Project Gutenberg's Koenig Ottokars Glueck und Ende, by Franz Grillparzer Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 8-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. KOeNIG OTTOKARS GLUeCK UND ENDE von FRANZ GRILLPARZER Trauerspiel in fuenf Aufzuegen Personen: Primislaus Ottokar, Koenig von Boehmen Margarethe von Oesterreich, Witwe Heinrichs von Hohenstaufen, seine Gemahlin Benesch von Diedicz, Milota und Zawisch, die Rosenberge Berta, Beneschs Tochter Braun von Olmuetz, des Koenigs Kanzler Bela, Koenig von Ungarn Kunigunde von Massovien, seine Enkelin Rudolf von Habsburg Albrecht und Rudolf, seine Soehne Friedrich Zollern, Burggraf von Nuernberg Heinrich von Lichtenstein und Berthold Schenk von Emerberg, Oesterreichische Ritter Der alte Merenberg, Friedrich Pettauer und Seyfried Merenberg, steirische Ritter Herbott von Fuellenstein Ortolf von Windischgraetz Ottokar von Hornek Merenbergs Frau Paltram Vatzo, Buergermeister von Wien Der Buergermeister von Prag Ein kaiserlicher Herold Der Kuester von Goetzendorf Der Kanzler des Erzbischofs von Mainz Elisabeth, Margarethens Kammerfrau Ein Kammerfraeulein Kunigundens Abgeordnete der deutschen Wahlversammlung Boehmische, oesterreichische, steirische, kaerntnerische Landesherren und Kriegsleute. Erster Aufzug Im Schlosse zu Prag. Vorzimmer der Koenigin. Rechts und links Seitentueren, deren erstere zu den innern Gemaechern fuehrt. Vor derselben, Wache haltend, Seyfried von Merenberg, auf seine Partisane gestuetzt. Frau Elisabeth mit einer andern Kammerfrau tritt aus dem Zimmer der Koenigin. Elisabeth. Lauf, Barbara! lauf schnell nach Meister Niklas! Die Koenigin scheint wohl, doch trau ich nicht. (Ein Diener ist gekommen.) Elisabeth. Hast du den Balsam? Gut, gib her, mein Freund! O ungluecksel'ger Tag! O arme Frau! (Der alte Merenberg kommt.) Merenberg. Wie geht's der Koenigin? Elisabeth. Verwunderlich! Doch tut sie sich Gewalt, das sieht man wohl. Merenberg. Wer ist bei ihr? Elisabeth. Der Graf von Habsburg, Herr! O dass ich das erleben muessen! (Ab ins Zimmer der Koenigin.) Merenberg. Sohn! Seyfried (der gedankenvoll, auf seine Hallbarte gestuetzt, dagestanden hat). Ihr, Vater? Merenberg. Hast du schon gehoert? Seyfried. Ja wohl! Merenberg. Und sagst dazu? Seyfried. Ich glaub's nicht, Vater! Merenberg. Wie? Seyfried. Nein, Vater! Und bin so ergrimmt darob, Dass ich den Luegnern mit der Hallbart hier Den Kopf einschlagen moechte, allgesamt. Merenberg (zuruecktretend). O weh, mein Sohn! schlag deinen Vater nicht! Denn ich glaub's auch. Seyfried. Ihr auch? Merenberg. Ich weiss, mein Sohn! Seyfried. Wie? so ein Herr, ein Ritter, so ein Koenig, Und taete schlimm an seinem eignen Wort, Die Frau verlassend, die ihm angetraut? Hab ich nicht knabenweis bei ihm gedient, Und war er mir ein Muster, Vorbild nicht Von jedem hohen Tun? Merenberg. 's wird keiner boes, Der nicht, bevor er's ward, erst gut gewesen! Seyfried. Und was ich Loeblichs tat und Gutes dachte, An ihn hielt ich's und an sein adlig Walten, Gar tief beschaemt ob des zu grossen Abstands. Er hat die letzte Zeit mich schwer gekraenkt, Ich durft' nicht mit ihm in die Ungarschlacht! Denn seht, er denkt wohl, dass ein alt Gefuehl Fuer Berta noch von Rosenberg--Ihr wisst ja!-- O haett' ich das aus seinem Leben fort, Den einz'gen Fleck, im andern steht er rein!-- Doch glaubt! sie haben ihn dazu verleitet, Die Rosenberg! Der Vater--pfui des Kupplers! Merenberg. Denk was du willst, nur eines halt fuer wahr: Die Koenigin muss fort, und sie und ihre Diener, Das Aergste haben sie, das Aeusserste zu scheun. Ich geh noch heute heim nach Merenberg, Auf meiner Vaeter Schloss, auch du musst fort! Seyfried. Wie, Vater? Merenberg. Du! dies toerichte Vertrauen Soll dich nicht selber an das Messer liefern. Du folgst mir nach, zum Schein; allein in Bruck Harrt dein ein treuer Knecht mit frischen Pferden, Und waehrend man dich bei dem Vater glaubt, Eilst du nach Deutschland auf verborgnen Pfaden. Die Koenigin will sich ans Reich nicht wenden Mit ihrer Not; ich aber will's, hilft Gott! Ich will nicht sehn die Tochter meines Herrn Von Haus und Land vertrieben, ohne Schutz. Du gehst nach Frankfurt, und dies Schreiben gibst du (Er oeffnet das Koller, in dem der Brief steckt) Dem Erzbischof von Mainz. Allein man koemmt, Wir sind bewacht, (indem er sich von ihm entfernt) Verschwiegenheit und Eile! Ein Tag zuviel ist dreissig Jahr zuwenig! (Benesch von Diedicz und Milota kommen.) Benesch. War nicht Herr Zawisch hier? Seyfried (indem er sich abwendet). Ich sah ihn nicht! Benesch. Er ritt doch nur ins Schloss! Milota. Sei ruhig, Bruder! Benesch. Was ruhig? Sieh, ich bin's! Der Koenig wagt's nicht! Heiss ich nicht Rosenberg? Ist unser Haus Im ganzen Lande nicht das maechtigste? Und er sollt's wagen? Solchen Schimpf? Ha, Possen! Doch soll's heraus, wer das Geruecht ersann; Ich will ihn treffen, so--und so--und so! Bis in das vierte Glied! (Berta von Diedicz kommt.) Benesch. Ha, Naerrin, du? Was willst du hier? Geh fort, auf dein Gemach! Berta. Ich kann nicht bleiben, rastlos treibt's mich um. Sie eilen durch das Schloss und fluestern sich Entsetzliches mit scheuen Blicken zu. Sagt, Vater, ist es wahr? Benesch. Das fragst du mich? Geh fort! von hier! Berta. O Gott! wo find ich Menschen? (Indem sie auf Seyfried losgeht, zurueckfahrend.) Ihr, Merenberg? Euch sollt' ich eher meiden, Vor allen Euch; und doch, Ihr seid ein Mensch! Ich hab Euch schwer beleidigt, Merenberg, Doch raecht Euch jetzt nicht, jetzt nicht! Seht mich knien. (Sie kniet.) Sagt, ist es wahr? Seyfried. Was, Berta? Berta. Ist es wahr? Des Koenigs Eh' getrennt! Seyfried. Der Vater sagt's. Berta. Die andern sagen's auch!--und er vermaehlt-- Zu spaete Scham, ist jetzo Zeit zu schaemen? Vermaehlt von neuem sich mit-- Seyfried (mitleidig). Nicht mit Berta Von Rosenberg! (Sie drueckt mit einem Ausruf ihr Gesicht an den Boden.) Benesch (zu Seyfried). Wer sagt's Euch?--Her zu mir! Milota (auf sie zugehend). Kommt, Nichte, kommt! Hier ist kein Platz fuer Euch! Berta. O Seyfried, schuetze mich! Seyfried. Mit Gunst, Herr Milota! Wenn Ihr es wagt, die Hand an sie zu legen, So stoss ich Euch die Partisan in Leib. (Die Hallbarte gesenkt.) Benesch. Und wenn ich selbst--! Seyfried. Mir gleich! Benesch. Verweigerst du dem Vater Sein Kind? Seyfried. O haettet Ihr sie doch verweigert, Sie laege jetzt nicht stoehnend vor uns da, Dass mir das Herz im Innern um sich wendet! Benesch. Wir haetten sie wohl dir vermaehlen sollen? Seyfried. 's war besser, Herr, als jetzo solche Schmach! Benesch. Mein Kind! Seyfried. Zurueck! Mir hat sie sich vertraut, Und ich weiss Anvertrautes zu bewahren! Benesch. So soll mein Schwert! Seyfried. Lasst sein! Du aber fuercht dich nicht! (Zawisch tritt ein und bleibt beim Eingange laut lachend stehen.) Zawisch. Ha, ha, ha, ha! Benesch (der sich rasch umgewendet hat, da er Zawisch erblickt). Bist du's? Dich sendet Gott! Zawisch. Was kaempft ihr denn, ihr hochgesinnten Jaeger, So wutentzuendet um des Baeren Fell? Herr Petz trabt wohlgemut durch Berg und Tal Und weist euch seinerzeit wohl noch die Pranken. Schoen Muehmchen, gruess Euch Gott! (Zu Seyfried.) Und Ihr, Herr Weidmann! Hebt Eure Feder und seht nicht so kraus; Ich bin kein Wild fuer Euch! Benesch. Nun sag, erzaehle! Milota. Ja, Neffe, sprich! Zawisch. Erzaehle! Sprich! Ei, was denn? Benesch. Der Koenig-- Zawisch. Hat die Ungarn derb geschlagen, Bei Kroissenbrunn; (gegen Milota) Ihr, Ohm, wart ja dabei! Benesch. Wer fragt um das? Zawisch. Der Friede ist gemacht: Auf Oesterreich-- Benesch. Nicht doch! Zawisch. Auf Steiermark-- Benesch. Willst du mein spotten? Zawisch. Nu, was wollt ihr denn? Benesch. Des Koenigs Ehe-- Zawisch. Ei, die ist getrennt! Benesch. Die Handfest ausgefertigt? Zawisch. Und besiegelt. Die Koenigin geht heute noch nach Wien. Von da-- Benesch. Und spricht man nicht?--Verdammt!--Mit wem-- (Gegen Berta hin.) Regst du dich noch?--Mit wem der Koenig?-- Zawisch. Ah! Mit wem er sich zum zweitenmal vermaehlt? Ei, mit wem anders denn, als dort mit jener, Mit Eurer Tochter? Ihr habt's schlau gekartet! Erst fuehrtet Ihr das Maedchen still ihm vor, Geschmueckt! man konnte kaum was Schoeners sehn! Dann halft der Armen Mangel Ihr an Witz Mit Euerm eignen nach. Was sie da Reden fuehrte! Die Koenigin von Saba kann nicht besser! Zuletzt--nu, was weiss ich, was alles noch! Kurz, er ist ganz berueckt, und gebt nur acht, Er kommt zur Stund' und freit um ihre Hand. Berta (aufspringend). Zu ihr, zu ihr! zu ihren Fuessen sterben! (Ab in der Koenigin Gemach.) Zawisch. Ha, ha, ha, ha! Merenberg. Herr Zawisch! Zawisch. Lustig! lustig! Wir wollen auf des Koenigs Hochzeit tanzen! (Zu Seyfried.) Ihr habt ja auch vordem um sie gefreit? Weiss Gott! ich glaub, einmal zu Nacht, bei Wein, Gefiel mir selbst ihr rot und weiss Gesicht! Nu, gebt mir Eure Hand, Herr Bundesbruder! (Seyfried wendet sich ab.) Milota. Wozu das tolle Wesen? Grad und kurz: Mit wem vermaehlt der Koenig sich? Zawisch. So kurz Als Eure Frage soll die Antwort sein! Mit Kunigunde von Massovien, Des Ungarkoenigs Nichte. Benesch. Gift und Pest! Zawisch. Ihr wolltet selbst des Koenigs Eh' getrennt, Habt jahrelang euch weidlich drum bemueht; Sie ist getrennt--und er freit Belas Nichte. Benesch (mit der Hand vor der Stirn). Verraten, hintergangen! Schaendlich, schaendlich! Zawisch. Pocht nicht so hart an der Gedanken Tor, Wenn's frueher schloss, macht jetzo doch nicht auf! Benesch. Jetzt spottest du, und hast es selbst gebilligt! Zawisch. Gebilligt, ich? den Unsinn, die Verruecktheit! Benesch. Ja, du, und du! Milota. Weil du Gewissheit vorgabst!-- Benesch. Bringt mir sie her, das Maedchen bringt mir her! Sie soll nicht leben! Sie und ich! Oh!--Oh! Seyfried (herueberrufend). Schmaeht Ihr das Maedchen? Schmaehet auf Euch selbst! Wer hiess Euch glauben, dass fuer Eure Tochter Des Koenigs, ihres eignen Koenigs Hand-- Zawisch. Das liess' sich allenfalls noch glauben, Herr! Ein Merenberg waer' toll, daecht' er an so was; Doch wir, die aus der Weltstadt Roma stammen, Von den Patriziern, die den Erdkreis beugten, Und, als Ursini, noch dem Throne stehn zunaechst, Auf dem Sankt Peters Macht ob Herrschern herrschet; Wir moegen wohl nach Fuerstenkronen trachten, Und eine Rosenberg mag kuehn und frei Dem Besten sich vermaehlen dieser Erde: Auch--ha, ha, ha, ha, ha! Milota (der sich gesetzt hat). Verdammt sein Lachen! Zawisch. Die Tochter rast, der Vater rauft sein Haar, Und wir beweisen unsern alten Adel! Und waer' er aelter als der Engel Fall, Der Koenig winkt, und knall! liegt er am Boden. Benesch. Doch eh' ich falle, Rache! (Milota anfassend.) Rache, Bruder! Milota (der aufsteht). Ich sann soeben und gedenk zu handeln! Zawisch. Regst du dich auch, vierschroet'ger Milota? Ei ja, da muss der Koenig nun wohl zittern! Benesch. Wenn du--wenn du dich unsrer Sach' entziehst, Bist du kein Rosenberg; ein Schurk'! Nicht wahr? Milota. So ist's! Zawisch. Ei ja! Wie fuehren wir's denn aus? Beim naechsten Kirchgang drueck dich an den Koenig Und tritt ihm auf den Fuss. Das schmerzt verzweifelt, Und so bist du geraecht! Benesch. Er spottet unser? Mein Kopf! Mein Kopf!--Er ist kein Rosenberg! Milota. Komm, Bruder, lass uns gehn! Wer lachen kann Bei seines Hauses Schmach, verdient-- Zawisch. Halt, Freund! Wer seid ihr denn, ihr beide, dass ihr schmaeht? Die ihr auf offner Strasse Racheplaene Zu tauben Waenden schreit und--offnen Ohren! Verschwoert euch auf dem Markt und treibt im Zimmer Aufruhr! Herr Merenberg, nicht wahr, das nenn' ich Leute? Der Rausch des Zorns ist wie ein andrer Rausch: Das beste Mittel ist die frische Luft. Drum fort ins Freie, meine werten Herrn! Brennt unser Haus und koennen wir nicht loeschen, So lasst uns wenigstens die Haende waermen. Der Koenig ist mein Herr, und damit holla! Milota (ihm naeher tretend). Fast glaub ich, Freund, du denkst mehr als du sprichst. Sag, wofuer haeltst du uns? Zawisch (laut). Fuer wackre Leute: Was man verschweigt, erratet ihr auch nicht; Errietet ihr's, ihr koenntet's nicht verschweigen! Es oeffnet sich die Tuer der Koenigin, Sie kommt, mit ihr der Grossalmosenier, Der Graf von Habsburg. Lasst uns gehn, Wir wollen sie nicht in der Hora stoeren. (Ziehn sich zurueck.) (Die Koenigin tritt aus ihrem Zimmer mit Rudolf von Habsburg. Hinter ihr zwei Diener, die Bertan ohnmaechtig in einem Lehnstuhl heraustragen. Daneben Frau Elisabeth, die sie unterstuetzt.) Margarethe (im Auftreten gegen die zurueckweichenden Rosenberge). Da gehn sie hin; wie dunkle Wetterwolken, Die, wenn sie sich entleert, nach Aufgang ziehn. (Gegen Berta gewendet.) Bringt sie in ihr Gemach und sorgt fuer sie, Nach wenig Augenblicken komm ich selbst. Rudolf. Beinah zu viele Sorgfalt, gnaed'ge Frau! (Berta, von Verwandten umgeben, wird fortgebracht; auch beide Merenberge entfernen sich.) Margarethe. Sie selbst ist kaum so schlimm, nur schwachen Geistes, Und toericht eitel, das hat sie verfuehrt. Doch ihre Vettern, ihre Anverwandten, Der starre Milota, der Geifrer Benesch, Und Zawisch, jener Schlimmste wohl von allen, Mit Reichtum, Macht und Hoffnung auf den Thron-- Ja, so weit ging der Uebermuet'gen Stolz-- Verlockten sie das leichtbetoerte Kind. Seit lange sah ich sie, die boesen Engel Des Koenigs, meines Herrn, verstohlen reissen An den nur allzuschwachen Banden, die Kaum Ottokarn noch fesselten an mich. Ich hoerte, wie sie seinen Wunsch nach Erben, Nach angebornen Folgern seines Throns, Mit heuchlerischem Mitleid listig naehrten.-- Ein Wunsch, gar wohl verzeihlich einem Koenig! Doch was soll Erbrecht, das aus Unrecht stammt? Sie waren es, die dieser Ehe Trennung Mit unermuedlicher Geschaeftigkeit Und ohne Auftrag fast des Koenigs trieben; Denn eine ihres Hauses hofften sie Zu setzen auf der Boehmen Herrscherthron: Die Arme, die jetzt mit dem Wahnsinn ringt! Wie oft war sie an Festen mir genueber, Mit Schmuck bedeckt, des Hofes Schwall um sie; Indes ich einsam sass mit meinem Gram. Der Koenig Augen nur fuer ihren Reiz Und Ohr fuer ihren Wunsch, des Mundes Draeun Zur Schmeichelei herabgestimmt fuer sie. Sie aber froh und stolz und ueberselig, Wohl gar veraechtlich blickend hin auf mich. Da fuehlt' ich Mitleid mit dem armen Opfer Und nahm mir vor, am Tage ihres Falls Ihr mild zu sein und hilfreich ihrem Unglueck. O Ottokar, wie viel nimmst du auf dich! Rudolf. Vergesst nicht ob der Unbild an der Fremden Der eignen, groessern Unbild, gnaed'ge Frau! Margarethe. O glaubt nicht, dass den Koenig ich entschuldige! Fern sei von mir, dass ich je Boeses lobe! Er handelt unrecht, unerlaubt an mir, Und sagen will ich's ihm, tret ich vor ihn. Bin ich nicht jung; ich hab es nie verhehlt! Hat Gram der Zuege Reiz mir ausgeloescht; Er sah mich ja, bevor er um mich warb! Vermisst er Munterkeit an mir und Scherz; Wer hiess den Muntern denn zur Freite gehn Bei der unsel'gen Koenigin der Traenen, Zum Grab gebeugt durch all der Ihren Tod? Seitdem mit diesen Augen ich gesehn, Im grausen Kerker von Apulien, Den roem'schen Koenig Heinrich, meinen Gatten, Des harten Friedrich allzu weichen Sohn, Von nahverwandten Haenden liegen tot, Und tot die beiden hoffnungsvollen Kleinen, Die ihm mein Schoss, seitdem verschlossen, trug; War Lust ein Fremdling dieser oeden Brust, Und Laecheln floh entsetzt von meinen Lippen, Die Gram und Schmerz mit seinem Siegel schloss. Was gibt man an als unsrer Trennung Grund? Den ersten weiss ich: ich bin kinderlos Und ohne Hoffnung, je ein Kind zu saeugen; Weil ich nicht will, weit mehr noch als nicht kann! Das wusste Ottokar, als er mich freite, Ich sagt' ihm's, und er nahm es fuer genehm; Denn auf mein reiches Erb' von Oesterreich War da sein Sinn gestellt und seines Vaters, Des laendersuecht'gen Koenig Wenzeslav. Was will der Koenig also? Kinder, Erben? Ein Bettlerkind saess' besser auf dem Thron, Als Koenigssoehne, die das Unrecht zeugte! Was gibt man weiter an, als fernern Grund? Rudolf. Verwandt seid Ihr in unerlaubtem Grad. Margarethe. Man hat in meiner Jugend mir erzaehlt Von einem Bela wohl und einem Geysa, Die Brueder waren, Toechter hatten und Nach Oesterreich und Boehmen sie vermaehlten In Vaeter Vaeterszeit. Der Koenig spottet! Es sind die Fuerstenhaeuser alle sich verwandt, Und solchen Grads Erlassung faellt nicht schwer. Auch hat man anfangs dessen nicht erwaehnt! Rudolf. Erinnrung kam mit der gelegnen Zeit! Margarethe. Glaubt nicht, dass mich bekuemmert, fortzugehn, Dass es mir leid tut um des Hofes Ehren! O koennt' ich jetzt, in diesem Augenblick, Weit hinter mir der Krone Glanz und Pracht, Nach Haimburg hin, in meiner Vaeter Schloss, Allwo ich sass nach meines Gatten Tod Und sein und meiner Kinder Fall beweinte! Der Koenig sende heute noch mich fort, Ich will ihm danken, wie ich nie gedankt! Doch soll er mir die Ehe nicht betasten, Beflecken nicht das Band, das uns vereint, Und so der juengstverflossnen Jahre Lauf Zum Greuel machen und zum Aergernis! Ich habe diese Krone nicht gesucht! Auf Haimburg sass ich, meines Grams gedenkend, Beinah dem allgemeinen Elend taub: Denn Brand und Raub verwuestete mein Land; Der Ungar hier, der Baier dort, der Boehme, Sie hausten mit dem Schwert in Oesterreich, Verderbend meiner Vaeter schoenes Erbe. Da tagten sie, die Herrn, zu Triebensee, Wie sie dem Wesen einen Vogt gewaennen, Und Boten sandten sie ins Meissnerland, Von dorther einen Fuersten sich zu holen, Konstanzias, der Babenbergrin, Sohn. Die Boten aber fing der Koenig auf, Der damals herrscht' in Boehmen, Wenzeslav, Der Listige; und liess nicht eher ab Mit Bitten, Drohn, Versprechen und Geschenken, Bis seinem Sohn, bis diesem Ottokar Der Herren Wahl, des Landes Herrschaft wurde. Der wollte, jener nicht; und neuer Krieg Durchflammte gluehnder meines Landes Fluren. Da traten zu mir hin, auf Haimburgs Schloss, Die Landesherrn und klagten ihre Not. Ein Mittel als das einz'ge nannten sie: Des Staerksten Recht durch meines zu verstaerken, Durch Ottokars Vermaehlung und die meine Mit Boehmen zu vereinen Oesterreich. Ich sagte: Nein! gedenkend meines Gatten, Der meine Treue mit sich nahm ins Grab. Da fuehrten sie mich auf des Schlosses Soeller Und zeigten mir das glutversengte Land, Die Felder nackt, die Huetten leer, die Menschen tot. Von Weibern, Kindern, Blutenden, Verletzten Sah ich mit Schaudern, heulend, mich umgeben, Zu mir um Rettung flehend, die's vermochte. Da wollt' ich alles und versprach es ihnen! Sie aber brachten Ottokarn zu mir, Mir ihn bezeichnend als den kuenft'gen Gatten. Mit schwarzem Aug' aus schwarzen Brauen blickend, Stand er in scheuer Ferne sinnend da-- Und mass, der Juengling, mich, die Alternde. Allein des Landes Not bei mir gedenkend, Trat ich zu ihm und sprach ihn freundlich an; Und so ward ich sein Weib. Ich hab ihn nie geliebt; Ich dachte nie, ob ich ihn lieben koennte: Doch sorgt' ich still fuer ihn, und wie ich sorgte, Fand ein Gefuehl sich mir im Innern ein, Das allen Schmerz der Liebe kennt, wenn auch Nichts von der Liebe Glueck. So war's mit uns. Nun urteilt, ob Entfernung mich erschreckt. Ja, ich will gehn, doch bleibt die Ehe fest, Nichts ward verletzt, was ihren Bruch begehrte. Rudolf. Von einem spricht man noch: dass Ihr zu Trier, Nach Eures Gatten, Koenig Heinrichs Tod, Nicht mehr Euch zu vermaehlen feierlich gelobt. Doch ist's Erdichtung wohl! Margarethe. Nein, das ist wahr! Es war kein feierlich Geluebd', kein solches, Das andre Bande kirchlich brechen koennte; Doch hab ich es gelobt--und haett' es halten sollen! Zu Trier lag ich im Gebet vor Gott, Und ew'ge Treu und ew'gen Witwenstand Gelobt' ich meinem Gatten, Koenig Heinrich. Nicht Manneshaende sollten je beruehren Den kleinsten Finger mir, des Kleides Saum, Und selbst ein Weib nicht meine Lippen kuessen, Die einst an Heinrichs teurem Mund geruht. Ja, ich gelobt's, und alles Unheil rief ich, Wenn ich's je braeche, nieder auf mein Haupt. Das Unheil, merk ich, tut, was seines Amtes. Nochmal, es war kein feierlich Geluebd'! Ich tat's nur mir und meines Heinrich Schatten! Doch war's Geluebd', ich haett' es halten sollen! Rudolf. Was, gnaed'ge Frau, soll ich dem Koenig melden? Margarethe. Wie rasch wir sind, an andern das zu tadeln, Was selber wir, wenn minder gleich, veruebt! Sagt Koenig Ottokar, Herr Graf von Habsburg: Das Ganze legt' ich ihm auf sein Gewissen, Was er entscheide, das sei mir genehm. Rudolf. Ihr willigt ein? Margarethe. Ich widerspreche nicht. Rudolf. Doch man verlangt zugleich, dass ab Ihr tretet, Das Land von Oesterreich und das von Steier, Der Babenberger Gut. Margarethe. Ich hab's getan. Rudolf. Doch war es Schenkung um der Ehe wegen, Der Ehe Trennung hebt die Schenkung auf. Margarethe. Ich will sie wiederholen. Rudolf. Auch bedenkt, Dass jene Lande Reicheslehen sind, Dem Reich erledigt und nicht Euch gehoerig. Margarethe. So weit mein Recht geht, geb ich es dahin. Sagt das dem Koenig, und zugleich: Er soll vor Unrecht sorglich sich bewahren; Denn auch das kleine raecht sich. So lebt wohl! (Trompeten und Laerm auf der Strasse.) Der alte Merenberg (tritt ein). Der Koenig kommt. Margarethe. Gerechter Gott!--Ich will Zu staerken mich versuchen durch Gebet. (Sie entlaesst die beiden durch eine Handbewegung und geht in ihr Gemach. Die andern auf der entgegengesetzten Seite ab.) ------------------------------------------------------------------------- Thronsaal mit gotischen Bogen und Saeulen. Der Thron an der zweiten Kulisse rechts. Im Vorgrunde zu beiden Seiten ein reichbedeckter Tisch mit einem Armstuhl. Kriegerische Musik, Trompetensignale und Volkszuruf von aussen. Boehmische Grosse und Krieger treten, vom Hintergrunde her, auf und stellen sich teils neben den Thron, teils gegenueber in Reihen. Links im Vorgrunde eine Deputation der Stadt Prag mit dem Buergermeister an der Spitze. Die Mitte des Hintergrundes nimmt eine tartarische Gesandtschaft ein, Der Kanzler (tritt auf). Der Koenig kommt! Alle. Hoch lebe Ottokar! Ottokar (tritt ganz geruestet, jedoch ohne Helm, vom Hintergrunde her rasch auf). Habt Dank, ihr Herrn! (Er bleibt vor den tartarischen Gesandten stehen, die auf die Kniee niedergefallen sind.) Wer sind die Leute da? Kanzler. Gesandte, Herr, des Khanes der Tartaren; Sie bringen Gruss und bieten Freundschaftsbund. Ottokar. Heisst sie nur aufstehn!--Hoert ihr? Auf vom Boden! Ein sonderbares Volk und sonderbar bewaffnet! Weist her den Saebel! (Er wiegt ihn in der Hand.) Viel zu krumm gebogen! (Er tut einen Hieb in die Luft.) Das nimmt dem Hieb die Kraft. Das muesst ihr aendern! Ein krummes Schwert mag angehn; doch der Kraftpunkt Soll mehr nach oben. Einer meiner Reiter Jagt euer zehn mit seinem breiten Schwert! (Er gibt den Saebel zurueck.) Und sonst die Ruestung! Wozu soll der Haarschopf Da oben auf dem Scheitel? Fuer den Feind wohl? Der fasst sich seinen Mann, zieht ihn vom Pferde Und wuergt ihn wie er mag. Waer' ich ihr Koenig, In einer Nacht liess ich sie alle scheren! Sie sollen gehn und morgen wiederkommen! (Die Tartaren ab.) Ottokar (im Vortreten). Nun, haben wir's euch recht gemacht, ihr Herrn? Vor Ungarn moegt ihr kuenftig ruhig schlafen; Wir haben sie gejagt.--Was gibt es sonst? (Die Deputation der Stadt Prag ist vorgetreten.) Ottokar. Wer seid ihr! Buergermeister. Rat und Buergermeister, Herr, Von Eurer vielgetreuen Pragerstadt. Ottokar. Was wollt ihr?--Ah!--Nur immer zu, ihr Herrn! Ich bin ermuedet, nehmt mir meine Waffen! (Er wirft sich in einen Lehnstuhl links im Vorgrunde. Zwei Diener sind beschaeftigt, ihn zu entwaffnen.) Buergermeister. Grossmaechtigster! Unueberwindlichster! Es drang zu uns die Fama deines Siegs, Und-- Ottokar. Fuellenstein! Fuellenstein. Hier bin ich, gnaed'ger Herr! (Tritt vor.) Ottokar. Wie hiess der Platz, wo wir die Ungarn jagten? Fuellenstein. Bei Kroissenbrunn. Ottokar. Hans Narr, da war das Lager! Glaubst du, ich weiss den Ort nicht, wo ich stand? Ich mein den Platz des letzten Reiterangriffs, Der ganz entschied. Fuellenstein. Man nennt den Ort Marchegg, Weil in die Ecke dort die March sich wendet. Ottokar. Marchegg, so soll man mir die Stadt auch nennen, Die ich dort baun will zu des Siegs Gedaechtnis! Marchegg soll sein der Markstein meines Gluecks, Von dort aus weiter; denn wer hielte mich? Und wer dort geht, noch in den fernsten Tagen, Der soll von Ottokar und seinem Streiten sagen! (Er ist aufgestanden, zu den Dienern.) Was zoegert ihr?--Ja so, du willst das Bein? (Er setzt sich wieder.) Herr Buergermeister, zieht dort an der Schiene! So geht's nicht! Fort! Wer wird so lange zoegern? (Er reisst selbst gewaltsam die Schiene ab und wirft sie mitten in den Saal.) Just in der Ecke dort der March, am Huegel jenseits, Sass Koenig Bela hoch auf seinem Stuhl, Und Heinrich Preussel stand dabei, ich sah's wohl, Der legt' ihm, wie der Knab' im Puppenspiel, Die Gegend aus und was sich drin begab Und wer die Kaempfer waren und so weiter. Zum Anfang ging's noch gut, doch als der Habsburg Auf eins hervorbrach mit den schweren Reitern Und alles floh, was ungrisch fluchen kann, Und in die March, dass ihre Zottelbaerte Wie Schilfgras aus gedaemmtem Wasser ragten-- Wo ist der Habsburg? Hei! beim reichen Gott, Er hielt sich wohl! Sonst ein gar stiller Mann, Doch wenn er angreift, wie der boese Teufel. Wo ist Graf Habsburg? Diener. Sollen wir ihn rufen? Ottokar. Lasst nur!--Als das der Ungarkoenig sah, Da braucht' er keines Dolmetsch weiter mehr. Mit beiden Haenden fuhr er sich ins Haar Und zog sich feindlich. Ei, dacht' ich mir, Herr, Spart Euch die Mueh', wir koennen das viel besser. Doch ist er Freund uns jetzt und Bundsgenoss, Da muss man Gutes nur und Liebes sprechen! Nun, seid ihr endlich fertig? (Er steht auf.) Hut und Mantel! Und wie steht's hier bei Euch, Herr Buergermeister? Habt Ihr indes getraeumt?--Der Hut da drueckt. (Da der Diener zoegert.) Zum Teufel, einen andern Hut!--Wie also? Die Mauer auf dem Wischehrad ist fertig? Buergermeister. Ja, gnaed'ger Herr! Ottokar. Die Moldaubruecke auch? Buergermeister. Nur gestern ward der letzte Stein gefuegt. Ottokar. Ja, weil ihr wusstet, dass ich heute kam! Den Deutschen, die ich sandte, Sachsen, Baiern, Ward schon die untre Vorstadt eingeraeumt? Buergermeister. Verzeihet-- Ottokar. Ist's geschehn? Buergermeister. Eu'r Hoheit-- Ottokar. Ja? Buergermeister. Noch nicht. Ottokar. Warum nicht? Gottes Feu'r! Warum nicht? Buergermeister. Wir wollten noch einmal Eu'r Hoheit angehn, Eh' wir vertrieben so viel treue Boehmen-- Ottokar. Vertrieben! Was vertrieben! Wollt' ich das? Sie sollten nach Chrudim, dort waren Aecker Und Baugrund ihnen dreifach angewiesen, Und dreifach alle Kosten der Versetzung. Doch aus der Vorstadt sollen sie heraus. Sie sollen, muessen! Muessen, Gottes Donner! Ich weiss wohl, was ihr moegt, ihr alten Boehmen: Gekauert sitzen in verjaehrtem Wust, Wo kaum das Licht durch blinde Scheiben dringt; Verzehren, was der vor'ge Tag gebracht, Und ernten, was der naechste soll verzehren, Am Sonntag Schmaus, am Kirmes plumpen Tanz, Fuer alles andre taub und blind; So moechtet ihr: ich aber mag nicht so! Wie den Ertrinkenden man fasst am Haar, Will ich euch fassen, wo's am meisten schmerzt; Den Deutschen will ich setzen euch in Pelz, Der soll euch kneipen, bis euch Schmerz und Aerger Aus eurer Dumpfheit wecken und ihr ausschlagt Wie ein gesporntes Pferd. Ihr denkt der Zeit, Da eure Fuersten sassen an dem Herd Und einen Kessel fuehrten in dem schnoeden Wappen; Ich bin kein solcher, straf mich Gott! (Man hat ihm den Mantel umgegeben.) Seht her! Der Mantel ward in Augsburg eingekauft. Das Gold, der Samt, die Stickerei, das Ganze, Koennt ihr das machen hier in eurem Land? Ihr sollt! bei Gott, ihr sollt! Ich will euch's lehnen-- Mit Koeln und Wien, mit Lunden und Paris Soll euer Prag hier stehn in einer Reihe! Die Laender, die euch herrisch sonst gehoehnt, Ich habe sie bezwungen mit dem Schwert: Der Ungar flieht, der Baierfuerst haelt Ruh', Und Oesterreich, die wackre Steiermark Und Portenau und Krain und Deutschlands Eger, Ich habe sie vereinigt meinem Reich. In alle Fernen trug ich Boehmens Namen, Aus allen Fernen toent zurueck sein Ruhm. Wie meine Vaeter konnt' ich ruhig schlafen, Euch lassen schlafen, so wie eure Vaeter; Fuer wen hab ich's getan? Fuer euch! Doch sollt ihr nach, des geb ich euch mein Wort! Hin auf des Berges Mitte stellt' ich euch, Und nun klimmt weiter oder brecht den Hals! (indem er sich abwendet.) Dass mir die Deutschen in die Vorstadt kommen. (Kanzler tritt ein und naehert sich dem Koenige.) Ottokar. Was ist? Kanzler. Die Koenigin, wie Ihr befahlt. Ottokar (wieder zu den Buergern gewendet). Auch das noch, das noch, seht, um euretwillen! Was einem jeden Mann das Teuerste, Die Ruh' im eignen Haus, hab ich gestoert, Um eure Ruh', um eurer Kinder Ruhe. Damit nach meinem Tod mein Reich nicht erblos, Mein Werk das Spiel nicht werde innern Zwists, Hab ich von Margarethen mich getrennt, Die keines Erbens Hoffnung mehr gewaehrt, Und neuer Bande Wechsel mich gefuegt. (Zur ganzen Versammlung sich gewendet.) Ja, ja, ihr Herrn, damit ihr's alle wisst: Zur Festigung des nur geschlossnen Friedens Hat Koenig Bela mir die Hand geboten Von Kunigunden, seinem Enkelkind, Des Herzogs von Massovien einz'gen Tochter. Da nun seit lang die Bischoefe des Reichs Mich warnten meiner Eh' mit Margarethen; Wie denn auch manches sonst dagegen spricht: Denn erstens ist sie alt und unfruchtbar, Kein Erbe laesst sich mehr von ihr erwarten; Dann ist sie mir verwandt in--was weiss ich, In welchem und wievieltem Grad, und endlich-- Allein wozu noch lange eins und zwei; Denn erstens, zweitens, drittens: bleibt's dabei! Die Koenigin wird kommen, Handfest unterzeichnen, Die Schenkung wiederholen ihrer Lande, Und des zu Zeugen seid ihr hier versammelt. (Er besteigt den Thron.) Der Kanzler (der seine Papiere auf demselben Tische ausgebreitet hat, an dem vorher der Koenig sass, tritt nun, mit einer Urkunde in der Hand, in die Mitte des Saales). Nun Ruh' in Ehrfurcht ist des Koenigs Wille! (Margarethe, in einen nachschleppenden Mantel gekleidet, die Krone auf dem Haupte, tritt, von Habsburg und Merenberg begleitet, von Frauen gefolgt, ganz im Vorgrunde links auf.) Kanzler. Erlauchte Frau und Koenigin Margrethe, Von Oestreich Herzogin und Steiermark, Des weiland roem'schen Koenigs Heinrich Witwe, Derzeit vermaehlt mit Boehmens hohem Herrn. Wer fuehrt das Wort in Eurer Gnaden Sache? Margarethe. Ich selbst! (Ablehnend zu Merenberg, der vorgetreten ist.) Lasst nur, Herr Merenberg!--Ich selbst! Allein will ich des Zornes Makel tragen Und reden, so wie leiden, ich allein! Kanzler. Ist Euch bekannt--? Margarethe. Ich weiss! Kanzler. Nun denn, mit Gott! Es hat ein heil'ger Send, zu Wien versammelt, Im Vorsitz Guido, Kardinal-Legats, Des Titels von Sankt Laurenz in Lucina, Zu Recht gesprochen ob dem Eheband, Das Euch verbunden unserm gnaed'gen Herrn; Und in Betracht, dass Ihr im vierten Grad, Durch Bela, Ungarns Koenig, und durch Geysa, Als leiblich naher Brueder Kindeskinder, Gedachten unserm gnaed'gen Herrn verwandt; In weiterm Anbetracht, wie vorgekommen, Dass Ihr nach Eures ersten Herren Tod, Des hochbelobten roem'schen Koenigs Heinrich, Euch nicht mehr zu vermaehlen ein Geluebd' Zu Trier getan, im Katharinenstift-- Margarethe. Es war kein feierlich Geluebd'! Ottokar. Hier steht's! Fahrt fort! Kanzler. Als hat-- (Trompeten von aussen.) Ottokar. Was ist? Ein Diener. Die Staende, Herr, Von Oesterreich sind in die Burg gezogen, Den Fuerstenhut des Landes bringen sie. Ottokar. Hierher! Sie kommen als gelegne Zeugen! (Die Staende von Oestreich, den Herzogshut auf einem Kissen vor sich hertragend, treten ein.) Heinrich von Lichtenstein (als Wortfuehrer). Es hat dein tapfres Schwert, erhabner Fuerst, Entschieden in dem Streit mit Ungarns Koenig, Wer Herr soll sein in unserm schoenen Land. Geendet ist der blutig schwere Zwist, Und leichten Herzens wiederholen wir Die Huld'gung, die erst jetzt in voller Kraft. (Zu Margarethen gewendet.) Vor allem aber dir, erlauchte Frau, Dem edlen Spross des alten Heldenstammes, Der ruhmvoll lang ob Oesterreich gebot-- Ottokar. Lasst das nur sein und stellt euch ruhig hin! Statt neuer Huld'gung denkt auf alte Treu' Und haltet's einmal, statt es zweimal zu versprechen! (Zum Kanzler.) Fahrt fort! Kanzler. Als haben sie zu Recht erkannt, Dass solches Buendnis laenger nicht bestehe, Erklaeren es fuer null und aufgehoben. Die Schenkung, die Ihr frueher habt gemacht An Euern Herrn mit Eures Stammes Erbe, Sie bleibt in Kraft, und Ihr seid aufgefodert, Sie noch einmal, der Form nach, zu bestaet'gen. Euch angewiesen wird, als Leibgeding, Die Stadt von Krems, das Polan rings um Horn Und Grevenberg von unsers Herren Gnade. Margarethe. Habt Ihr geendet? Kanzler. Ja, erlauchte Frau! Margarethe. Ich koennte manches noch entgegensetzen! Ottokar. Wozu? Es bleibt der Spruch in Kraft. Margarethe. Doch unterwerf ich mich! Ottokar (vom Throne steigend). Nun gut, was mehr? Margarethe. Und geh von hinnen, wie man es begehrt-- Ottokar (auf sie zugehend). Mich freut, dass ich Euch klug und billig finde; So hab ich Margarethen stets gekannt Und stets geachtet Euch als eine solche. Es ist ja nicht der Jugend wilder Kitzel, Der gaerend feur'ge Drang nach Neuerung, Was mich Euch meiden heisst; es ist mein Land, Das in mir Ehen schliesst und Ehen scheidet. So hoch ein Mensch mag seine Groesse setzen, So hoch hat Ottokar gesetzt die seine. In Boehmen herrsch ich, bin in Maehren maechtig; Zu Oestreich hab ich Steier mir erkaempft, Mein Oheim siecht, der Kaernten nach mir laesst. (Vertraulich und leiser.) Im nahen Ungarn hab ich meine Hand, Die Grossen sehn auf mich, die Missvergnuegten; Es will mir Schlesien wohl, und Polen schwankt, Wie sturmgepeitscht ein Schiff, in meinen Hafen. (Wieder lauter.) Vom Belt bis fern zum Adriat'schen Golf, Vom Inn bis zu der Weichsel kaltem Strand Ist niemand, der nicht Ottokarn gehorcht; Es hat die Welt seit Karol Magnus' Zeiten Kein Reich noch wie das meinige gesehn. Ja, Karol Magnus' Krone selbst, Sie duenkt mich nicht fuer dieses Haupt zu hoch. Nur eines fehlte noch; nur eins und--alles: Der Erbe, der's empfaengt aus meiner Hand. Den Giebel setz ich auf an meinem Bau; Margrethe, weiss ich, wird mir's nicht missgoennen. Margarethe. Ich goenn Euch alles, goenn Euch mehr als mir! Auch ist's mein Vorteil nicht, es ist der Eure, Was mich noch einmal warnend sprechen heisst. Geliebt es Euch, so folgt mir nebenan-- Ottokar. Sprecht immer hier; nur unter Koenigen Ist Ottokar der Koenig, nicht allein. Die hier gehorchen-- Margarethe (schnell). Doch wie lange, Herr? Das ist's, woran ich warnend mahnen wollte! (Naeher zu ihm tretend.) Die Laender all, das Erbe meines Hauses, Sie wurden Euch durch Margarethens Hand. Weiss Gott, ich scheide gern! Doch wie ich scheide, Schwingt wieder Aufruhr zischend seine Fackel, Und gegen Euch-- Ottokar. Seid Ihr 'ne Baeckersfrau, Die ihren Altknecht freit auf ihr Gewerb', Und fuerchtet Ihr, sie kommen, von der Stadt, Und nehmen mir's, sobald die Herrin fort? (Halb gegen die Staende gewendet.) Ich halte sie, seht Ihr? mit dieser Hand-- Sie sollen sich nur regen, wenn sie's wagen! Margarethe. Umringt seid Ihr mit Argen und Verraetern! Ottokar. Lehrt Ihr den Ottokar die Seinen kennen? Ich gehe meinen Gang, was hindert, faellt. Margarethe. Ihr steht am Abgrund, glaubt mir, Ottokar! (Wiederholte Trompetenstoesse.) Diener (kommt). Die Landesherrn von Steiermark sind unten Und bitten, dass du gnaediglich sie hoerst. Ottokar. Lasst sie herein!--Ihr seht wohl, Margarethe, Die Ungluecksprophezeiung trifft nicht ein! (Die Staende von Steiermark treten ein, den Herzogshut vor sich her auf einem Kissen.) Der Wortfuehrer (indem er vor Margarethen das Knie beugt). Erlauchte Frau! Margarethe (ablehnend). Nicht mir! Ottokar. Zu mir, mit Gunst! Der Koenig ist, der Koeniginnen macht! Schweigt immerhin, ich weiss schon, was ihr wollt. Ich hab eu'r Land den Ungarn abgestritten Und werd es wahren gegen jedermann; Auch gegen euch, wenn's irgend etwa not. Stellt euch nur hin und wartet ruhig ab. Im uebrigen betrachtet mich genau, Damit ein andermal ihr gleich beim Eingang wisst, Vor wem ihr habt zu knien. (Die Steirer stellen sich in eine Linie mit den Oestreichern, dem Throne gegenueber, die Traeger der Kronen voran.) Ottokar. Nun noch zum letzten! Habt Ihr die Handfest hier, Herr Kanzellar, Die Schenkungsurkund' von der Fuerstin Landen? Kanzler. Ich nicht; die gnaed'ge Frau. Ottokar. Habt Ihr sie, Margarethe? Margarethe. Im Schrein verschlossen meiner Hauskapelle Liegt sie verwahrt. Ottokar. Nun gut, ich sende drum! Margarethe. Noch hat kein menschlich Aug' des Schreines Inhalt, Den Schatz gesehn, den mir sein Schloss bewahrt. Bei meines Heinrich teurem Abbild liegt sie, Bei meiner beiden Kinder Totenhemd, Beim Schreckenspfeil, den an der Leitha Strand Man blutig zog aus meines Bruders Herzen. Erlaubt Ihr, geh ich selbst! Ottokar. Wie's Euch gefaellt. (Trompeten und Jubelgeschrei von aussen.)' Diener (kommt). Ach, gnaed'ger Herr! Ottokar. Was ist? (Die Landesherrn von Kaernten, Ritter und Bauern bunt gemengt, treten auf, den Herzogshut vor sich auf dem Kissen.) Ottokar. Wer sind die? Margarethe. Soll ich? Ottokar. Ich bitt Euch drum!--Ihr seht, ich bin beschaeftigt! Noch mehr der Kronen? (Margarethe geht ab.) Diener. Gnaed'ger Herr, der Koenig Von Ungarn reitet ein-- Ottokar (auf den Kronentraeger zugebend). Wer seid ihr, Leute? Wortfuehrer der Kaerntner. Der Herzog Kaerntens, Euer Gnaden Oheim-- Ottokar. Ist er gestorben? Kaerntner. Ja, erlaubter Herr, Und kraft des Erbvertrags mit Euer Gnaden Faellt Euch das Land, die Herzogskrone zu. Ottokar. Betrauern mag ihn, wer sein Land nicht erbt! Seid mir willkommen, meine wackern Kaerntner! Fuegt eure Krone dort zu jenen beiden Und lasst mich freun des koeniglichen Anblicks. (Die Kaerntner stellen sich in die Reihe der andern Staende). Ottokar. Man laermt ja noch! Was ist? Diener. Ich sagt' es ja! Der Koenig Ungarns, Herr, ist eingeritten. Mit ihm Gesandte von dem Reichsvereine, Den Doppeladler tragend vor sich her, Und alles ruft-- Von aussen. Heil Ottokar, dem deutschen Kaiser! Die im Saale. Heil Ottokar, dem deutschen Kaiser, Heil! Ottokar (im Vorgrunde). Nun Erde, steh mir fest! Du hast noch keinen Groesseren getragen! (Er eilt in den Hintergrund, dem Ungarkoenig entgegen.) (Indes tritt der alte Merenberg zum Schenk von Emerberg, der ganz im Vorgrunde links, der aeusserste unter den oestreichischen Staenden, steht.) Merenberg (leise). In dieses Tuch gewickelt ist ein Brief, Gib ihn an meinen Sohn, er weiss darum. Ich geh nach Merenberg. Und heiss ihn eilen! (Er laesst das Tuch mit dem Briefe fallen und entfernt sich. Emerberg hebt es auf.) (Der Koenig von Ungarn tritt auf mit Gefolge.) Ottokar (ihm entgegen). Erlauchter Herr, und Vater, will es Gott! Bela (zuruecktretend). Bevor ich rede, lasst erst diese sprechen! (Die Gesandtschaft des Reichstages tritt vor.) Erster Abgesandter. Des Heil'gen Roem'schen Reichs gemeine Fuersten, Zu Frankfurt auf der Kaiserwahl versammelt, Sie senden uns an dich, o Fuerst von Boehmen. Die Augen haben sie nach dir gewendet, Die einen Kaiser suchen fuer das Reich. Doch ziemt uns nicht, als Herren den zu waehlen, Der unsre Wahl wohl gar zurueckeweist: Drum sollen wir dich fragen, hoher Herr, Ob, wenn der Wahltag dir die Krone beut, Dem Reiche du dich unterziehen werdest? Verweigr' es nicht! es geht ein alter Spruch: Des Reiches Adler werde Ruh' erst finden Im Nest des Loewen; wohl, grossmuet'ger Loewe, (er ergreift ein Schild mit dem Sinnbilde des Loewen, das an den Stufen des Thrones lehnt, und hebt es in die Hoehe) Nimm auf den Adler, der verloren fleugt, Und schirm ihn stark gen alle seine Feinde! Ottokar. Ha, was ist das? Wer hat mir das getan? Das ist der weisse Loewe nicht von Boehmen! Der Loew' ist rot! Rudolf von Habsburg (der zur Seite des Thrones rechts im Vorgrunde gestanden hat, vortretend). 's ist Habsburgs Loewe, Herr! Der Schild ist mein! Ich legt' ihn, kommend, ab. Ein zweiter der Abgesandten. Ihr seid der Graf von Habsburg? Rudolf. Ja, der bin ich! Zweiter Abgesandter. In Boehmen hier? Rudolf. Vom Kreuzzug kehr ich heim. Ottokar. Genug!--Ihr harret, mein Herr Abgesandter, Bis man Euch wieder ruft! (Zum Koenig Bela gewandt.) Mein edler Fuerst! Nun ruft die Pflicht mich doppelt her zu Euch! Bela. Zuerst stell ich Euch meine Kinder vor. Hier Ladislaus, der Erbe meines Throns, Und hier ein anderer. Ottokar. Hat Koenig Bela Der Enkelsoehne mehr? Bela. Ihr argwohnt nicht? Man weiset dich zurueck! Kunigunde. Und doch war ich's, Die Euch am meisten wuenschte zu gefallen! Nehmt Ihr mich unter Eure Krieger auf? (Sie wirft den Reitermantel und ungarischen Kalpak weg und steht als Weib gekleidet da.) Zawisch (der auf der linken Seite des Saales, nicht weit von ihr steht, laut). O schoener Krieger! Kunigunde (umgewendet). Ha, wer spricht? Ottokar (zornig). Wer sprach? Zawisch (gleichfalls umsehend). Von dorther schien's, vom Winkel her zu toenen! Kunigunde (rasch). Ihr wart's--wohl nicht. Ihr wuerdet nicht so frech, Da ich so nahe stand, mir sonst es leugnen! Mein Koenig, Ihr verzeiht die Ueberraschung. Sie wollten erst mich vor den Toren lassen, Doch trieb's mich, hier zu sein, und also kam ich. Rudolf (der sich wieder in den Vorgrund rechts gestellt hat). Der ruecksichtslosen, rohen Uebereilung! (Die Koenigin Margarethe kommt mit Schriften.) Ottokar (mit einer Bewegung gegen sie hin). Jetzt ist nicht Zeit! Margarethe (sich am Sessel haltend). O Gott! Wer bringt mich fort! Merenberg (vortretend). Der Koenigin zu Hilf'! Ottokar. Wer rief Euch, Herr? Wer hiess Euch weichen dort von Eurem Platz? Ihr habt Euch einmal unnuetz schon gemacht! Dorthin! (Merenberg tritt zurueck.) Margarethe (schwach). Nur fort!--Nimmt sich denn niemand an? Rudolf von Habsburg. Hier ist mein Arm, erlauchte Koenigin! Stets war bei Habsburg der Gekraenkten Schirm. Ottokar. Und wer hat's Euch geheissen? Rudolf. Kennt ein Heissen, Wer kein Verbieten kennt? Ottokar. Ihr seid, vergesst's nicht, In meinem Land! Rudolf. Nicht laenger, als ich will! Als freier Krieger focht ich Eure Schlachten, Um Lohn nicht, und den Dank selbst schenk ich Euch! Ich bin nicht Euer Mann. Ottokar. Nicht von der Stelle, Bis der entschieden, dem Entscheidung ziemt! Der zweite der Abgesandten (tritt vor). So will denn ich hier diese Fuerstin schirmen! Der Kanzler ich des Erzbischofs von Mainz, Von ihm der Wahlgesandtschaft beigesellt, Damit ich hoere, wo die andern reden. Erkennt Ihr mich, Graf Habsburg? Rudolf. Nein, fuerwahr. Zweiter Abgesandter. Gabt Ihr nicht einst im Walde nah bei Basel Dem Priester, der das Allerheil'ge trug Zu eines Kranken Trost und, aufgehalten Vom wuet'gen Strom der Aar, am Ufer irrte, Das eigne Pferd, die Flut drauf zu durchsetzen? Rudolf. Und dieser Priester--? Abgesandter. Habt nicht spaeter dann Den Erzbischof von Mainz Ihr treu geleitet Durch feindlich Land, durch Krieg und Brand und Tod, Als er nach Rom zog zu dem Heil'gen Vater? Des Bischofs Sekretaer, auf sein Geheiss, War oft Euch nah und prueft' Euch im Gespraech; Vermoechtet Ihr ihn nicht mehr zu erkennen? Rudolf. Seid Ihr's? Abgesandter (zur Versammlung gewendet). Fuer diese Frau, als Reichesfuerstin, Begehr ich frei und offenes Geleit. Herr Graf von Habsburg, gebt ihr Euren Arm, Wir wollen sie zur sichern Ruhstatt fuehren! Im Namen denn des Heil'gen Roem'schen Reichs, Gebt Raum der Herzogin von Oesterreich! (Fuehrt mit Rudolfen die Koenigin Margarethe ab.) Ottokar. Bin ich eu'r Kaiser, sollt ihr anders sprechen! Der erste der Gesandtschaft. Geliebt's Euch, Herr, uns Antwort zu erteilen? Zawisch (sich vordraengend). Raubt ihr uns unsern Koenig, unsern Herrn? Ist er nicht maechtig? was bedarf er euer? Wie Gott im Himmel, herrschet er auf Erden; Nur Sorgen und nicht Nutzen schafft das Reich, Lasst ihn und bietet Deutschen eure Gaben! Ihr gebt nur, weil ihr braucht! Lasst unsern Herrn! Ottokar. Er spricht zum Teil ganz gut, Herr Abgesandter. Gar viel ist abzustellen in dem Reich, Gar mancher Trotz zu beugen und zu strafen; Ich seh wohl, euer Herr war euer Knecht. Ich bin ein reicher Fuerst von Boehmen, Gott verhuete, Dass ich ein armer Kaiser wollte sein. Doch moegt Ihr harren, ob es uns gefaellt, Vielleicht Euch guenst'gre Antwort zu erteilen. (Zu Kunigunden gewendet.) Nun bin ich Euer, ganz mit Seel und Leib. Zawisch. Es lebe Ottokar! (Unter Trompetengetoen.) Zuruf von allen Seiten. Von Boehmen Koenig! Herzog von Oestreich!--Steier!--Kaernten!--Krain! Der Deutschen Kaiser! Lebe Ottokar! (Der Vorhang faellt.) Zweiter Aufzug Offener Gartensaal, gegen den Hintergrund zu mit einem halbmannshohen Marmorgelaender geschlossen. Es wird angenommen, dass hinter demselben der Garten terrassenfoermig abwaerts geht. Im Vorgrunde zu beiden Seiten Tueren, daneben Bildsaeulen. Der Haupteingang ist zwischen den Saeulen, links an der Balustrade. Zawisch (tritt lachend auf). Ich bin verliebt! O weh, mein Herz ist fort! Ihr Leute, kommt zu Hilfe! Ha, ha, ha! Wie sie mich ansah mit dem schwarzen Blick, Die stolze Ungarin! Hilft alles nichts! Und schoen ist sie, beim wunderbaren Gott! Ein adlig, wildes, reuterscheues Fuellen, Den Zaum anschnaubend, der es baend'gen soll. Auch sonst geht alles, wie es Gott gefaellt! Die Oesterreicher reissen tuechtig aus, Seit Margarethe fort, die Koenigin; Der eine rechts, der andre links, doch alle Nach Frankfurt auf die Kaiserwahl. Nu! nu! Sie legen dort wohl die Gesuche nieder, Dass man doch ja Herrn Ottokar erwaehle! Milota (von innen). Nur hier herein indes! Zawisch. Wen bringt man da? (Gewaffnete bringen Seyfried von Merenberg gefangen. Milota, ganz geruestet, folgt, einen versiegelten Brief in der Hand.) Milota. Der Koenig ist noch beim Turnier? Zawisch. Ja wohl! Sich da, Herr Merenberg? und so begleitet! Milota. Sein Vater, der Verraeter, sandt' ihn fort Mit diesem Schreiben an den Erzbischof Von Mainz. Er hatt' ihm Eile wohl geboten-- Seyfried. Ob er's gebot! Milota. Allein der junge Herr, Da ihn sein Weg am Schloss vorueberfuehrte, Wo Bruder Benesch haust mit seiner Tochter, Wollt' er noch einmal sehn sein altes Lieb; Doch fing man ihn und sendet ihn hierher. Zawisch. So? Bei schoen Muehmchen? Ei, bei Fraeulein Berta? Seyfried. Im heissen Fieber liege sie und rase, Ward mir gesagt. Ich wollte sie nur sehn, Nur wissen, ob sie lebt, und so gab ich Des Vaters Haupt und mich in ihre Hand. Tor, der ich war, verruchter, blinder Tor! Milota. Hier ist der Brief, die Aufschrift an den Mainzer. Seyfried. Herr Zawisch, seht, ich hab Euch nie geliebt! Fuer doppelsinnig hielt ich Euch und falsch, Doch sagt mein Vater, Menschen kennt' ich nicht; O zeigt mir, Herr, dass ich Euch nicht gekannt! Gebt mir den Brief, lasst ihn uns hier vernichten. Mit mir koennt Ihr beginnen, was Ihr wollt! Ich hab Euch sonst wohl auch schon Liebs getan. Als Ihr mit Euren Sippen da und Freunden, Wisst Ihr? im Vorgemach der Koenigin Gar sonderbare Reden einst gefuehrt; Ich ging nicht hin und sagt's dem Koenig an, Wie ich gekonnt, vielleicht wohl gar gesollt! Denn damals ehrt' und liebt' ich noch den Koenig, Als meiner angebornen Fuerstin Gatten Und meinen wahren, rechtgesinnten Herrn. Zawisch. Hoerst du, Freund Milota? Milota. Wer achtet sein! Zawisch. Der Brief ist richtig! (Er liest.) An den Erzbischof Von Mainz. Du bist verloren, guter Freund, Wenn dieser Brief dem Koenig kommt zu Hand! Seyfried. Herr, rettet mich! Zawisch. Schon gut! schon gut! Die Leute sind vertraut? (Auf die Wache zeigend.) Milota. O ja! Warum? Zawisch (den Brief in der Hand waegend). Der Brief kann viel enthalten--oder wenig. Ein Troepflein Gift vielleicht-- (Die Hand mit dem Briefe schnell auf den Ruecken gelegt.) Ein Meer von Argwohn! (Zur Wache gekehrt.) Geht ihr nach Haus und gruesset Vetter Benesch. Milota. Was tust du? Zawisch. Geht ihr nur! (Gewaffnete ab.) Und du, mein Freund, Was gibst du mir, wenn ich dich diesmal rette? Seyfried. Mein Leben-- Zawisch. Ei, behalt das nur fuer dich! Kannst du auch springen? Milota. Zawisch! Zawisch. Nun, so komm! Hier hast du deinen Brief; so, und nun spring! (Er hat ihn ans Gelaender gefuehrt, Seyfried springt hinab.) Milota. Wahnsinniger! Zawisch. Hei, was der Junge laeuft! Milota. Ihm nach! Zawisch. Zurueck! Hast du dich mir vertraut? Nun, hast du es getan, so traue mir! Ich weiss am besten, was sich fuegt, was nicht; Zu seiner Zeit wird sich's dir offenbaren. Und dann--das junge Blut, mein gutes Herz! Ha, ha!--Sprich nicht und geh! Es kommen Dinge, Bei denen ich nach Zeugen nicht verlange. Du gabst dein Wort, dass du mich laesst gewaehren, Drum geh! Milota (kehrt am Ausgange um). Folgst du auch nicht mehr zum Turnier? Zawisch. Die Waffen hab ich schon von mir gelegt, Der Preis ist mein!--Geh jetzt! Der Augenblick Pocht wie ein Glaeubiger und will, was sein! (Milota ab.) Ich sehe sie den Gang herunterkommen, Begleitet nur von einer Kaemmerin; Nun rasch ans Werk! (Zu einer Bildsaeule der Liebesgoettin gewendet, die im Vorgrunde links steht.) Du keusche Liebesgoettin, Getreue Gattin deines holden Gatten, Dich fleh ich an: verleih mir deinen Schutz! (Er zieht ein Blatt hervor und steckt es, zur Bildsaeule auf einer Stufe des Untersatzes emporsteigend, unter den halbgehobenen Fuss der Goettin.) Bewahre mir dies Blatt hier und bestell es! Man kommt!--Ich muss noch etwas zoegern!--Jetzt! (Er springt herab und eilt, wie betroffen, fort.) (Die Koenigin tritt in demselben Augenblicke mit ihrem Kammerfraeulein links im Hintergrunde auf.) Kunigunde. War das nicht Rosenberg? der Unverschaemte! Ruf ihn zurueck! Fraeulein (in die Szene rufend). Herr Zawisch! Kommt hierher! Die Koenigin befiehlt es! Hier! Ihr sollt! (Zawisch kommt zurueck, verschaemt das Barett in der Hand drehend.) Koenigin. Ich weiss nicht, Herr, bin ich nicht voll bei Sinnen, War ich im Fiebertraum, die Tage her; Wie, oder seid Ihr ganz so unverschaemt, So rasend--Nein! Die Sprache hat kein Wort! Verrueckung moecht' am ersten es bezeichnen-- So unverschaemt-verrueckt, als Ihr Euch zeigt? Bei meiner Ankunft schriet Ihr gellend auf-- Ihr wart's! Ich stand drei Schritte fern und weiss es! Seitdem verfolgt Ihr rastlos mich mit Blicken, Mit Blicken, die ich naeher nicht bezeichne, Doch regt sich mir der Ingrimm, denk ich dran. (Naeher zu ihm tretend.) Nur erst, beim Tanz, als ich die Hand Euch reichte, Ja, Frecher, ja! Ihr druecktet mir die Hand! Wer bin ich, Herr? und wer seid Ihr? Zawisch. Verzeiht! Kunigunde. Behandelt so hier Lands man Koeniginnen? Waer' ich zu stolz nicht, meines Gatten Zorn In meiner eignen Sache aufzurufen, Waer's hier in Boehmen wie bei uns daheim, Wo auch die Frau ein Recht hat, eine Stimme, Und Macht, um zu vollfuehren, was sie denkt, Wo eine Koenigin nicht bloss des Koenigs Gattin, Wo sie Gebietrin ist; es sollt' Euch reun! Zawisch. Verzeiht! Koenigin. Und nun: verzeiht! Erst frech und kuehn, Und nun so knechtisch, dass es an mich ekelt! Was stecktet Ihr an jene Saeule hin? Zawisch. An jene Saeule? Steckt was dort? Koenigin. Ein Zettel. Zawisch. Ein Zettel, in der Tat! Koenigin (zum Kammerfraeulein). Nimm ihn herab! (Es geschieht.) Was steht auf dem Papier? Zawisch. Ich weiss es nicht! Koenigin. Ihr stecktet's doch hinauf! Zawisch. Ich? Wahrlich nicht! Koenigin. Nur erst, sowie ich kam. Zawisch. Ich war nicht hier; Ich kam von jener Seite. Koenigin. Nun, beim Himmel! Ich bin verrueckt, der Kopf dreht sich im Wirbel! Sind das hier Baeume? Ist das Luft und Erde? Ich sah es ja, ich stand drei Schritte fern, Als Ihr den Zettel an die Saeule stecktet! Zawisch. Wenn Ihr es sagt, o hocherhabne Frau, Dann muss es sein, und waer' es nie gewesen! Koenigin. Und was enthaelt der Zettel? Zawisch. Phantasien; Die Ausgeburt von dichterischer Glut! Koenigin (zum Kammerfraeulein). Zeig her! (Sie entwickelt den Zettel und liest die Aufschrift.) "Der Schoensten"--Ha, Verwegener, Nimm hin das Zeugnis deiner frechen Torheit (sie wirft ihm denZettel vor die Fuesse) Und wagst du's noch einmal, dich mir zu nahn, So soll der Koenig deinen Frevel strafen! Zawisch (hebt den Zettel auf und kniet damit vor dem Kammerfraeulein nieder). Nun denn, so wisst, dass ich Euch dienend folge, Schon lang brennt das Geheimnis meine Brust. In diesen Zeilen wagt' ich's zu gestehen, Verloren bin ich, Herrin, wenn Ihr zuernt. (Er steht auf und geht.) Koenigin. Ha, lachen muss ich wahrlich des Verrueckten! Kammerfraeulein. Seht, gnaed'ge Frau, so komm ich, Hand kehr um, Zu einem Ritter und zu Minnedienst. Koenigin. Und glaubst du wirklich, dich hab er gemeint? Nach mir blickt er, der uebermuet'ge, Freche! Kammerfraeulein. Ei, gnaed'ge Frau, was tut's? Der Wahn schon schmeichelt Von solcher Werbung und von solchem Ritter. Koenigin. Von solchem Ritter? Lachen machst du mich! Kammerfraeulein. Ja, gnaed'ge Frau, im ganzen Boehmerland Ist keiner, der dem Zawisch sich vergleicht Von Rosenberg. Den edlen Glanz, die Haltung, Des Koerpers mannigfache, edle Gaben, Ihr saht sie, Koenigin, so gut als ich: Doch auch an Heldenmut, an Tapferkeit Steht er vor allen, die sich Ritter nennen. In Padua hat er jahrelang studiert, Auch macht er Reim' und singt sie zu der Zither. Koenigin. So schlimmer denn! Kammerfraeulein. So schlimmer, gnaed'ge Frau? Koenigin. Bei uns daheim lohnt man die Zitherspieler Mit Geld und mit Verachtung! Kammerfraeulein. So bei uns nicht! Manch Edler eifert mit den Troubadours, Und dieser Zawisch hat sich manches Herz Ersungen bei den Klaengen seiner Zither. (Den Zettel entfaltend.) Ihr sollt gleich sehn! Koenigin (hat sich gesetzt). Er soll mir's wahrlich buessen! Kammerfraeulein (liest). "Der Schoensten "--Nun, ich nehm es dankbar hin! "O Hand von Schnee"-- Koenigin. O Hand von Schnee, was heisst das? Kammerfraeulein. Weiss wie Schnee. Koenigin (den Handschuh abziehend und ihre Hand betrachtend). Ich denk, er hat die Hand noch nie gesehn, Den Handschuh hoechstens! Kammerfraeulein (lesend). "O Hand von Schnee, Und doch so heiss;" (Die Koenigin stampft mit dem Fusse.) Kammerfraeulein. Beliebt Euch, gnaed'ge Frau? Koenigin. Lies weiter nur! Ich wollte sagen: tu, was dir gefaellt! Kammerfraeulein. "O Hand von Schnee, Und doch so heiss; O Blick, so feurig, Und dennoch Eis!" Koenigin. Ich wollt' er waere Glut und traefe dich! Ich wollt' ihn martern, bis ich voll geraecht. Kammerfraeulein. "Der Mund, so suesse, Spricht herber Art; Die Brust, ob wogend, Nicht minder hart." Koenigin. Schweig still! Kammerfraeulein. "O Blick, erwarme, O Brust, erweich! O Hand--" Koenigin. Ich sage dir, du sollst verstummen! Kammerfraeulein. So lasst Ihr mich nicht meines Sieges freun? Koenigin. Ich glaube bald, die Toerin nimmt's auf sich! (Sie steht auf.) O waer' ich wieder fort aus diesem Land, In Ungarn bei den Meinigen daheim! Da galt ich noch! Frei streift' ich in die Ferne, Dorthin, dahin, wohin der Wunsch mich rief. Mein alter Vater war mir gern zu Dienst, Zu Dienst die Fuersten, seine Sippen alle, Und was nur Mann hiess in dem weiten Reich. Und Leben war und Feuer, Glut und Mut! Da riefen sie zum fernen Prag mich hin: Ein Koenig, sagten sie, regiere dort, Vermaehlt in seiner Kraft der aeltern Frau, Den's duerste nach der feurigen Genossin, Nach gleichem Mut in gleichgeschwellter Brust. Ich komm und finde--einen Greis. Ja, Greis! Denn spielt ihm nicht schon graulich Bart und Haar? Sie sagen: von des Krieges Arbeit. Gleichviel! Und ist er denn nicht muerrisch wie ein Greis? Rechthabrisch, ungestuem? Beim reichen Gott, Zum Schweigen und Gehorchen kam ich nicht! Die andern aber schmeicheln, betteln, kriechen, Sind traegen Bluts und weissen, kalten Herzens. Nur dieser Rosenberg: bei uns in Ungarn Trueg' er sein Haupt keck unter Gottes Himmel, Wie jener kuehne Fuehrer der Kumanen, Dem er auch aehnlich sonst an Haupt und Brust, Dem besten unter Ungarns starken Mannen! Doch jener war ein freudig kuehner Held, Gerad in seinem Wollen, seinem Handeln; Indes der Boehme feig und niedrig kriecht, Und seinen Wert und all sein Selbst besudelt. (Trompeten von aussen.) Was ist? Kammerfraeulein. Geendet ist wohl das Turnier, Und man erteilt den Siegenden die Preise. Euch, Koenigin, gebuehret das Geschaeft. Koenigin. Man wird uns rufen.--Gib doch das Geschreibe, Man merkt beim ersten Lesen kaum den Sinn. (Sie nimmt den Zettel.) Kammerfraeulein. Ach, gnaed'ge Frau, des Koenigs Hoheit naht, Der ganze Zug; sie kommen vom Turnier. (Ottokar kommt mit Milota und Fuellenstein. Hinter ihm Herren und Damen vom Turnier.) Ottokar (zu denen, die ihm folgen). Wenn er darauf besteht, so bringt ihn her! (Im Vortreten zu Kunigunden.) Es will der Sieger des Turnieres nur Aus deiner Hand den Preis empfangen! Nu, Kunthe, nu, wie geht's? (Er will sie am Kinne fassen, sie tritt zurueck.) Kunigunde. Ganz gut. Ottokar. Potz Blitz! Wohl uebel gar gelaunt?--He Milota! (Er tritt mit Milota auf die andere Seite des Vorgrundes.) Der junge Merenberg entsprang? Milota. Ja, Herr. Ottokar. Verwuenscht! Doch woher weiss man's von dem Brief? Milota. Nach junger Leute Art hat er sich dessen Geruehmt, man hat den Brief sogar gesehn. Ottokar. Die Aufschrift an den Erzbischof von Mainz? Milota. Derselbe, ja. Ottokar. Auch Wolkersdorf ist fort? Milota. Und Hartneid Wildon. Alle Oesterreicher, Seitdem die Koenigin Margrethe fern, Sind uebeln Sinns und schleichen fort vom Hof. Ottokar. Haett' ich den Brief, so kennt' ich die Verraeter Und meine Ferse setzt' ich auf die Brut: Nun aber wird ein jeder mir verdaechtig, Und alle muss ich hueten, alle, alle! Pfui, Argwohn, Spuerhund von des Teufels Meute! Lockst du auch Koenige zu deiner Jagd? (Man hat indes Zawisch von Rosenberg, als Sieger im Turnier, hereingebracht, er steht vor dem Koenige.) Ottokar. Was ist?--Ja, du bist Sieger im Turnier? Ich habe stets als wacker dich gekannt; Geh hin zur Koenigin und nimm den Preis! He, Fuellenstein! Fuellenstein. Mein gnaediger Gebieter! Ottokar. Du nimmst Gewappnete, und alle Pforten Besetzest du, die aus dem Schlosse fuehren. Wenn nach dem Fest die Gaeste heimwaerts ziehn, Verhaftest du, die ich bezeichnen werde, Und haeltst als Geisel sie in enger Haft. Den dort, dem trau ich nicht.--Auch Lichtenstein, Der glatte Ulrich-- Fuellenstein. Herr, doch Heinrich auch? Ottokar. Was schreist du so! Komm hier und hoere schweigend. (Er zieht sich mit Fuellenstein etwas mehr gegen den Hintergrund und spricht leise. Sooft er dem, was jener erwidert, zuhoert, wendet er die Augen nach der andern Seite, wo Zawisch und seine Gemahlin sprechen.) (Zawisch hat sich vor die Koenigin hingestellt, die sitzt und in Gedanken vor sich hinstarrt.) Kammerfraeulein (die Koenigin aufmerksam machend). Erlauchte Frau! Kunigunde (da sie Zawisch vor sich stehen sieht). Verwegner, wie, auch hier? (Sie springt auf.) Kammerfraeulein (auf die reichgestickte Schaerpe zeigend, die ein Page auf einem Samtkissen traegt). Der Dank! (Die Koenigin nimmt die Schaerpe, der Page legt das Kissen bei ihren Fuessen nieder.) Zawisch (zum Kammerfraeulein). Ei, Fraeulein, gebt mir doch den Zettel, Den ich vor kurzem nur Euch ueberreicht. Er kam nicht in die rechte Hand! Kammerfraeulein. Mein Herr! Zawisch. Gebt ihn! (Er haelt die Hand bin.) Kammerfraeulein. Verzeiht! Zawisch (immer die Hand hinhaltend). Er soll fuer jemand anders! Kammerfraeulein. Ich--hab ihn nicht mehr! Zawisch. Wie? Ihr habt ihn nicht mehr? Dann wahrlich ist er in der rechten Hand! (Er wirft sich vor der Koenigin auf das Kissen nieder. Feurig.) O Koenigin, habt tausend, tausend Dank-- (Langsam.) Im voraus fuer den Preis, den Ihr mir reichet. Ottokar (sein Gespraech unterbrechend). Warum gebt Ihr den Preis nicht, Kunigunde? Koenigin (beleidigt). Ich wollte frueher schon, eh' Ihr befahlt! (Mit der Schaerpe nahend.) Herr Ritter! Zawisch. Wie beglueckt Ihr mich, Gebietrin! In Demut beugt sich Euch mein dienstbar Haupt! (Leise.) "O Hand von Schnee Und doch so heiss!" Koenigin (leise). Wenn Ihr nicht schweigt! Zawisch (laut). Mit diesem teuren Pfand Statt Harnisch angetan, statt aller Waffen, Will fahrend ich die weite Welt durchziehn Und Euren Ruhm und meines Koenigs Ruhm Verkuenden und verfechten ueberall, Fuer ihn und Euch mein Leben! (Da die Koenigin sich mit der Schaerpe zu ihm neigt, leise und schnell.) Alte Maenner Sollten alte Weiber freien! Jugend Gehoert fuer Jugend! (Die Koenigin wirft die Schaerpe auf den Boden.) Ottokar (herueberrufend). Nun, noch nicht zu Ende? Zawisch (leise). Dies Haupt dem Henker, wenn Ihr so es wollt! Ottokar. Was ist? Zawisch. Die Schaerpe fiel. Koenigin (zum Kammerfraeulein). Reich mir die Schaerpe! Die hoechste Langmut findet doch ihr Ziel, Verwegenheit mag es denn gleichfalls finden! Hier nehmt die Schaerpe und gehabt Euch wohl! (Sie haengt ihm die Schaerpe um. Wie sie sich ueber ihn beugt, fasst Zawisch ie Schleife an ihrem Aermel, die Schleife faellt. Zawisch bueckt sich rasch und hebt sie auf.) Kunigunde. Ha, mein Gemahl! (Ottokar wendet sich nach ihr.) Zawisch (der aufgestanden ist und sich gegen die Mitte zurueckzieht). Die Koenigin, mein Koenig! Ottokar. Was ist? Was willst du, Kunigunde? (Pause, waehrend welcher die Koenigin Zawisch ansieht, der ruhig vor sich hinblickend dasteht. Sie blickt noch einmal hin, dann:) Kunigunde. Geht Ihr noch heut nach Ribnik auf die Jagd? Ottokar. Wie kommt Ihr auf die Frage? Heute, ja! Auch bist du ganz verstoert. Was war denn hier? Das Dankerteilen macht dir so viel Mueh', Dass ich in Zukunft dir's ersparen werde! (Er wendet sich von ihr.) Kunigunde (zum Kammerfraeulein leise). Die Schleife soll er geben; geh und sag ihm's! (Ottokar ist in Mitte des Saales getreten; die Versammelten bilden einen Halbzirkel, dessen linkes Ende die Koenigin, das rechte Zawisch bildet, der, dem Kammerfraeulein ausweichend, bis in den Vorgrund kommt.) Ottokar. Ihr Herrn, wer ist von euch, der einer Sorge, Und einer drueckenden, mich ledig macht? Der alte Merenberg im Lande Steier, An mir ist zum Verraeter er geworden, An mir und seinem Land, von dem ich Herr. Mit Briefen an den Erzbischof von Mainz Hat er den Sohn nach Frankfurt hingesandt; Wahrscheinlich unsre Wahl zu hintertreiben, Der man dort pflegt, zum Kaiserthron der Deutschen, Und Unruh' anzustiften, Meuterei. Der Sohn ist zwar entwischt, allein der Vater, Er soll der Strafe nimmermehr entgehn, Noch der Enthuellung seiner Spiessgesellen. Der Frevler hat sich auf sein Schloss gezogen, Das wohl bewahrt ist gegen jeden Angriff; Wer mir ihn bringt, wer mir ihn lebend bringt, Was er ob Hochverrat verwirkt, die Lehen, Sein ganzes Gut, sei des Ergreifers Lohn! Ortolf von Windischgraetz, du scheinst bereit? Fuellenstein. So lasst den zweiten mich sein, gnaed'ger Herr! Ottokar. Von meinen Leuten geb ich euch die besten; Den hier--und den-- (Im Hintergrunde einzelne Wappner bezeichnend.) Kammerfraeulein (die von hinten herumgegangen ist, zu Zawisch tretend). Die gnaed'ge Fuerstin zuernt. Ihr sollt die Schleife geben, laesst sie sagen. Zawisch. Die Schleife? Nun und nimmermehr, mein Kind! Ich habe sie erobert, und mein Leben, Den Kopf hier lass ich, doch die Schleife nicht! (Er zieht die Schleife hervor.) Sieh her, wie schoen! Rot, wie ihr holder Mund, Und weiss, wie ihres Nackens reines Silber. Nein, die behalt ich, und auf meinem Sarge Soll neben Schild und Helm sie prangend ruhn. Setzt' ich mein Blut nicht ein, um sie zu haben? Du blutigrote Schleife, du bleibst mein! (Er haelt sie vor sich hin in die Luft.) Koenigin (auf der andern Seite des Theaters). Wahnsinnig ist er! Himmel, wenn der Koenig-- Kammerfraeulein (zu Zawisch). Die Koenigin macht Zeichen, steckt sie ein! Der Koenig naht. Ottokar (zurueckkommend). Was habt Ihr, Rosenberg? Zawisch (hat die Schleife in den Busen gesteckt). Nichts, gnaed'ger Herr! Ottokar. Wie? Nichts? Zawisch. Herr, es gibt Dinge, Die man mit Recht dem Koenig selbst verbirgt! Ottokar. Ein Liebespfand? Zawisch. Ein Pfand, Herr, das man liebt. Ottokar (nach einer Pause der Beobachtung). Wer hat die Koenigin heut angekleidet? Kammerfraeulein. Ich, gnaed'ger Herr. Ottokar. Seid Ihr so sorglos, Dirne, Dass einen Arm Ihr nur mit Schleifen ziert, Indes der andre leer? Kammerfraeulein. Gewiss--verloren! Zawisch (zum Suchen gebueckt). Man muss sie suchen. Ottokar. Lasst das nur, Herr Zawisch! Wenn die Versammlung fort ist, macht sich's leichter; Allein bis abends hoff ich sie zu sehn! Dem aber, der sie fand, gebt diesen Ring (Er zieht ihn vom Finger und gibt ihn Rosenberg.) Im Namen meiner Gattin, seiner Frau: Denn Koeniginnen schenken Diamanten, Doch Busenschleifen nicht.--Euch, Koenigin, Bitt ich, in Zukunft Euren Anzug mehr Und--meiner Wuerde mehr in acht zu nehmen! (Zu Zawisch.) Vergesst es nicht und richtet's aus dem Finder! Kunigunde. In meinem Namen, Ritter, aber sagt ihm: Er moege das behalten, was er fand; Denn was ich schenke, Schleife, Diamant, Indem ich's schenke, aendert's die Natur Und ist nur noch der Koenigin Geschenk. Auch moeg' er sehen, dass ich Herrin bin, Zu schenken, was ich will; und wenn es mehr Als Schleife waere, mehr als Diamant! (Sie geht ab.) Der Koenig (geht einigemal auf und nieder, dann bleibt er vor Rosenberg stehen). Was war hier, Rosenberg? Zawisch (auf ein Knie niedergelassen). Zuernt mir mein Koenig? Ottokar (ihn betrachtend). Du solltest toericht gnug sein, meinen Zorn, Den Zorn des Ottokar auf dich zu rufen Um einer Laune, eines leeren Nichts? Wer bist du denn, dass du es wagen solltest? Ich hauche--und wo war dann Rosenberg? Ich aber kenne dich als klug!--Steh auf! Zawisch. Nicht wenn Ihr zuernt! Ottokar. Ich sage dir: steh auf! (Zawisch steht auf.) Ottokar. Ihr aber geht zu meiner Frau und sagt ihr: Nicht stoeren moege sie der Gaeste Frohsinn Durch laengeres Entbehren unsrer Wirtin! (Diener ab.) Ottokar. Ihr, Ortolf, also richtet mir ins Werk, Was Ihr verspracht; den Lohn verbuerg ich Euch. Ich will sie lehren, an das Reich sich wenden! (Auf die Brust schlagend.) Hier ist das Reich! Diener (kommt zurueck). Die Koenigin ist unpass. Ottokar. Ei, derlei Krankheit ist nicht schwer zu heilen! Geh noch einmal und bitte sie zu kommen. (Diener geht.) Und nun, ihr Herrn, hinauf zum Rittersaal! Und lasst den Tanz, lasst sich das Fest erneun, Bis an den Morgen rege sich die Lust! (Zu Fuellenstein.) Vergiss nicht, was ich dir gebot! Fuellenstein. Sorgt nicht! (Diener zurueck.) Ottokar. Nun, kommt die Koenigin? Diener. Sie will nicht, Herr! Ottokar. Sie will nicht? will nicht, wenn ich es gebiete? Sag ihr!--Doch lass! Sie wird sich selbst besinnen: Mit Weiberlaunen hat man billig Nachsicht! Nur fort, ihr Herrn! Der Erste der Reichstaggesandten (die sich unter der Menge befinden). Mein gnaed'ger Herr und Koenig! Ottokar. Wie, mein Herr Abgesandter, Ihr noch hier? Abgesandter. Noch immer harrend einer gnaed'gen Antwort Fuer meine Kommittenten, fuer die Wahlherrn Des Heil'gen Roem'schen Reichs. Ottokar. Mein Herr Gesandter, Die Antwort ist denn auch nicht gar so leicht! Ich bin ein Koenig ueber viele Laender, Zu viel beinah fuer eines Menschen Kraft. Nun soll ich mit der Sorge mich belasten Fuer noch ein Land, und fuer ein Land, das selber Mitsorgen will und sitzen mit im Rat. Ich bin gewohnt, wenn ich mal sage: Ja; So gilt's den Kopf, wenn jemand spraeche: Nein! Und was koennt ihr denn eurem Fuersten bieten? Die Zoelle sind versetzt und die Gefaelle; Was nur des Kaisers war, es haben Im langen Zwischenreich sich die und der Mit raeuberischen Haenden drein geteilt. Soll ich das Mark von meinem reichen Erbland Nun setzen auf so truegerisches Spiel? Euch Herrn gefiele wohl, mit meiner Habe Zu helfen eurer dringend bittern Not; Doch will ich lieber hier in Boehmen sitzen Und eines armen deutschen Kaisers lachen, Als selbst ein armer deutscher Kaiser sein. Indes verschmaeh ich nicht, die hoechste Macht Vielleicht zu kroenen mit der hoechsten Wuerde, Auf Karl des Grossen Thron, ein zweiter Karl, Zu sitzen in des Reiches Vollgewalt: Doch soll man mir die Kron' erst selber bringen Und legen auf dem Kissen dort vor mir, Bevor ich mich entscheide, was geschieht. Ich habe meinen Kanzler hingesandt, Herrn Braun von Olmuetz, auf den Tag nach Frankfurt, Und seht, er schreibt mir, (er zieht den Brief hervor) dass die Wahl des naechsten Wird vor sich gehn. Dem Pfalzgraf bei dem Rhein Trug man den Ausspruch auf im Kompromiss. Er ist zwar nicht mein Freund; er und der Mainzer, Sie schmieden Raenke, wie mein Kanzler schreibt; Allein die deutschen Fuersten wagen's nicht, Dem Stirnenrunzeln Ottokars zu stehn. Die Kron' ist mein! das heisst: wenn ich sie mag. Doch lasst sie hier erst sein, dann will ich sprechen. Diener (kommt). Der Kanzler, Euer Hoheit, Braun von Olmuetz. Ottokar. Seht Ihr? er koemmt zurueck. Diener. Mit ihm ein Ritter In lichter Ruestung, Fuersten gleich geziert, Und zwei Herolde in des Reiches Farben, Den Adler vor der Brust, die laut Trompeten. (Trompeten von innen.) Zawisch. Erlaube, koeniglicher Herr und Kaiser, Dass wir die ersten deiner neuen Diener-- (Die ganze Versammlung macht eine Bewegung nach vorn.) Ottokar. Zurueck! Wollt ihr dem Reichstagsboten zeigen, Dass unverhoffte Freud' er ueberbringt? Auch wisst ihr nicht, ob ich die Wahl genehm'ge! (Zu den Gesandten, die sich zurueckgezogen haben.) Wo geht ihr hin? Ich hab euch nicht entlassen! Nichts ist geschehn, was Stoerung bringen kann. Der Mainzer also, sagt ihm's, mag sich hueten! Denn komm ich an den Rhein, und das soll bald, Zum Dank fuer all die frechen Winkelzuege Treib ich ihn aus von seinem Bischofsitz. (Der Kanzler ist indessen eingetreten. Alle umringen ihn mit fragenden Gebaerden; er bleibt im Hintergrunde, die Haende ringend.) Ottokar (im Vorgrunde fortfahrend). Der Pfalzgraf auch bei Rhein steht mir nicht an, Ich werde seine Kur dem Baier geben. Noch allerlei will ich in eurem Land, Und alle, die mir dieses Schreiben nennt-- Zawisch (im Hintergrunde losbrechend, doch halblaut). Die Wahl des Reichs fiel nicht auf Ottokar? (Der Kanzler schuettelt mit gefalteten Haenden das Haupt.) Zawisch. Auf wen denn sonst? Kanzler. Auf Rudolf, Graf von Habsburg. (Unterdessen hat Ottokar den Gesandten den Brief gewiesen, mit dem Finger einzelne Stellen bezeichnend.) Ottokar. Die muessen fort--seht, der!-- (Bei der ersten Rede des Kanzlers horcht er, in derselben Stellung bleibend, nach hinten hin in hoechster Spannung. Als jener den Namen Habsburg nennt, faehrt Ottokar zusammen; die Hand, mit der er auf den Brief zeigt, beginnt zu zittern; er stottert noch einige Worte.) und der--muss fort! (Die Hand mit dem Briefe sinkt hinab; mit gebrochenen Knieen steht er noch eine Sekunde, starr vor sich hin sehend, dann rafft er sich empor und geht starken Schrittes in sein Zimmer.) Zawisch. Herr Kanzler, sagt, ist es denn wirklich wahr? Kanzler. Nur allzuwahr; der Habsburg Deutschlands Kaiser. Zawisch. Allein wie kam's? Kanzler. Es ging noch alles gut, Die meisten Fuersten stimmten fuer den Herrn; Da kommt mit einemmal der Kanzellar Des Erzbischofs von Mainz--der hier gewesen-- Mit ihm ein Wolkersdorf aus Oesterreich Und Hartneid Wildon aus dem Lande Stei'r, Die klagten--still! Der Koenig koemmt zurueck! Ottokar (kommt aus seinem Gemach). Sagt meiner Frau, sie soll bereit sich halten, Ich will noch heut vor Abend auf die Jagd. (Er geht mit starken Schritten auf und nieder.) Kanzler (nach einer Pause). Ach gnaed'ger Herr! Ottokar. Was ist? (Zusammenfahrend.) Ihr?--Wart Ihr hier? Vor kurzem hier? Kanzler. Ach ja! Ottokar. Und habt gesprochen? Kanzler. Ja, gnaed'ger Herr! Ottokar. Verdammt! (Wirft ihm den Handschuh ins Gesicht; dann ihn an der Hand in den Vorgrund fuehrend.) Was schwatztet Ihr Von Reichstag und von Wahl? Kanzler. Hier hoert es selbst! (Der Burggraf von Nuernberg, mit zwei Herolden voraus und mehreren Begleitern hinter sich, tritt ein.) (Der Koenig geht ihm mit starken Schritten bis in die Mitte des Saales entgegen.) Ottokar. Wer seid Ihr, Herr? Burggraf. Friedrich von Zollern bin ich, Burggraf von Nuernberg, abgesandt vom Reich. Ottokar. Glueck zu! (Er kehrt ihm den Ruecken und geht wieder in den Vorgrund.) Burggraf. Rudolf, von Gottes Gnaden Kaiser-- Ottokar. Ich glaube, Herr, das Reich will meiner spotten? Hier stehn noch die Gesandten, die die Krone Mir anzubieten kamen, und ihr waehlt, Eh' ich entschieden, einen andern? Burggraf. Herr, Der Kanzellar des Erzbischofs von Mainz, Er hat gemeldet, wie mit schnoeden Worten Von Euch gewiesen Ihr so Kron' als Reich. Ottokar. Ha, frecher Treubruch deutscher Reichsbarone! Burggraf. Beschuldigt Ihr des Treubruchs Deutschlands Fuersten? So wisst denn, was die Wahl von Euch gewandt! Wir suchten einen Herrn, gerecht und gnaedig, Als einem solchen bot man Euch den Thron. Da kam der Ruf, da kamen selber Zeugen, Die laut es riefen in der Fuersten Ohr, Wie Ihr getan an Koenigin Margrethen, Die Eure Gattin war, die Ihr verstiesst; Wie Ihr die Rechte schmaelert jener Lande, Die rechtlos vorenthalten Ihr dem Reich; Wie Eure Ungnad' schon ein Halsverbrechen, Und Strafe trifft, wo noch kein Urteil traf. Das sind wir nicht gewohnt in Schwaben und beim Rhein, Wir muessen einen gnaed'gen Fuersten haben, Vor allem aber soll er sein gerecht. Dies ueberlegend, schritten sie zur Wahl-- Heinrich von Lichtenstein (hinter der Szene). Verraeterei! Ottokar. Wer ruft? Gemurmel (unter den Anwesenden). Der Lichtenstein? Heinrich von Lichtenstein (tritt auf). Wer Oesterreicher ist, der sei gewarnt! Am Ausgang stehn des Schlosses Haescherrotten, Die fangen jeden, der nicht boehmisch ist. Fuellenstein (kommt hinter ihm mit gezogenem Schwert). Gebt Euch gefangen! Ottokar (vortretend). Eure Wehre, Heinrich! Ihr, Ulrich Lichtenstein, Graf Bernhard Pfannberg, Chol Seldenhoven, Wulfing Stubenberg, Ihr gebt die Schwerter und euch selbst in Haft! Lichtenstein. Was taten wir? Ottokar. Damit ihr, Freund, nichts tut, Send ich euch in die Haft. Damit ihr nicht Euch fluechtet zu der neuen Majestaet, Wie Wolkersdorf und Wildon, die Verraeter, Und Merenberg--(Mit dem Fusse stampfend.) Wer schafft mir Merenberg? Sobald er hier aus seinem Felsennest, Soll euch der Richter gegenueberstellen, Und wohl dann dem, der sich nicht schuldig fuehlt! (Zu Zollern gewendet.) Und nun nur weiter fort in unsrer Sache! (Die Geisel werden fortgefuehrt.) Burggraf. Der Auftritt hier erspart mir die Erklaerung, Warum die Fuersten, Herr, nicht Euch gewaehlt. Und nun zu meiner Botschaft, Boehmens Koenig! Rudolf, von Gottes Gnaden roemisch-deutscher Kaiser, Entbietet dich auf einen Tag nach Nuernberg, Dass du dort wartest deines Schenkenamts, Wie's dir als Kurfuerst ziemt des deutschen Reichs, Sonst auch nach Recht die Lehen dort empfangest Von Boehmen und von Maehren, die dir zustehn. Ottokar. Wie das? Nicht mehr? Und Oesterreich und Steier? Burggraf. Und Oesterreich und Steier, Krain und Kaernten, Nebst Eger, Portenau, der wind'schen Mark, Stellst du zurueck zu Handen unsers Kaisers, Als boeslich vorenthalten von dem Reich. Ottokar. Ha, ha, ha, ha! 'ne lust'ge Maer fuerwahr! Und sonst begehrt der neue Kaiser nichts? Burggraf. Nur was des Reichs! Ottokar. Herr, es ist aber mein! Den Ungarn hab ich Steier abgewonnen Mit meinem Blut, mit meiner Boehmen Blut. Vererbt ward Kaernten mir von meinem Ohm Durch gleicher Erbvertraege Wechseltausch, Und Oestreich brachte mir zur Morgengabe Die Koenigin Margrethe, meine Gattin. Burggraf. Wo ist Margrethe nun? Ottokar. Wenn auch getrennt, Bestaetigt hat sie ihrer Lande Schenkung, Und mein ist alles, was sonst ihre war. Burggraf. Die Lande Oesterreich und Steier fallen, Vermoeg' dem Majestaetsbrief Kaiser Friedrichs, Wohl an des letzten Lehnbesitzers Toechter, An seine Schwestern nicht, und Margarethe Ist nur des letzten Babenbergers Schwester, Des Herzogs Friedrich, der den Mannstamm schloss. Des Reiches Lehn vererben nicht, Durch keine Heirat mag man sie erwerben: Und so gib wieder, was dem Reich gehoert. Ottokar. Ich glaube gern, dass es ihm wohlgefiele, Dem neuen Herrn, wenn ich die reichen Lande Ihm sendete nach Schwaben, seinen Saeckel Zu bessern und die duerftig leere Hand; Allein nicht so! Ich bin nun alt genug, Um auf Verlust mich zu verstehn und auf Gewinn. Geht nur zurueck und sagt dem deutschen Reich-- Denn einen deutschen Kaiser kenn ich nicht-- Manch Geier soll noch Aases werden satt, Bis sie gewinnen, was des Boehmen ist! Er ladet mich zu sich? nun wohl, ich komme! Doch will ich Gaeste fuehren mit zum Tanz, Dass von der Fuesse Stampfen weit umhin Die Erde soll erzittern bis zum Rhein. Gehabt Euch wohl und sagt das Euerm Herrn! Zawisch. Wir aber wollen zu den Waffen greifen. Mit Gut und Blut fuer unsern grossen Koenig! (Er geht, mehrere wollen folgen.) Ottokar. Halt da! Warum nicht gar! Fuer wen? und gegen wen? Im Lande soll man handeln und verkehren, Als waer' der tiefste Fried'. Wenn's an der Zeit, Will ich schon des Besuches Gaeste waehlen. Und nun mit mir! Der neue Bettelkoenig, Nicht einem Reh soll er das Leben retten! Auf Ribnik ist fuer morgen grosse Jagd; Ihr alle seid geladen! Lust und Freude! Bringt Lichter, es wird dunkel. Fackeln her Und so mit mir! Auf Weidwerk! In den Wald! (Ab, die uebrigen folgen ihm tumultuarisch nach.) (Es wird dunkler. Kurze Pause, dann hoert man in der Ferne auf einer Zither spielen.) Kammerfraeulein (tritt aus der Tuere der Koenigin). So, sie sind fort! Wer spielt da auf der Zither? Kunigunde (kommt). Was ist? Wer spielt? Kammerfraeulein (an der Balustrade). Ich weiss nicht, gnaed'ge Frau. Horch! Worte? "Hand wie Schnee, und doch so heiss" Es ist Herr Zawisch Rosenberg. Er singt. Soll ich ihn gehen heissen? Koenigin (hat sich gesetzt). Lass ihn nur, Es hoert sich gut zu in der Abendkuehle. (Sie stuetzt ihr Haupt gedankenvoll in die Hand.) (Der Vorhang faellt.) Dritter Aufzug Gemach in Merenbergs Schlosse. Der alte Merenberg (steht am offenen Fenster, die Muetze zwischen den gefalteten Haenden). Die Sonne steigt empor. Hab Dank, o Gott, Des Greisen Dank, fuer diesen neuen Tag! Und fuer den Tag, den du geschenkt dem Lande, Da du hervorriefst aus des Dunkels Schoss Mildglaenzend Habsburgs leuchtendes Gestirn, Das wieder gruen macht die zerstampften Auen Und wieder lau die frostdurchschnittne Luft. O gib, dass wir, der Deutschen Aeusserste, Teilnehmen an dem Heil, das dort entstand; Dass alle, die wir Oesterreicher sind, Entnommen aus des Fremden harter Zucht, Wie Brueder kehren in der Eltern Haus, Von eines Vaters Auge fromm bewacht. Amen, so soll's geschehn!--Wer klopft? Frau (von aussen). Ich, Alter! Merenberg. Ei, nur herein! Frau (tritt ein mit einer Schuessel und Wein). Ich bringe dir das Fruehstueck. Merenberg. Setz immer hin! Wer spricht im Schlosshof unten? Frau. Zwei Reiter, die nach dir verlangten. Merenberg. Nun? Warum bringt man sie nicht? Frau. Ich dachte-- Merenberg. Was denn? Bin ich in Fehde denn mit meinen Nachbarn? Liebt man den Merenberg nicht rings im Land, Dass vor zwei Reitern ich mich scheuen sollte? Wer weiss, was Wicht'ges sie zu melden kommen? Vielleicht von meinem Sohn! Fuehr sie herauf! (Frau ab.) Das hiesse sich noch gar verdaechtig machen, Verschloess' ich mich vor Botschaft und Besuch. Ob freilich zwar der boese Zeitenlauf Zur Vorsicht raet und leicht wohl gar zu Misstraun; Doch sind mir zwanzig Knechte ja im Schloss! (Herbott von Fuellenstein und Ortolf von Windischgraetz treten, von Merenbergs Frau gefuehrt, ein. Beide ganz geruestet und mit geschlossenem Visier.) Merenberg. Ei, Gott zum Gruss, ihr Herrn! Frau, bring noch Wein! (Frau ab.) Was fuehrt euch her zu mir? Zwar, eh' ihr sprecht, Setzt euch an Tisch und nehmt mit mir vorlieb; So ist es Sitt' in unserm Steierland. (Sie setzen sich.) Beliebt's euch nicht, den Helm vom Haupt zu nehmen? (Beide schuetteln verneinend die Haeupter.) Verbietet's ein Geluebd'?--Doch wie ihr wollt! Ihr zieht dem Heer des Koeniges wohl zu?-- Des Koenigs Ottokar?--Er lagert an der Donau Seitwaerts Korneuburg, weit bis Tulln hinab Am linken Ufer, war , mir angesagt. Und Kaiser Rudolf--nu, den Habsburg mein ich-- Am rechten Ufer haelt er Wien belagert. Den Fluss zu uebersetzen scheuen beide. Allein ihr sprecht nicht, und ihr esst auch nicht! Beide (aufstehend). Wir essen mit Verraetern nicht! Merenberg (springt auf). Dass Gott! Fuellenstein (der das Schwert zieht und sich vor die Tuere stellt, das Visier oeffnend). Erkennst du mich? Merenberg. Herbott von Fuellenstein, (Der andre hat auch das Visier aufgeschlagen.) Ortolf von Windischgraetz!--Was tut ihr, Herren? (Ortolf von Windischgraetz ist ans Fenster getreten und stoesst ins Horn.) Fuellenstein. Im Namen unsers Koenigs Ottokar Nehm ich dich in Verhaft als Hochverraeter. Merenberg. Warum? Fuellenstein. Hast du nicht deinen Sohn gesandt Mit Klagen an die Fuersten und das Reich? Merenberg. Der Unvorsichtige!--Mit Klagen nicht, Mit Bitten nur fuer Koenigin Margrethe Und ihres angestammten Rechtes Schutz. Fuellenstein. Dient nicht dein Sohn jetzt in des Kaisers Heer? Merenberg. Ich bin verloren! Fuellenstein. Ja, das bist du! Folge! Merenberg. Wohin? Fuellenstein. Dahin, wo man dich pressen wird, Bis deiner Raenke letzter dir entgeht. Von aussen. Macht auf! macht auf! Fuellenstein. Ortolf, bewach die Tuer! Aussen. Um Gottes willen, oeffnet! Ortolf. 's ist dein Knecht, Der Duxer, Fuellenstein! Fuellenstein. Was will denn der? (Windischgraetz oeffnet die Tuere, Knecht tritt ein.) Knecht. Herr, Kaiserliche streifen in der Naehe! Fuellenstein. Verdammt! Knecht. Sie haben, heisst es, Graez genommen, Des Koenigs Hauptmann; Milota, gefangen, Und wenden alles Land dem Kaiser zu. Fuellenstein. Wie mag das sein? Knecht. Ja, Meinhard Graf von Goetz Soll beigetreten sein der Deutschen Sache, Und der haust also uebel hier im Land. Merenberg. Nun, Gott sei Dank! Fuellenstein. Euch soll's nicht helfen, Herr! Nur fort mit ihm! Ihr wendet eure Schwerter Auf seine Brust, und wagen's die im Schlosshof Sich nur zu regen, stosst ihr stracks ihn nieder! Die Pfade kenn ich hier herum, ich leit euch! Merenberg (der abgefuehrt wird). Mein Sohn ist frei, die Koenigin geborgen; Was liegt an mir? Da wird der Himmel sorgen! (Alle ab.) -------------------------------------------------------------------- Boehmisches Lager am linken Donauufer. Zelt des Koenigs. Ein Tisch mit einem Aufriss der Gegend im Vorgrunde. Ottokar tritt auf, der Kanzler und mehrere hinter ihm. Ottokar (im Auftreten zu seinen Begleitern). Ist er geflohn, so lasst den Schurken haengen! Man haengt ja taeglich Diebe. Gottes Donner! Ein Feiger duenkt mich schlechter als ein Dieb! (Er kommt in den Vorgrund, der Kanzler folgt ihm.) Verfolgt Ihr mich denn uebrall hin, Herr Kanzler? Kanzler. Ja, ueberall, mein Koenig und mein Herr, Bis Ihr mich anhoert und mir Antwort goennt. Herr, es steht schlimm! Ottokar (auf und nieder gehend). Es steht sehr gut! Kanzler. O Gott! Die Krankheit herrscht, der Mangel herrscht im Lager. Ottokar. Die Krankheit: Furcht, und Mangel wohl an Mut, Doch nur bei wenigen, so will ich hoffen, Und von den wenigen haengt einer drauss'! Hat man jetzt Zeit, um krank zu sein? Und Hunger? Ich hungre nur nach einem: nach dem Sieg! Kanzler. Aus Boehmen seit fuenf Tagen keine Nachricht, Und man besorgt-- Ottokar. Wahrscheinlich bin ich dort So schlecht bedient als hier! Kanzler. Hier seid Ihr gut, (auf seine Brust schlagend) Hier mindstens seid Ihr gut bedient, mein Koenig! Ottokar. Mag sein! mag sein! Kanzler. Von Oestreich die, von Steier, Allnaechtlich fliehn sie haufenweis zum Feind. Ottokar (stehenbleibend). Ich will sie treffen!--All dies weite Land, Zur menschenleeren Wueste will ich's machen, Dass drin die Fuechse hausen und die Woelfe, Und nach Jahrhunderten der muess'ge Wandrer Sich streiten soll, wo Neuburg stand und Wien. Kanzler. Am linken Ufer schon, auf unsrer Seite, Will Feinde man sogar gesehen haben. Ottokar. Beinahe glaub ich, dass es mancher wollte; Doch ist's nicht wahr! Kanzler. Allein die Wachen sahn's. Ottokar. Schickt einen Mutigen, der sieht wohl nichts! Kanzler. Bei Wolkersdorf-- Ottokar. Ich sag Euch: Nein! Ich weiss! Die Maehrer sind's, wenn sich dort Haufen zeigen! (Er steht am Tisch bei der Karte.) So war's im Plan! Die Maehrer dort von oben, Im Ruecken Milota aus Steiermark, Und wir, wie Schleien durch die Donau und Wie Loewen jenseits raus; und dann: (Mit der Hand auf den Tisch schlagend.) Schlag tot! Ich habe sie! (Er geht wieder auf und nieder.) Kanzler. Du allgerechter Gott! Ich sinne nach, wie wir uns retten moechten, Und Ihr sprecht nur von Sieg!--Aus Steiermark Hoert ab und zu man wunderbare Dinge. Ottokar. Ei, wundert Euch soviel Ihr wollt, Herr Kanzler! Dort ist der Milota; ein tuecht'ger Mann! Kein Kopf, doch eine Faust von Stein und Stahl. Der schlaegt Euch zwanzigmal auf einen Fleck Und fraegt nicht, wie's getan. Kanzler. Nun denn, so sei's! Ich habe mich verwahrt! Als ich Euch sagte: Herr, traut dem Baier nicht! Ihr trautet doch: Und nun liess er den Kaiser durch sein Land. Ottokar. Furcht hat 'ne feine Nase fuer die Furcht; Den Baier habt Ihr trefflich ausgewittert! Kanzler. Der Grafenbund in Schwaben ist zerstreut. Ottokar. Der hielt wohl niemals allzufest beisammen! Kanzler. Mit einem Wort. Der Kaiser Rudolf, Herr-- Ottokar. Was Kaiser! Kanzler. Nu, der Habsburg also denn! Er ist der Mann nicht, den wir sonst ihn glaubten. Ottokar. Mir sollte leid tun, wenn er schlimmer waere! Ein Krieger und ein Mann vielleicht; kein Koenig. Kanzler. So dachte mancher, der ihn waehlen half; Doch hat sich's anders, unverhofft bewaehrt. In Aachen schon, als man die Lehen gab Und sich kein Szepter fand--man wollt' ihn stoeren!-- Da trat er hin und nahm vom Hochaltar Ein Kruzifix-- Ottokar. Und gab die Lehn damit? Wer geben will, der findet leicht ein Werkzeug; Zum Nehmen ruest' er kraeftiger sich aus! Kanzler. Die Ruh' ist hergestellt im weiten Deutschland, Die Raeuber sind bestraft, die Fehden ruhn. Durch kluge Heirat und durch kraeft'ges Wort Die Fuersten einig und ihm eng verbunden; Der Papst fuer ihn. Im Land nur eine Stimme, Ihn preisend, benedeiend als den Retter. Als auf der Donau nur allsamt dem Heer Nach Wien er niederfuhr mit lautem Schall, Da toente Glockenklang von beiden Ufern, Von beiden Ufern toente Jubelruf Der Menge, die dort kam und staunt' und kniete, Wie sie den Kaiser sahn im grauen Roecklein Am Vorderteil des Schiffes stehn allein Und freundlich gruessend mit des Hauptes Neigen. Herr, nennt ihn Kaiser, denn fuerwahr er ist's! Ottokar. Sprichst du so warm fuer ihn? Kanzler. Fuer Euch wohl waermer. Hab ich ihm denn geschworen, so wie Euch? Doch, dass zwei Herrn, so hoch, so wuerdevoll, Sich gegenueberstehn, da's nur ein Wort, Ein Wort nur brauchte, um sie auszusoehnen-- Ja, Herr, es ist gesagt! Es sei gesagt! Und moegt Ihr zuernen, melden muss ich's Euch: Der Kaiser hat gesendet einen Herold Und laedt Euch ein zu guetlichem Gespraech. Ottokar. Schweig still! Kanzler. Die Insel Kaumberg ward ersehn; Von beiden Teilen werde sie besetzt. Nicht Ihr zu ihm, nicht er zu Euch, Auf gleichgeteilten Boden sollt Ihr kommen Und dort verhandeln, was uns allen nuetzt. Ottokar. Bei meinem Zorn--! Kanzler. Herr, selbst bei Eurem Zorn! Nicht schweig ich da, wo reden meine Pflicht! (Zawisch von Rosenberg kommt.) Ottokar. Du kommst zurecht; beschwicht'ge diesen Raben! Zawisch. Was will er denn? Ottokar. Er spricht mir von Vergleich. Zawisch. Wie? Von Vergleich? der kindisch schwache Greis! Nur eben hat sich eine Schar Kumanen Durch eine Furt dem Lager angenaht; Allein ich ging hinaus mit meinen Boehmen, Und, wie sie flohn, den Rueckweg fand wohl keiner! Ottokar (zum Kanzler). Seht Ihr? Kanzler. Ein einzler Fall entscheidet nicht! Zawisch. Doch viele Faelle faellen doch zuletzt! Die Axt ist an der Wurzel, losgeschlagen! (Zum Kanzler.) Habt Ihr ein Heer wie unsers je gesehn? Voll Kraft und Mut und Zuversicht und Stolz Auf sich und auf den Fuehrer, der es leitet. Kanzler. Ihr wisst wohl, Zawisch, dass es anders ist. Zawisch (fortfahrend). Und Ihr koennt von Vergleich und Frieden sprechen? Sind ihrer viel; wir sind wohl gleicher Zahl! Sind tapfer sie; wer nimmt es auf mit uns? Fuehrt sie ein Kaiser; hier steht Deutschlands Kaiser! Noch diese Schlacht, und, Kanzler, glaubt, er ist's. Kanzler. O Rosenberg, Ihr spielt ein falsches Spiel! Ich glaub, Ihr seid nicht wahrhaft, Rosenberg! Ein altes Unrecht, Eurem Haus getan Von unserm sonst gerechten, gnaed'gen Herrn, Ich fuercht, es wurzelt tief in Eurem Herzen Und laesst Euch also sprechen, wie Ihr sprecht. Glaubt mir, mein gnaed'ger Herr, ich mein es redlich. Zawisch. Die Feinde sind im Nachteil, das ist klar! Ottokar. Das ist nicht klar. Die Waage steht fuer sie. Der einz'ge Vorteil--doch der soll entscheiden!-- Ist, dass Euch Ottokar, und jene Habsburg fuehrt. (Er tritt an den Tisch und, mit der rechten Hand daraufgestemmt, betrachtet er die vor sich liegende Karte.) Zawisch. Der Sieg ist unser, glaubt mir das, Herr Kanzler! Kanzler. Und wenn auch! was ist noch damit gewonnen? Ihr schlagt den Kaiser heut, und uebers Jahr Kommt er herab mit einem neuen Heer. Die Lande sind nun einmal missvergnuegt, Bereit zu Aufstand und zu Meuterei, Sie rufen Euch die Deutschen, eh' Ihr's denkt. Und stirbt auch Rudolf, faellt er in der Schlacht; Ein andrer Kaiser fodert Euch dasselbe, Und ewig waehrt der Unfried' mit dem Reich. Zawisch. Was mehr? Zawisch. Was mehr? Kanzler. Was mehr?--Und rechnet Ihr fuer nichts Das Unheil und die Greuel in dem Land? Die Saat zerstampft, die Wohnungen verbrannt, Die Menschen hingeschlachtet wie--dass Gott! Schaemt Euch, Herr Rosenberg, dass Ihr so sprecht! Hat darum unser Koenig Gold und Gut Daran gesetzt, sein Boehmen aufzubringen? Es geht der Pflug, der Weber sitzt am Werk, Der Spinner dreht, der Berg gibt seinen Schatz; Und soll er nun mit eigner Fuerstenhand Das all zerstoeren, was er selbst gebaut? Ei geht, Ihr wisst nicht, was Ihr sprecht, Herr Zawisch! Der Koenig kennt das besser, als Ihr glaubt! Ottokar (vor sich hin). Im Grunde waren sie's, die mir den Antrag taten! Kanzler. Wohl waren sie's! Ottokar (wieder auf und nieder gehend). Ist Schmach dabei, trifft sie's! Kanzler (mit dankend gefalteten Haenden). Er ueberlegt! Ottokar. Die Schwaeche macht versoehnlich! Herr Kanzler, um das Kaisertum der Welt Haett' ich ihm nicht das erste Wort gegoennt! Kanzler. Die Ehre bleibt; verdoppelt wird der Ruhm. Ottokar. Dem Feind verzeihen; gut! Doch nach der Strafe! Die Schwaeche macht versoehnlich! Kanzler. Gnaed'ger Herr--! Ottokar. Und wahrlich, Zawisch, sehen moecht' ich ihn! Wie er sich nimmt, dem Ottokar genueber, Der arme Habsburg in dem Kaiserkleid? Was er entgegnet, wenn im selben Ton, Mit dem ich ihm bei Kroissenbrunn befahl: "Herr Graf, greift an" ich Oestreich nun und Steier Und all die Lehen von dem Reich begehre? Das hiesse siegen, ohne Heer, allein! Zawisch. Dagegen aber, wenn er schlau und listig-- Ottokar. Topp, Kanzler, Euren Vorschlag nehm ich an! Kanzler. O tausend Dank! Ottokar. Ei, dankt nicht allzufrueh! Nicht ganz in Eurem Sinn ist's, dass ich gehe! Wenn er so dasteht und nach Worten sucht Und ich ihm sage: Euren Kaisermantel Begehr ich nicht, Ihr moegt ihn ruhig tragen! Doch an mein Land sollt Ihr mir, Herr, nicht ruehren; Und so gehabt Euch wohl und zieht in Frieden! Aufs hoechste gibt man ihm ein Fleckchen Grund, Dass er daheim sich bruesten mag und sagen: Das haben wir erobert fuer das Reich! Die Freude goenn ich ihm. Glueck auf, Herr Kanzler, Wir ziehen aus auf Frieden und Vergleich; Da seid Ihr Fuehrer, wir gehorchen Euch! Und was sich regt im Lager, gross und klein-- (gegen den Eingang gewendet, einige treten herein) Das sei bereit und rueste sich in Pracht. Von Gold und Silber lasst die Ruestung starren; Und weh dem Edelknecht, des Wams und Mantel Nicht hundertmal den deutschen Kaiser aussticht. (Ab, die andern folgen ihm.) ----------------------------------------------------------------------- Insel Kaumberg in der Donau. Lager der Kaiserlichen. Im Hintergrunde, auf einigen Stufen erhoeht, ein kostbares Zelt, mit dem Reichsadler geschmueckt. Ein Hauptmann tritt auf; hinter ihm mehrere Wappner, die mit gekreuzten Hallbarten das nachdringende Volk abzuhalten bemueht sind. Hauptmann. Lasst sie nur ein, der Kaiser hat's befohlen! (Volk stroemt herein.) Erster Buerger (der sich mit seinem Nachbar durch die Menge in den Vorgrund gearbeitet hat). Hier ist ein guter Platz, hier lasst uns bleiben! Zweiter Buerger. Wenn er nur vorkommt, dass wir ihn auch sehn. Frau (zu ihrem Kinde). Halt dich zu mir und nimm da deine Blumen! Schweizersoldat. Wo ist der Rudi? Herr, ich bin sein Landsmann Und hab was anzubringen bei dem Kaiser! Hauptmann. Geduldet euch! Doch seht, man oeffnet schon. (Das Zelt oeffnet sich. Kaiser Rudolf sitzt im ledernen Unterkleide an einem Feldtische. Er hat einen Helm vor sich, an dem er mit einem Hammer die Beulen ausklopft. Vollendend und zufrieden seine Arbeit beschauend.) Rudolf. Nun haelt das lange wieder, ab und zu. (Er sieht sich um.) Schon Leute da?--He, Georg, hilf einmal! (Ein Diener hilft ihm, er zieht den Rock an.) Erster Buerger (im Vorgrunde). Gevatter Grobschmied, saht Ihr wohl? Der Kaiser, Den Hammer in der Hand! Vivat Rudolphus! Zweiter Buerger. Sei still, sei still! Er tritt schon auf uns zu! (Der Kaiser kommt die Stufen herab.) Seyfried von Merenberg (tut einen Fussfall). Erlauchter Herr! Rudolf. Ei, Merenberg? Nicht wahr? Seid ruhig, Euer Vater wird befreit, Des geb ich Euch mein Wort. Im weiten Reich Hat Gottes Hilfe hergestellt die Ruh', So wird's auch hier in Eurem Osterland. Der Fuerst von Boehmen kommt heut zum Gespraech; Vor allem will ich Eurer da gedenken! (Merenberg tritt zurueck.) (Ein Kind mit einem Blumenstrauss laeuft auf den Kaiser zu.) Rudolf. Wem ist das Kind? Wie heisst du? Eine Frau. Katharina, Kathrina Froehlich, Buergerskind aus Wien. Rudolf. Fall nicht, Kathrina! Ei, was ist sie huebsch! Wie fromm sie aus den braunen Augen blickt, Und schelmisch doch. Zierst du dich auch schon, Kroete? Was wollt Ihr, gute Frau? Frau. Ach Gott, Eu'r Hoheit! Die Boehmen haben unser Haus verbrannt, Mein Mann liegt krank vor Kummer und Verdruss. Rudolf (zu einem seiner Begleiter). Schreibt Euch den Namen auf und sehet zu! (Zur Frau.) Worin zu helfen ist, da wird man helfen! Schweizersoldat (tritt vor, hinter ihm noch drei oder vier andere). Mit Gunst und Urlaub, gnaediger Herr Landsmann! Rudolf. Ei, Walter Stuessi aus Luzern? Was willst du? (Zum Kinde.) Geh nur zu deiner Mutter, Katharina, Dem Vater wird geholfen, sag ihr das! (Das Kind laeuft zur Mutter.) Schweizer. Ich und die andern da vom Lande Schweiz, Wir kommen her, ob Ihr die Gutheit haettet Und gaebt uns etwas Geld! Rudolf. Ja Geld, mein Freund, Geld ist ein gutes Ding, wenn man nur hat. Schweizer. So habt Ihr keins? Ja so!--Und fuehrt doch Krieg? Rudolf. Sieh Freund, du weisst wohl noch von Hause her, Gar manchmal hat ein Landwirt auf gespeichert An Frucht und Futter fuer den Winter gnug, Bis voll zur Fruehlingszeit. Allein der Fruehling Anstatt im Maerzen kommt er erst im Mai, Und Schnee liegt dort, wo sonst wohl Saaten standen; Wenn da der Vorrat aufgeht, schmaehst du ihn Als einen schlechten Wirt? Schweizer. Behuete Gott! Das hat wohl mancher schon an sich erfahren!-- Und Ihr?--Ja so! (Zu seinen Landsleuten.) Seht nur, er ist der Landwirt, Und dau'rt der Winter--heisst: der Krieg--so lang, Und ist die Brotfrucht aufgezehrt:--das Geld. Nu Herr, wir warten schon noch etwas zu: Indessen holt man aus des Landmanns Kasten. Rudolf. Wenn ihr nicht bleiben wollt, so geht. Doch wer sich nicht begnuegt mit Lagerzehrung, Und mir die Hand legt an des Landmanns Gut, Der haengt, und waer's der Beste! Schweizer. Nu, 'ne Frage Ist wohl erlaubt. Es ist nur, dass man's, weiss. Wir wollen zusehn noch ein Tage vier, Vielleicht wird's besser bis dahin. Rudolf. Das tut! Und gruesst mir Rat und Buerger von Luzern. (Der Kaiser wendet sich zu gehen.) Ottokar von Hornek (im Vorgrunde tritt aus der Menge). Erlauchter Herr und Kaiser, hoert auch mich! Rudolf. Wer seid Ihr? Hornek. Ottokar von Hornek, Dienstmann Des edlen Ritters Ott von Lichtenstein, Den Koenig Ottokar, samt andern Landherrn, Ohn Recht und Urteil haelt in enger Haft. O nehmt Euch sein, nehmt Euch des Landes an! Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land, Wohl wert, dass sich ein Fuerst sein unterwinde! Wo habt Ihr dessengleichen schon gesehn? Schaut rings umher, wohin der Blick sich wendet, Lacht's wie dem Braeutigam die Braut entgegen! Mit hellem Wiesengruen und Saatengold, Von Lein und Safran gelb und blau gestickt, Von Blumen suess durchwuerzt und edlem Kraut, Schweift es in breitgestreckten Taelern hin-- Ein voller Blumenstrauss soweit es reicht, Vom Silberband der Donau rings umwunden!-- Hebt sich's empor zu Huegeln voller Wein, Wo auf und auf die goldne Traube haengt Und schwellend reift in Gottes Sonnenglanze; Der dunkle Wald voll Jagdlust kroent das Ganze. Und Gottes lauer Hauch schwebt drueber hin Und waermt und reift und macht die Pulse schlagen, Wie nie ein Puls auf kalten Steppen schlaegt. Drum ist der Oesterreicher froh und frank, Traegt seinen Fehl, traegt offen seine Freuden, Beneidet nicht, laesst lieber sich beneiden! Und was er tut, ist frohen Muts getan. 's ist moeglich, dass in Sachsen und beim Rhein Es Leute gibt, die mehr in Buechern lasen; Allein, was not tut und was Gott gefaellt, Der klare Blick, der offne, richt'ge Sinn, Da tritt der Oesterreicher hin vor jeden, Denkt sich sein Teil und laesst die andern reden! O gutes Land! o Vaterland! Inmitten Dem Kind Italien und dem Manne Deutschland, Liegst du, der wangenrote Juengling, da: Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn Und mache gut, was andere verdarben! Rudolf. Ein wackrer Mann! Erster Buerger. Ja Herr, und ein Gelehrter! Er schreibt 'ne Reimchronik, und Ihr, Herr Kaiser, Kommt auch drin vor! Rudolf. Im Guten, will ich hoffen! Dein Herr, vertrau! er soll die Freiheit haben. Und du--Zum Angedenken dieser Stunde, nimm Die Kette da und schmuecke dich damit! Dem Wissen sei sein Lohn und dem Vollbringen! (Er nimmt eine Kette vom Hals und haengt sie Horneken um, der niedergekniet ist. Zu einem der Nebenstehenden.) Euch, Ritter, scheint die Gunst wohl allzuhoch? Wenn diesen Mann ich mit dem Schwert beruehre, So steht er auf als Ritter, wie so mancher; Doch manchen wuesst' ich nicht, womit beruehren, Sollt' er ein Reimwerk schreiben, so wie der. Doch davon nichts in deine Chronik, Freund! Das hiesse sonst in dir mich selber loben! Hauptmann (kommt). Der Koenig naht von Boehmen, gnaed'ger Herr! Rudolf. Nun, grosser Gott, du hast mich hergefuehrt; Vollende nun, was ich mit dir begonnen! (Man hat rechts im Vorgrunde einen Feldstuhl gesetzt. Der Kaiser setzt sich, sein Gefolge steht um ihn.) (Koenig Ottokar kommt in glaenzender Ruestung, darueber einen bis auf die Fersen gebenden reichgestickten Mantel; statt des Helmes die Krone auf dem Haupt. Hinter ihm der Kanzler und Gefolge.) Ottokar (vom Hintergrunde her auftretend). Ich suche nun schon lange rechts und links; Wo habt ihr euren Kaiser, edle Herrn? Ihr da, Herr Merenberg? Trifft man Euch hier? Ich denk Euch schon noch anderswo zu treffen! Nun, wo ist Rudolf? Ah! (Er erblickt ihn und geht auf ihn zu.) Gott gruess Euch, Habsburg! Rudolf (der aufsteht, zu denen, die um ihn stehen). Warum steht ihr entbloessten Hauptes da? Kommt Ottokar zu Habsburg, Mensch zum Menschen, So mag auch Hinz und Kunz sein Haupt bedecken, Ist er doch ihresgleichen: Mensch.--Bedeckt euch! Doch kommt der Lehensmann zum Lehensherrn, Der Boehmen pflicht'ger Fuerst zu Deutschlands Kaiser, (Unter sie tretend.) Dann weh dem, der die Ehrfurcht mir verletzt! (Mit starken Schritten auf ihn losgehend.) Wie geht's Euch, Ottokar? was fuehrt Euch her? Ottokar (der betroffen einen Schritt zurueckgetreten ist). Zur--Unterredung hat man mich geladen! Rudolf. Ja so, Ihr kommt zu reden in Geschaeften? Ich dacht', es waer' ein freundlicher Besuch! Zur Sache denn! Wie koemmt's, mein Fuerst von Boehmen, Dass Ihr erst jetzt auf meinen Ruf erscheint? Ich liess Euch laden schon zu dreien Malen, Nach Nuernberg, dann nach Wuerzburg und nach Augsburg, Dass Ihr die Lehen naehmt von Eurem Land; Allein Ihr kamt nicht. Nur das letztemal Erschien statt Euch der wuerd'ge Herr von Seckau, Doch der nicht allzu wuerdig sich benahm. Ottokar. Die Lehn von Boehmen gab mir Koenig Richard. Rudolf. Ja, der von Kornwall. Ei, es gab 'ne Zeit, Wo man in Deutschland fuer sein bares Geld Noch mehr erhalten konnt' als Lehn und Land! Doch damit ist's vorbei! Ich hab's geschworen, Geschworen meinem grossen, gnaed'gen Gott, Dass Recht soll herrschen und Gerechtigkeit Im deutschen Land; und so soll's sein und bleiben! Ihr habt Euch schlecht benommen, Herr von Boehmen, Als Reichsfuerst gegen Kaiser und das Reich! Dem Erzbischof von Salzburg seid Ihr feindlich Mit Raub und Mord gefallen in sein Land, Und Eure Voelker haben drin gehaust, Dass Heiden sich der Greuel scheuen wuerden. Ottokar. Die Fehde ward ihm ehrlich angesagt. Rudolf. Hier aber gilt's nicht Fehde; Ruhe, Herr! Die Lande Oesterreich und Steiermark, Mit Kaernten und mit Krain, der Wind'schen Mark, Als ungerecht dem Reiche vorenthalten, Gebt wieder Ihr zurueck in meine Hand! Ist hier nicht Feder und Papier? wir wollen Die Handfest gleich in Ordnung bringen lassen! Ottokar. Ha, beim allmaecht'gen Gott! wer bin ich denn? Ist das nicht Ottokar? nicht das sein Schwert? Dass man in solchem Ton zu sprechen wagt! Wie aber dann, Herr, wenn, statt aller Antwort, Der Donau breiten Pfad zurueck ich messe Und weiter frag an meines Heeres Spitze? Rudolf. Noch vor zwoelf Monden kamt Ihr mir zurecht, Wenn Ihr der Waffen blut'gen Ausspruch waehltet! Ihr seid ein kriegserfahrner Fuerst, wer zweifelt? Und Euer Heer, es ist gewohnt zu siegen; Von Gold und Silber starret Euer Schatz: Mir fehlt's an manchem, fehlt's an vielem wohl! Und doch, Herr, seht! bin ich so festen Muts, Wenn diese mich verliessen alle hier, Der letzte Knecht aus meinem Lager wiche; Die Krone auf dem Haupt, den Szepter in der Hand Ging ich allein in Euer trotzend Lager Und rief Euch zu: Herr, gebet, was des Reichs! Ich bin nicht der, den Ihr voreinst gekannt! Nicht Habsburg bin ich, selber Rudolf nicht; In diesen Adern rollet Deutschlands Blut. Und Deutschlands Pulsschlag klopft in diesem Herzen. Was sterblich war, ich hab es ausgezogen Und bin der Kaiser nur, der niemals stirbt. Als mich die Stimme der Erhoehung traf, Als mir, dem nie von solchem Glueck getraeumt, Der Herr der Welten auf mein niedrig Haupt Mit eins gesetzt die Krone seines Reichs, Als mir das Salboel von der Stirne troff, Da ward ich tief des Wunders mir bewusst Und hab gelernt, auf Wunder zu vertraun! Kein Fuerst des Reichs, der maecht'ger nicht als ich; Und jetzt gehorchen mir des Reiches Fuersten! Die Friedensstoerer wichen meiner Stimme; Ich konnt' es nicht, doch Gott erschreckte sie! Fuenf Schilling leichtes Geld in meinem Saeckel, Setzt' ich in Ulm zur Heerfahrt mich ins Schiff; Der Baierherzog trotzte, er erlag; Mit wenig Kriegern kam ich her ins Land, Das Land, es sandte selbst mir seine Krieger! Aus Euren Reihen traten sie zu mir, Und Oesterreich bezwingt mir Oesterreich. Geschworen hab ich: Ruh' und Recht zu schirmen: Beim allessehenden, dreiein'gen Gott! Nicht so viel, sieh! Nicht eines Haares Breite Sollst du von dem behalten, was nicht dein! Und so tret ich im Angesicht des Himmels Vor dich hin, rufend: gib, was du vom Reich! Ottokar. Die Lande hier sind mein! Rudolf. Sie waren's nie! Ottokar. Mein Weib Margrethe brachte sie mir zu! Rudolf. Wo ist Margrethe nun? Ottokar. Wo immer, gleichviel! Sie gab mir dies ihr Land! Rudolf. Soll ich sie selber Als Richtrin stellen zwischen uns?--Sie ist im Lager! Ottokar. Im Lager, hier? Rudolf (mit geaendertem Tone). Die Ihr so schwer beleidigt, An Rechten und an Freuden hart beraubt, Heut morgens kam sie, milden Sinnes bittend Um Schonung fuer den Mann, der ihrer nie geschont! Ottokar. Die Muehe konnte sich die Frau ersparen! Wo Ottokar, da braucht's der Bitten nicht! Rudolf (stark). Wohl braucht's der Bitten, mein Herr Fuerst von Boehmen, Denn sprech ich nur ein Wort, seid Ihr verloren! Ottokar. Verloren? Rudolf. Ja! von Boehmen abgeschnitten. Ottokar. Indes Ihr Wien belagert, mach ich's frei! Rudolf. Herr, Wien ist ueber! Ottokar. Nein! Rudolf (hinter sich gewendet). Herr Paltram Vatzo! Wo ist er? Er begehrte mich zu sprechen; Der Buergermeister samt dem Rat von Wien. (Paltram Vatzo, Buergermeister von Wien, mit einigen Ratsgliedern kommt, die Schluessel der Stadt auf einem Kissen tragend.) Paltram. In Unterwuerfigkeit, mein Herr und Kaiser, Bring ich die Schluessel Euch der Stadt von Wien, Euch bittend, dass Ihr mir nicht zuernt darob, Weil ich, dem Koenig treu, dem ich geschworen, Die Stadt gehalten bis auf diesen Tag; Sie auch, verzeiht! vielleicht noch laenger hielt, Wenn nicht das Volk die Uebergab' erzwungen, Der langen Sperrung mued und der Entbehrung. (Er legt knieend die Schluessel zu des Kaisers Fuessen.) Mein Amt, ich leg es mit den Schluesseln ab, Doch sollt als treuen Buerger Ihr mich finden. (Aufstehend.) Des Landes Herr ist Paltram Vatzos Herr, Zugleich mit meinem Land ergeb ich mich! (Er tritt zurueck.) Ottokar. Verdammt! O Wiener! Leichtbeweglich Volk! Hast du fuer deinen leckern Gaum gezittert? Doch soll's dich reun! Die Zufuhr sperr ich dir Aus Klosterneuburg, meiner starken Feste! Rudolf. Auch Klosterneuburg ist in meiner Hand, Und nichts mehr dein am rechten Donauufer! Herr Friedrich Pettau, kommt! (Friedrich Pettauer tritt vor mit niedergeschlagenen Augen.) Ottokar. Ha, schaendlicher Verraeter! So gabst du meine Burg? Pettauer. Nicht ich, o Herr! Ein rascher Ueberfall, spaet gestern abends-- Ottokar. Genug! Ich weiss, dass ich verraten bin! Doch triumphiere nicht! Doch spott ich dein! Aus Steiermark naht mir ein stattlich Heer Mit Milota, dem treuerprobten Fuehrer; Im Ruecken fasst er deine Mietlingsschar, Indes, wie Donnerwolken, Ottokar Von vornehmer die schwachen Halme knickt, Und kein Entrinnen bleibt als in die Donau! Rudolf. O sprich nicht weiter, allzu rascher Fuerst! Ottokar. Erkennst du nun, wie weit du noch vom Ziel? Rudolf. Auf Milota bau deine Hoffnung nicht! Ottokar. Mein Grund steht fest; an dir ist's wohl, zu zittern! In Waffen sehn wir uns. Leb wohl! Rudolf. Du gehst? Du gibst die Lande nicht? Ottokar (zum Abgehen gewendet). Ob ich sie geb! Rudolf. Nun wohl, so sprich denn selbst mit Milota, Ob du mit Grund ihm so viel magst vertraun? (Milota tritt auf in Ketten.) Rudolf. So brachten mir die Herren ihn von Steier, In Ketten, weil er grimmig sie gedrueckt. Nehmt ihm die Fesseln ab!--Hier ist das Banner Von Steiermark, und hier ist Oestreichs Banner, (Landesherrn von Oestreich und Steiermark treten auf des Kaisers Seite vor, mit Banner und Farben ihres Landes.) Sie gaben selbst sich in des Reiches Schutz. Steht nicht so traurig da, mein Fuerst von Boehmen! Schaut um Euch her! Die Wolken sind entflohn, Und klar seht Ihr nun alles, wie es ist. Wenn Oesterreich verloren-- Ottokar. Ha, noch nicht! Rudolf. Taeuscht Euch nicht selbst! Ihr fuehlt's in Eurem Innern, Dass es verloren ist; und zwar auf immer! Ihr wart ein maecht'ger Fuerst, ein grosser Koenig, Eh' die Gelegenheit des Mehrbesitzes In Euch entzuendet auch den Wunsch dazu; Ihr werdet's bleiben, maechtig, reich und gross, Wenn auch verloren, was nicht halten konnte. Denn Gott verhuete, dass ich einen Finger Ausstreckte nach dem Gut, das Euch gehoert. Auch koennt' ich's nicht! Euch bleibt ein maechtig Heer, Zu aller Art des Streites wohlgeruestet, Und zweifelhaft ist aller Schlachten Glueck. Allein, tut's nicht! Verkennt nicht Gottes Hand, Die Euch gewiesen, was sein heil'ger Wille. Mich hat, wie Euch, der eitle Drang der Ehre Mit sich gefuehrt in meiner ersten Zeit. An Fremden und Verwandten, Freund und Feind Uebt' ich der raschen Tatkraft jungen Arm, Als waer' die Welt ein weiter Schauplatz nur Fuer Rudolf und sein Schwert. In Bann gefallen, Zog ich mit Euch in Preussens Heidenkrieg, Focht ich die Ungarschlacht an Eurer Seite, Doch murrt' ich innerlich ob jener Schranken, Die Reich und Kirche allzu aengstlich setzten Dem raschen Mut, der groessern Spielraums wert. Da nahm mich Gott mit seiner starken Hand Und setzte mich auf jene Thronesstufen, Die aufgerichtet stehn ob einer Welt. Und gleich dem Waller, der den Berg erklommen Und nun hinabsieht in die weite Gegend Und auf die Mauern, die ihn sonst gedrueckt; So fiel's wie Schuppen ab von meinen Augen Und all mein Ehrgeiz war mit eins geheilt. Die Welt ist da, damit wir alle leben, Und gross ist nur der ein' allein'ge Gott! Der Jugendtraum der Erde ist getraeumt, Und mit den Riesen, mit den Drachen ist Der Helden, der Gewalt'gen Zeit dahin. Nicht Voelker stuerzen sich wie Berglawinen Auf Voelker mehr, die Gaerung scheidet sich, Und nach den Zeichen sollt' es fast mich duenken Wir stehn am Eingang einer neuen Zeit. Der Bauer folgt in Frieden seinem Pflug, Es ruehrt sich in der Stadt der fleiss'ge Buerger, Gewerb' und Innung hebt das Haupt empor, In Schwaben, in der Schweiz denkt man auf Buende, Und raschen Schiffes strebt die muntre Hansa Nach Nord und Ost um Handel und Gewinn. Ihr habt der Euren Vorteil stets gewollt; Goennt ihnen Ruh', Ihr koennt nichts Bessres geben! O Ottokar, es war 'ne schoene Zeit, Als wir, aus Preussen rueckgekommen, sassen Im Soeller Eures Schlosses am Hradschin, Von kuenft'gen Tagen, kuenft'gen Taten sprachen! Bei uns sass damals Koenigin Margrethe-- Wollt Ihr sie sehn? Margrethen sehen? Ottokar. Herr! Rudolf. Dass Ihr den Friedensengel von Euch stiesst, Der sanft versoehnend ob Euch wartete, Die rasche Glut mit Segenswort besprach Und treulich, eine liebe Schwester, sorgte! Mit ihr habt Ihr das Glueck von Euch verbannt.-- Ihr seid in Eurem Haus nicht gluecklich, Ottokar!-- Wollt Ihr Margrethen sehn? sie ist im Lager! Ottokar. Nein, Herr! Allein die Lehen will ich nehmen. Rudolf. Von Boehmen und von Maehren? Ottokar. Ja, Herr Kaiser! Rudolf. Dem Reich erstatten--? Ottokar. Oestreich, Steiermark, Was ich vom Reich; was sich von mir getrennt. Ich habe viel fuer sie getan! Der Undank, Der Menschen Schlechtheit ekelt tief mich an. Rudolf. So kommt ins Zelt! Ottokar. Warum nicht hier? Rudolf. Es werden Des Reiches Lehen knieend nur genommen! Ottokar. Ich knien? Rudolf. Das Zelt verbirgt uns jedem Auge. Dort sollt Ihr knien vor Gott und vor dem Reich, Vor keinem, der ein Sterblicher, wie wir. Ottokar. Wohlan! Rudolf. Ihr wollt? Gesegnet sei die Stunde! Geht Ihr voran, ich folg Euch freudig nach. Wir beide feiern einen grossen Sieg! (Sie gehen ins Zelt, die Vorhaenge fallen zu.) Milota (der zu den Seinigen hinuebergeht). Nun, Gott sei Dank! Das macht mich wieder frei! Der letzten Zeit will ich mein Tage denken. (Zawisch von Rosenberg kommt.) Zawisch. Wo ist der Koenig? Milota. In des Kaisers Zelt; Er nimmt die Lehn! Zawisch. Ho, ho! und so verborgen? Das muessen alle sehn, die treuen Herzens sind. (Er haut mit dem Schwert die Zeltschnuere ab; die Vorhaenge fallen, und man sieht Ottokarn vor Rudolf knien, der ihn eben mit dem Schwert mit Boehmen belehnt hat.) Zawisch. Der Koenig kniet! Die Boehmen (unter sich). Der Koenig kniet! Ottokar. Ha, Schmach! (Er springt auf und eilt in den Vorgrund.) (Der Kaiser, der ihm folgt, mit der Fahne von Maehren in der Hand.) Rudolf. Wollt Ihr die Lehn nicht auch auf Maehren nehmen? (Ottokar laesst sich auf ein Knie nieder.) Rudolf (indem er ihm die Fahne von Maehren gibt). So leih ich Euch die Markgrafschaft von Maehren Und nehm Euch in des Reiches Eid und Pflicht Im Namen Gottes und durch meine Macht. Steht auf, Herr Koenig, und mit diesem Kuss Begruess ich Euch als Lehnsmann und als Bruder. Ihr aber, die ihr Oestreich angehoert Und Lehen tragt von seines Landes Fuersten, Kommt mit nach Wien, um dort den Eid der Treue, Den Lehenseid in unsre Hand zu leisten! Ihr folgt uns doch, geehrter Herr und Koenig? (Ottokar neigt sich.) Nun, ich erwart Euch, wenn's Euch wohlgefaellt. Ihr schwingt die Fahnen, lasst den Jubel toenen, Dem blutlos-schoenen Sieg der holden Eintracht! (Ab mit den Seinigen.) (Ottokar steht noch immer mit gesenktem Haupte da.) (Merenberg, der zurueckgeblieben ist, tritt nach einigem Zoegern ihn an mit bittenden Gebaerden.) Merenberg. Erlauchter Herr, ich wollt' Euch bitten! Ottokar (faehrt empor und sieht ihn mit einem grimmigen Blicke an; dann zerreisst er mit einer Hand die Spange des Mantels, dass er faellt; mit der andern reisst er von hinten die Krone vom Haupte und stuerzt fort, ausrufend:) Fort! (Indem alle ihm folgen, faellt der Vorhang.) Vierter Aufzug Vor der Burg zu Prag; ein grosses Tor mit Fallgattern in der Mitte des Hintergrundes fuehrt hinein. Daneben ein kleines Ausfallpfoertchen, zu dem einige Stufen hinanfuehren, das aber verschlossen ist. Rechts im Mittelgrunde des Pfoertners Wohnung mit einem steinernen Tische und einer Bank. Davor ein Beet mit Blumen. Milota und Fuellenstein von verschiedenen Seiten. Milota. Traft Ihr den Koenig? Fuellenstein. Nein. Milota. Ich fand ihn auch nicht. Fuellenstein. In Znaim verlor er sich von dem Gefolge, Ein einz'ger Knecht, den man vermisst, mit ihm, Und irrt seitdem im Land herum von Maehren. In Kraliz sah man ihn, in Hradisch, Lukow; Zuletzt in Kostelez, hartbei an Stip, Da, wo die kleine Wunderquelle fliesst, Zu der die Pilger weitumher sich wenden. Ein aermlich Badhaus steht dort in der Tiefe, Von Menschen abgesondert und Verkehr, Da hielt er vierzehn Tage sich verborgen; Ein Ort zum Sterben mehr, als um zu leben! Und wie die Pilger pflegen dort herum, Die, eines Wunsches, der sie drueckt, gedenkend, Ein Kreuz von Reisig in den Brunnen werfen Und aus dem Sinken oder Schwimmen prophezein, So tat er tagelang und schien betruebt. Zuletzt erfuhr's der Magistrat von Hradisch Und ging hinaus, den Koenig einzuholen; Doch der war nicht mehr da und schon im Weiten. Milota. Und wo er jetzt ist, habt Ihr nicht erfahren? Fuellenstein. Man will ihn auf dem Weg gesehen haben Nach Prag. Milota. Hieher?--ich hoff, er wird jetzt ruhn! Die stolzen Fluegel sind in was gepflueckt; Das Land, das ewig ihn nach aussen lockte, Er hat's zurueckgegeben feierlich. Will er nach Vaeterweise herrschen hier, Die Deutschen heissen gehn aus seinem Reich Und unterm Beistand boehmischer Wladiken Bedenken seines Volkes wahres Glueck: Vielleicht, dass ich vergesse, was er tat An mir und meinem Haus.--Geht Ihr zum Kanzler? So meldet ihm, ein kaiserlicher Herold, Vollziehung fodernd des geschlossnen Friedens, Vor allem die Befreiung jener Geisel, Die noch aus Oesterreich und Steiermark Gefangen liegen rings im Land umher, Ist eingeritten in das Tor von Prag. Er moege schleunig tun, was man begehrt, Bevor der Koenig kommt und manches hindert. Fuellenstein. Doch wenn der Koenig-- Milota. Tut, was ich Euch sage! (Fuellenstein ab.) Milota. Waer' nicht das ganze Land mit ihm beschimpft, Ich wollte lachen, wie erst Zawisch lachte. Schnell alles angeordnet, eh' er kommt, Dann hat er zu bestaet'gen und--zu schlafen! (Er geht ins Schloss.) (Kurze Pause, dann kommt ein Knappe des Koenigs, ringsumherspaehend, er ruft in die Szene.) Knappe. So, jetzt ist niemand hier, mein gnaed'ger Herr! (Ottokar kommt, in einen dunkeln Mantel eingehuellt, ein schwarzes Barett mit schwarzen Federn tief in die Augen gedrueckt.) Diener. Den Kanzler soll ich holen? Gnaed'ger Herr, Beliebt Euch lieber nicht ins Schloss zu treten? (Ottokar schuettelt das Haupt.) Diener. Zwei Tage habt ihr nicht gegessen, nicht Geschlafen; denkt an Euer teures Leben! (Der Koenig lacht hoehnisch auf.) Diener. Lasst Euch erbitten, geht ins Schloss, mein Koenig! (Ottokar stampft ungeduldig mit dem Fusse.) Diener. Ich gehe denn! doch lasst Euch nieder, Herr! (Geht ab ins Schloss.) Ottokar. Ich sollte dich betreten, Schloss der Vaeter? Die Schwelle dir entweihn mit meinem Fuss? Als ich im Sieg, im jubelnden Triumph Zu dir heranzog durch die lauten Gassen, Erstrittne Fahnen dir entgegenhielt; Da machtest du mir deine Pforten auf Und meine Vaeter sahn von deinen Zinnen. Fuer Helden ward gewoelbt dein hoher Bau, Und kein Entehrter hat ihn noch betreten! Hier will ich sitzen, als mein eigner Pfoertner, Und Schande wehren ab von meinem Haus. (Er setzt sich auf die Stufen am Ausfallstor und verhuellt sein Haupt.) (Der Buergermeister von Prag und einige Buerger kommen.) Buergermeister. Ei, lasst mich, ich muss eilen in den Rat. Ein Herold von des Kaisers Majestaet Ist angelangt, da darf man sich nicht saeumen, Denn Boehmen ist nun wieder an dem Reich. Der Koenig hat es feierlich gelobt, Den Eid der Treue knieend uebernommen. Buerger. Wie, knieend? Buergermeister. Wohl! im kaiserlichen Lager! Er lag auf seinen Knien, der Kaiser sass, Das ganze Heer hat's staunend angesehen. Was regt sich dort? Buerger. Ein Mann sitzt auf den Stufen. Buergermeister. Ja, Hochmut kommt zu Fall; ich sagt' es oft! Seht doch mal hin, wer dort am Tore sitzt! Verdaechtig Volk streift jetzo durch das Land, Die abgedankten Soeldner sind zu scheuen. Buerger (kommt zurueck). Ach, Herr! Buergermeister. Du zitterst ja! Buerger. Es ist der Koenig! Buergermeister. Der Mann dort auf den Stufen? bist du toericht? Buerger. Er sah mir ins Gesicht. Schaut nur! Buergermeister. Er ist's! Wenn er vernommen, was wir hier gesprochen! Soll ich ihm einen Fussfall tun?--Das Beste, Wir ziehen uns zurueck. Er scheint zu sinnen. (Sie ziehen sich rechts gegen den Vorgrund.) (Benesch von Diedicz und seine Tochter treten rechts im Hintergrunde auf.) Benesch (am Stabe, fuehrt Bertan). Ei, sieh nur, wie die liebe Sonne scheint! Du musst einmal ins Freie! Berta komm! Die dumpfe Stubenluft ist ungesund. Und tu mir's auch zulieb, und sprich einmal! Sprich, Berta, sprich! und waer's ein einzig Wort! Als: ja und nein. Tu's deinem alten Vater! Sieh, auf Johanni wird's--ich weiss nicht recht Wie lang, seit du so vor dich siehst und schweigst. Das ist recht klaeglich! Willst nicht reden, Berta? Ich hoerte lieber dich im Fieber rasen, Als jetzt den langen Tag kein einzig Wort. Ei, was vergangen ist, das ist vergangen! Wir denken nicht mehr dran, und so ist's gut. Buergermeister. Still! Benesch. Nun, sie schweigt ja leider ohnehin! Herr, Tag fuer Tag, und oeffnet nicht den Mund! Buergermeister (leise). Dort sitzt der Koenig! Benesch. Wo? Buergermeister. Dort auf den Stufen! Benesch. Ei, Berta, sieh, dort sitzt der boese Koenig, Der dir so weh getan, du armes Kind! Ei, sprich einmal und schmael ihn tuechtig aus. Sag: arger Mann, ich freu mich deines Leids, Du hast's um mich verdient und meinen Vater. (Berta hebt eine Handvoll Erde auf und wirft damit, wie Kinder pflegen, gerade vor sich hin, ohne zu treffen.) Benesch. Ja, wirf ihn nur! o dass es Dolche waeren! Wirf, Berta, wirf! den argen, boesen Mann. Doch Gott hat unsre Rach' auf sich genommen: Gekniet hat er vor seinem aergsten Feind, Vor einem Mann, den er sonst wohl verachtet, Im Angesicht des Heers hat er gekniet. Ei, ruettle dich, ich fuerchte mich nicht mehr! Ist doch ein Hoeherer, der dich bezwingt. Mach erst, dass mir mein Kind da wieder spricht, Dann lass mich toeten, mich bekuemmert's wenig. (Die Koenigin kommt mit Zawisch und Dienern.) Kunigunde. Wer liess den Aberwitz da vor die Tuer? Hab ich Euch nicht gesagt, Ihr sollt sie hueten? Benesch (der fortgefuehrt wird). Nu, Berta, komm! er hat doch auch sein Teil. (Ab.) Kunigunde. Ihr auch fort, alles fort, was Augen hat! (Alle geben, bis auf sie und Zawisch.) Kunigunde. Wir sind allein! allein mit unsrer Schande! Wollt Ihr Euch nicht erheben, grosser Koenig, Und grosse Worte geben, wie ihr pflagt? Sieh hin, da sitzt der Stolze, Uebermaecht'ge, Dem sonst die Welt zu klein fuer seine Groesse; Da sitzt er wie ein Bettler vor der Tuer Und holt ein "helf euch Gott!" sich und Verachtung. Der Mann, der Kronen trug, als waeren's Kraenze, Und, wenn die eine welk ward, neue flocht Aus frischgeschnittnen Blumen fremder Gaerten. Das Leben Tausender in seiner Hand, Es hinsetzt', wie zum froehlich leichten Brettspiel, Auf das von Blut und Staub geteilte Feld Und ausrief: Schach! als wenn es Steine waeren, Vom Kuenstler plump geformt aus totem Stoff, Und Ross und Reiter zubenannt zum Scherz. Der selbst mit der Natur im Streite lag, Und wenn er morgens ausritt auf die Jagd Und sah den Himmel ueberdeckt mit Wolken, So sprach er: Wart! rief nach dem Meister Maurer, Und hiess ihn, mit dem neuen Kirchenbau In Gueldenkron nicht allzusehr zu eilen. Da sitzt er und starrt leblos auf den Grund, Den er zuvor gestampft mit stolzen Fuessen! Zawisch. Ei, gnaed'ge Frau, das Glueck ist eben rund! Kunigunde. Was andre bindet, das war ihm ein Spiel! Sein Weib Margrethe stiess er fort von sich:-- Weiss Gott, sie war fuer ihn, die Alternde, Die Koenigin des Jammers stand ihm wohl!-- Und fern aus Ungarn holt' er ein Gemahl. Was kuemmert's ihn, ob sie vielleicht schon laengst Nach einem andern hingewandt den Blick? Ob grade damals ein Geringerer, Und doch viel Groessrer warb um ihre Hand?-- Ein unbezwungner Fuehrer der Kumanen Wiegt einen dienstbarn Boehmenkoenig auf!-- Was kuemmert's ihn! er will ein Weib und Erben, Mag brechen, was da bricht; und damit gut! Ein kraeftig freies Wesen kam ich her, Gar wuerdig wohl des Juenglings zum Gemahl, Und fand--ei nun, den Koenig Ottokar! Nicht ganz so klaeglich, als er jetzt dort bruetet, Doch nicht viel besser, weiss der grosse Gott! Von Rat und Meinung hielt er mich entfernt, Wie eine Magd viel mehr als eine Fuerstin. Er nur allein, er wollte Herrscher sein. Zawisch. Ei, gnaed'ge Fuerstin, herrschen ist gar suess; So suess fast als--gehorchen, und man teilt's nicht! Kunigunde. Er hat geherrscht; fuerwahr, er hat geherrscht! Wie eine Seifenblase ist's zerronnen! Und reden konnt' er, gross und fuerstlich reden! Was nicht gewesen noch und niemals wurde, In seinem Munde war's! Als der von Nuernberg Vom Kaiser ihm die erste Botschaft brachte, Wie er da sprach, wie er sich fuerstlich nahm! Nicht eine Stadt, kein Haus, nicht eine Scholle Gab er dahin von Oestreichs weitem Grund; Und wenn's die Aerzte hundertmal geschworen, Des Kaisers hohes Leben hinge dran, Kein Blaettchen Safran, den sie dort gewinnen! Auf unsern Steppen ist ein Tier, heisst Maultier, Wenn das den Wolf von weiten kommen sieht, So roehrt es laut, schlaegt aus nach allen Seiten, Die Erde wirft's in weiten Wirbeln auf; Doch naht der Wolf, da bleibt es zitternd stehn Und laesst sich ohne Widerstand erwuergen. So fast hat dieser Koenig auch getan! Mit grossen Worten zog er aus ins Feld, Die halbe Welt in seinem Heer versammelt. Von Polen, Valben, Tartarn, Deutschen, Boehmen Vermischten sich die Stimmen in dem Lager, Und Oestreich war zu klein fuer ihre Zahl. Doch als des Streites ernste Stunde kam, Da fehlte Herz fuer so viel ruest'ge Arme; In seines Feindes Lager--Rosenberg! Zawisch. Erlauchte Frau! Kunigunde. Habt Ihr schon je gekniet? Vor Frauen nicht--vor Maennern schon gekniet? Um Sold, um Lohn, aus Furcht, vor Euresgleichen? Zawisch. Ich nicht. Kunigunde. Und wuerdet's nie? Zawisch. In meinem Leben! Kunigunde. Er aber hat's getan! vor seinem Feinde, Vor jenem Mann gekniet, den er verachtet, Der einst ihm dienstlich war, und wenn er sprach: Komm her! so kam er, und sprach er: geh hin! So ging er und beeilte sich gar sehr! Zawisch. Erlauchte Koenigin, es war nur Scherz! Scherz unter guten Freunden. Seht, der Kaiser, Er wollte seine Macht den Leuten zeigen, Da bat er unsern Koenig, und der tat's. Kunigunde. Ich aber will nicht heissen: Knechtes-Frau; Nicht eines schnoeden Dienstmanns Bette teilen; Will nicht, wenn mich der Kaiser heischt nach Wien, Die Schleppe tragen seiner Graefin Hausfrau; Will nicht vor Rudolf knien, wie er getan. (Der Koenig springt auf.) Kunigunde. O springt nur auf; ich fuercht Euch wahrlich nicht! Soll ich die einz'ge sein von Mann und Frau, Die noch vor Ottokar, dem Koenig, zittert? Gebt mir Geleit, ich will nach Ungarn heim, Dort wahrt man eines Koenigs Ehre besser. Ihr, Rosenberg, den Arm! und nichts mehr weiter Von jener Schmach, die Ihr mit angesehn! Zawisch (indem er sie abfuehrt). Es war nur Scherz! Wir fanden's alle lustig, Nicht bloss der Kaiser; freilich der am meisten. Und gut sah es sich an, man muss gestehn! (Sie gehen ab.) Ottokar. Zawisch! Zawisch (zurueckkommend). Was wollt Ihr, Herr? Ottokar. Dein Schwert! Zawisch (indem er es gibt). Hier ist es! Ottokar (zum Stoss ausholend). Verraeter! Koenigin (ruft inner dem Schlosstore). Rosenberg! Ottokar. Hier nimm dein Schwert und geh! Zawisch. Ei, schoenen Dank! hier ist nicht gut zu weilen. (Ab, der Koenigin nach.) Ottokar (nachdem er eine Weile starr auf den Boden gesehen hat). Ist das mein Schatten?--Nun, zwei Koenige! (Trompeten von innen.) Man kommt, man naht! Wohin verberg ich mich? (Er huellt sich in seinen Mantel und zieht sich zurueck.) (Ein kaiserlicher Herold kommt mit zwei Trompetern. Hinter ihm die befreiten oestreichischen Geisel, worunter der alte Merenberg. Volk dringt nach. Der Kanzler im Wortwechsel mit dem Herold.) Kanzler. Ich protestier im Namen meines Koenigs! Herold (die Urkunde in der Hand). Artikel drei des fei'rlichen Vertrags Besagt: Die Geisel werden freigegeben, Und so, in Vollmacht kaiserlicher Hoheit, Sprech ich die Freiheit dieser Maenner an Aus Oestreich und aus Steier, Untertanen Des Kaisers und des Reichs zu dieser Frist. Zugleich begehr ich gaenzliche Vollziehung Des Friedens, der bis jetzt nur halb erfuellt. Noch immer lieget boehmische Besatzung Im Lande hie und dort von Oesterreich; Auch Heinrich Kuenring, eurer Sache treu, Haust uebel in dem Land jenseits der Donau, Still unterstuetzt vom nachbarlichen Maehren. Es soll nicht sein, befiehlt mein Herr und Kaiser! Es abzustellen komm ich her nach Prag. Kanzler. Man wird dem Koenig es erst melden muessen. Herold. Wozu? Ist nicht der Kaiser Lehensherr? Derlei ist im Vasalleneid bedungen. Kanzler. Der Kaiser, seinerseits, hat auch noch nicht In allem dem Vertrag genug getan! In Maehren stehn noch kaiserliche Voelker. Herold. Sie werden abziehn, wenn ihr euch gefuegt. Kanzler. Warum soll Boehmen denn zuerst erfuellen? Herold. Beglueckt, wer hat, das ist ein alt Gesetz. Kanzler. So nennt Ihr das Gesetz? Das ist Gewalt. Herold. Nennt's, wie Ihr wollt, nur handelt, wie Ihr muesst. Kanzler. Ich kann Euch nichts versagen, nichts gewaehren. Der Koenig, sagt man, ist in Prag, er selbst Kann nur ob Eurer Forderung entscheiden. Herold. So fuehrt mich denn zu ihm! Kanzler. Auch das nicht jetzt! Er ist in Prag, doch Naeh'res weiss man nicht. Herold. Nun wohl, so stosst denn ihr in die Trompeten, Dass sich der Hall verbreite durch die Stadt Und Koenig Ottokarn verkuendet werde, Dass Boten da von seinem Lehensherrn. (Ottokar tritt aus dem Volke, er hat den Mantel weggeworfen.) Ottokar. Hier ist der Koenig! Was verlangt Ihr? Herold. Herr, Man weigert mir die Freiheit dieser Maenner! Ottokar. Wer weigert? Herold (auf den Kanzler zeigend). Hier! Kanzler. Nur, Herr, bis du genehmigt. Ottokar. Sie buergten mir fuer ihres Landes Schuld; Der Schuldbrief ist erlassen, nehmt das Pfand! Zwar dort seh ich ein Angesicht, das fast Mich reuen machen koennte solch ein Wort. Verbirg dich, Merenberg! Du bist kein Geisel, Ein ueberwiesener Verraeter bist du, Der erste, der voranging mit Verbrechen. Verbirg dich! denn im Innern kocht es auf Und lechzt zu kuehlen sich in deinem Blut! (Merenberg zieht sich hinter zwei andere Geisel zurueck.) Ottokar. Was sonst? Herold. Die Raeumung Oestreichs wird begehrt. Ottokar. Es ist geraeumt! Herold. Nicht ganz. Ottokar. Es soll geschehn! Bedungen ward's im Frieden, und so sei's. Herold (ausrufend). Wer sonst noch Fordrung hat an Boehmens Krone, Ein vorenthaltnes Recht, erwiesner Schade; Wer Lehn zu nehmen hat vom deutschen Reich, Ich lad ihn auf das Rathaus, wo der Pfalzgraf Zu Recht wird sitzen und die Lehn erteilen. Vivat Rudolphus, roemisch-deutscher Kaiser! (Herold ab, Das Volk tumultuarisch ihm nach. Nur der Kanzler bleibt.) Ottokar. Sie folgen alle? Lassen mich allein? (Zum Kanzler.) Bist du mein ganzer Hof?--Ha, Ottokar! Verachtet von dem Letzten meiner Diener, Verhoehnt von meinem Weib, mit Recht verhoehnt, Wie Wild gehetzt, von Haus und Bett vertrieben! Ich kann's nicht tragen, kann nicht leben so! Hinausgestrichen aus der Fuersten Zahl, Ein Dienstmann dessen, der mir sonst ein Spott; Und ungestraft, mein lachend, ziehn die Frechen, Die mich verraten, fort aus meiner Haft. Horch! (Man hoert in der Entfernung den Herold seinen Ausruf wiederholen.) Ottokar. Vivat Rudolphus? In der Hoelle leb' er! Ruf mir den Herold! Kanzler. Ach, mein gnaed'ger Koenig! Ottokar. Ruf mir den Herold oder zittre, Knecht! (Kanzler ab.) War's besser nicht, zu fallen in der Schlacht, Der letzte meiner Krieger neben mir? Sie haben mich verraten, ueberrascht. Ein dunkler Nebel schwindet von der Stirn; Ich hab getraeumt: wie kuehle Morgenluft Kommt mir Erinnerung und laesst mich wachen. Mit einem Heer zog ich an Donaustrand Und schlug ein Lager, so weit reicht die Denkkraft; Von da an Nacht! Was weiter dann geschehn, Wie sie mich lockten in des Kaisers Zelt, Wie dort--Ha, Tod und Teufel! Toeten will ich Den letzten, der's mit angesehn! Mich selber, wenn ich nicht verloeschen kann Das Angedenken jener blutigen Schmach! (Der Herold mit den Geiseln kommt zurueck.) Herold. Ihr liesst mich wieder rufen, gnaed'ger Herr! Ottokar. Fuers erste merket, dass in niemands Namen, Als in dem meinigen man Ausruf tut In meiner Pragerstadt! Herold. Allein-- Ottokar. Genug! Dann lasst die Geisel sich in Reihe stellen, Man muss erst untersuchen, ob kein andrer, Der Haft Entsprungner sich mit ihnen rettet. Herold. Dagegen buergt des Reiches Wuerde zwar; Doch stellt euch in die Reihe, wenn's beliebt. Ottokar (die Reihe hinauf gehend). Du magst nur gehn, und du!--Bist du so schmuck, Herr Ulrich Lichtenstein? Du freust dich wohl, Weil du nun ledig? Nu, ich goenn es dir. Du hast mich nicht geliebt; je, ich dich auch nicht! Das macht uns wett. Zieh immer hin! Doch da ist einer, den ich sprechen muss. Gott gruess dich, Merenberg, du Schurk' und du Verraeter! Kanzler. Wenn er nur schweigt, nur nimmer widerspricht! Ottokar. Wie geht's denn deinem Sohn im Dienst des Kaisers? Ein wackrer Junge, der schlaegt nicht von Art! Du hast ihn noch zur rechten Zeit gerettet, Da es mit Ottokar schon abwaerts ging. Als ich das letztemal ihn sah, versprach ich Ihm Kunde bald von mir und auch von dir; Wie waer's, wenn ich ihm jetzt ein Briefchen schriebe: Der alte Schurk', dein Vater, lebt nicht mehr! (Zum Herold.) Das ist kein Geisel, ist ein Hochverraeter Und kann mit jenen andern dort nicht gehn! Herold. Gerade den befahl mein Herr, der Kaiser-- Ottokar. Gerade den befiehlt sein Herr, der Koenig-- (Zu Merenberg.) Du warst der erste, du hast angefangen, Das Beispiel du gegeben von Verrat. Nach Frankfurt schriebst du Klagen und Beschwerden, Da waehlten sie den Habsburg, meinen Feind! Merenberg. Beschwerden nicht! Ottokar. Nu, Lob doch auch nicht, Bruder! Als erst dein Sohn in meines Gegners Heer, Da folgten ihm von Oesterreich die andern Und haben an der Donau mich verraten, Mich preisgegeben, ihren rechten Herrn! Weisst du, wo deinen Sohn ich sah zuletzt? Es war bei Tulln, im kaiserlichen Lager, Wo Koenig Ottokar--Tod und Verdammnis!-- Vor seinem Feind--in Knechtesart--im Staub-- Loesch aus, Erinnerung, in meinem Haupt, Senk, Wahnsinn, dich herab auf meine Stirn Und huell in deine Wogen, was geschehn! Wo Koenig Ottokar--warum nicht sagen, Was alle Welt gesehn?--vor seinem Feind gekniet! Und dieses Mannes Sohn, er stand dabei Und lachte!--Darum musst du sterben, Mann! Die andern moegen gehn, der eine bleibt! Merenberg. Gerechter Gott! Herold. Bedenket, gnaed'ger Herr! Ottokar. Bedenket lieber Ihr, vorlauter Herr! Dass, wenn Ihr nicht in diesem Augenblick-- Doch zieht in Frieden und lasst mich gewaehren; Noch bin ich Herr in diesem meinem Land. Merenberg. Die Steiermark gehorcht nunmehr dem Reich! Ottokar (zum Herold). Er war mein Untertan, als er an mir gefrevelt, Als meinen Untertan bestraf ich ihn! Werft ihn in tiefsten Turm, und wer mir meldet: Der Merenberg ist tot, der sei willkommen! Herold. Der Kaiser aber-- Ottokar. Herr, sagt Eurem Kaiser: Er soll in Deutschland herrschen nach Gelust! Was ich versprach, ich hab es ihm gehalten, Obgleich verraten, ueberlistet, hintergangen, Ich hab's gehalten, weil ich es versprach.-- Doch sagt ihm: hier im Busen poch' ein Mahner, Der immer zuruft: Nimm, was man dir stahl! Des Koenigs Ehre rett'! Die Ehre eines Koenigs Steht nicht um tausend Menschenleben feil. Man hat dich an der Donau ueberlistet, Versuch, ob in Gewalt er auch obsiegt! Das sagt ihm, Herr! und weiter sagt ihm noch: Der Friede ist erfuellt, er hat das Land, Die Geisel send ich ihm, er ist befriedigt; Doch moeg' er hueten sich, in Boehmen mir Ein Wort zu reden, das mir nicht gefaellt, Sich einzumengen hier in mein Geschaeft, Sonst wollt' ich ihm--allein sagt ihm doch lieber: Er moeg' es tun, er moege Trutz mir bieten, Mit einem Heer mir fallen in das Land, Dass ich den Hass, den heissen Grimm mag kuehlen Im Blut, das seinem Herzen fliesst zunaechst. Luegt mir zulieb, ich haett' auf ihn geschmaeht, Genannt ihn einen eingedrungnen Herrscher, Der mir gestohlen, was mein eigen war; Gelacht des Herolds, den er mir gesandt, Den Mann, den er beschuetzt, zum Tod verdammt-- Herold. Das koennt Ihr nicht! Ottokar. Ich kann es, denn es ist. Herold. Kraft dieses Briefs-- Ottokar. Verdammt sei dieser Brief! Willst du mit Briefen mich und Worten meistern? Noch hab ich Schwerter, noch ist mir ein Heer, Das unbesiegt, du siegtest nur mit Raenken, Und reissen will ich diese Raenke, wie ich Den Brief zerreisse, den du dir erschlichst. (Er hat dem Herold den Brief entrissen.) Sieh her! (Im Begriff, die Urkunde zu zerreissen, haelt er ploetzlich inne.) Kanzler. O Gott, was sinnt er? Teurer, gnaed'ger Herr! Ottokar. Ruft mir mein Weib, die Koenigin! (Diener ab.) Vor aller Welt ward Ottokar beschimpft, Vor aller Welt muss er auch rein sich waschen! Sie hat den gift'gen Stachel mir gesenkt In meine Brust; sie mag zugegen sein, Wenn ich ihn ausziehe oder im Bemuehn Ihn druecke in das Innerste des Lebens! (Die Koenigin kommt.) Kunigunde. Was ist? Ottokar. Ihr habt mich, kurz erst, hart gescholten, Dass ich, um Blut zu schonen, nachgegeben Und eingeraeumt dem Kaiser Gut und Land. Kunigunde. Ich schelt' Euch noch! Ottokar. Seht hier in meiner Hand Den Brief, der an den Kaiser mich gebunden. Zerreiss ich ihn, ist auch das Band zerrissen, Das jetzt mich haelt; frei bin ich wie zuvor. Zerreiss ich ihn? Kunigunde. Kein Mut'ger zweifelt da! Ottokar. Doch hoert! Aufs neue rast der Teufel Krieg; Aufs neue dampft das Land in Rauch und Blut. Und eines Morgens, leicht kann es geschehn, Bringt man Euch auf der Bahre den Gemahl. Kunigunde. An Eurem Sarge will ich lieber stehn, Als mit Euch liegen, zugedeckt von Schande! Ottokar. So stark? Ein Troepflein Milde taete wohl! Kunigunde. Solang Ihr Euch nicht von der Schmach gereinigt, Betretet nicht als Gatte mein Gemach. (Zum Abgehen gewendet.) Ottokar. Bleibt noch! Seht her! der Brief, er ist zerrissen! (Er zerreisst den Brief.) Die Ehre ganz, und auf der Zukunft Tor! Was draus erfolgt, wir wollen's beide tragen! Gott goenn Euch was von dem, was hier erwacht, (Auf seine Brust zeigend.) Und gebe mir die Kraft, die Ihr bewiesen! Kunigunde. Nun erst willkomm ich Euch! Ottokar. So nicht! so nicht! Ich sehe Blut an deinen weissen Fingern, Zukuenft'ges Blut! Ich sag: beruehr mich nicht. Gott hat das Weib aus weichem Ton gemacht Und: Milde zugenannt; was bist denn du? Wird mein Gedaechtnis wach erst und erzaehlt, Wie du den Koenig, da er kam, empfingst, Den Gatten, da er rueckgekehrt nach Haus-- Geh fort! Ich fuehle, dass sich mir die Sehkraft schwaecht, Das ist ein Zeichen, dass es Zeit zu gehn. Geh fort! Fort, sag ich! Fort! (Die Koenigin geht ab.) Es ist vorueber! Ottokar (zum Kanzler, den er angefasst hatte). Schein ich dir hart? Sie war mir auch nicht guetig! Das geht so her und hin; Gott zieht die Rechnung! Euch, Herold, halt ich nun nicht laenger mehr! Sagt Eurem Herrn, was Ihr mit angesehn! (Gegen Merenberg.) Mit dem in Turm! Was schuetzte vor Verrat, Als die Bestrafung frueherer Verraeter? Wer bauen will, der reutet seinen Grund, Drum fort, du boeses Schlingkraut, gift'ge Ranke! Merenberg. Zu rascher Koenig, mich schilt nicht Verraeter! Die sind's, die deinem Throne stehn zunaechst, Die Rosenberg, die-- Ottokar. Kannst du auch verleumden? Merenberg. Ach, der mich haelt und mich zum Kerker fuehrt, Er ist des Kerkers wuerdiger als ich! Ottokar. Kein Boehme hat noch seinen Herrn verraten! Jetzt bin ich deines Frevels erst gewiss! In Turm den Laesterer! Merenberg (der abgefuehrt wird). Zu spaet wirst du bereun! Ottokar. In Turm! Milota. Und schweigt er nicht, stopft ihm den Mund! (Merenberg wird abgefuehrt; Herold folgt.) Ottokar (unter die Seinen tretend). Kein Boehme hat noch seinen Herrn verraten; Was auch der Laestrer spricht, ich bin gewiss! Nun im Begriff, zu gehn in einen Krieg Fuer unsers Landes Ruhm und seine Macht, Vertrau ich euch, wie ich mir selbst vertraue. Wer missgesinnt ist, wer mein Tun nicht billigt, Der schliesse frei sich aus von unserm Zug, Kein Nachteil soll ihn treffen oder Vorwurf. Wer aber gern mir folgt und denkt wie ich, Den drueck ich an mein Herz und nenn ihn Bruder! Den Eid, den ich am Kroenungstage schwur, Bei meines Vaters Sarg, ich wiederhol ihn: Treu bis zum Tod! Tut ihr dasselbe! Die Welt ist voll von Boesen und von Argen; Erneut den Schwur auf eures Koenigs Schwert. (Er hat von einem der Umstehenden das Schwert genommen, die Vordersten knieen nieder.) Kniet nicht! Steht auf! Ich kann nicht knieen sehn!-- Und schwoert auch nicht!--Denn man kann knien und schwoeren Und doch das Wort nicht halten, das man gab. Ich will euch so vertrauen, ohne Schwur!-- Und nun ans Werk! Du gehst zu Herzog Heinrich Nach Breslau! ihn und Prinik, den von Glogau, Du ladest sie zur Heerfahrt hier nach Prag. Du gehst nach Deutschland, und aus Meissen, Sachsen, Von Magdeburg, dem Markgraf mit dem Pfeil, Sprichst du den Beistand an, den sie mir goennen. (Zum Kanzler.) Ihr schreibt mir an die andern Herrn und Fuersten! Wir wollen eine Schar zusammenlegen, Dass sich der Kaiser drob verwundern soll! Ich bin noch Ottokar, man soll schon sehn! Ihr alle leiht mir euren kraeft'gen Arm! Was ihr verlort an Guetern und an Schloessern, Was ich euch abnahm und zur Krone schlug, Ich geb es wieder, geb euch mehr dazu. Den Rosenbergen sei ihr Frauenberg, Auch Aussig, Falkenstein. Dir, Neuhaus, Lar; Nehmt Laun, Ihr Zierotin; Dub, Kruschina! Nehmt Eure Gueter wieder und seid froehlich! Wir wollen eins sein, redlich halten aus. Dir, Milota, vertrau ich Maehren an, Du bist ein wackrer Krieger, du bewahrst mir's. (Zawisch von Rosenberg kommt.) Ottokar. Sieh da, Herr Rosenberg! Ei, Gott zum Gruss! Ich denk, Ihr folgt uns doch wohl auch ins Feld? Ihr seid der Ersten einer meines Reichs, Auf den ich vor gar vielen andern zaehle. Zawisch. Was meine Brueder tun, das tu ich auch! Der allgemeinen Not werd ich mich nicht entziehn. (Er geht.) Ottokar (der ihm nachgesehen hat, mit Gebaerde) Der hat's hier hinterm Ohr, dem trau ich nicht! Du, Milota, du bist mein Mann! Ich glaube wohl, dass du auch hassen kannst, Betruegen nicht! Dir will ich mich vertraun! Herr Kanzler, seid Ihr fertig? Kanzler (der sich zum Schreiben gesetzt hat). Ja, mein Koenig! Ottokar. Wir haben viel durch Raschheit eingebuesst, Wir muessen uns durch Vorsicht wieder helfen. Nicht wahr, so ist's dir recht, mein alter Kauz? Kanzler. O Koenig, scheltet mich, wie sonst, mit Raschheit, Mir taet' es wohler, als die Milde jetzt. Ottokar. Schreib an den Hauptmann du der Stadt von Znaim, Er soll mit tausend Mann--doch nein, zu viel! Die Feste bleibt indessen mir entbloesst. Nein, mit fuenfhundert Mann soll er die Grenze Allein fuenfhundert sind zu wenig. (Auf Milota.) Nicht wahr? Schreib lieber, dass von Iglau--Wieder nichts! Mein Kopf ist wuest; zwei Naechte nicht geruht, Gegessen auch nicht.--Leih mir deine Bank, Ich will versuchen hier zu ruhn. Kanzler. Mein Koenig, Gefaellt's Euch nicht, ins Schloss--? Ottokar. Nein, nein, nein, nein! Doch holt mir meine Frau; sie ging im Zorn. Sie soll zu mir sich setzen, soll mir sprechen, Bis sich der Schlaf auf meine Wimpern senkt. Mein Freund, tu mir die Lieb' und geh nach ihr! (Diener ab.) Ottokar. Wie wohl es tut, die Glieder auszustrecken, Ist einer mued! Seht mal nach Merenberg; Der alte Mann mag hart im Kerker ruhn! Ist er ein Schurk' auch, soll man ihn nicht quaelen Und soll ihm geben ritterliche Haft. (Fuellenstein ab.) (Diener kommt.) Ottokar. Nun, kommt die Koenigin? Diener. Sie kommt nicht, Herr! Ottokar. So lasst sie gehn! Komm du her, alter Kanzler, Und leih zum Ausruhn heut mir deinen Schoss. Hab ich geruht--dann sollt ihr sehn-- Ob ich der alte Ottokar noch bin. (Er schlaeft.) (Fuellenstein kommt zurueck.) Kanzler. Der Koenig schlaeft! Fuellenstein. Nu, Merenberg bald auch! Als er nicht schwieg und alle Welt verklagte, Stiess ihn ein Szupan hart den Turm hinab; Er wird's nicht ueberleben, glaubt man fast! Ottokar (sich emporrichtend). He, Merenberg, bist du's? Kanzler. Er ist nicht hier! Ottokar. Mir war, als stuend' er da!--Nu, schlafen! schlafen! (Er sinkt wieder zurueck und schlaeft.) (Der Kanzler legt, Schweigen gebietend, den Finger auf den Mund.) (Der Vorhang faellt.) Fuenfter Aufzug Kirchhof von Goetzendorf. Drei Vierteile des Mittelgrundes durch das hereinragende Haus des Kuesters geschlossen, mit einem Glockenturm daran. Vorposten des boehmischen Heers. Ein Wachfeuer, Krieger herumgelagert. Ottokar sitzt hinter demselben auf einer Erhoehung, das Kinn auf beide Haende und diese auf den Knopf seines Schwertes gestuetzt. Rechts im Vorgrunde Milota und Fuellenstein am Boden liegend. Vor Tagesanbruch. Dunkel. Ein Bote tritt rechts im Vorgrunde auf. Bote. Ist hier der Koenig? Milota. Ja, was gibt's? Bote (halblaut). Kumanen Und Ungarn von des Kaisers Heere streifen Die March hinauf im Ruecken unsrer Stellung; Bei Droesing hat man ihrer schon gesehn. Soll ich's dem Koenig melden? Milota. Lasst nur sein! Der Koenig ist schon uebellaunig sonst; Auch stehn die Russen dort und meine Leute, Die werden sie den Rueckweg suchen lehren. Bote. Nun, wenn Ihr meint-- Milota. Geht nur, gleich komm ich selbst. (Bote ab.) Fuellenstein (halblaut). Das ew'ge Zaudern, ewige Bedenken! Und immer rueckwaerts! Ei, verdamm es Gott! Der Koenig hat sein Wesen ausgezogen. Schon frueher ging nicht alles, wie es sollte, Die Flucht der Koenigin gab ihm den Rest. Und waer's nicht, dass mich freut das Kriegeshandwerk, Ich waere laengst gewichen von dem Heer. Erst stuermt er vierzehn Tage Drosendorf Und laesst dem Kaiser Zeit, die Macht zu sammeln; Und als man endlich denkt: jetzt schlaegt er los, Als wir geruestet stehn und fertig vor Marchegg, Da heisst's: zurueck! und Weiden, Weikendorf Und Anger, Stillfried, alle Stellungen Am Hasenberg, am Weidenbach und an der Sulz Laesst er dem Feind, beinah ohn' einen Schwertschlag. Milota. Bald muss es sich entscheiden; sei getrost! Fuellenstein. Er nennt das Vorsicht; Zagheit nenn ich's eher! Sonst war das anders, ei, da galt noch Fechten. Jetzt sind wir Memmen! Milota. Schweig! Der Koenig regt sich! Fuellenstein. Zeit waer' es! Ottokar (am Feuer). Gestern war ein schlimmer Tag! Der Feind gewinnet Boden. Doch was tut's? Ich habe Drosendorf; der Ruecken ist gesichert. Fuellenstein (laut). Beinah der Ruecken sichrer als die Brust! Ottokar. Dir tu ich nicht zu Danke, Fuellenstein! Fuellenstein. Nein, Herr, ich kann's nicht leugnen. Sonst war's anders. Ottokar. Du haettest bei Marchegg schon losgeschlagen? Fuellenstein. So tat ich, Herr, und Ihr, Ihr tatet's auch Noch vor zwei Jahren. In der Ungerschlacht, Am selben Ort, habt Ihr nicht lang gezweifelt. Ei, Schwert heraus und in den Feind! Da ging's. Ottokar. Es ging, weil es der Zufall guenstig meinte. Ei, damals war ich ein verwegner Tor, Wie du noch jetzt bist. Reife bringt die Zeit. Fuellenstein. Herr, als noch bei Marchegg der Kaiser stand, Da zaehlt' er tausend Streiter, und nicht mehr. Jetzt ist er an die dreissigtausend stark. Ottokar. Allwissend ist nur Gott!--Was ist die Uhr? Diener. Drei Uhr nach Mitternacht. Ottokar. Die Schlacht ist unvermeidlich! Wir sind am Feind. Der heut'ge Tag entscheidet. Wie heisst der Ort hier? Diener. Goetzendorf, mein Koenig. Ottokar. Der Bach? Diener. Die Sulz. Ottokar. Ich dacht', ich waer' in Stillfried. Diener. Wir ritten gestern durch in dunkler Nacht. Jetzt liegt der Kaiser drinnen. Ottokar. Nun, Gott walt's! Diener. Ihr solltet dort ins Haus gehn, gnaed'ger Herr! Ottokar. Und dass mir niemand angreift, bis ich's sage! Ich hab ihn hergelockt in diese Berge Mit vorgespiegelter, verstellter Flucht. Dringt er nun vor: die Mitte weicht zurueck, Die Fluegel schliessen sich--dann gute Nacht, Herr Kaiser! Ich hab ihn, wie die Maus im Loch! Ha, ha! (Er bricht in ein heiseres Lachen aus, das sich in ein Husten verliert. Er reibt die Haende.) 's ist kalt! Hat niemand einen Mantel? Vor Sonnenaufgang weht die Luft am schaerfsten. (Man gibt ihm einen Mantel.) Ist das 'ne Sommernacht? Noch stehn die Stoppeln Und schon so kalt! Sonst war der Sommer warm, Der Winter Frost; jetzt tauschen sie das Amt. Die Zeiten aendern sich und wir mit ihnen! Hat man nicht Nachricht, wo die Koenigin Sich hingewandt? Diener. Man weiss es nicht, mein Koenig! Ottokar. Und Zawisch ist bei ihr? Diener. Ja, gnaed'ger Herr! Ottokar. Ich denke sie zu seiner Zeit zu treffen! Will's noch nicht tagen? Diener. Ueberhin der March Beginnt's zu graun; der Tag bricht an. Ottokar (ist aufgesprungen). Ich gruesse dich, verhaengnisvolle Sonne! Eh' du zu Rueste gehst, hat sich's entschieden, Ob Fried' in Waffen, ob im Grabe Frieden. (Er wirft den Mantel weg.) Loescht aus die Feuer, lasst die Hoerner toenen! Bereitet Euch zum Kampf, es gilt das Letzte! Bote (kommt). Herr, Droesing brennt! Ottokar. Im Ruecken meines Heers? Dort stehen Eure Leute, Milota! Milota. Versprengte Haufen von Kumanen, Herr! Auch glaub ich's nicht! Ottokar. Ist hier herum kein Huegel? Dass man des Feuers Richtung koennte sehn. Diener. Der Glockenturm. Ottokar. Steig einer schnell hinauf. (Es pochen einige ans Tor.) Ottokar. Wie kommen Ungarn mir nach Droesing? Gottes Feuer! Wer des die Schuld traegt, haengt!--Wird's bald? Diener. Herr Koenig, Man weigert uns den Eintritt. Ottokar. Weigert? Wer? Diener. Sind Damen drin im Haus. Ottokar. Was, Damen! Possen! Kuester (der aus dem Hause getreten ist). Herr, das Gefolg der Koenigin von Boehmen. Ottokar (ihn anfassend). Der Koenigin von Boehmen?--Das Gefolg'? Wohl auch sie selbst?--Ha, Schurk'!--und Zawisch auch? Es soll mir wohltun, meinen Zorn zu kuehlen! Kuester. Bedenk Eu'r Hoheit! Ottokar. Fort! Kuester. Ach, Herr! Ottokar. Hinein! (Er dringt ins Haus, der Kuester ihm nach.) Milota. Wenn er den Zawisch trifft, ist er verloren! Ich muss ihn retten, gaelt's das Aeusserste! Zieht euch zurueck, und ruf ich aus dem Fenster, So dringt ins Haus und tut, was ich euch sage; Der Koenig ist sein selbst nicht Herr im Zorn (Er geht ins Haus, die andern ziehen sich zurueck.) ----------------------------------------------------------------------- Kurzes Zimmer, durch einen gotischen Bogen geschlossen, von dem ein dunkler Vorhang bis zur Erde herabhaengt. Ottokar, dem Frau Elisabeth in den Weg tritt, stuerzt herein. Ottokar. Fort, Kupplerin! Wo hast du deine Kunden? Elisabeth. Ach, gnaed'ger Herr, goennt ihr doch jetzt die Ruh'! Ottokar. Der Vorhang dort, er deckt wohl das Geheimnis? Lieb Taeubchen, komm! Auf, Decke! Vorhang auf! (Er reisst den Vorhang auf und prallt zurueck.) (Auf einer schwarzbedeckten Erhoehung, von Lichtern umstellt, liegt Koenigin Margarethe tot im Sarge. Das Wappen von Oestreich zu ihren Fuessen.) Ottokar (im Vorgrunde, dumpf). Das ist die Koenigin von Boehmen nicht! Elisabeth. Sie war's! Ottokar. Margrethe ist's von Oesterreich, Mein Weib einst; doch verwandt im vierten Grad, Und drum geschieden nach der Kirche Recht. --Gott geb' ihr ew'ge Ruh'! Elisabeth. Ach, Amen, Amen! Ottokar. Wann starb sie? Elisabeth. Gestern morgens, gnaed'ger Herr! Ottokar. Wie kommt sie hieher? Elisabeth. Aus dem Sitz von Krems Vertrieben von den Streifern Eures Heers, Hat nach Marchegg zum Kaiser sie gewollt, Da uebereilte sie der Tod. Ottokar. Warum zum Kaiser? Elisabeth. Herr, sie sagt' es nicht; Doch, denk ich, war es, Frieden zu vermitteln. Ottokar. Sie war Vermittlerin! Und woran starb sie? Elisabeth. Man pflegt's zu nennen: am gebrochnen Herzen; Denn weinend Tag und Nacht-- Ottokar. Genug! Genug! Wo aber wollt ihr hin? Elisabeth. Wir wollen warten, Bis sich der Krieg so oder so entschieden-- Ottokar. So oder so! Elisabeth. Und dann nach Lilienfeld, Sie zu begraben in der Ahnen Gruft, Wo Herzog Leupold ruht, der Sel'gen Vater, Und, der der Babenberger Mannstamm schloss, Ihr Bruder Friedrich, den sie Streitbar nennen. Ottokar. Das tu!--Und diesen Ring.... Milota (kommt). Der Feind rueckt an! Ottokar. Ich komme gleich. Geht nur! (Milota ab.) Ottokar. Und diesen Ring Leg du von mir der Sel'gen in das Grab. Elisabeth. Ach Herr! Ottokar. Und wenn der Krieg sich hat entschieden, Und ich es ueberleb, so komm nach Prag, Dass ich die Treu' dir lohn an deiner Frau. Jetzt muss ich fort! (Er geht auf die Tuere zu.) Elisabeth (die sie ihm oeffnet). Gott segn' Euch! Ottokar (bleibt an der Tuere stehen). Margarethe, So bist du tot und hast mir nicht verziehn? (Er kommt zurueck.) Bist hingegangen, treue, fromme Seele, Mit dem Gefuehl des Unrechts in der Brust, Und stehst wohl jetzt vor Gottes Richterstuhl Und klagst mich an, rufst Rache wider mich! O tu's nicht, Margaretha, tu es nicht! Du bist geraecht. Um was ich dich und alles gab, Gefallen ist's von mir, wie Laub im Herbst. Was ich gesammelt, ist im Wind zerstoben, Der Segen fort, der fruchtend kommt von oben, Und einsam steh ich da, von Leid gebeugt, Und niemand troestet mich und hoert mich! (Er tritt naeher.) Sie haben schlimm an mir getan, Margrethe! Der Undank hob sein Haupt auf gegen mich. Die mir die Naechsten, haben mich verraten, Die ich gehoben, haben mich gestuerzt. Das Weib, um das ich hingab deinen Wert, Sie hat das Herz im Busen mir zerspalten, Die Ehre mein verkauft an meinen Knecht; Und als ich blutend heimkam aus der Schlacht, Goss sie mir Gift, statt Balsam, in die Wunden. Mit Hohn und Spott hat sie mich aufgestachelt, Dass blind ich rannte in das Todesnetz, Das nun zusammenschlaegt ob meinem Scheitel. (Er kniet am Sarge.) Du hast mich oft getroestet; troeste nun! Streck aus die kalte Hand und segne mich. Denn eines fuehl ich wohl: es kommt zu sterben; Der heut'ge Tag kann Ottokar verderben, Drum segne mich, wie du gesegnet bist! (Er legt sein Haupt auf die Kissen.) Elisabeth. Er betet, glaub ich. Nun, du guter Gott, Verzeih ihm auch! Und ach, der grossen Freude Fuer die hochsel'ge Frau! Sagt' ich's nicht immer? Er kehrt zurueck. Nun seid ihr doch beisammen, Siehst du? (Gegen Himmel blickend.) Von aussen. Ist hier der Koenig? Elisabeth (zur Tuer hinaussprechend). Ei, er will allein sein! Sie sollen ihn nicht stoeren! (Sie laesst die Vorhaenge herab.) Streit und Hader, Dazu find't so ein Herr wohl immer Zeit. Die Zeit zum Beten aber kommt nicht immer. Schon wieder Laerm, ei, dass euch Gott, ihr Heiden! (Neuer Laerm von aussen. Sie geht, mit dem Finger auf dem Mund Stillschweigen gebietend, leise zur Tuere hinaus.) -------------------------------------------------------------- Platz vor dem Hause, wie zu Anfang des Aufzuges. Milota fuehrt einen Knappen vor. Die andern im Hintergrunde. In Zwischenraeumen Trompeten und Laerm von aussen. Milota. Wie? Zawisch Rosenberg, er sendet dich? Knecht. Ja, Herr! Milota. Er ist im kaiserlichen Lager? Knecht. Wohl. Milota. Wo ist sein Brief? Knecht. Ich habe keinen Brief. Er hiess mich nur--es klingt fast laecherlich-- Er hiess mich an das Liedchen Euch erinnern: "Der Winter kehrt zurueck, die Rosen welken." Milota. Was will er damit?--Rosen--Rosenberg! Sag ihm, die Rosen moegen immer bluehn, Der Schnee zergeht; der Winter kehrt nicht wieder! (Knecht ab.) Fuellenstein (kommt). Wo ist der Koenig? Milota. Oben. Fuellenstein. Teufel auch! Es geht schon hitzig her! Ein Ritter (tritt eilig auf). Ist hier der Koenig? Die Vorhut wird zurueckgedraengt. Schickt Hilfe! Milota. Er saeumt noch immer! Fuellenstein. Siehe da, er kommt! (Ottokar kommt mit dem Kuester aus dem Hause. Frau Elisabeth folgt.) Ottokar (zum Kuester). Man wird Eu'r Haus verschonen, wie nur moeglich. Gehabt Euch wohl und schliesst mich ins Gebet. Herbott, wie steht's? Fuellenstein. Sie sind schon handgemein. Ottokar. Gebt mir den Helm! Fuellenstein. Der Gaul von einem Dienstmann Des Erzbischofs von Salzburg wurde scheu Und riss ihn fort, die andern sprengten nach. Ottokar (hat den Helm auf und zieht das Schwert). Nun denn, mit Gott! Kuester. Er segn' Euch, gnaed'ger Herr! Elisabeth. Zu tausendmal! Und fuehr Euch gluecklich heim! Ottokar. Wir wollen hoffen! (Trompeten von aussen.) Nun, wir kommen schon!, Wo sind die Pferde? Fuellenstein. Dort am Gittertor! Ottokar (gehend). Voran! Elisabeth. Gott segn' Eu'r Hoheit. (Zugleich mit dem Kuester.) Glueck und Heil! (Alle ab.) ------------------------------------------------------------------- Freie Gegend an der March. Es ist heller Tag. Kaiser Rudolf mit seinen Soehnen, in Begleitung oesterreichischer und anderer Ritter mit Fahnen, tritt auf. Rudolf. Die Sonne steigt aus Nebeln herrlich auf; Es wird ein schoener Tag! Mein Sohn, du trittst Zum erstenmal auf oesterreich'schen Boden, Sieh um dich her, du stehst in deinem Land! Das Feld, das rings sich breitet, heisset Marchfeld, Ein Schlachtfeld, wie sich leicht kein zweites findet, Doch auch ein Erntefeld, Gott sei gedankt! Und dafuer soll es immerdar dir gelten! Dort fliesst die March; dort, wo noch Nebel ringt, Liegt Wien, die Stadt, die Donau blinkt daneben, Von vielen Inseln mannigfach geteilt. Dort wirst du wohnen, gibt uns Gott den Sieg. Doch gilt's zu kaempfen erst, das sollst du auch. Die Rennfahn' geb ich dir, die sollst du fuehren, Mir vor sie tragen glorreich durch die Schlacht. (Er gibt ihm die Fahne.--Zu seinem juengeren Sohne.) Dein junger Arm fuehrt noch zu schwach den Stahl, Du bleibst bei mir, in deines Vaters Hut. Ihr, Markgraf Hochberg, fuehrt des Reiches Adler; Und wie der Adler lebend Wild nur beutet, Trefft den, der kaempft, und schonet des, der flieht. (Er gibt ihn.) Dir, Konrad Haslau, ob schon altergrau, Vertrau ich Oestreichs flatterndes Panier, Das du in zwanzig Schlachten ruehmlich trugst. Ihr bleibt ihm nah, Herr Heinrich Lichtenstein, Und wahrt des Manns und dessen, was er traegt. Ha, wohl verwahrt! Sucht' ich nach einem Schuetzer Fuer dies mein Haupt, ich wuesste keinen bessern Als einen Lichtenstein! Wohlan, ihr Herrn, Nehmt das Panier und tragt es allen vor; Den edlen weissen Strich von Oesterreich; Und wie er glaenzend geht durchs rote Feld, So will ich sehen Oestreichs weisse Zeichen Die Gasse ziehn durch blutgefaerbte Leichen. Nun vor, mit Gott! Und: Christus sei der Schlachtruf. So wie er starb fuer uns am blut'gen Holz, So wollen wir auch sterben fuer das Recht, Ob auch das Unrecht Gueter boet' und Leben. Ehrwuerd'ger Herr von Basel, geht voran, Stimmt uns das Schlachtlied an: Maria, reine Maid! Diener (kommt). Die Koenigin von Boehmen, gnaed'ger Herr! Rudolf. Wie kommt sie her zu mir? (Kunigunde und Zawisch auftretend, hinter ihnen wird Berta gefuehrt, mit Begleitern, die zurueckbleiben.) Kunigunde. Hier bin ich selbst! Um Schutz zu flehn, komm ich in Euer Lager. Rudolf. Schutz, edle Frau, bei Eures Gatten Feind? Kunigunde. Weil mir der Feinde grimmigster mein Gatte! Er rast, zumeist gen die, so ihm am naechsten, Und fliehend nur erhielt ich fast mein Leben. Rudolf. Gar viel Vertraun schenkt Ihr mir, Koenigin! Denn Frauen kenn ich, sonst wohl hohen Muts, Die aber lieber tot von Gatten-Hand, Als dass sie floehn zu denen, die ihn toeten. Doch moegt Ihr immer dort in meinen Zelten Des Ausgangs harren, der Euch wohl versoehnt. (Zu einem Begleiter.) Bringt die erlauchte Frau in Sicherheit! Kunigunde. Ich dank Eu'r Hoheit--Zawisch, kommt mit mir. (Ab.) Rudolf. Ihr, Herr, steht nicht bei Eures Koenigs Fahnen? Zawisch. Der Koenig hat mich hoch und schwer beleidigt. Rudolf. Beleidigt, Herr? und des gedenkt Ihr jetzt? Wo er vielleicht dem Tod entgegengeht? Dankt Gott, Herr, dass Ihr nicht mein Untertan, Ich wollt' Euch das Kapitel sonst erklaeren! Folgt Eurer Koenigin, die Euch statt eines Koenigs. (Zawisch ab.) Rudolf. Noch eins, eh' wir zur Schlacht! Ich hab erfahren, Dass unter denen, die ich gestern abends Zu Rittern schlug, und die ob einer Unbild Dem Boehmenkoenig abhold, oder sonst, Vor allen aus den oesterreich'schen Landen, Ein Bund besteht, ihn in der Schlacht zu suchen, Und dass ihn jener toete, der ihn fand: Den Bund vernicht ich hier, als euer Kaiser, Und jedem untersag ich, Hand zu legen An Koenig Ottokar zu dieser Frist; Den einz'gen Fall der Notwehr ausgenommen. (Zu Seyfried Merenberg, der neben ihm steht.) Habt Ihr verstanden, Herr? Und so mit Gott! Es stuerzt einer herein. Die Boehmen nahn! Rudolf. Die Oesterreicher sind schon da! Wir werden uns doch wohl nicht fuerchten sollen? Ein einzler Haufe; schliesst euch an, ihr Herrn! (Herbott von Fuellenstein mit einem Haufen.) Fuellenstein (hereinstuerzend). Wo ist der Kaiser? Nur den Kaiser such ich! Rudolf. Hier ist er, Freund! Fuellenstein. Bald heisst es wohl: er war. Rudolf. Das fraegt sich noch. Ei, lasst ihn nur, ihr Herrn, Das Fechten moecht ich doch nicht ganz verlernen! Komm an, mein Freund! Fuellenstein. Ihr folgt, und schlagt sie tot! (Gefecht. Alle ab.) ----------------------------------------------------------------------- Ein anderer Teil des Schlachtfeldes. Links im Vorgrunde das Ende eines Huegels auf die Buehne hereinlaufend, daneben steht ein Baum. Ottokar kommt, auf einen Knecht gestuetzt; zwei andere und Milota folgen. Ottokar. Herr Milota, Eu'r Haufe greift nicht an! Wo bleiben Eure Maehrer, Tod und Teufel? Ich fuercht, Ihr seid ein Schurk', Herr Milota! Und seid Ihr es, Herr, weil ich Euch vertraut, Seid Ihr es zehn- und hundertfach! Sie haben mir das Pferd erstochen unterm Leib; Das Bein schmerzt noch vom unversehrten Sturz. Geh hin und such ein Pferd; ich weile hier! (Einer ab.) Ihr, Milota, jagt hin zu Euren Maehrern! Doch nein! Bleibt da! Geh du und sag der Nachhut-- Sie sollen auf den Feind, sonst will ich, Pest! auf sie! (Der zweite ab.) Seht mir ins Antlitz, Milota! Dass Gott! Ihr schaut mit Grimm. Ich hoff, das gilt dem Feind; Denn gaelt' es mir, auf Eurem Todbett, Herr, Wuerd' Euch ein Milota genueber stehn Und also schaun in Euer brechend Aug'. Steigt dort auf jenen Huegel, Herr, und forscht Nach Fuellenstein und wie das Treffen geht. (Milota ab.) Du leite mich zu jenem Baume hin, Dass ich mich halte, bis ein Pferd zur Hand, Und sieh dich um und sag's, wenn Feinde nahn. (Er steht am Baume und haelt sich mit der Hand an einem niedrigen, duerren Zweige.) Die Boehmen fechten matt, wie man wohl ficht Fuer einen Ungeliebten, notgedrungen. Die Oestreichsmaenner und die Steirer aber, Die sonst nur traeg mir ihren Dienst erwiesen, In Todesengel scheinen sie verwandelt, Und jeder ist ein Held nun wider mich. Der Zahltag ist erschienen, und sie zahlen! Ich hab nicht gut in deiner Welt gehaust, Du grosser Gott! Wie Sturm und Ungewitter Bin ich gezogen ueber deine Fluren. Du aber bist's allein, der stuermen kann, Denn du allein kannst heilen, grosser Gott. Und hab ich auch das Schlimme nicht gewollt, Wer war ich, Wurm? dass ich mich unterwand, Den Herrn der Welten frevelnd nachzuspielen, Durchs Boese suchend einen Weg zum Guten! Den Menschen, den du hingesetzt zur Lust, Ein Zweck, ein Selbst, im Weltall eine Welt-- Gebaut hast du ihn als ein Wunderwerk, Mit hoher Stirn und aufgerichtem Nacken, Gekleidet in der Schoenheit Feierkleid, Und wunderbar mit Wundern ihn umringt. Er hoert und sieht und fuehlt und freut sich. Die Speise nimmt er auf in seinen Leib, Da treten wirkende Gewalten auf Und weben fort und fort mit Fasern und Gefaess Und zimmern ihm sein Haus; kein Koenigsschloss Mag sich vergleichen mit dem Menschenleib! Ich aber hab sie hin zu Tausenden geworfen, Um einer Torheit, eines Einfalls willen, Wie man den Kehricht schuettet vor die Tuer. Und keiner war von den Gebliebnen allen, Den seine Mutter nicht, als sie mit Schmerz geboren, Mit Lust gedrueckt an ihre Naehrerbrust, Der Vater nicht als seinen Stolz gesegnet Und aufgezogen, jahrelang gehuetet. Wenn er am Finger sich verletzt die Haut, Da liefen sie herbei und banden's ein Und sahen zu, bis endlich es geheilt. Und 's war ein Finger nur, die Haut am Finger! Ich aber hab sie schockweis hingeschleudert Und starrem Eisen einen Weg gebahnt In ihren warmen Leib.--Hast du beschlossen, Zu gehen ins Gericht mit Ottokar, So triff mich, aber schone meines Volks! Geblendet war ich, so hab ich gefehlt, Mit Willen hab ich Unrecht nicht getan! Doch einmal, ja!--und noch einmal: O Gott, Ich hab mit Willen Unrecht auch getan! Es ist nicht Todesfurcht, was so mich reden laesst. Der du die Herzen aller kennst, Du weisst, ob dieses Herz die Furcht bewegt? Doch wenn dich eines Mannes Reu' erfreut, Den nicht die Strafe, den sein Unrecht schreckt; So sieh mich hier vor deinem Antlitz knien, (Er kniet.) Und hoer mich beten wie ich jetzo bete: Geh als ein Gott der Gnade zu Gericht! (Er senkt sein Haupt.) (Seyfried von Merenberg tritt, ganz geruestet, im Hintergrunde auf.) Seyfried. Ottokar! Ottokar. Wer ruft? Seyfried (hinten stehenbleibend). Wo hast du meinen Vater? Ottokar (steht auf). Wer bist du?--Merenberg! Seyfried. Wo hast du meinen Vater? Ottokar (dumpf vor sich hin). Als Gott den Kain fragte, sagte der: Mir hast du ihn zu hueten nicht gegeben! Seyfried. Ich gab ihn dir, ja wohl, mein eigner Unsinn! Und jetzt steh ich vor dir, in Stahl gekleidet, Und fordr' ihn wieder: gib mir meinen Vater! Ottokar. Du weisst wohl, wo er ist. Seyfried. Wohl weiss ich's: tot! Ottokar. Er buesste, wie Verraeter! Seyfried. Er, Verraeter! Er war dir nur zu treu, dir, mir, der ganzen Welt. Um meinen Dienst beim Kaiser wusst' er nicht. Der Brief, den er mir gab, enthielt nur Bitten Fuer dein verstossnes Weib. Ottokar. So hat ihn Gott! Seyfried. Er hat ihn, ja! Empfiehl ihm deine Seele! (Stuerzt mit dem Schwerte auf ihn los.) (Emerberg tritt auf.) Emerberg. Seyfried, was tust du? Seyfried. Sieh, er mahnt mit Recht! Der Kaiser hat verboten, dich zu toeten Mit Waffen; doch ich will, ein Basilisk, Versuchen, mit den Augen dich zu toeten. Sieh her nach mir und hoere: Merenberg! Der Hoelle Ruf dereinstens: Merenberg! Ottokar. Gebt Raum, ich muss zu meinem Heer! Seyfried. Du bleibst! Du warst mir Lehrer, warst mir Muster, Beispiel, Ich habe dich geehrt, wie niemand sonst; Der Erde Ruhm ging mir in dir zu Grabe. Der Erde Glueck in meines Vaters Haupt. Gib das Vertrauen mir auf Menschen wieder, Den Vater wieder, den ich selbst geliefert, Ich selbst in deine Hand. Vorschneller Wuerger, Sieh mir ins Antlitz; es ist Merenbergs. Komm, toet ihn noch einmal in seinen Zuegen! Ottokar. Schliess deinen Helm, dann sei des Kampfs gewaehrt. Seyfried. Nicht also! Nein! Ficht, Koenig, mit den Toten! Hei, tapfrer Ottokar, mit eins so feig? (Ottokars Knecht kommt zurueck.) Knecht. Herr Milota, zu Hilfe! Feinde! Feinde! Seyfried (zu Emerberg). Halt den zurueck! Er muss sich mein erwehren! Dass ich dem Kaiser sagen moege: Herr, Ich schlug ihn nicht, er selber fiel mich an; Den Fall der Notwehr habt Ihr ausgenommen! (Emerberg ficht mit demKnecht.) Knecht. Herr Milota! Emerberg. Entweich! Knecht. Ach Gott! ach Gott! (Er faellt getroffen zu des Koenigs Fuessen.) Ottokar (sein Schwert aufnehmend). So sei's! (Milota kommt.) He, Milota, hilf deinem Koenig! Seyfried. Freund oder Feind? Milota. Nicht euer Feind, ihr Herrn! Geht hier der Weg nach Maehren? Ottokar. Milota! Milota. Mein Bruder, Benesch Diedicz, laesst Euch gruessen, Er ist gestorben als ein Sinnberaubter, Und Muhme Berta rast an seinem Sarg. Gebt Raum, ihr Herrn! Glueck auf! ich stoer euch nicht. (Geht in seinen Mantel gehuellt vorueber und ab.) Ottokar. Verlaesst du mich, und kann ich dich nicht schelten? Und doch war ich dein Herr, drum Schurke du auf ewig! Seyfried. Gib dich! Ottokar. Vermeinst du Ottokarn zu fangen? Es gilt zu fechten! (Er tritt hart auf den verletzten Fuss.)Trage, Fuss! Jetzt ist nicht Zeit zu schmerzen! Ihr, gebt Raum! Emerberg. Du bist verloren, sieh, die Deinen fliehn! (Fliehende Boehmen bedecken den Hintergrund.) Ottokar. Du luegst, kein Boehme flieht! Zu ihnen! Fort! Beide (mit vorgehaltenen Schwertern). Du bleibst! (Heinrich von Lichtenstein tritt mit einer Schar verfolgend im Mittelgrunde auf und eilt nach hinten, das Banner von Oestreich in der Hand.) Lichtenstein. Die Feinde fliehn! Hoch Oesterreich! Ottokar. Steht, Memmen, steht!--Und ihr gebt Raum. Seyfried. Im Grabe. Sonst nicht! Ottokar (einen Hieb fuehrend). Hier Boehmen! Seyfried (ebenso). Und hier Oesterreich! Ottokar (mit einem neuen Hiebe). Hier Ottokar! Seyfried. Hier Merenberg und Gott! (Er haut ihn nieder.) (Ottokar stuerzt nieder, rafft sich schnell wieder auf, taumelt einige Schritte und faellt dann tot neben der Huegelerhoehung hin.) Emerberg. Was tatst du? Das Gebot verletzt des Kaisers! (Merenberg steht, die Haende hinabgesunken, unbeweglich da.) Heinrich von Lichtenstein (kommt zurueck). Sieg, Sieg! Die Feinde fliehn! Hoch, Oesterreich! (Rudolf tritt auf mit Gefolge.) Rudolf. Halt ein mit Toeten! Schont der Ueberwundnen! Was ist hier? Was hat dich zu Eis verwandelt? Ha, Ottokar, am Boden, blutend, tot! Du hast's getan! Flieh, wie der erste Moerder, Und lass dich nimmer sehn vor meinem Blick! (Merenberg entflieht.) Die Boehmen sollen ruhig heimwaerts ziehn, Fuer den sie stritten, ruft es aus!, ist tot. Frau Elisabeth (hinter der Szene). Gewalt, Gewalt! Rudolf. Wer ruft? Elisabeth (kommt und wirft sich dem Kaiser zu Fuessen). Ach, gnaed'ger Kaiser! Sie pluendern drin im Haus, sie zuenden an Und goennen selbst den Toten nicht die Ruh'! Ach, schuetzt uns, Herr! Rudolf. Man soll zu Hilfe sehn! Wer bist du? Elisabeth. Ach, der Koenigin Margrethe Von Oesterreich getreue Kaemmerin, Und die dort tragen meiner Frauen Leiche. (Vier Maenner, von schwarzgekleideten Frauen begleitet, tragen den Sarg herein.) Rudolf. Sieh dort die Leiche deines Herrn! Elisabeth. Ach Gott! So starb er! Grade da er sanft geworden! Du armer Herr! Setzt hin dort unsre Leiche, So liegen sie im Tode doch vereint. (Der Sarg wird auf eine Erhoehung zu Ottokars Haeupten gesetzt.) (Kunigunde kommt, hinter ihr Zawisch und Berta.) Kunigunde. Der Koenig ist gefangen, wird gesagt. Rudolf. Hier, Weib, hier liegt dein Mann! (Kunigunde sinkt mit einem Ausruf bebend in die Kniee. Zawisch steht mit gesenktem Haupte.) Rudolf (fortfahrend). Zu seines Weibes Fuessen, Denn dass sie's blieb, hat sie im Tod erprobt. Berta (ist hinter dem Sarge auf die Erhoehung getreten und lehnt mit dem Ellenbogen darauf, jetzt pocht sie an den Sarg und sagt:) Mach auf, Margrethe, sieh, dein Mann ist da! (Mit mehreren Gefangenen ist der Kanzler hereingebracht worden, er stuerzt hin.) Kanzler. O Herr! Du mein verirrter, wackrer Herr! (Er nimmt Ottokars Haupt in seinen Schoss.) Rudolf. So liegst du nackt und schmucklos, grosser Koenig, Das Haupt gelegt in deines Dieners Schoss, Und ist von deinem Prunk und Reichtum allen Nicht eine arme Decke dir geblieben, Als Leichentuch zu huellen deinen Leib. Den Kaisermantel, dem du nachgestrebt, Ich nehm ihn ab und breit ihn ueber dich, (er tut es) Dass als ein Kaiser du begraben werdest, Der du gestorben wie ein Bettler bist. Bringt ihn nach Laa und stellt ihn fuerstlich aus, Bis man ihn holt zur Ruhstatt seiner Ahnen. (Er entbloesst das Haupt und betet still, die andern tun dasselbe. Kunigunde verhuellt sich, Zawisch blickt starr vor sich. Pause.) Berta (noch immer auf den Sargdeckel gelehnt). Und vergib uns, als auch wir vergeben! Und fuehr uns nicht in Versuchung! Rudolf. Nicht fuehr' uns in Versuchung, grosser Gott! Und nun, mein Sohn, im Angesicht der Leiche, Vor diesem Toten, der ein Koenig war, Belehn ich dich mit Oestreichs weitem Erbe. (Auf seinen Wink knieen seine beiden Soehne nieder. Er spricht immer vorzugsweise zu dem aeltern.) Sei gross und stark, vermehre dein Geschlecht, Dass es sich breite in der Erde Fernen Und Habsburgs Name glaenze bei den Sternen! Du steh in allem deinem Bruder bei! Doch solltet ihr je uebermuetig werden, Mit Stolz erheben euren Herrscherblick, So denkt an den Gewaltigen zurueck, Der jetzt nur fiel in Gottes strenge Haende, An Ottokar, sein Glueck und an sein Ende! Steh auf! und du! Und niemals kniee wieder, Ich gruesse dich als dieses Landes Herrn. Und ihr auch gruesst ihn, lasst es laut erschallen, Dass weit es sich verbreite, donnergleich: Dem ersten Habsburg Heil in Oesterreich! Alle. Heil! Heil!--Hoch Oesterreich!--Habsburg fuer immer! (Indem alle unter Trompeten und Jubelgeschrei niederknieen, um die Huldigung zu leisten, faellt der Vorhang.) Ende. Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Koenig Ottokars Glueck und Ende, von Franz Grillparzer. End of the Project Gutenberg EBook of Koenig Ottokars Glueck und Ende by Franz Grillparzer *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KOENIG OTTOKARS GLUECK UND ENDE *** This file should be named 7ottk10.txt or 7ottk10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7ottk11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7ottk10a.txt Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau. Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. 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If the value per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 If they reach just 1-2% of the world's population then the total will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! This is ten thousand titles each to one hundred million readers, which is only about 4% of the present number of computer users. Here is the briefest record of our progress (* means estimated): eBooks Year Month 1 1971 July 10 1991 January 100 1994 January 1000 1997 August 1500 1998 October 2000 1999 December 2500 2000 December 3000 2001 November 4000 2001 October/November 6000 2002 December* 9000 2003 November* 10000 2004 January* The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. We need your donations more than ever! 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