht! Senk nur die Stirne, leg sie an dies Herz, Und was du weisst, das fluestre leis ihm zu, Es wird dich hoeren, wie es dir verzeiht. Erny. Verzeihn? O bittres Wort! Bancbanus. Nu Kind, wer weiss, Vielleicht dich bitten selbst, dass du verzeihst, Was Toerichtes ich sprach.--Es ist mein Fehler, Mein alter Fehler: stets der Mund voran! Erny (aufgerichtet). Bancban! Vor allem wisse! Kein Gedanke Von Unrecht kam in meinen armen Sinn, Nur dass, o Gott! mein Gott! Bancbanus. Schaemst du dich, Kind? Das ist dir nuetz! Schaem dich an meiner Brust! So recht, den Kopf im Winkel eingeduckt, Die Augen zu, recht wie der Vogel Strauss. Und so lass sprechen uns.--Du guter Gott! Ich moechte singen, jubeln, jauchzen, schrein, Dass sie mir blieb, dass ich sie nicht verlor. Nun also denn: Der Prinz war hier? Erny. Ach ja! Bancbanus. War ungestuem? Erny (aufgerichtet). O wenn du wuesstest--! Bancbanus. Zurueck, in dein Versteck!--Ihm zu entgehn, Versprachst du ihm ein Briefchen, oder so-- Ich koennte sagen: sei's! Warum denn nicht? Was schadet nur ein Brief? Doch tu ich's nicht: Die Kuenste sind's des hoellischen Versuchers. Wer einen Fuss gesetzt, zieht nach den zweiten, Und alles Boesen Mutter ist Geheimnis. Drum schreibe nicht! Erny. Gewiss! Bancbanus. Und weich ihm aus. Erny. Ausweichen ihm? Ihm stehn, ihn sehn, vernichten! Bancbanus. Kind, allzuviel geht gleich mit allzuwenig. Lass ihn uns reizen nicht, er ist wie Flamme. Und seine Schwester haengt, wie sehr, an ihm. Nicht ich, es soll mein Weib nicht Unfried' stiften. Ertrag, und uebersieh ihn. Kurze Frist, So send ich dich hinaus auf eins der Schloesser, Dann bist du seiner quitt. Bis dahin: klug! Man kommt. Lass niemand ahnen, was geschah; Unbill, die man ertraegt, war gar nicht da. (Zwei Kaemmerer oeffnen die Seitentuere rechts. Die Koenigin tritt heraus, hinter ihr Herzog Otto, und der ganze Hof.) Koenigin. Hier also meine schoene Taenzerin? Sehr frueh verliesst Ihr mich. Bancbanus. Sie ist nicht wohl. Mit Eurem Urlaub fuehr ich sie nach Hause. Koenigin. Nach Hause geht nun alles, edler Rat, Auch Eure Frau sonach. Glueck auf, ihr Herrn! Wir danken Euch, und hoffen's zu vergelten. Otto (hat sich indes Ernyn genaehert, die links im Vorgrunde steht. Leise). Nun Graefin, meinen Brief. Erny (laut). Geht, ich veracht Euch. (Wendet sich zu ihrem Gatten.) Otto. Verachten mich?--Auf Tod und Leben, halt! (Er dringt durch die Gaeste und ergreift Ernys Hand.) Warum verachtet Ihr mich? Ihr! Warum? Koenigin (indem sie zwischen beide tretend, sie trennt). Unsinniger!--Folgt, Graefin, Eurem Gatten! Otto. Nicht lass ich sie! Koenigin. Du wirst, denn ich befehl es.-- Glueck auf den Weg, Ihr Herrn! Nur zu. Lebt wohl! (Die Gaeste ab.--Koenigin zurueckkommend.) Unsinniger! Wie weit geht deine Tollheit? Otto. Und bin ich toll, so wahrt euch vor dem Tollen. Du hast's gesagt, und so beruehr mich nicht! Hin auf den Boden werf ich meinen Leib, (Er wirft sich zur Erde.) Und mit den Haenden greif ich in den Grund. Nicht hoeren und nicht reden! Rase, stirb! Dritter Aufzug Vorzimmer der Koenigin. Rechts eine Seitentuere, zu ihrem Gemach fuehrend. Im Hintergrunde der Haupteingang, an dem mehrere Hofleute stehen. Unter ihnen Graf Peter. Der Arzt wartend im Vorgrunde. Die Koenigin tritt aus ihrem Zimmer. Koenigin. Wo ist der Arzt? Arzt. Hier bin ich, gnaed'ge Frau! Koenigin. Mein Bruder gilt fuer krank, und Ihr bestaetigt's. Kommt Ihr von dort? Wie also steht's mit ihm? Arzt. Nicht gut, muss ich bekennen, doch zugleich, Dass noch die Form, der eigentliche Sitz Des Uebelseins sich nicht bestimmen laesst. Koenigin. Ein feines Proebchen Eurer Kunst! Arzt. Verzeiht! Es laesst gar leicht sich Grund und Ursach' nennen, Die Frag' ist nur, ob's auch zum Falle passt. Wir Aerzte sind Nachtreter der Natur Und unsre Herrin geht auf dunkeln Pfaden. Koenigin. Ei gut! Ei schoen! (Zu Graf Peter.) Man sagt ja, Eure Schwester Sie geh aufs Land?--In dieser Jahreszeit? Ohn' Urlaub und Begehr? Scheint's doch, sie lernt Von ihrem Gatten Hofesbrauch und Sitte.-- Peter. Verzeiht, sie harrt im Vorgemache draussen, Ob Ihr erlaubt-- Koenigin. Warum ward's nicht gemeldet? Lasst sie herein. (Es geht jemand.) Nun, weiser Oedipus, Fahr fort, und loes uns deine eignen Raetsel. Arzt. Des Herzogs Zustand laesst sich Fieber nennen. Er liegt und starrt und schweigt. Die Pulse fliegen, Die Stirne heiss, die Esslust fort. Koenigin. Wieso? Arzt. Er schlug die Diener, die ihm Nahrung brachten, Weist ab so Speis' als Trank. Koenigin. Seit wann? Arzt (achselzuckend). Wer weiss? (Koenigin stampft mit dem Fusse.) Und wenn man nicht-- (Erny kommt.) Koenigin. Ei, sieh da, schoene Graefin! Ihr reist aufs Land, dem Wonnemond entgegen? Ihr werdet sein noch etwas warten muessen, Wir sind im Maerz. Was treibt zu so viel Eile? Erny. Geschaefte, gnaed'ge Frau. Koenigin. Ei, ich begreife! Die erste Grasung gibt die beste Milch. Da helft Ihr denn wohl selbst mit eignen Haenden? Doch ernsthaft nun! (Halblaut.) Ich hoffe doch, der Vorfall Von neulich abends, er hat keinen Anteil An dieser Reise; hat er, Graefin? Sprecht! Nehmt das nicht hoeher, als die Meinung war. Mein Bruder liebt zu scherzen. Erny. Scherzen? gnaed'ge Frau. Koenigin (veraechtlich). So glaubt Ihr denn? Wie, oder Graefin, doch? Waer's etwa Ernst geworden? Ernst bei Euch? Was sagt dies arme Herz? Erny. Wohl arm! Es schweigt. Koenigin. Und voellig ruhig denn? Erny. Vollkommen ruhig. Koenigin (sich von ihr abwendend). So reist mit Gott, und gruesst mir Laub und Gras! Einfaeltig Volk! Nur stumpf, nicht tugendhaft. Harrt draussen, ob noch etwas zu befehlen. (Erny mit einer Verbeugung ab.--Koenigin zum Arzte.) Eu'r Kranker, Herr, ist toll, und gegen Tollheit Gibt es ein einzig Mittel nur: Vernunft. Er mag sich selber heilen, sagt ihm das. Wie auch, dass er nicht hoffe, mich zu sehn, Bis er zu mir kommt, selbst, als ein Genesner. Arzt. Doch wollet mich auch fuer entschuldigt halten, Wenn endlich doch Gefahr. Koenigin Gefahr! Gefahr! Es ist nicht not, dass gar so viele leben, Die Erde traegt unnuetze Last genug. Wer sich Notwendigem nicht fuegen kann, Mag sterben, waer's mein Bruder, waer' ich's selbst. Arzt. Ich gehe denn. Koenigin. Bleibt noch! (Zu den Hofleuten.) Ist sonst noch jemand Im Vorsaal, der mein harrt? (Zum Arzte.) Bei Eurem Kopf! So glaubt Ihr wirklich denn, dass Grund zur Sorge? Gesteh ich's Euch, ich dacht', ein leeres Wahnbild, Ein ungestillter Wunsch, ein Hirngespinst Sei dieses Uebels Grund. Arzt. Vielleicht! Wohl moeglich! Streitsuecht'ge Nachbarsherrn sind Geist und Koerper, Die Grenzen wechseln und verwirren sie; Man weiss oft nicht, auf wessen Grund man steht. Doch, was es sei, die Wirkung bleibt dieselbe, Zumal, wenn er die Nahrung von sich weist. Ein ganz Gesunder stirbt, entbehrt er diese. (Ein Diener kommt eilig.) Diener. O Herr, mein Herr! Arzt. Wer ruft? Diener. Der Prinz-- Koenigin. Was ist? Diener. Der Prinz--Ihr wart kaum fort, da kam der Waerter Mit Arzenein, die wies der Prinz zurueck, Gebot jedoch dem Mann, die Ader ihm Am dargereichten Arm zu oeffnen. Jener Verweigert's. Da ergreift der Herr den Dolch, Und schleudert ihn. Am Haupte hart vorbei Flog hin das Messer, daumtief in die Wand. Koenigin. Es ist genug! Das Rasen hab ein Ende! Zu Eurem Kranken kommt: aus meinen Zimmern Fuehrt ein geheimer Gang uns nach den seinen. Ob Wahrheit, oder Wahn, ob Kraft, ob Ohnmacht, Es sei im klaren, und es sei geheilt. Was von Geschaeften hier, soll meiner harren. Auch Graefin Erny, heisst herein sie treten, Und mich erwarten. Bald kehr ich zurueck. (Mit dem Arzte durch die Seitentuere ab.) * * * * * Zimmer des Prinzen. Der Mittelgrund ist durch einen breiten Mauerbogen, und daran herabhaengenden Vorhang geschlossen, der in ein inneres, alkovenartiges Gemach fuehrt. In der, nach vorn gekehrten, Verkleidung des Bogens, auf der linken Seite, eine Tapetentuere. Im Vorgrunde rechts, eine Seitentuere, in deren Getaefel ein blanker Dolch steckt. Gegenueber ein Tisch und Stuhl. Zwei Diener kommen durch die Seitentuere. Erster Diener. Ich zieh den Vorhang auf, der Arzt will Licht. Zweiter Diener. Der Prinz will Dunkelheit. Erster Diener. Allein der Arzt-- Zweiter Diener. Du meinst, es heile doch der Arzt die Beulen, Die Ungehorsam bei dem Prinzen eintraegt. Erster Diener. Ich tu's! Horch! pocht man nicht? Zweiter Diener. Geh hin, und oeffne! (Erster Diener oeffnet die Tapetentuere in der Bogenwand des Mittelgrundes. --Die Koenigin und der Arzt treten ein.) Koenigin. Warum sieht man nicht nach? Die Tuere laesst Von innen kaum, selbst mit Gewalt, sich oeffnen. Wo ist mein Bruder? Zieht den Vorhang auf! Erster Diener. Der Prinz verbot-- Koenigin. Ich aber will's, gehorche! (Der Vorhang wird aufgezogen. Herzog Otto liegt nach vorne gekehrt, den Kopf in die Hand gestuetzt, auf einem querueber stehenden Ruhebette.) Mein Bruder! Ha! und wie entstellt und bleich! Wenn's dennoch waere, wenn--verhuet es Gott! Geht hin, und fuehlt den Puls! Arzt (sich dem Ruhebette naehernd). Erlauchter Herr! (Otto richtet sich mit halbem Leibe drohend empor. Arzt zieht sich zurueck.) Koenigin. Was muss ich sehn, mein Bruder? Weigerst du Der Hilfe dich, der heilbeflissnen Sorge? Nun glaub ich erst, was kurz vor man berichtet! Der Dolch in jener Wand bekundet deutlich, Wie du dich nimmst, wie sehr du dein vergisst. Du warfst ihn nach dem kundig wackern Mann, Er sollte haften dort zur Straf' und Warnung. Doch schon ich dein, und finde selbst bedenklich Solch Werkzeug in des Rasenden Bereich. Macht los den Dolch, ich nehm ihn selbst zu mir, Erst dem Genesnen geh ich seine Waffen. (Der Dolch wird gebracht, sie legt ihn auf den Tisch.) Er schweigt, kehrt nicht einmal den Blick nach mir, Nun Krankheit, oder Starrsinn, fort mit beiden! (Naeher tretend.) Wie geht's Euch, Herzog? Otto. Gut! Koenigin. So steht denn auf! Wollt Ihr nicht essen? Otto. Nein! Koenigin. Warum nicht? Otto. Ich habe schon gegessen. Koenigin. Ha, Ihr luegt! Otto. Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht. Nicht essen und nicht atmen, leben nicht. (Er wirft sich herum, so, dass er mit aufwaertsgekehrtem Gesichte auf dem Ruecken liegt.) Koenigin. Unsinniger! Sein selbst vergessner Tor! Geht ihr hinaus, ich werde nach euch rufen. (Arzt und Diener ab.) Kannst also du der Gottheit Abglanz schaenden? Nicht Krankheit ist's, ich weiss, ich kenne dich! Der Leidenschaft und ihrer Raserei Wirfst du die Gaben vor des gottgegebnen Geistes; Sie glueht als Fieber durch dein kochend Blut, Und wirft die Blasen, die sie Krankheit nennen. Der Leidenschaft! Und waer' es Liebe noch, Wenn auch verkehrt', verbrecherische Liebe-- War doch in alter und in neuer Zeit Entschuld'gung sie fuer manches Schlimm' und Schiefe Doch ist es Liebe nicht, ist Tobsucht nur, Des ungezaehmten Geistes trotzig Walten, Der Eigensinn, der will, weil er gewollt. Ich aber denk es nimmermehr zu dulden, Am mindsten, wo ich Frau und Koenigin. Mir kommt die Lust an, Wunder zu versuchen! Steh auf und sei gesund! sprech ich zu dir. Steh auf, und zwar zur Stelle! Jetzt! Ich will's! (Sie hat seine Schulter mit ihrer Hand beruehrt, Otto richtet sich empor, und sitzt mit aufgestuetzter Hand und vorhaengendem Haupte da.) O Jammerbild der selbstgeschaffnen Schwaeche! Wie schaem ich mich, dass du von meinem Blut! Wo gehst du hin? Was willst du? Otto (der aufgestanden ist und einige Schritte gemacht hat, die Stirne reibend). Wusst ich's doch! Ei ja! Koenigin. Wo willst du hin? Bleib, Otto, bleib! Du willst doch nicht ins Freie? Otto, sprich! Otto. Ich will! Koenigin. Die Luft ist rauh, der Abend kuehl, Du selber bist erhitzt. (Sie hat seine Hand gefasst.) O Gott, wie heiss! Ach, du bist krank, wahrhaftig krank! Mein Bruder!-- O bleib doch, bleib! Was willst, was kannst du wollen? Otto. So ruf denn selbst, und lass die Pferde holen. Koenigin. Wie? Otto. Meine Pferde, meine Diener auch! Koenigin. Wo willst du hin? Otto (aufrecht hinschreitend und Wams und Guertel ordnend). Will heim! Zu meinem Vater, Zu meinen Bruedern, meinen Schwestern allen, Die mein begehren, mir mit Liebe folgen; Zurueck in meiner Heimat Alpental. Was soll ich hier? Wo jedermann mich hasst, Wo jedes Wort rueckprallt vom stumpfen Hoerer; Wo meine Schwester selbst das Beispiel gibt, Mich zu erniedern. Koenigin. Ich? Otto. Ja du, nur du! Wer bin ich hier, und was an deinem Hof? Beschimpft nicht jedermann mich ungescheut? Tratst du dazwischen nicht am selben Abend, Wo ich die Toerin, die mir Hohn gesprochen, Antrat zu Widerruf und zu Erklaerung? Tratst du dazwischen nicht? Als sie es aussprach, Es aussprach, dass sie mich verachte!--Teufel! Verachtung?!--Grimm und Tod!--Verachten?--Mich? Koenigin (ihn anfassend). Zu Hilfe! Aerzte! Diener! Hoert denn niemand? (Der Arzt oeffnet die Tuer.) Otto. Lass! Ich bin stark wie der nemaeische Leu, Der Grimm staehlt meine Sehnen, statt Gesundheit. (Der Arzt zieht sich zurueck.) Ja, ich will fort. Du aber, danke Gott! Denn blieb' ich hier, in Mitte meiner Schar Durchzoeg' ich dies, dein Land, bis ich sie faende, Die Toerin faende, die mir Schmach getan. Aus ihres Hauses Flammen riss ich sie, Aus ihrer Waechter Mitte, vom Gebet, Und stellte sie vor mich hin. Da! Nun sprich, Wenn du es wagst: Warum du mich verachtest? Koenigin. Mein Bruder, hoere!--O wie schaem ich mich! Du hast wohl Fraun von hoehrer Art gekannt, Ich selber darf mich zaehlen unter solche. Hast Geist gekannt und Witz, des Umgangs Reize. Wie kann nun Leidenschaft fuer dieses Wesen, Kaum schoen, von schwachem Geist und duerft'gen Gaben, Halb toericht und halb stumpf, dich nach sich ziehn? Und unerhoert; denn sieh, ich weiss, mein Bruder: Sie denkt dein nicht. Otto. Wer spricht davon? Und doch! Weil sie nicht will, und weil sie's nicht verdient Will ich sie lieben, will mit jedem Reiz Erfinderisch sie schmuecken, mir zur Qual; Will wissen, ich, warum sie mich verschmaeht; Den Zauber kennen, den der ekle Tor Ausuebt, ihr Gatte, ueber sie; die Kraeuter, Die Sprueche, die ihm ihre Liebe bannen. Dann komme was da mag! Wer fraegt nach ihr? Lass, ich will fort! Koenigin. Mein Bruder, hoere! Geh nicht von mir, du meines Lebens Glueck! Lass mich allein nicht hier in dieser Wueste, Wo du der einz'ge bist, der einz'ge, der da lebt! Mein Ich, mein Selbst, mir teurer, als mein Selbst. Begehre, was du willst, nur bleib bei mir. Otto. Ich kann nicht bleiben, so beschimpft, entehrt. Koenigin. Man soll genug dir tun. Verweis, Erklaerung. Ich banne sie vom Hof! Otto. Was faellt dir ein? Glaubst du, mein Zuernen brauche fremder Hilfe? Doch eins! lass mich sie sprechen! Koenigin. Sprechen? Otto. Ja! Die Graefin, sie. In deinem Zimmer. Hier. Koenigin. Euch zu erheben, wollt Ihr mich erniedern? Vermittlerin ich zwischen Euch und ihr? Otto. Ich sagte dir: Von Lieb' ist nicht die Rede, Ob ich sie liebe, das ein andermal, Doch sprechen muss ich sie, und weigerst du's, So woll' auch nicht, was sonst unmoeglich ist. Koenigin. Mein Otto! Otto. Und du kannst es; wie so leicht! Du rufst sie her, und hinter jener Tuer (Auf die Tapetentuere zeigend.) Bist du ein Zeuge dessen, was geschieht. Nur Zeuge, Hoerer nicht; drei Schritte fern, Harrst du, bereit zu schneller Unterbrechung, Sobald der Zweisprach Wendung dir missfaellt, Sobald ein heftig Wort, ein Laut, ein Ruf, Dir anzuzeigen scheint, dass Trennung not. Du willst? Du tust's? (Zur Tuere hinausrufend.) Hollah! Koenigin. Vorerst nur noch-- (Ein Diener kommt.) Otto. Nicht ich. Die Koenigin verlangt nach dir. Koenigin (nach einer kleinen Pause). Ruft Graefin Erny her in dieses Zimmer. Otto. Noch eins! (Er spricht, mit dem Diener zur Tuere gehend, leise ihm ins Ohr. Diener ab.) Koenigin. Was ist? Otto. Ein Auftrag meinen Leuten, Dass wir nicht reisen, dass wir bleiben noch. Koenigin. Nun aber hoer! Ich weiss, was ich verletze, Wie sehr zu tadeln, dass ich mich gefuegt. Verdammlich ist die Liebe, meine Liebe, Die du missbrauchst, und doch so teuer mir. Nun aber zeige, dass du ihrer wert, Erspare einen Teil mir der Beschaemung, Indem du so dich nimmst, wie ich gehofft, Als ich mich fuegte deinen raschen Wuenschen. Gib mir dein Wort! Otto. Man kommt! Koenigin O Gott! Auf dir ruht nun mein Dasein, fahre mild! (Durch die Tapetentuere ab.) Otto. Auch ich will nur hinein in mein Versteck. Der Feind erkenn' erst spaeter die Gefahr. (Er tritt hinter den Vorhang, der sich schliesst.) Erny (kommt durch die Seitentuere). Es ward gesagt, die Koenigin sei hier. Wo ist sie denn? Das Zimmer ist ja leer; Kein andrer Ausgang auch, als wo ich kam. Horch! Hinter jenem Vorhang toent ein Rauschen, Vielleicht, dass dort! (Sie blickt hinter den Vorhang, ihn in der Mitte oeffnend. Waehrenddem tritt Herzog Otto leise von der rechten Seite hervor und bleibt an der Tuere stehen.) Auch hier kein lebend Wesen. Wer wohnt nur hier? Die Waende reich verziert; Ein Schlafgemach. Vielleicht wohl gar. O Gott! (Sie erblickt den Herzog und laesst die Vorhaenge fallen.) Otto. Erschreckt nicht, schoene Frau! Erny. Erschrak ich denn? Ich bin erstaunt, empoert, doch nicht erschrocken. Zur Koenigin berief man mich hierher. Otto. Es ist ihr Wunsch, dass Ihr sie hier erwartet. Erny. Da gilt kein Wunsch und selber kein Befehl! (Zum Gehen gewendet.) Otto. So hoert denn mich, mein Bitten, meinen Schmerz. Ich weiss, ich hab Euch schwer und tief beleidigt, Vor allem lasst Verzeihung mir erflehn. Erny. Wer alles sich erlaubt, und selbst verzeiht, Braucht der Verzeihung andrer und Erlaubnis? Otto. Der suessen Naehe Reiz berueckte mich. Der Locken Gold, der Wangen Rosenlicht, Die Stirn aus Elfenbein, der Augen blaue Himmel, Die ganze, lichthell glaenzende Gestalt-- Allein, was sprach ich, und was wollt' ich sprechen? Ich bin verwirrt, ich bitt Euch, seht mir nach! Erny. Als kleines Maedchen nannten sie mich eitel; Ich bin's nicht mehr. Otto. So viel der Himmelsgaben; Dazu noch der Gedanke, dass--ich weiss nun, Wie sehr ich irrte, damals aber glaubt' ich's-- Dass Euer Auge mit Zufriedenheit, Mit Wohlgefallen auf mir hafte. Jener Unsel'ge Druck der Hand, den ich beim Tanze Zu fuehlen glaubte; Haare, meine Haare, Die Ihr so guetig waret zu bemerken, Zu Euch zu nehmen.-- Erny. Auf dies eine hoert, Was ich zur Deutung-- Otto. O nicht doch! o schweigt! Lasst uns nicht mehr von diesen Traeumen sprechen, Ich weiss zu gut, wie sehr ich mich getaeuscht. Dies alles nun, und ueber alles andre, Das Euer Gatte--Graefin, Ihr verzeiht! Bancbanus ist, ich weiss, ein Ehrenmann, Wohlredenheit stroemt ueber seine Lippen, Ist geistreich, witzig, schnellgewandt im Rat. Sein Bart ist grau, allein in Ehren grau; Sein Saebel schlaegt die Fersen, wie ein andrer, Ein Ehrenmann, fuerwahr! Doch etwas--unschoen, Beinahe moecht' ich's lieber graesslich nennen, Allein, ich seh, Ihr seid nicht meiner Meinung! Wohlan, ich geb es zu! Der erste Eindruck Tut wohl das Schlimmste, und der Mann gewinnt, Zumal in einiger Entfernung. Aber Wenn auch nicht grau, und wenn nicht widrig auch; Was waer' er gegen diesen holden Umfang Von allem, was der Himmel reizend schuf? Als ich mit ihm zum erstenmal Euch sah, Da rief's in mir: verkehrt ist die Natur! Entspriesst dem Eis die Koenigin der Blumen? Gezwungen ist sie, oder ist betrogen; Des Ritters Pflicht, Gefangne zu befrein. Erny. Spart Eure Ritterpflicht auf groessre Not! Mit freier Wahl erkor ich meinen Gatten. Und wenn nicht jung und wenn nicht bluehend auch, Weit hoeher acht ich ihn, als-- Otto. Sprecht nicht weiter! Antwortet mehr nicht als man Euch gefragt. Beleidigen ist leicht, doch schwer versoehnen. Erny. Wir sind zu Ende, scheint's, und ich kann gehn. Otto. Noch nicht! Das Letzte fehlt, ist noch zu sagen. Dies Land, wo meine Schwester lebt und herrscht, Wo alles mich umringt mit Lust und Freuden, Durch die Ereignisse der letzten Zeit Ist's mir zum Greul geworden und zur Hoelle. Nach Deutschland kehr ich heim.--Ich seh, es freut Euch! Nun, um so lieber reis ich, macht's Euch Freude. Beim Scheiden nun goennt mir als letzten Trost-- Ihr koennt es leicht, denn bin ich fern, wie kann ich Je Vorteil ziehn aus Eurer Huld und Meinung.-- Goennt mir den Trost, dass Ihr Euch mein erinnert. Erny. Erinnern Eurer? Nie! Otto. Dass ich Euch voellig Gleichgueltig nicht. Erny. Gleichgueltig ganz und voellig. Otto. Ihr luegt!--Ihr taeuscht Euch, fuercht ich!--O ich weiss, Was Euch so strenge macht, so herb und kalt. Ihr haltet mich fuer schlimm. Ich bin's, ich war's! Geboren auf der ungluecksel'gen Hoehe, Wo man nicht Menschen kennt, nur Schmeichler, Sklaven; Emporgetragen von des Haufens Gunst, Aus Hand in Hand, ein Spielball fremder Neigung; Begabt mit manchem, was sonst Frauen lockt, Stuerzt' ich mich in des Lebens bunt Gewuehl. War ich nicht gut, ich konnte schlimmer sein; Gab boeses Beispiel ich, wer gab mir gutes? O waeret damals Ihr in Himmelsklarheit Hinabgestiegen in die Schauerhoehle, Wo ich, mit Molch und Natter spielend, lag; Ich haett's erkannt an Eurem reinen Licht, Waer' Euch gefolgt, waer' gluecklich nun und selig. Erny. Setzt Ihr's voraus, weil's nun unmoeglich ist? Otto. O nicht unmoeglich, jetzt noch moeglich, jetzt noch! Wenn Ihr nur wollt, wenn Ihr Euch nicht entzieht. Ich fordre ja nicht Liebe, Liebe nicht! Goennt mir nur Anteil, Neigung, Euer Aug' nur, Dass ich es fragen darf mit meinen Augen: War's also recht? wenn ich nicht schlimm getan. Ihr willigt ein? Ihr stosst mich nicht zurueck? Erny. Habt Ihr vergessen, dass Ihr reisen wolltet? Der Meister hat den Schueler gern um sich, Ich aber wuensch Euch fern. Otto. Verkennt Ihr denn Der Tugend schoenstes, weltbeglueckend Vorrecht, Wo sie geblueht, auch Samen auszustreun? Genuegt es denn der Sonne, dass sie Licht, Geht sie nicht auf, uns alle zu erleuchten? Wenn ihr dereinst am grossen Tage steht, Umgeben von den Engeln Eurer Taten Wollt Ihr dann nicht den Blick zurueckesenden Und sagen: dieser Mann ist auch mein Werk? Erny. Es hoert sich gut, doch handelt Ihr nicht so. Wer duerft' Euch trauen, wenn er wollte selbst? Otto. Ihr duerft. Ihr sollt! O dieser Augenblick Ist fruchtbar an Entwuerfen und an Taten! Gesteh ich's Euch! Als man Euch herbeschied War finster meine Brust, und Graessliches, Das Aeusserste bewegte sich in mir. Doch Euer Anblick bannte jene Schatten. Lernt mich erst kennen, achten wohl zuletzt! Des Leuchtturms Flamme seid dem irren Schiffer. Er sieht das Ufer nicht, von Nacht umfangen, Doch steuert er getrost dem Schimmer zu, Er weiss, dort wo das Licht, ist Land und Rettung. Ihr wollt? Ihr tut's? Gebt mir die Hand darauf. Die Hand, um die ich bitte--Eure Hand! Erny. Ha, was war das? Enthuellst du selber dich? Tilg erst den Schimmer dort aus deinem Auge, Der lauernd sich gelungner Plane freut. Wirbst du nach Tugend, und gehoerst der Suende? Otto. Der Suende nicht! Noch nicht! Noch ist es Zeit! Gib mir ein mildes Wort, und rette dich, Errette dich und mich. Erny. Ich, Milde dir? Ich hasse, ich verabscheue ich ver-- Otto. --- achte! Verachtung, war's nicht so?--Merkt Euch das Wort! Ihr spracht es einmal schon, an jenem Abend, Merkt Euch das Wort! Ihr steht dafuer mir Rede! Fahr aus, du guter Geist, der mich beschlich, Als ich sie bat, der fast mich uebermannt, Raeum deinen Platz dem Finstersten der Hoelle! Schwachsinnig Weib mit der erlognen Tugend, Die heilig moechte heissen, weil sie kalt, Du liebst mich nicht? Was frag ich um dein Lieben! Du hassest mich? Was kuemmert mich dein Hass! Doch weisst du, Toerin, was Verachtung heisst? Verachtest du mich, Weib? Das bitt mir ab, Auf diesen deinen Knieen bitt es ab, Sonst fuerchte meinen Zorn! Erny. O Gott! mein Gott! Wer rettet mich? Otto. Du selbst! wenn du dich fuegst. Allein, wenn nicht, dann Ungluecksel'ge! wisse: Verschwinden sollst du vom Gesicht der Erde, Dass sich die Leute fragen: ist sie tot? Indes du lebst in dunklen Schauerklueften, Umgeben von des Ortes Einsamkeiten, Wo nur Erinnerung und du. Dort sollst du jammern, sollst die Haende ringen, Wie einen Festtag zaehlen jeden Tag, Wo mich mein Fuss in deine Zelle traegt. Umsonst dein Flehn, umsonst selbst deine Liebe (Naeher tretend.) Wenn du mir Liebe boetest selbst. Erny. Ich dir? Ha, mein Gefuehl, ich hab es dir genannt. Otto. Du hast, es sei! (Er tritt hinter den Vorhang.) Erny. O Gott! Was wird? Er sinnt Gefaehrliches. Nur fort! Entfliehn! (Sie eilt zur Tuere, und versucht es, sie zu oeffnen.) Die Tuer verschlossen.--Gott, wer schloss die Tuer? Wer rettet mich? Sie kommen! Grosser Gott! (Der Vorhang fliegt auseinander. Herzog Otto tritt vor. Hinter ihm zwei Gewappnete, deren einer die Schnur des Vorhanges gezogen hat. Im Hintergrunde zeigt ein, aus seinem Rahmen geschobenes, grosses Bild den Eingang, durch den sie gekommen sind.) Otto. Ergreift dies Weib! Bringt sie nach Forchenstein, Auf den geheimen Pfaden, die ihr kennt. Erny (die wieder nach der linken Seite des Vorgrundes geflohen ist). Mein Prinz! Otto. Es ist zu spaet! (An der Tapetentuere wird gepocht.) Ha Schwester, du? Es ist zu spaet, sag ich nun auch zu dir! (Er dreht den Schluessel an der Tapetentuere.) Die Wuerfel liegen, und kein Schritt zurueck. Ergreift sie, sag ich euch! Erny. Ich aber: Weicht! (Sie hat den Dolch ergriffen, der auf dem Tische lag.) Du hilfreich Werkzeug, dich hat Gott gesendet! Glaubst du dich meiner Herr, und jauchzest drob? Wer mich beruehrt, den trifft dies scharfe Eisen. Ein zuernend Weib und eine Ungarin, Wer wagt's, und naht? (Sie tut einige Schritte ihnen entgegen, die Gewappneten halten ein.) Otto. Ha Feige! zittert ihr? Und habt doch Harnisch an? (Die Gewappneten gehen auf sie los.) Erny. Erbarmen!--Ha, Sie nahn, sie fassen mich! (Einer der Gewappneten hat sie ergriffen, sie reisst sich los.) Hier ist kein Harnisch! (Sie stoesst sich den Dolch in die Brust.) O weh!--Es schmerzt!--Muss ich so frueh schon sterben?-- Mein Blut!--Es schmerzt!-- (Sie sinkt zu Boden.--Herzog Otto entflieht nach dem Innern des Gemaches zu. Sobald gepocht wird, bleibt er erstarrt stehen, noch immer in der Stellung eines Fliehenden, den Ruecken gegen die Zuschauer gekehrt.) Koenigin (von innen an die Tapetentuere pochend). Macht auf! bei eurem Leben, oeffnet! (Einer der Gewappneten oeffnet die Tapetentuer. Koenigin tritt heraus.) Was ging hier vor? Um aller Heil'gen willen? Verruchter! Das mein Lohn und dein Versprechen? Sucht Hilfe, eilt! (Um die Tote beschaeftigt. An der Seitentuere rechts wird heftig geschlagen, verworrne Stimmen lassen sich hoeren.) Mein Gott! Was ist nun das? Peter (von aussen). Sie ging hinein, wir haben sie gesehn! Simon (ebenso). Sprengt auf die Tuere, oeffnen sie nicht willig. Koenigin (ihren Bruder an der Hand ergreifend und vorfuehrend). Unseliger, stell dich an meine Seite, Die Rasenden ergreifen, toeten dich. (Die Tuere wird eingesprengt. Bancbanus. Die Grafen Simon und Peter mit Dienern und Gewaffneten stuerzen herein.) Simon. Bancbanus, sieh! dort liegt dein Weib ermordet! Bancbanus. O Erny, o mein Kind, mein gutes, frommes Kind! (Kniet an der Leiche.) Peter. Ist keine Hilfe? Sendet Diener aus! Simon. Umsonst! getroffen ist der Sitz des Lebens, Kein Arzt, kein Gott gibt wieder sie zurueck. Nichts mehr fuer sie zu tun, als sie zu raechen! Dort ist der Moerder! Dieser hat's getan. (Auf Otto zeigend.) Heraus mein Schwert und freu dich auf ein Fest! Peter. Du grimmer Wolf, was tat dir dies mein Lamm? (Er zieht ebenfalls.) Simon. Auf ihn! Haut ihn in Stuecke! Stosst ihn nieder! Koenigin. Zurueck! Wer klagt hier an, und wer beweist? Peter. Liegt nicht das Opfer tot in seinem Blut? Simon. Steht nicht der Henker dort? Wer anders konnt' es? Koenigin. Wer anders? Ich! ich selber hab's getan. Sie hatte hoechlich sich an mir vergangen, Und also straft' ich sie. Wenn mein Gemahl Zurueckekehrt, steh ich dem Koenig Rede. Bis dahin--(Zu Otto.) Komm!--Und Ihr kennt Eure Pflicht! (Mit ihrem Bruder zum Abgehen gewendet. Die uebrigen stehen um die Leiche.) Vierter Aufzug Platz vor Bancbanus' Hause. Die Grafen Simon und Peter kommen mit Begleitung. Alle bewaffnet. Sie bleiben im Vorgrunde rechts stehen. Simon. Bancbanus nicht zu Hause?--Aber seht, Dort nahen sie, sie kommen vom Begraebnis. Was faellt ihm ein? Begraebt er seine Frau?-- Ein Bahrrecht soll uns werden. Blut'ges Bahrrecht! Er wird schon alt und kindisch, hoechste Not, Dass andre denken, handeln drum fuer ihn. (Zu Peter.) Sei ruhig, Bruder, dir soll Rache sein! (Zu einem Begleiter.) Du aber kehre zu den Unsern. Sag, Sie sollen jeden Ausgang streng bewachen, Der aus dem Schloss ins Freie fuehrt. Man will Den Moerder unserm Grimm entziehn, ihn heimlich Nach Deutschland senden; doch das soll, das darf nicht! Ich will dich zerren, blut'ger Wolf!--Geh nur! Und komm ich selbst, und haben wir nicht Antwort, So stuermen wir das Schloss! (Begleiter geht ab.--Im Hintergrunde kommt Bancbanus auf zwei Diener gestuetzt. Verwandte und Freunde hinter ihm, alle in Trauer. Sie gehen quer ueber die Buehne auf das Haus zu.) Er kommt. Peter. Und sieh wie bleich! Simon (ruft). Bancbanus! Bancbanus (anhaltend). Halt, wer ruft? Ah, du, mein Bruder? (Nach vorne kommend.) Wir haben dein entbehrt bei dem Geleit. Ich sandte zu dir, doch, du warst nicht heim. Simon. Nicht heim? Nicht heim? (Gegen seine Begleiter gewendet.) Wo war ich denn derweile? Bancbanus (zu den Leichengaesten). Euch andern Dank fuer diesen letzten Dienst, Den ihr erwiesen mir und meinem Weib. Zur sichern Ruhstatt brachten wir sie hin, Wo Gott sie hat, und hat sie ach! so lieb, Dass er sie nimmer laesst. O nimmer! Nie! (Mit erstickter Stimme.) Nun denn: dein Will' gescheh'!--Kehrt nun nach Haus, Und haltet ruhig euch und still. Denkt drum nicht schlimmer Von mir und von den Meinen. Wenn mein Weib sich Auch eines Fehltritts, wie es heisst, vermass, Fuer den man sie so hart, ach, gar so hart bestraft, Geschah's gewiss aus Uebereilung nur, Denn sie war ruschlich--o mein Weib! mein Weib! mein Weib!-- Was sie versehn, und wie sie sich vergangen, Ob man zu streng, zu hart an ihr getan, Es wird sich weisen, kehrt der Koenig wieder. Und das soll bald, gemeldet ward's ihm schon. Der nun wird sitzen mit dem Schwert des Rechts, Wer rein, wer schuldig, wird sein Wort entscheiden. Bis dahin haltet euch als ruh'ge Buerger, Und meines Danks versichert, lebet wohl! Simon. Halt noch! und du! Seid Ihr so zahm, so feig, Dass Ihr mit Traenen ehrt nur ihren Tod? Sie haette eines Fehltritts sich vermessen? Getoetet hat man sie, hat sie ermordet, Weil sie sich nicht gefuegt verbotner Lust. Bancbanus. Bist du der Richter hier in diesem Land? Der Alleswissende du ob den Sternen? Dass du so kuehn dein Urteil gibst fuer Recht? Simon. Ein Ungar bin ich, rufend um Gericht. Bancbanus. Es soll dir werden, kehrt der Richter heim. Simon. Dann ist der Schuld'ge fern, sie retten ihn. Bancbanus. Das soll man nicht! Simon. Sie wollen's und sie tun's! Bancbanus. So sehr denn lechzest du nach seinem Blut? Simon. Ich, ja! Bancbanus. Auch ich, gaeb's wieder mir mein Weib! Simon. So tret ich denn als ihr Verwandter auf, Und fordre Bahrrecht, Blutrach', und zur Stund'! Bancbanus. Ich bin der Naechste, dem man sie geraubt, Dem man sein Heil, dem man sein Glueck getoetet, Mein Kind, mein Weib, mein alles auf der Welt. Wenn nun nicht ich, wer ist so kuehn und redet? Hier steht noch einer, sieh, ihr Bruder hier, Allein er schweigt und starret auf den Grund. Komm, Peter komm! Wir wollen in mein Haus! Es ist um Zwielicht schon, wir setzen uns Dort, wo sie sass und sprach, und sagen uns, Wie lieb sie war und gut;--komm, Peter komm! Und weinen uns recht satt. Simon (Peter am Arme haltend). Nicht von der Stelle! (Zu Bancbanus.) So wisse denn, die Burg ist schon umringt. Auslieferung des Moerders fordern wir, Nicht ihn zu toeten, nur zu sichrer Haft. Wird nicht Gewaehrung uns zu dieser Stunde, So stuermen wir das Schloss. Bist du ein Mann, So nimm dein Schwert, und geh an unsrer Spitze. Bancbanus. Aufruehrer! ich mit euch? Ich bin der Mann des Friedens, Der Hueter ich der Ruh'.--Mich hat mein Koenig Geordnet seinen Frieden hier zu wahren; Ich in den Buergerkrieg mit euch? Fluch, Buergerkrieg! Fluch dir vor allen Fluechen! Aufruehrer, sieh, und so verhaft ich dich. Im Namen meines Koenigs, deines Herrn! Simon (ihn mit vorgestreckter Hand abhaltend). Schwachsinniger! Bewahrst du andrer Rechte, Und kannst die eignen nicht bewahren dir? So bleib denn, bleib! Das Ziel sei der Verachtung, Ein Spott fuer jeden, dem die Ehre lieb! Kein Tapfrer setze sich an deinen Tisch, Der Bettler weise dir zurueck die Gabe, Unheilig sei die Staette deines Grabs. Bewein dein Weib, ich aber will sie raechen! Ihr in der Trauer friedlichem Gepraenge, Nehmt Schild und Schwert, zeigt maennlich euer Leid! Bancbanus. Verwandte! Freunde! Haltet! Hoert mich erst! Simon. Wer denkt wie ich, der trete her zu mir! (Die Leidtragenden treten zu ihm ueber und nehmen Waffen.) Bancbanus. Bin ich allein fuer meines Koenigs Sache? Unglueckliche, vernehmt-- Simon. Schlagt Schild und Schwert zusammen, Hoert nicht, was er in seinem Wahnwitz spricht! (Sie schlagen unter lautem Ausruf ihre Waffen aneinander, indes Bancbanus fruchtlose Versuche zu sprechen macht.) Bancbanus. Ihr wollt nicht hoeren? Krieg denn wollt ihr? Habt ihn! Doch gegen euch mit meinem letzten Odem. Gebt mir mein Schwert! Mein Schwert!--Mein Schwert! (Er wendet sich wankend gegen seine Diener und sinkt endlich in ihren Armen zur Erde.) Simon. Lasst ihn, und ueberlasst ihn seiner Schwaeche! Die Zeit verrinnt. Folgt mir! Kommt mit aufs Schloss! Der Rache sei ihr Recht, dem Recht sei Rache! (Mit seinen Begleitern ab.--Pause.--Es wird allmaehlich, dunkler.) Bancbanus (richtet sich mit Hilfe seiner Diener vom Boden auf). Wo sind sie hin? Bringt mich ins Haus zurueck! Hol einen Mantel du. Du kannst ja rudern? Auch eine Blendlaterne bringe mir. Es wird schon dunkel. Fuehrt mich in mein Haus. (Sie bringen ihn ins Haus.) ------------------------------------------------------------------- Zimmer der Koenigin, mit einer Mittel-und zwei Seitentueren, von denen jene rechts nach dem Vorgrunde zu, die zur linken Seite aber gegen den Hintergrund angebracht ist. Rechts im Vorgrunde ein Tisch mit Lichtern, dabei ein Lehnstuhl. Hinter der Szene ertoent ein Schrei. Dann stuerzt die Koenigin aus der Seitentuere rechts. Herzog Otto hinter ihr, das Schwert in beiden Haenden gerade vor sich hinhaltend wie einer, der sich anschickt, zum zweiten Male auszuholen. Koenigin. Um Gottes willen! Bruder, was beginnst du? Otto. Ah, Schwester! so bist du's? Ich dachte, sie waer's, Die blasse Graefin, sie.--Nun, so ist's gut. (Will zurueck.) Koenigin. Ich bitt dich, bleib! Otto. Warum? Koenigin Ich bitte dich! Otto. Wart noch! (Er geht in das Zimmer zurueck.) Koenigin. Auch dieser Trost noch sollte fehlen! Otto (kommt zurueck, einen Gewappneten fuehrend). Hier stell dich an die Tuer, und siehst du? so Halt deinen Spiess. Wer irgend nun hereintritt, Und weiss das Merkwort nicht, den stoesst du nieder. Triff zweimal, oder dreimal, bis er tot. (Vorkommend.) Ich selber halte dies mein gutes Schwert, Ich hab's geschliffen-- (Es seiner Schwester hinhaltend.) Fuehl! (Er versucht selbst die Schneide.) Hui! Scharf, wie Gift! Das in der Hand, den Ruecken so gesichert-- (Er schiebt den Tisch nach rueckwaerts.) Der Tisch ist fuer den ersten Anfall gut. So will ich sitzen, und will wachsam sein. (Setzt sich.) Koenigin. Vergisst du denn? Otto. Nach Deutschland kehr ich heim. Sorgt ihr fuer euch! Was kuemmert's mich? Koenigin. Nach Deutschland? Und jeder Ausgang ist verwehrt, bewacht. Otto (seine Beine betrachtend). Ich will mir Schienen fert'gen lassen, dreifach Eisen, Und Panzerhosen von geprobtem Stahl. Der Stiefel schuetzt nicht g'nug. (Mit dem Schwert an den Fuss klopfend.) Es schmerzt wohl gar! (Er greift mit der Hand nach der getroffnen Stelle.) Koenigin. Mann! wenn du es noch bist--zum mindsten Mensch denn! Wahnsinnig mach mich nicht mit solchen Reden! Weisst du auch, wo du bist? Was dich umgibt? Von Poebelhaufen sind wir rings umlagert, Nach dir begehren sie, dich heischt ihr Grimm. Das Schloss ist schlecht verwahrt, der Unsern wenig; Geh du hinab, stell dich an ihre Spitze, Wend ab, was droht. Otto (aufspringend). Dass sie mich fangen? toeten? Pfui ueber allen Tod! Durch Schwert, durch Feuer, Durch Gift, durch Strick, durch Beil, pfui allem Tod! Ei, ich will leben, ich! (Er setzt sich wieder.) Koenigin. So lebe denn, Bis uns das Unheil allesamt verschlingt! Otto. Wo ist dein Sohn? Das ist ein wackrer Schuetz, Mit seiner kleinen Armbrust. Ruf ihn her! Er war zu Nacht bei meines Bettes Haeupten, Dort hielt er Wacht; und wenn die Graefin kam, Da spannt' er seinen Bogen, wie Cupido, Und schoss nach ihr den Pfeil. Sie duckte sich, Jetzt hier, jetzt dort! so war sie nicht mehr da. Wo ist dein Sohn? Mich draengt es, ihn zu sehn. (Der Schlosshauptmann.) Koenigin. Euch sendet Gott vom Himmel! Nun, mein Freund, Habt Ihr die Meuter angeredet? Geben Sie besserm Rat, sie ihrer Pflicht Gehoer? (Schlosshauptmann zuckt die Schultern.) So bleiben sie bei ihrer alten Fordrung? Schlosshauptmann. Sie haben einen hergesandt als Boten, Um Euer Gnaden ihr Begehr zu kuenden. Er harrt im Vorgemach. Doch bleibt's wohl fruchtlos, Denn sie bestehn-- Koenigin. Lasst ihn doch immer ein! Ein lebend Wort gilt hundert tote Zeilen, Und Hunderte von Gruenden samt Erweis. (Schlosshauptmann geht ab.) Nun, Bruder, aber geh auf dein Gemach, Sie sollen dich nicht sehn! Otto. Was faellt dir ein? Ich muss hier Wache halten! Wache! Wache! (Graf Peter kommt, vom Schlosshauptmann begleitet.) Koenigin. Nun Graf, als Kaemmrer uebt Ihr Euer Amt, Allein, nicht oeffnend, Ihr verschliesst die Tueren. Peter. Der Grund, warum wir Euch in Waffen nahn-- Koenigin. Ich weiss den Grund--vielmehr nur: ich errat ihn; Denn wissen, hiesse doch zugleich erklaeren, Dass er erkennbar aus Vernunft und Recht. Peter. Ein ungeheurer Frevel ist geschehn. Koenigin. Ein Unglueck, sprecht vielmehr! Peter (auf Otto zeigend). Der Taeter hier. Koenigin. Wer sagt's Euch? Peter. Es ist klar! Er sei bestraft! Auslieferung des Schuld'gen wird begehrt. Koenigin. Ausliefern ihn? Dass Ihr in seinem Blut-- Peter. Nicht ihn zu toeten, nur in sichre Haft. Otto. Der ist nicht klug! Nach Deutschland geh ich. (Er neigt den Kopf in die Lehne des Sessels zurueck.) Peter. Hoert Ihr? Koenigin. Wir werden uns verstaend'gen, seh ich wohl. Seid Ihr zufrieden, wenn ich Euch gelobe, Ihn selbst zu halten hier, ihn nicht zu lassen, Bis Euer Herr zurueckkehrt, und der meine? Peter. Verzeiht, wir traun Euch nicht! Koenigin. Verwegne, wagt Ihr's? Und wenn zurueck ich das Begehren weise? Peter. So stuermen wir--so stuermen sie das Schloss. Koenigin. Ich seh in Euren Augen, Graf, ein Etwas, Das eine mildre Meinung mir verbuergt. Peter. Hier ist von meiner Meinung nicht die Rede, Von meinem Auftrag nur. Koenigin. Nun denn, so wisst: Eh' ich den Bruder seinen Moerdern liefre, Begrab ich mich in dieses Schlosses Truemmern, Mich, Eures Koenigs Weib, mit mir sein Kind, Den Erben seines Throns. Wagt Ihr's und stuermt? Der Koenig wird so teure Pfaender raechen. Peter. Mit Recht. Doch nicht an uns, da Ihr sie toetet. Koenigin. Ist dies Eu'r letztes Wort? Peter. Das meine, ja; Doch nicht auch Euer letztes, hoff ich. Koenigin. Geht! (Graf Peter ab. Koenigin zum Schlosshauptmann.) Sagt ihm, wenn man--Begehrt zwei Stunden Aufschub, Bis dahin ueberlegt man-- (Schlosshauptmann ab. Koenigin steht erwartend an der Tuere. Schlosshauptmann kommt zurueck.) Nun? Schlosshauptmann. Er will nicht. Koenigin. Sei's denn! Geht in den Schlosshof. Ruestet Euch, Heisst alle wachsam sein. Versprecht Belohnung. Vor allen braucht die Leute meines Bruders. Wenn's angeht, kommt er, selbst. (Schlosshauptmann ab. Koenigin rasch zu Otto tretend.) Nun, Bruder, auf! Schlaefst du? Und waer' dein Schlummer Seligkeit, Ich kann dir's nicht ersparen. Auf! Die Waffen in die Hand! (Die Hand auf sein Haupt gelegt.) Otto (emporfahrend). Wer fasst mich an? (Mit abstreifenden Bewegungen ueber Arm und Koerper.) Sie fangen, toeten mich! Ha! Ketten, Bande, Stricke!-- Wer da?--Ha, Schwester du?--Und doch, und doch-- Dort regt sich's--dort, im Winkel--Meine Schwester? Bringt Lichter!--Dort im Winkel!--Gott! nur Licht! Licht, sag ich: Licht! Licht! Licht! (Kammerfrau aus der Seitentuere rechts, mit Licht.) Koenigin. Nur Fassung, Bruder! (Zur Kammerfrau.) Bleibt dort, dort an der Tuere mit dem Licht! (Zu Otto.) Sieh, es ist nichts. Otto (matt). O Schwester, meine Schwester! Nicht wahr, die Graefin war ein boeses Weib? Koenigin. Vielleicht! Otto. Sie hat's verdient! Koenigin. Wohl moeglich! Otto. Ach! Und ich hab's nicht getan, sie tat es selbst? Koenigin. Sei ruhig! Was geschehn, ist nicht zu aendern! Drum sammle dich, und lass uns weitersehn. Otto (von seiner Schwester unterstuetzt). Mein Innres ist betruebt, bis in den Tod! Schick fort nach deinem Sohn! Das Kind ist gut. Es hat mich diese Nacht bewacht, es soll's Auch jetzt. Geh, bitt dich, deinen Sohn! Koenigin (zur Kammerfrau). Bring ihm das Kind! (Kammerfrau geht in die Seitentuere rechts ab.) Du aber setz dich dort auf jenen Stuhl. Sei erst du selbst, das andre findet sich. (Entfernte Trompeten und Geschrei. Ein starker Schlag erschuettert das Schloss.) Ha, was ist das? (Kammerfrau kommt mit dem Kinde zurueck.) Kammerfrau. Ach, gnaed'ge Frau! Sie bringen Sturmboecke, Mauerbrecher an das Schloss. Koenigin. Kein Aufschub denn? Kammerfrau. Ich sah's beim Schein des Mondes, Sie stehn in Haufen. Hoertet Ihr den Schlag? (Aehnliches Getoese, wie oben.) Schon wieder! Gott und Herr, in deinen Schutz-- Otto. Die Mauern sind zu schwach, sie halten nicht. Ein Dutzend Stoesse, und sie stuerzen nieder. Kammerfrau. Erbarm dich unser, Herr! Otto. Am Tore rechts, Da steht ein Erker, vor ins Freie springend. Wenn den mit Schuetzen man besetzt und Schleudrern, So fassen sie des Feindes Seite, draengen Und treiben ihn zurueck. Koenigin. Wenn du's erkennst, Hinab, und ordn' es so! Otto. Was faellt dir ein? Ich geh nicht hin, ich bleibe hier bei euch! Habt ihr zu essen nicht? Mich hungert. Koenigin. Von aller Welt verlassen, und auch dies noch! In ihm vernichtet, der mein alles war! (Erneuerter Anprall und Kriegeslaerm.) Otto. Knie nieder, Knabe! falte deine Haende! (Zur Kammerfrau.) Du auch!--Ich hinter euch, mit meinem Schwert, Will stehn und wachen, ob euch Gott erhoert. Koenigin. Horch! Was dort fuer Geraeusch? Kammerfrau (die aufgestanden). Es kam von seitwaerts, Aus jenem Zimmer! (Auf die Seitentuere links zeigend.) Koenigin. Ist Verrat im Werk? (Man hoert Fenster klirren.) Kammerfrau. Sie ueberfallen uns. Koenigin. Wer da?--Man schweigt. Otto. Kniet nieder ihr, dies ist der letzte Tag! Koenigin (zu Otto). Gib mir dein Schwert! Ich will nur selber sehn. Wer dort? Freund oder Feind? Bancbanus (in einen braunen Mantel gehuellt, eine Blendlaterne in der Hand, kommt aus der Seitentuere links). Nicht Feind, nicht Freund! Ich bin's! Koenigin. Bancban! Otto (zum Knaben). Stell dich vor mich hin, Knabe! Sie wollen mir zu Leib! Bancbanus (auf die Kammerfrau zeigend). Heisst diese gehn! Koenigin. Fuehrt Ihr Verbotnes nicht im Sinn? Bancbanus. Ei ja! Koenigin. Margrete, geh! (Kammerfrau geht ab.) Wie nun? Bancbanus. Mir ist gelungen, Zu taeuschen Eurer Feinde Wachsamkeit, Auf kleinem Kahn den Graben zu durchsetzen, Der dort das Schloss umgibt. Wollt Ihr mir folgen? Ins Freie bring ich Euch auf gleichem Weg! Koenigin. Bancbanus, sprecht Ihr Wahrheit? Bancbanus. Zweifelt Ihr? Koenigin. Nach allem, was geschehn?--Mann! Ihr vergasst? Bancbanus. Nicht, dass mein Herr Euch meinem Schutz vertraut. Nehmt Euer Kind, und folgt! Koenigin. Mein Kind! und dieser? (Auf Otto zeigend.) Bancbanus. Dankt Gott, dass, als ich kam, ich seiner nicht gedacht! Nehmt Euer Kind und folgt! Koenigin. Bancbanus, hoere! Du rettest alle drei uns, oder keines. Mit ihm den Tod, mit ihm auch nur befreit. Bancbanus. Ich will nicht sehn, wer Euren Schritten folgt. Doch huet' er sich, wenn draussen wir im Freien. Koenigin. Komm, Bruder! komm! Otto (zum Kinde). Und du! Und hier mein Schwert! (Er fuehrt den Knaben. Alle gehen durch die Seitentuere links ab. Bancbanus schliesst.) Kammerfrau (stuerzt herein). Um Gottes willen, gnaed'ge Frau! O Rettung! Das Tor ist offen, Feinde ueberall! Wo sind sie? Gott! Wo flieh ich Aermste hin? (In die Seitentuere rechts ab.) Dunkles Gewoelbe. Im Hintergrunde ein offner Mauerbogen als Eingang. An der Seitenwand links ein aehnlicher kleinerer, zu einem schmalen Gange fuehrend. Gegenueber rechts, ein verschlossenes Pfoertchen. Bancbanus kommt mit einer Blendlaterne. Hinter ihm die Koenigin, dann Otto, den Knaben fuehrend, unter dem Arme einen zusammengefalteten weissen Mantel, in der Hand das blosse Schwert. Bancbanus (am Ausgange auf der linken Seite stehenbleibend). Hier ist die Tuer. Sie fuehrt durch einen Gang Nach aussen, bis zum Graben hin der Burg. Dort harrt sein Nachen-- Otto (zum Kinde herabgebeugt). Ich will rudern, schau! Bancbanus (zur Koenigin fortfahrend). Ein Faehrmann lenkt den Kahn, der also klein, Dass er nur zwei auf einmal bergen kann: Den Faehrmann selbst, und Eines je von Euch. Gefaellt's Euch, geht zuerst. Zurueckgekehrt, Nimmt Euer Kind der leichtgefuegte Nachen; Und laesst der Feind uns Zeit zur dritten Fahrt, So mag sich retten, wem's noch ferner noetig. Koenigin. Nicht so, Bancban! Soll ich dein Schiff besteigen, So rett es diesen erst. (Auf Otto zeigend.) Otto. Ja, mich zuerst! Bancbanus. Nicht eh' noch Euer Kind? Koenigin. Dies Kind beschuetzt Schuldlosigkeit mit lilienblankem Schwert, Doch diesen suchen sie, und er ist schuldig. Drum rett erst ihn, zum zweiten dieses Kind, Die dritte Fahrt der Schwester und der Mutter. Nimm, Otto, meinen Sohn! Folgt diesem Mann! Ich selber bleibe hier. Die dumpfe Luft, Der enge Raum benimmt, hemmt mir den Atem. Wenn mich die Reihe trifft zur naecht'gen Fahrt, So gebt ein Zeichen mir. Leb wohl, mein Sohn! Mein Bruder, lebe wohl! Nun fort, nur schnell! (Bancbanus mit der Laterne voraus in den Gang. Otto, der Mantel und Schwert weggeworfen, und den Knaben auf den Arm genommen hat, folgt. Koenigin, nachdem sie ihnen einen Augenblick nachgesehen hat, rasch nach hinten gewendet.) Ich hoerte Stimmen, und sie kommen, fuercht ich. Das Schloss ist ueber, wenn nicht alles taeuscht. Nur so viel Frist, o Gott! bis sie gerettet, Die Lieben beide! Komme dann, was will! (Am Mitteleingange stehend.) Ich hoerte recht. Die Stimmen nahen. Helle, Wie Fackelschein, waechst gleitend durch die Gaenge. Der Fusstritt naht. Stell ich den Meutern mich Als Koenigin entgegen und als Frau? Sie spotten mein, und tun ihr blut'ges Werk. Ergreif ich dieses Schwert, den Mantel hier, (Sie rafft beides vom Boden auf.) Und kaempf als Mann um meine suesse Beute? Zu schwach! O Gott! Kein einzelner genuegt! Drum dort hinein! Zu warnen, anzutreiben, Beschleun'gen ihre Flucht--O Gott, man kommt! (Sie wirft Schwert und Mantel wieder hin, und eilt fliehend in den Gang. In demselben Augenblicke treten die Grafen Simon und Peter, vom Hintergrunde her, auf; erst spaeter hinter ihnen Gewaffnete mit Fackeln.) Simon. Der Herzog war's! Dort liegt sein Schwert und Mantel. Wirf deinen Dolch! Peter (wirft seinen Dolch in der Richtung des Ganges. Ein gedaempfter Schrei wird gehoert). Gerechter Gott!--Mein Bruder! Das war des Herzogs Stimme nicht. Simon (vorkommend). Nur nach! Es soll sich zeigen bald, wer es gewesen! Dringt in den Gang, und folgt der Fluecht'gen Spur! (Einige gehen in den Gang.) Sie koennen nicht entrinnen, auch von aussen, Vom Graben her, ist bald der Gang besetzt. Mein reisig Volk verlegt den Ausgang dort. (Von denen, die in den Gang gedrungen sind, kommen einige zurueck mit Zeichen des Entsetzens.) Was ist? Ein Gewaffneter. Sie stirbt. Es ist die Koenigin! Simon. Willst du mein spotten? Peter. Seht! Bringt Hilfe! Schnell! (Koenigin erscheint blutend am Eingange. Sie macht eine abhaltende Bewegung, und sinkt dann tot nieder.) O all ihr Engel, die ihr Boeses abwehrt, Steht bei! Ich hab die Koenigin erschlagen! (Er eilt zur Leiche.) Simon. Hast du's gewollt? Und dann, weil's doch geschehn Weil uns der Teufel gaukelnd hier genarrt, Um desto heisser nach dem Doppelmoerder! Ihm nach, der sie auch toetete, auch sie! Lass jetzt die Klage, Bruder! Raech dich erst! Hier ist sein Weg. Ich schlacht ihn allen beiden. (Indem er sich anschickt, den Gang zu betreten, springt die Seitenpforte rechts auf, und Herzog Ottos Gefolge dringt bewaffnet herein.) Erster Edelmann (von Ottos Gefolge). Schuetzt euren Herrn! Fallt an die frechen Meuter! Simon (umkehrend). Du Herrenknecht! Nachtreter seiner Laster! Geh diesesmal voran, zeig ihm den Weg! (Er faellt ihn an. Gefecht.) Zweiter Edelmann. Draengt weh sie von der Pforte, ab vom Gang! Simon (fechtend). Rasch, Peter! Zieh dein Schwert, mach reine Bahn! Erster Edelmann. Dich sucht' ich, dich! Simon. Hier bin ich. Erster Edelmann. Stirb! Simon. Erst du! (Ein ungarischer Anfuehrer erscheint am Eingange des Hintergrundes. Die Kaempfenden teilen sich nach beiden Seiten. Das Gefecht ruht.) Ungarischer Anfuehrer. Steckt ein die Schwerter! Nutzlos euer Streit! Der Herzog ist entkommen; war am Ufer, Bevor die Unsern noch den Platz erreicht. Nun dringen Krieger herwaerts durch die Woelbung; Allein, zu spaet, der Herzog ist entwischt. Simon. Ist er entwischt? Nu du entkommst mir nicht. (Zum ersten Edelmann.) Zahl deines Herren Zeche, Suendenknecht! (Die Kaempfer mischen sich wieder. Erneutes Gefecht.) Erster Edelmann. Zieht euch zurueck! Simon. Zur Hoelle, ja! Erster Edelmann. Weh mir! (Er faellt. Die Anhaenger des Prinzen werden nach dem Hintergrund gedraengt. --Bancbanus kommt, den Knaben an der Hand, fliehend aus dem Gange. Bald hinter ihm dringen ungarische Krieger, auf demselben Wege, heraus, und mischen sich unter die im Hintergrund Kaempfenden.) Bancbanus (im Vorgrunde links). Der Ausgang ist besetzt, und kein Entrinnen. Man kaempft, man ficht. Wo berg ich meinen Schatz? Ei ja! duck dich, mein Herrlein! duck dich, Kind! Der Mantel da hat Raum fuer unser beide. Und ruehr dich nicht, und halt den Atem an. (Er legt sich zu dem Knaben am Boden hin, und zieht seinen dunkeln Mantel ueber ihn und sich.--Das Gefecht, wieder nach vorn kommend, dauert fort.) Fuenfter Aufzug Freie Gegend. Im Hintergrunde Huegel mit Aufgaengen von beiden Seiten. Bancbanus kommt auf einen Stab gestuetzt, den kleinen Bela an der Hand fuehrend, von der rechten Seite. Herzog Otto mit blossen Fuessen, unbedecktem Haupte, und zerrissnen Kleidern folgt ihm in einiger Entfernung. Bancbanus. Verfolgst du mich auf jedem meiner Schritte? Stiess ich nicht ein-und zweimal dich zurueck? Wie kamst du in das Laub, in meinen Weinberg? Wo triebst du dich herum in diesen Tagen? Ich dachte laengst, sie haetten dich gefunden, Geschlachtet, abgetan, wie du's verdienst. Ruehr mich nicht an, sonst brauch ich meinen Stock! Du Wolf, du Hund, du blut'ger Moerder du! (Zum Kinde.) Was weinst du Herrlein!--ja, dein Fuesslein blutet! Setz dich dorthin, und ruh ein wenig aus; Nur kurze Frist, so heisst es weitergehn, Die boesen Menschen sind uns auf der Ferse. (Er hat das Kind auf einen Stein gesetzt. Otto wirft sich vor dem Kleinen auf die Knie, dessen Fuesse streichelnd und an seine Brust drueckend.) Was aber nun beginnen? Grosser Gott! (Zu Otto.) Beruehrst du mir das Kind?--Ja so--Nu Herzog, Nehmt hier das Tuch, und trocknet ihm den Fuss, Und wo's geritzt, da drueckt mir fein gelinde! Du blut'ger Moerder, waer' ich alt und schwach nicht, Du solltest mir den Knaben nicht beruehren! Und dennoch, Mann des Unheils, schickt dich Gott! Lasst, Herzog, jetzt, und hoert mich sorglich an. (Otto, noch immer vor dem Knaben auf den Knien, wendet, auf die Fersen zurueckgesetzt, das Gesicht horchend nach Bancbanus.) Es gilt, das Kind den Meutern zu entziehn, Die nach ihm suchen. Ich nun selbst vermag's nicht, Denn muehsam nur schleppt sich der alte Fuss. Auch ruft die Pflicht mich nach der Stadt zurueck. Dort will ich noch zum letztenmal versuchen, Was Treue kann im Streit mit blinder Wut. Nimm du das Kind, und flieh! Wenn sie dich fangen, So bist du tot. Dir zwar geschaeh' dein Recht; Doch meines Herren Soehnlein muss ich hueten. Sorg also, dass du jenen Wald erreichst, Der quer sich hinzieht zu den weitsten Fernen. Dort harr, im Dickicht lauernd, meiner Botschaft. Und wenn sie dir nicht wird in dreien Tagen, So halte mich fuer tot, und rette dich; Vielmehr den Knaben rette, blut'ger Moerder! Sonst klag ich dich vor jenem Richter an, Wo schwarz du ohnehin bist, schwarz wie Kohle. (Otto ist aufgestanden und hat den Knaben angefasst.) Bleib noch, du Mann des Bluts! Hoert dies noch, Herzog! Rennt nicht in einem Lauf bis hin zum Walde. Der Raum ist gross, und leicht gewahrt man Euch. Sieh an den Rebenhuegeln hier und dort Die Haufen Reisig, nahbei wilde Rosen, Dort duck dich unter, bette dich in Dornen, Mach deinen Leib zum Pfuehl fuer dieses Kind. Erst, wenn du rings gelauscht, ob alles ruhig, Dann komm hervor, und flieh von Busch zu Busch, Bis euch der Wald umfaengt. Verstehst du, Moerder? Nun, Herzog, nehmt das Kind, und seht Euch vor. (Otto traegt das Kind auf den Armen. Bancbanus im Gehen.) Ich dacht' Euch mir schon viele Meilen weit! Dankt immer Gott, der Euch vergoennt ein Troepflein Von Gut zu tun in Euer Meer von Boesem. (Stehenbleibend.) Der Knabe traegt in seinen Taschen Brot, Das ruehrt nicht an. Das soll fuer ihn. Ihr selber Sucht Beeren Euch, und fehlen die, so hungert. Es ist Euch nuetz, wenn Ihr den Leib kasteit. Dort, Herzog, dort! (Er weist ihn auf den Huegel, der links in die Szene fuehrt.) Und seid Ihr auf der Hoehe, So lauft, was Ihr vermoegt. Man kommt!--Macht fort! (Ein Soldat tritt rechts im Vorgrunde auf, seinen Bogen spannend.) Soldat. Wer da? Halt! (Otto entflieht.) Bancbanus (am Fusse des Huegels, mit gehobenem Stocke drohend). Du, schiess nicht! Dein bisschen Leben Waer' viel zu arm als Preis fuer solchen Schuss! (Naeher zu ihm tretend.) Wer bist du? und wer hat dich hergestellt? Soldat. Die Vorwacht halt ich und--gebt Euch gefangen! Bancbanus. Gefangen, ich? Gib du dich selbst gefangen! Du Schelm! Die Vorwacht haeltst du? Und fuer wen? Fuer jene Meuter, Friedensstoerer?--Raeuber, Mein guter Schurke, stellen Kundschaft aus, Nicht Vorwacht, so wie ehrlich wackre Krieger. Vorwacht!--Wie heisst denn Euer Losungswort? Wirst du nicht reden? Schurke, kennst du mich? Ich bin Bancban, der Diener deines Herrn. Wie heisst die Losung?--Kehrt mein Koenig heim, So lass ich dich in hundert Stuecke schneiden. Wie heisst das Losungswort? Soldat. Ungarn und Ruhm! Bancbanus. Ungarn und Ruhm. Ein altes, wackres Paar! Ihr trenntet sie, doch nicht auf lange, hoff ich. Geh wieder nur auf deinen Platz und schweig! Vielleicht, dass diese Stunde dir noch frommt. (Er wendet sich nach dem Mittelgrunde rechts, um fortzugehen. Ein Hauptmann mit Soldaten tritt heraus.) Hauptmann. Wer da? Bancbanus (vor sich hin). Ei frag den Henker du! Hauptmann. Wer da? Bancbanus. Ungarn und Ruhm. Wenn's nur denn sein doch muss! Hauptmann. Bancbanus!--Herr, ich weiss nicht, darf ich Euch Einlassen nach der Stadt? Bancbanus. Indes Ihr zweifelt, Geh ich nur meines Wegs! (Graf Peter erscheint im Hintergrunde rechts, auf der Anhoehe mit Begleitung.) Peter. Bancban! Bancbanus. Noch einer? Das ist wohl gar eines Verraeters Stimme. (Hinaufblickend.) Lauf, Peter, lauf! Du kommst wohl noch ans Ziel. Pfui, ueber alle Schelmen! (Er geht.) Hauptmann. Soll ich, Herr! Zurueck ihn halten? Peter (der herabgekommen ist). Lass ihn! Dass er recht hat! Dass ich mir's selbst in meinem Innern sage! Ein Schurk' und ein Verraeter! Grosser Gott! Ein Moerder noch dazu.--O meine Haende! Hauptmann. Allein, der Herzog, lasst ihn uns verfolgen! Des Koenigs Sohn ist uns ein teures Pfand, Als Geisel wichtig, kehrt der Vater wieder. Peter. Tut, was Ihr wollt, nur lasst mich. Hauptmann. Seht, dort drueben, Dort laeuft ein Mann, er traegt, so scheint's, ein Kind. Der Herzog ist's. Man folgt ihm.--Jetzt und jetzt! Sie haben ihn! Noch nicht!--Eilt ihr hinauf, Verrennt ihm hier den Weg!--Nun aber--halt! Er springt.--Er sprang vom Felsen.--Walt' es Gott! Peter. Schnell hin, und seht und sorgt. Mein bestes Habe Dem, der mir sagt, sie blieben unverletzt. (Graf Simon kommt von der linken Seite.) Peter (ihm entgegen). Hast du gesehn? Simon. Du auch? Peter. Der Herzog stuerzte. Simon. Lass stuerzen! Anderes gibt's nun zu schauen. Der Koenig kommt. Peter. Der Koenig? Simon. Samt dem Heer! Ich sah im Tal schon ihre Speere blitzen. Bancbanus ist bei ihm. Peter. Bancban? Simon. So heisst's. Peter. Er ging nur eben nach der Stadt. Simon. Und du, Du liessest ihn? Peter. Warum? Simon. Dass uns sein Wort Die furchtsamen, die wankenden Gemueter Abwendet voellig, da der Koenig nah? (Zum Hauptmann.) Eilt Ihr zur Stadt, und trefft Ihr meinen Bruder, Bringt ihn zurueck, mit Guete, mit Gewalt. (Der Hauptmann geht ab.) Der Koenig also naht. Peter. Wir sind verloren. Simon. Bist du verloren? Ich, ich bin's noch nicht. Noch bleibt uns diese Stadt, im Lande mancher, Den gleiche Schuld auf gleichen Bahnen haelt. Der Koenig mag Verzeihung erst gewaehren, Dann oeffnen wir die Pforten, eher nicht, Und Krieg mag wueten, Krieg-- (Trompetenstoss von der linken Seite.) Peter. Horch! Simon. Seine Boten, Des Koenigs Boten. Bruder, Fassung nun! (Ein Befehlshaber des Koenigs tritt links auf. Vor ihm ein Trompeter.) Befehlshaber (zu einigen Kriegern, die auf der Seite seines Auftrittes stehen). Unglueckliche! Verblendete! Verlockte! Simon. Zu jenen nicht, zu mir mit Euren Worten! Sie folgen, wie zum Streit, mir zum Vergleich. Befehlshaber. Doch seh ich Reue hier, bei dir nur Trotz. Simon. Ich liebe, dass man vor der Tat erwaege, Nachher ertrage, was die Folge beut. Wen reut, was er getan, fehlt zweimal: Weil er's getan, und dann, weil's ihn gereut. Doch will ich wohl mich auf Bedingung geben, Ein neuer Umstand aendert den Verhalt. Ich zog das Schwert, weil man mir Recht verweigert, Spricht uns der Koenig Recht, so steck ich's ein. Fuers erste also: Strafe jener Tat, Die blutig lebt in jedes Manns Gedenken. Befehlshaber. Habt Ihr mit Blute Blut nicht aufgewogen? Und dann: heisst Euer Koenig der Gerechte Und hast du doch gezittert um dein Recht? Simon. Demnaechst Verzeihung, unbedingt und voellig, Fuer jeden, der das Schwert in unsrer Sache zog. Befehlshaber. Der Koenig aber fordert Unterwerfung, So unbedingt und voellig als das Wort. Wem zu verzeihn, wird seine Huld entscheiden. Simon. So wisse denn: Eh' feig wir uns ergeben, Und anders, denn auf billigen Vergleich, Eh' soll mein Haupt, wie dieser schlechte Filz (Er wirft seine Muetze auf den Boden.) Hinkollern auf den Boden, so gestossen; Eh' soll mein Schwert, (er zieht es) von meinem Blute nass, Zur Scheide haben dies mein Eingeweide, Einstuerzen jene Stadt mit ihren Zinnen, Vom Brande schwarz, von Hunger menschenleer Auf unser Haupt und auf der Unsern Haeupter;-- Eh' soll-- (Der Bancbanus nachgesendete Hauptmann ist zurueckgekehrt, und tritt jetzt zu Simon hin.) Hauptmann. Ach Herr, mein Herr! Simon. Wer stoert mich? Willst du sterben? Hauptmann. Ach, Wichtiges-- Simon. Was ist nun wichtig sonst? Hauptmann. Im Innern Eurer Stadt-- Simon. Sprich leise! Hauptmann. Bruetet Gaerung. Des Koenigs Ankunft, furchtsam Geruechte. Simon. Wo ist Bancban? Hauptmann. Die Euren haben ihn. Sie fingen ihn am Markt. Allein das Volk, Zu dem er rief, wogt tobend um ihn her, Und wehrt Ihr nicht, sie machen ihn noch frei. Simon. Er oder ich. Es gilt das Aeusserste. (Zu Peter.) Geh du mit diesem. Lass von ihm dir sagen. Bald folg ich selbst. Und eh' Bancban du losgibst, Hab ihn das Grab, dich, mich, uns alle! (Graf Peter geht mit dem Hauptmann ab. Simon zum Abgesandten.) Man meldet mir--und doch, wozu der Luege? Was auch geschehn, und was der Poebel meint, Der Entschluss bleibt der groessern, bessern Menge, Und der heisst Krieg, heisst Widerstand, wenn ihr Verzeihung nicht gewaehrt, vollguelt'ge Gnade. Befehlshaber. Dir Gnade mit dem Schwert. Simon. Nun denn, so habt's! (Zu den Seinen.) Zieht euch zurueck, und keiner trete vor, Und keiner spreche hier mit diesem Mann. Zurueck! Wer vorgeht, fuehlt mein scharfes Eisen. Ich will die Nachhut halten, und mein Saebel (zum Abgesandten) Soll dir den Abstand zeigen, der sich ziemt Fuer einen Boten, der du bist, der Schande. Nur fort, mit raschem Schritt.--Du bleib zurueck. (Die Aufruehrer ziehen sich nach der rechten Seite hin zurueck, Graf Simon der letzte, mit vorgehaltenem Saebel die Annaeherung des koeniglichen Befehlshabers abhaltend. Alle ab. Koenig Andreas tritt von der linken Seite auf mit Gefolge.) Koenig. O schmerzenvoller Anblick! Meine Kinder, Sie fliehn vor mir, sie fliehn vor ihrem Vater. (Im Hintergrunde schickt sich ein Haufe an, die Feinde zu verfolgen.) Halt ein! Zu viel! Schont eurer Brueder Blut! Bis alles erst versucht, das Letzte fruchtlos. Bin ich in meinem Land? Ist dies mein Volk? Wenn sonst ich heim aus fernen Kriegen kam, Wie draengte sich der Schwarm in meinen Weg, Mit Jubelruf, mit Dank--mit Freudentraenen; Und wessen Aug' des Koenigs Auge traf, Der war ein Gluecklicher, der Neid der andern. Nun schliessen sie das Tor, und von den Zinnen Blinkt Speer an Speer mir seinen trotz'gen Gruss. Hier war der Ort, da kam sie mir entgegen, Mit ihrem Sohn, mein Weib, mein teures Weib! Nun ist sie tot, und ungewisses Bangen Wird mir als Antwort, frag ich um den Sohn. Bancban, Bancban, wie hast du mich getaeuscht Um mein Vertraun, das ich auf dich gewendet! Und haben sie das Aergste dir getan; Ich dachte dich, den Mann, zu stehn dem Aergsten. (Er starrt vor sich hin.--Der Befehlshaber, der den Aufruehrern gefolgt ist, kommt zurueck. Die Umstehenden bedeuten ihn, auf den Koenig zeigend, sich stille zu halten.) Wer kommt? Was ist?--Hast den Rebellen du Mein Wort verkuendet? Befehlshaber. Ja, o Herr! Koenig. Wie nun? Befehlshaber. Sie weigern sich. Verzeihung fordern sie. Koenig. Verzeihung? Mit den Waffen in der Hand? Wer sie nicht ablegt, ist ein Mann des Todes. Ergebung fordr' ich, voll und unbedingt. Dann soll, wie Gottes Stimme in dem Garten, Die Gnade wandeln durch gebueckte Reihn, Nur zoegernd strafen, und, wie gern, verzeihn. Sie wollen nicht? Nun denn, so lasst sie muessen! Stellt die Ballisten auf, das Sturmzeug ordnet! Mit wiederholtem Stoss bedraengt die Stadt, Bis ihre Steine aechzen, Tuerme nicken, Und die Erweichung allgemach und endlich Sich fortpflanzt bis in ein Empoererherz. Wenn morgen hoch die Sonn' im Mittag steht, Will ausruhn ich im Innern jener Mauern.-- Was habt Ihr sonst erforscht? Befehlshaber. Es war nicht moeglich Mehr zu erkunden, denn man stand nicht Rede. Doch heisst es, dass im Innern ihrer Stadt Entzweiung herrsche. Auch, den Mauern nah Vernahm ich Laerm von Stimmen, welche stritten, Ja, selbst Geklirr von Waffen. Koenig. Und Bancbanus, Wo weilet er? Befehlshaber. Verschieden geht die Rede. Die einen nennen ihn gefangen, tot; Die andern lassen ihn, als Haupt des Aufruhrs, Sich stellen selbst an der Empoerer Spitze, Und glaublich scheint es fast, wenn man bedenkt-- Koenig. Ich aber sage: Nein! und zweimal: Nein! Bancbanus ein Verraeter? Schlimm genug, Wenn er nicht wehrte, wo die andern taten; Doch er Verraeter? Nun, dann bin ich's auch, Dann sind wir's alle. Nein, Bancbanus nicht! Befehlshaber. Befehlt Ihr sonst--? Koenig. Bereitet euch zum Angriff! Ist sonst noch jemand?--Wer sind diese hier? Zweiter Anfuehrer. Zwei Ritter vom Gefolge Herzog Ottos, Eu'r Gnaden Schwager, suchend ihren Herrn. Koenig. O heisst sie gehn, die fert'gen Schuldgenossen Von seiner lasterhaften Jugend. Fort! Wie graebt Erinnerung mit blut'gen Zuegen, Und zeigt, was ich versehn, wie ich gefehlt. Unsittlichkeit! Du allgefraess'ger Krebs, Du Wurm an alles Wohlseins tiefsten Wurzeln, Du Raupe an des Staates Lebensmark! Warum liess ich beim Scheiden dich zurueck? Warum zertrat ich nicht, verwies dich? Wie schlecht verwahrtes Feuer gingst du auf Und frassest all mein Haus, mein Heil, mein Glueck! Ich will nicht strafen, heisst sie kehren heim, Nie mehr dies Land entweihn mit ihrem Fuss. Zweiter Anfuehrer (der auf einen Huegel gestiegen ist). Ach Herr, mein Herr! Der Feind tut einen Ausfall. Koenig. Bist du nicht klug? Anfuehrer. Ich seh das Tor geoeffnet, Und Mann an Mann, mit Lanzen, Fackeln, Herr! Es gilt dem Sturmgeraet. Seht Ihr nicht vor, So stecken sie's in Brand. Koenig. Nun denn, es sei! Fuehrt sie ihr Unsinn selber ins Verderben. Anfuehrer. Noch immer fort. Ein endlos dichter Haufen. Die Vordersten verbirgt der Hohlweg schon; Doch stets erneut, stroemt's aus den offnen Pforten. Koenig. Bleibt Ihr zurueck! Mir widert's, die Verworrnen Dahinzuschlachten, ihrer Torheit Opfer. Ich will mich ihnen stellen, ich, ihr Koenig, Und wer es wagt, der mag mein Gegner sein! Bleibt Ihr zurueck, ich will's. (Er geht gegen den Hintergrund.) Doch ha! steht ihnen Die Hoelle bei mit ihren dunkeln Geistern? (Er kommt wieder nach vorne. Rechts, im Hintergrunde, tritt, von einigen Gewaffneten geleitet, ein Zug schwarzgekleideter Frauen auf.) Das sind die Weiber meiner hingeschiednen Frau. Ihr Toren, stachelt ihr noch auf die Rache? (Ein gleicher Zug schwarzgekleideter Personen kommt und geht, gleich den vorigen im Hintergrunde vorueber.) Noch mehr der Trauer? Wer sind diese da? Anfuehrer. Bancbanus' Farben traegt man ihnen vor. Auch seine Frau ward--Sie ist auch gestorben. Koenig. Ich weiss, ich weiss!--O himmlischer Vergelter! Kann ich nicht zuernen? und bin so verletzt! (Von einem zahlreichen Haufen Volks, jeden Geschlechts und Alters gefolgt, kommt Bancbanus. Zu seinen beiden Seiten, etwas nach rueckwaerts, gehen die Grafen Simon und Peter, ohne Waffen, Ketten an den Haenden. Graf Peter und alles Volk kniet.) Bancbanus. Knie nieder, Simon!--Simon, beug dein Knie! Es ist dein Herr, du kannst es ohne Schande. (Simon kniet nieder.) Mein koeniglicher Herr, und mein Gebieter! Wir nahen dir, die Buerger einer Stadt, Die ihrer Pflicht vergass zu diesen Stunden, Doch schnell zur Reu', und rasch zurueckgekehrt, Die Pforten oeffnet, in den Staub sich beugt. Zu deiner Gnad' und Ungnad' sich ergebend. Aus liefert auch die Haeupter der Empoerung, Hier, Grafen Simon, der mein Bruder war-- Nein, ist, noch immer ist, mein teurer Bruder, Und Grafen Peter, meiner armen Erny-- Den Bruder meines frueh verblichnen Weibs. Dich bittend auch-- (Naeher tretend.) Wir haben viel gelitten, Seit du nicht bei uns warst, mein Herr und Koenig. Dahingegangen sind der Lieben viele; Und eh' ich weiterrede, so erlaub, Dass ich, das Aug' gedrueckt an deine Knie, In Traenen derer denke, die gewesen. (Er faellt vor ihm nieder und umfasst seine Knie.) Koenig (nach einer Pause, zuruecktretend). Bancban, Bancban! Du ungetreuer Knecht! Wie hast du deines Herren Haus verwaltet? Bancbanus (der aufgestanden ist). Herr, gut und schlimm, wie's eben moeglich war. Koenig. Ich gab mein Land dir ruhig und in Frieden. Bancbanus. Nu, Herr! Beruhigt geb ich's Euch zurueck. Koenig. Wo ist mein Weib? Bancbanus. Dass Gott! die kehrte heim. Sie wollte sehn, wie's meinem Weib erging! Koenig (ihm naeher tretend und die Hand auf seine Schulter legend). So stehen wir als Witwer beide denn! Doch noch ein Punkt furchtbarer Aehnlichkeit! Du hattest nie ein Kind. Wo ist das meine? Bancban, wo ist mein Sohn? Bancbanus. Ich glaube, Herr Das Knaeblein ist gerettet. Koenig. Ha, du glaubst? du glaubst? Bancban, ich glaub, du bist ein Ehrenmann, Ich glaube, dass du treu an deinem Koenig haeltst, Ist's darum wahr? Bancbanus. Ich gab ihn, Herr, dem Mann, Der ihn naechst Gott am treuesten beschuetzt, Dem er das letzte Band an dieses Leben, Schutz vor Verzweiflung ist und Selbstverwerfung. Es hat ihn Euer Schwager von Meran, Der Moerder meines Weibs und Eures Weibes. Schon sandt' ich Boten und sie finden ihn An jenen Huegeln dort am Saum des Waldes. (Auf den Wink des Koenigs gehen einige.) Sei sicher, dass dein teures Knaeblein lebt. Doch bis sie wiederkehren, im Gefuehl Noch des Verlusts, die Vaterangst im Herzen, Wend ich dein Aug' nach jenen beiden hin. Sie haben auch das Teuerste verloren; Mit aehnlichem Gefuehl in ihrer Brust Umstanden sie die Leiche ihrer Schwester. Den ungestraften Trotz des Moerders sahn sie, Da wich der gute Geist von ihnen, und-- Sie taten, was nicht recht. Sei mild, o Herr! Koenig. Den Moerdern meines Weibs? Bancbanus. Sie waren's nicht; Der Zufall tat's, des hoechsten Gottes Bote. Koenig. Aufruehrer! Bancbanus. Nun, sieh hin, o Herr! Sie knien. Koenig. Und jetzt, da noch der blut'ge Zweifel schwebt! Ob nicht mein Weib nur, ob mir auch den Sohn Ihr Frevel stahl-- Bancbanus. Ach, jetzt, und eben jetzt! Sei ganz wie Gott, o Koenig! Straf den Willen, Und nicht die Tat, den launischen Erfolg. Nur kurze Frist, so hast du deinen Sohn, Schon sind gesendet jene, die ihn suchen. O raube nicht der Huld den schoensten Schmuck! Jetzt, mit der Vaterangst in deinem Herzen, Sei mild und guetig, dass auch Gott dir's sei. Lass in Verbannung sie ihr Leben enden; Befleck dich nicht mit Blut! Koenig. Du forderst viel; doch sei's! Und auf zu Gnaden nehm ich eure Stadt. Doch nun-- (Freudengeschrei in der Ferne.) Bancbanus. Hoerst du der Engel Chor! Beglueckter Vater, Sie bringen jubelnd dir den Sohn zurueck. Nie bringt ein Engel mir mein Weib. Beglueckter Vater, siehst du deinen Sohn? (Herzog Otto stuerzt herein, in der rechten Hand ein zerbrochenes Schwert, auf dem linken Arm den kleinen Bela tragend. Hinter ihm jubelnd Krieger und Landleute.) Otto. Bancban, sie rauben mir dein Kind! (In die Mitte der Buehne gekommen, erblickt er den Koenig. Er steht einen Augenblick still, dann faellt er, das Kind in den Armen, auf die Knie. Der Kleine laeuft zu seinem Vater. Herzog Otto liegt auf dem Angesicht am Boden.) Koenig. Mein Sohn! Mein wieder mir geborner, teurer Sohn! (Er haelt ihn in den Armen.) Bancbanus (auf der andern Seite). Nu, herzt euch satt, und ich muss trocken stehn. Kann nicht einmal den Mund an seinen legen. Koenig (den Knaben emporhaltend). Hier, euer Fuerst! Hier euer kuenft'ger Koenig! Verzeihung jedem, was er auch gefehlt; Des Frevels Haeuptern selbst, doch fern vom Lande. Saeh' uns mein Weib aus weit entlegnen Fernen, Sie winkte: Ja! nachtoenend: Ich verzeih! (Zum Gehen gewendet.) Bancbanus (auf Otto zeigend). Hier ist noch einer, der gar bitter harrt. Koenig. Steht, Herzog, auf! Steht auf vom Boden! (Otto steht auf.) Ihr habt ein kleines Gutes hier getan, Zu schwach, um zu vergelten so viel Boeses. Doch streck ich nicht die Hand als Richter aus, Wo Suende selber straft, braucht's da noch Strafe? Fuer meinen Teil entlass ich Euch der Schuld. Doch hier ist einer, dem Ihr mehr getan. Geht hin, und fragt ihn, was ihn mag versoehnen? (Otto zu Bancbanus gewendet.) Bancbanus. Du guter Moerder, gib mir deine Hand! Und doch--war sie es nicht, die meiner Erny-- Fort, Moerder, fort! und lass mich dich nicht schaun! Koenig. Er wendet sich von Euch. Lasst ab! Simon (vortretend). Und doch! Noch eins! Mein Koenig, und mein hoher Herr! Verzeiht, Wenn Euch ein Mann, der selbst dem Recht verfallen, Und kaum begnadigt, angeht um sein Recht; Doch ist's der Lohn fuer dieses Mannes Treue, Und unsers Hauses Ehre fordert's laut. Befehlt, dass Euer Schwager von Meran, Vor Euch, des Landes Herrn und hoechstem Richter, Mir Rede steh, antwortend, wenn befragt. Koenig. Ihr hoert, was man begehrt. Gebt Antwort denn! Simon (zu den Versammelten). Ihr aber lauscht, und zeugt vor allem Land! (Zu Otto, auf Graf Peter und Bancbanus zeigend.) Hat dieses Mannes Schwester, seine Frau, Euch Anlass je gegeben, Grund und Ursach', Sie zu verfolgen mit verbotner Werbung? Otto. Sie tat es nie. Simon. Hat sie sich sonst vergangen An Euch und Eurer Schwester, sonst und wie? So, dass ihr Tod die Strafe des Vergehens? Otto. Niemals. Bancbanus. O hoert Ihr's? Niemals! Nie! Ihr Innres weiss, so weiss als ihre Hand. Simon. Und wer vollbrachte jene Tat des Bluts! Wart Ihr's? Otto. Sie tat es selbst. Simon. Dir zu entgehn? Otto. So war's! Bancbanus. Mein Kind! Mein Kind! Lasst mich, ich will nach Hause! Koenig. Bancbanus, bleib!--Euch, Herzog, halt ich nicht! Kehrt heim, und merkt, wie man in diesem Land, Das Ihr verachtet einst, Beleid'gung raecht. Glimmt noch ein Funke einer bessern Glut In Eurer Brust, so facht ihn sorglich an, Und tilgt durch Reue, mildert Eure Schuld. Zieht hin, mit Gott! Kein Fluch sei ueber Euch! (Otto macht einen Schritt gegen den Koenig. Dieser zieht sich zurueck. Da beugt sich Otto tief, und geht, in der Mitte zweier Begleiter, die waehrend des Vorigen vorgetreten sind, und ihm von rueckwaerts einen dunkeln Mantel umgeworfen haben, ab.) Man geb' ihm das Geleit bis an die Grenze, Und sorge, dass kein Unfall ihn verletzt. (Zu Bancbanus.) Wie aber soll ich dir die Treue lohnen, Zum Teile nur vergelten, was du tatst, Was du erlittst im Dienste deines Herrn? Der Erste sei nach mir in meinem Reich, Dein Wort dem Worte deines Koenigs gleich, Und so ernenn ich dich-- Bancbanus. Halt ein, o Herr! Ich bin ein alter Mann, dem Tode reif; Lass ruhig sein mich harren!--Mich belohnen? Darf ich doch frei den Kummer wieder tragen, Die Trauer um mein Weib. Darf jeden ansehn, Die Antwort lesen, ach! in jedes Auge: Unschuldig war sie und gerecht. Ei Lohns genug! Der Glanz, womit du deinen Diener schmuecktest, Er hat als unheilvoll sich mir bewaehrt. Gebeut nicht, dass aufs neu ich Gott versuche! Mein Arm wird schwach, dies Haupt neigt sich zur Ruh'. Und so entkleid ich denn, mit deinem Urlaub, Mich all der Wuerden, Aemter und Gewalt, Die deine Huld an deinen Knecht verschwendet; Dich bittend, dass du gnaedig mir vergoennst, Auf meiner Vaeter Schloss, bei meinem Weib Bei meines Weibes Leiche still zu harren, Bis zwei der Leichen liegen in der Gruft. Wenn des dir Botschaft wird, und eine Traene, Wie jetzt, o Herr, in deinem Auge schimmert, Dann hat dein Diener fruchtlos nicht gelebt, Braucht andre Grabschrift nicht, noch gueldne Zeichen. Und wenn du ja in deinem hohen Sinn, Belohnung jetzt schon raetlich glaubst und gut, Ach so erlaub, dass jenes edle Kind, Fuer dessen Heil ich auch mein Schaerflein bot, Dass ich sein Haendlein drueck an meinen Mund, Mich Ueberzeugend, dass es lebt und atmet. (Kniet vor dem Kinde.) Glueck auf! Glueck auf! Du hohes Fuerstenkind, Bestimmt, dereinst zu herrschen hier im Lande! Ein alter Mann, der lang dann nicht mehr ist, Wenn du als Fuerst gebeutst in diesem Lande, Er heisst willkommen dich, und ruft dir zu: Sei mild, du Fuerstenkind, und sei gerecht! Auf dem Gerechten ruht des Herren Segen. Bezaehm dich selbst, nur wer sich selbst bezaehmt, Mag des Gesetzes scharfe Zuegel lenken. Lass dir den Menschen Mensch sein, und den Diener Acht als ein Spargut fuer die Zeit der Not. Gedenk als Mann der Zeit, da du ein Kind, Und hilflos lagst in eines Moerders Armen. Wie da der Aufruhr an die Pforten pochte Und jeder Rat und jede Hilfe fern; Da tat ein alter Mann, was er vermochte. I nu! Ein treuer Diener seines Herrn! (Er neigt sein Haupt auf die Hand des Knaben.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Ein treuer Diener seines Herrn, von Franz Grillparzer. End of the Project Gutenberg EBook of Ein treuer Diener seines Herrn by Franz Grillparzer *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN TREUER DIENER SEINES HERRN *** This file should be named 7trdn10.txt or 7trdn10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7trdn11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7trdn10a.txt Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau. Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. 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