Project Gutenberg's Ein Bruderzwist in Habsburg, by Franz Grillparzer Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 8-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. EIN BRUDERZWIST IN HABSBURG von FRANZ GRILLPARZER Trauerspiel in fuenf Aufzuegen Personen: Rudolf II., roemisch deutscher Kaiser Mathias und Max, seine Brueder Ferdinand und Leopold, seine Neffen Don Caesar, des Kaisers natuerlicher Sohn Melchior Klesel Herzog Julius von Braunschweig Mathes Thurn Ein Wortfuehrer der Boehmischen Staende [Graf Schlick] Seyfried Breuner Oberst Wallenstein Wolf Rumpf, des Kaisers Kaemmerer Oberst Ramee Ein Hauptmann Feldmarschall Russworm Prokop, ein Buerger von Prag Lukrezia, seine Tochter Ein Fahnenfuehrer Mehrere Soldaten, Buerger und Diener. Erster Aufzug Auf dem Kleinseiter Ring zu Prag. Feldmarschall Russworm, ohne Waffen, von der Stadtwache gefuehrt, an deren Spitze eine Gerichtsperson. Rechts im Vorgrunde Don Caesar mit Begleitern. --Frueher Morgen. Gerichtsperson. Im Namen kaiserlicher Majestaet Ruf ich Euch zu: Lasst ab! Don Caesar. Ich nicht, fuerwahr! Ihr gebet den Gefangnen denn heraus, Den man zurueckhaelt ohne Fug und Recht. Gerichtsperson. Nach Recht und Urteil wie's der Richter sprach. Don Caesar. So war das Urteil falsch, der Richter toll. Der Mann hat einen anderen erschlagen, Weil jener ihn erschlug, kam er zuvor nicht. Gerichtsperson. Der Richter kam zuvor, haett' er's geklagt. Don Caesar. Ha, Feiger Schutzwehr, die von Feigen stammt, Wer hat ein Schwert und bettelt erst um Schutz? Dann: wenn Belgioso fiel von seiner Hand, Geschah's auf mein Geheiss. Russworm. Mit Gunst, Don Caesar. Ich war Euch stets mit Neigung zugetan, Als einem wackern Herrn von raschen Gaben, Wohl auch erkennend und mich gerne fuegend Dem was in Euch von hoeherm Stamm und Ursprung, Doch hat Feldmarschall Russworm seiner Tage Befehl gegeben andern oft und viel, Empfangen nie, als nur vom Heeresfuersten. Ob falsche Nachricht, Ohrenblaeser Tuecke Mich trieb zur Tat, die nun mich selbst verdammt, Ob meine Dienst' in mancher Tuerkenschlacht Ruecksicht verdienen, Mildrung und Gehoer, Das mag der Richter pruefen und erwaegen; Allein, dass Belgiojoso Euch im Weg, Euch Nebenbuhler war in Euerm Werben, Hat seinen Tod so wenig ihm gebracht, Als, war er's nicht, es ihn vom Tod errettet. Don Caesar. Nun denn, so fasst mich auch und fuehrt mich mit! Denn wahrlich, haett' ihn dieser nicht getoetet, Belgioso fiel' durch mich, ich hatt's gelobt. Gerichtsperson. Wir richten ob der Tat, den Willen Gott. Don Caesar. Ich aber duld es nicht! Mit diesem Schwert Entreiss ich euch die Beute, die euch lockt. Setzt an! Auf sie! Macht den Gefangnen frei! Gerichtsperson. Zu Hilfe der Gerechtigkeit! (Buerger kommen aus ihren Haeusern.) Russworm. Lasst ab! Ihr seid zu schwach und bringt die Stadt in Aufruhr. Steht meinen Feinden offen, nun wie vor, Des sonst so guet'gen, meines Kaisers Ohr, So rettet mich kein Gott. Lasst ab, lasst ab! Zu beten scheint jetzt noet'ger als zu fechten. Wo ist der Minorit? Don Caesar. Und ich soll's ansehn, Es ansehn, ich, mit meinen eignen Augen? (Lukrezia kommt mit ihrem Vater aus einem Hause rechts im Vorgrunde.) Don Caesar. Ha Heuchlerin, so kommst du, dich zu weiden Am Unheil, das durch dich, um deinetwillen da? Sieh, dieser ist's, der deinen Buhlen schlug, --Er tat's, nicht ich, doch freut mich was er tat-- Ein Ende setzte jenem naecht'gen Fluestern, Den Staendchen, dem Gekos', drob Aergernis Den Nachbarn kam, besorgt um scheue Toechter; Er tat's, und statt dafuer ihn zu belohnen, Schleppt man ihn vor den Richter und verdammt ihn. Prokop (zur Gerichtsperson). Ist es gestattet, Herr, Auf offner Strasse Ehrbare Maedchen zu beschimpfen also? Don Caesar. Ehrbare Maedchen? Ha sie taeuscht dich Alter, So wie sie mich getaeuscht und alle, alle Welt! Wohin nur geht ihr? Ja, zur Kirche wohl! Da weift sie ab die volle Suendenspule, Um neue drauf zu winden, still bemueht. Warum gehst du in Schwarz? Dir starb kein Blutsfreund. Register fuehr ich ueber alles Unheil, Das dich bedroht und das dich schon betraf. Kein Blutsfreund starb dir. Warum denn in Schwarz? Klagst du ob dem, den dieser Mann erschlug? Sprich ja, und dieses Schwert--O Nacht und Greuel! Warum in Schwarz? Prokop. Komm lass uns gehn mein Kind! Don Caesar. Geh nicht, und du!--Bleib noch!--Lukrezia! (Prokop mit seiner Tochter ab.) Ich will ihr nach!--Und doch!--Russworm verzeih, Mich uebermannte, blendete der Zorn. Doch soll darob nicht deine Sache leiden. Zum Kaiser geh ich, fordre deine Freiheit, Und weigert er's--Glaub nur, er wird es nicht!-- So werf ich vor ihm ab die Gnaden alle, Die Lasten, die mir seine Laune schuf, Goenn andern das Bemuehn ihm zu gefallen Und such in Ungarn Tuerkensaebel auf. Leb wohl! Ihr andern aber merkt euch dieses Wort: Wird ihm ein Haar gekruemmt, eh' neue Botschaft, Des Kaisers eigener Befehl es heischt, Zahlt euer Kopf fuer jede rasche Regung (Im Voruebergehen vor Lukrezias Hause.) Haus, sei verdammt, du Hoelle mir von je! (Ab.) (Russworm wird nach der andern Seite abgefuehrt.) Verwandlung Saal im kaiserlichen Schlosse zu Prag. Durch die Mitteltuere treten Hofleute auf, die sich im Hintergrunde zerstreuen. Ein Kaemmerer kommt durch den Haupteingang, hinter ihm Klesel und Erzherzog Mathias. Klesel. Ich bitt Euch, Herr! Kaemmerer. Fuerwahr, es kann nicht sein. Klesel. Ein Augenblick Gehoer. Kaemmerer. Sie sind beschaeftigt. Klesel. Des Kaisers Bruder selbst. Kaemmerer. Wenn auch, wenn auch! Doch will ich wohl versuchen ob's gelingt. (Ab in eine Seitentuere rechts.) Mathias. So viel denn braucht's, den Kaiser nur zu sehn! Klesel. Den Kaiser? Herr, glaubt ihr, wir sind soweit? Bei Wolfen Rumpf, geheimen Kaemmerer, Sucht Ihr nun Audienz. Mathias. Du heil'ger Gott! Und das im selben Schloss, denselben Zimmern, Wo ich an unsers Vaters Hand einherging, Mit meinem Bruder,--der geliebtre Sohn. Klesel. Ja, der geliebtre Sohn! Da liegt es eben! Haett' Euer Vater minder Euch geliebt, Was gilt es? Euer Bruder liebt' Euch waermer. Mathias. Entehrt, verstossen! Klesel. Hart, ich geh es zu. Doch war der Schritt bedenklich wohl genug, Der Euch zuletzt gebracht aus allen Hulden. Reist ab von Wien ins ferne Niederland, Stellt an die Spitze der Rebellen Euch, Entzweit die Hoefe von Madrid und Wien; Und, was das schlimmste, kehrt denn endlich heim Und habt nichts effektuiert. Mathias. Ich ward getaeuscht, Oranien betrog mich um den Sieg. Doch war der Plan, gesteht es, goettlich schoen: Hineinzugreifen in den wilden Aufruhr Und aus den Truemmern, schwimmend rechts und links, Sich einen Thron erbaun, sein eigner Schoepfer, Niemand darum verpflichtet als sich selbst. Klesel. Ich seh es kommen. Weht der Wind von daher? Hab was du hast, woher du's hast gilt gleich, Gekauft, ererbt,--nur nicht gestohlen, Herr. Zwar Politik nennt so was akquiriert Und find't sich wohl dabei. Mathias. Mit mir ist's aus. Ich will den Kaiser untertaenig bitten Mir zu verleihn die Stadt und Herrschaft Steyr, Dort will ich leben, und dafuer entsagen All meinem Erbrecht, aller Sukzession, Die mir gebuehrt auf oesterreich'sche Lande. Der Anfallstag, er faende mich im Grab. Klesel. Nun allzuwenig, wie nur erst zuviel. So treibt Ihr Euch denn stets im Aeussersten O Maximilians unweise Soehne! (Nachdem er sich umgesehen, leise.) Eu'r Spiel steht gut, Ihr habt die Truempfe, Herr! Harrt aus! Harrt aus! Und nur nichts von Entsagung, Von Schaeferglueck! Begehrt mir ein Kommando In Ungarn! Ein Kommando sag ich Herr! Was soll Euch Steyr? Der Waagebalken steht, Und kurze Frist, so schnellt ein Quentchen mehr In Eurer Schale, diese in die Hoeh'. Auf Euch ruht Habsburgs Heil, das Heil der Kirche, Ruht unser aller Heil. Mathias. Mit mir ist's aus! Klesel. Ich seh es ist, und so geb ich Euch auf. Hier kommt Herr Rumpf, fuehrt selber Eure Sache. (Er tritt zurueck.) (Wolf Rumpf kommt aus der zweiten Seitentuere rechts, Schriften unter dem Arme, gebueckten Ganges, der Kaemmerer hinter ihm. Der Kaemmerer zeigt mit der Hand auf Erzherzog Mathias. Rumpf geht, ohne darauf zu achten, der Mitteltuere zu. Nachdem er sie fast erreicht hat, tritt ihm Klesel in den Weg.) Klesel. Eu'r Strengen! Darf erzherzogliche Durchlaucht Gehoer beim Kaiser hoffen? Rumpf. Kann nicht sein. Klesel (auf Mathias zeigend, der im Vorgrunde steht). Dort sind Sie selbst. Rumpf. Je, Diener, Diener!--Geht nicht. Des Kaisers Majestaet sind unwohl.--Acta, Negotia. Klesel. Nur wenige Minuten. (Leise zu Mathias.) Draengt ihn! Draengt ihn! Mathias. Herr Rumpf, gebt mir die Hand! Rumpf. Je, meritier's nicht. Aber kann nicht sein. Nicht wohl geruht; empfinden sich turbiert Mit mal di testa. Wage meinen Dienst So ich es permittier-- Klesel. Ihr scherzt Herr Rumpf. Wer kennt nicht Eure Macht an diesem Hof. Rumpf. So scheint's, so scheint's. Doch sind der Herr gar streng. Je naeher ihm, so naeher seinem Zorn. Noch gestern abend, waren hoch ergrimmt, Sei'n kein Philipp der Dritte schrieen Sie, Diktieren sich zu lassen von Privaden. Musst' meinen Abzug nehmen eilig durch die Tuer. Es darf nicht sein. Ich kann nicht, kann nicht, nein! (Er entfernt sich von ihnen.) (Don Caesar stuermt zur Tuere herein.) Don Caesar. Wo ist der Kaiser? Nun, Perueckenmann, Ist er zu sprechen? Rumpf. Huldreichst guten Morgen Senjor Don Caesar. Gott erhalt' Eu'r Gnaden. Don Caesar. Wie geht's dem Kaiser? Rumpf. Gut. Verwunderlich. Der Herr verjuengen sich mit jedem Tage, Sehn wie ein Dreissiger. Sagt' ich doch heut nur: Dass Sie so selten oeffentlich sich zeigten, Die Weiber sein's, die drob am meisten klagten. Da lachten Seine Majestaet. Don Caesar. Ich glaub's wohl. War ich dabei ich haette auch gelacht. Ein Dreissiger! mit solchen Bauch und Beinen. Wie nun, kann ich ihn sprechen? Rumpf. Allerdings. Ein Weilchen nur hochgnaedige Geduld. Des Kaisers Majestaet sind-- (Er spricht ihm ins Ohr auf Mathias zeigend.) Don Caesar. Gut denn, gut. Wem ist das Pferd das man im Hofe fuehrt? Rumpf. Ach Euer wenn Ihr wollt. Der Kaiser hat es heute Besehen und gekauft. Don Caesar. Ich will's besteigen. (Ab.) Mathias. Wer ist der junge Mann? Klesel. So wisst Ihr nicht? Ein Findelkind, im Schlosse hier gefunden. Der Kaiser liebt ihn sehr. Begreift Ihr nun? Mathias. Don Caesar? Klesel. Wohl, er selbst.--Nun noch einmal Begehrt in Ungarn ein Kommando. Mathias. Wozu? Klesel. Ihr sollt noch hoeren. Doch verlangt es! (Ein Kaemmerer tritt ein.) Kaemmerer. Erzherzog Ferdinand aus Steiermark Sind angekommen, bitten um Gehoer. Rumpf. Du liebe Zeit! Ihr Gnaden sind willkommen. (Kaemmerer ab.) Klesel. Seht Ihr? Da kommt der kuenft'ge Kaiser an, Der Erb' von Oesterreich, wenn Ihr nicht vorseht. Mathias. Ich will in Ungarn ein Kommando suchen. Dann--Hab ich dich verstanden?--Klesel, dann, Die Macht in Haenden-- Klesel. Nur gemach, gemach! Ihr habt die Macht noch nicht. Mathias. Und ich soll betteln? Klesel. Um Gottes willen, Ihr verderbt noch alles. (Ein Kaemmerer oeffnet die Seitentuere rechts.) Rumpf. Der Kaiser kommt. Ich bitt Eu'r Durchlaucht freundlichst Abseit zu treten, bis ich angefragt. Mathias. Ich muss den Kaiser sprechen und ich bleibe. Rumpf. Bedenkt! Mathias. Ich hab's gesagt. Rumpf. Nun denn, mit Gott! Stellt Euch dorthin. Der Kaiser geht vorueber Wenn er zur Messe sich verfuegt. Vielleicht Will Euch das Glueck, dass er Euch sieht und anspricht. Er kommt. Klesel. Verfaerbt Ihr Euch? Nur Mut, nur Mut! Der Augenblick gibt alles oder nimmt es. (Alles steht in ehrfurchtsvoller Erwartung. Erzherzog Mathias zieht sich bis hinter die Seitentuere links zurueck. Klesel in seiner Naehe. --Zwei Trabanten treten aus der Seitentuere rechts und stellen sich daneben auf; dann einige Pagen, zuletzt der Kaiser auf einen Krueckenstab gestuetzt. Zwei Maenner, Gemaelde haltend, knien auf seinem Wege. Er bleibt vor dem ersten stehen, betrachtet es, zeigt dann mit dem Stocke darnach hin und bezeichnet an seinem eigenen linken Arme die Stelle wo das Bild ihm verzeichnet scheint. Er schuettelt den Kopf, das Bild wird weggebracht. Er steht vor dem zweiten und gibt Zeichen der Billigung. Endlich nickt er Rumpfen zu, dass dieses zu behalten sei. Zugleich hebt er drei Finger der rechten Hand empor.) Rumpf. Zweitausend? Rudolf (heftig und stark). Drei. (Er tritt zum Tische auf dem mehrere Buecher liegen. Er ergreift eins derselben.) Rumpf. Aus Spanien. Rudolf (heiter). Lope de Vega! Rumpf. Depeschen auch von Eurer Majestaet Gesandten an dem Hofe zu Madrid. (Rudolf schiebt die auf dem Tische liegenden Briefschaften veraechtlich zurueck. Er setzt sich und liest, das aufgeschlagene Buch in der Hand.) Rumpf. Erzherzog Ferdinand sind angelangt. (Rudolf sieht, aufhorchend, einen Augenblick vom Buche weg und liest dann weiter.) Rumpf. Don Caesar waren hier. (Rudolf, obige Bewegung.) Rumpf. Sie kommen wieder. Klesel (zu Mathias). Nehmt Euch nur Mut! Ihr zittert, weiss es Gott. (Der Kaiser lacht unterm Lesen laut auf.) Klesel. Die Zeit ist guenstig. Seine Majestaet Scheint frohgelaunt. Versucht's! Rudolf (im Lesen). Divino autor Fenix de Espana. (Mathias naehert sich ihm.) Mathias. Gnaed'ger Herr und Kaiser, Ich hab's gewagt aus meinem Bann zu Linz-- Rudolf (vom Buche aufblickend). Sortija del olvido--Ei, ei, ei! "Ring des Vergessens"--Ja, wer den besaesse! Mathias. Ob ihr vergoennt-- (Er laesst sich auf ein Knie nieder.) Bereit, mein Herr und Kaiser, Die Rechte alle, die mein Eigentum, Und die man mir beneidet, Aufzugeben, Mein Erbrecht auf die oesterreich'schen Lande, Die Hoffnung einst zu folgen auf dem Thron, Fuer einen Ort um ruhig drauf zu sterben. (Er legt die Hand auf die Armlehne von des Kaisers Stuhl.) Rudolf. Wer da?--Rumpf! Will allein sein!--Rumpf, allein! Allein. Mathias. Mein Kaiser und mein Herr! Rudolf (den Stock gegen Rumpf gehoben). Allein! Rumpf. Ich sagt' es ja, doch Seine Durchlaucht draengten. Rudolf (mit steigender Heftigkeit). Allein! Rumpf (zu Mathias) Entfernt Euch, gnaed'ger Herr! Klesel. Kommt, kommt! Verloren geht sonst alles. Mathias. Gott! Rudolf (vor sich hin). Allein. Mathias. Fuehrt mich ins Grab, da wird mir doch wohl Ruh. (Ab, von Klesel gefuehrt.) Rudolf (dumpf). Allein! Rumpf. Was nun beginnen? Gott! (Er hebt das Buch auf, das der Kaiser weggeworfen hat, und reicht es ihm.) Das Buch! (Rudolf weist es zurueck.) Rumpf. Berichte sind aus Ungarn eingelangt: Raab ist entsetzt und Papa wird belagert. Die Malkontenten sollen willens sein-- (Lebhafter.) Ein Kaufmann aus Florenz hat sich gemeldet. Geschnittne Steine fuehrt er aller Art Von hohem Werte. Rudolf. Sehn! Rumpf. Allein die Preise Sei'n unerschwinglich. Rudolf. Albern. Rumpf. Soll ich also?--Gut. Der spanische Orator Balthasar Zuniga wuenscht Gehoer. (Der Kaiser schuettelt den Kopf.) Rumpf. Beliebt's Euch etwa Nunmehro die Berichte--? (Der Kaiser stoesst unwillig mit dem Stocke auf den Boden.) Rumpf. Guter Gott! (Don Caesar kommt.) Rumpf. Ihr kommt zur rechten Zeit. Versucht, ob etwa-- Don Caesar. Ich kuess Eu'r Majestaet die hohen Haende. (Der Kaiser misst ihn mit zornigem Blicke.) Don Caesar. Ihr scheint nicht gut gelaunt, doch muss ich sprechen. Es gilt ein Leben, gilt wohl mehr als dies.-- Es hat ein Kriegsgericht, ob eines Totschlags, Veruebt im herben Fall der Selbstverteid'gung, Zum Henkersschwert verurteilt Herman Russworm, Den treusten Diener Eurer Majestaet, Den Helden in der Tuerken heissen Schlachten. Ich bitt Euch nun, das Urteil aufzuheben, Das Unsinn ist, Verruecktheit, Gotteslaestrung. Euch zu erhalten ein so teures Leben, Mir einen Freund, den ich nicht lassen kann, Und retten muss, gaelt' es das Aeusserste. (Rudolf sieht Wolfen Rumpf fragend an.) Rumpf. Es ist von wegen Herman Russworm, Der, halb gereizt, und halb aus leid'gem Zufall, Den Obersten erschlug. (Der Kaiser wirft, wie suchend, die auf dem Tische liegenden Papiere untereinander.) Rumpf. Vielleicht das Urteil? Es lag zur Unterschrift in Dero Kabinett. Soll ich vielleicht--? Ich gehe, es zu holen. (Ab durch die Tuere rechts.) Don Caesar. Ich dank Eu'r Majestaet denn nur im voraus Fuer die Begnadigung des wackern Manns, Der alles ist was dieses Wort besagt, Indes sein Feind ein Weiber-, Pfaffendiener, Ein Heuchler und ein Schurk! Und wenn der Russworm In Zornesglut sich allzuweit vergass, So denkt: derselbe Zorn, der hier den Gegner schlug, Gewann Euch auch in Ungarn zwanzig Schlachten. (Rumpf kommt mit einem gesiegelten Paket zurueck.) Rumpf. Das Urteil. (Er reicht die Schrift dem Kaiser, der sie zurueckweist.) Rumpf. Guter Gott!--Beliebt vielleicht Eu'r Majestaet hochgnaedig zu bestimmen Was Dero Absicht mit so wicht'ger Schrift? (Der Kaiser nimmt das Paket, liest hohnlachend die Aufschrift und gibt es zurueck.) Rumpf. Ich weiss recht wohl: die aeussre Fert'gung lautet An Rat und Schoeffen Eurer Altstadt Prag. Doch, wenn das Urteil wirklich unterschrieben, Wie ich vermuten sollte-- (Der Kaiser stoesst unwillig mit dem Stocke auf den Boden.) Don Caesar. Gnaed'ger Herr! Ich muss Euch bitten fuer zwei Augenblicke Die feindlich duestre Laune aufzugeben, Die sich in diesem Schweigen wohlgefaellt. Bedenkt: kommt dieses Urteil so gefertigt Und unterschrieben auf das Prager Schloss, So stirbt mein Freund. Rudolf. Er stirbt!--Und du mit ihm, Wagst ferner du's ein Wort fuer ihn zu sprechen. Entarteter! Ich kenne deine Wege. Du schwaermst zu Nacht mit ausgelassnen Leuten, Stellst nach den Kindern ehrbar stiller Buerger, Haeltst dich zu Meutern, Lutheranern. Don Caesar. Meuter Hab ich mit meiner Freundschaft nie beehrt. Und was den Glauben, Herr, betrifft, da richtet Nur Gott. Rudolf. Ja Gott und du. Ihr beide, nicht wahr? Glaub du an das was deine Lehrer glaubten, Die Weiseren, die Bessern lass entscheiden, Dann kommt's wohl noch an dich.--Der Russworm stirbt! Und dank es Gott und einem Rest von Neigung, Dass ich die Helfer, sie die darum wussten Die lobten, billigten den feigen Mord An Belgiojoso freventlich vollbracht, Nicht ebnermassen suche mit dem Schwert.-- Das Maedchen, dem du nachstellst, wuesten Sinns, Lass frei! Don Caesar. Nein Herr, denn sie betrog mich. Rudolf. Meinst du? Caesar, solang die ew'gen Sterne kreisen, Betruegt der Mann das Weib. Don Caesar. Zum mindsten war's so, Mit einer Frau, die mir gar nah verwandt. Rudolf. Die dir verwandt? So kennst du deine Mutter? Und kennst du den, der dir das Leben gab? Sag ja! sag ja! und ewiges Gefaengnis, Entfernt vom Strahl des gottgegebnen Lichts-- So haben in den Sternen sie's gelesen: Je naeher mir, mir um so grimmrer Feind. Und also steht er da, hohnlachend, trotzend, Wie einst der Teufel vor des Menschen Sohn. Fort dieses Lachen, fort!--Gib deine Waffen! Nehmt ihn gefangen!--Wie, ihr zoegert? weilt? So will ich selbst mit meiner eignen Hand (Zu einem Trabanten, der zu aeusserst rechts steht.) Leih deine Partisan mir, alter Freund! Dass ich-- (Indem er den Stock fallen laesst, um nach der Partisane zu greifen, wankt er und ist im Begriff zu fallen. Die Umstehenden eilen herzu, ihn zu unterstuetzen.) Legt ihr die Hand an mich? Rebellen ihr! Yo soy el emperador! Der Kaiser ich! Bin ich verkauft im Innern meiner Burg, Und ist kein Schirmer, ist kein Helfer nah? (Erzherzog Ferdinand erscheint in der Tuere.) Erzherzog Ferdinand. Viel Glueck ins Haus!--Wie, Eure Majestaet? Was ist? Was war? Wer sagt's? Don Caesar (zu Rumpf, der ihn zu beguetigen strebt). Mich kuemmert's wenig, Ob tausend Teufel mir entgegen grinsen! Erzherzog Ferdinand (zu Don Caesar, die Hand leicht ans Schwert gelegt). Geht junger Mensch! Ihr lernt sonst einsehn, Dass uns der Boese nah, wenn man ihn ruft. Fort Ihr! und ihr! (Die Anwesenden ziehen sich gegen den Hintergrund. Don Caesar in ihrer Mitte von Rumpf geleitet. Alle ab.) Erzherzog Ferdinand (zum Kaiser tretend). Mein kaiserlicher Herr! Rudolf. Wer seid Ihr? Wer? Und wie erkuehnt Ihr Euch? Erzherzog Ferdinand. Eu'r Neffe bin ich, Herr, und Euer Knecht, Fernand von Graez, zu jedem Dienst bereit. Rudolf (sich vor der Beruehrung zurueckziehend). Es bien! es bien! All gut! Seid uns willkommen! Erzherzog Ferdinand. Wollt Ihr nicht sitzen, Herr? Ich seh's, der Zorn Er zehrt mit Macht an Euerm edlen Sein. (Er leitet den Kaiser zum Lehnstuhle.) Rudolf (sitzend). Seht Ihr, so halten wir's in unserm Schloss.-- So dringt die Zeit, die wildverworrne, neue, Durch hundert Wachen bis zu uns heran, Und zwingt zu schauen uns ihr greulich Antlitz. Die Zeit, die Zeit! Denn jener junge Mann, Wie sehr er tobt, er ist doch nur ihr Schueler, Er uebt nur was die Meisterin gelehrt.-- Schaut rings um Euch in aller Herren Land, Wo ist noch Achtung fuer der Vaeter Sitte Fuer edles Wissen und fuer hohe Kunst? Sind sie vom alten Tempel ihres Gottes Nicht ausgezogen auf den Berg von Dan, Und haben dort ein Kalb sich aufgerichtet, Vor dem sie knieen, ihrer Haende Werk? Es heisst: den Glauben reinigen. Dass Gott! Der Glaube reint sich selbst im reinen Herzen, Nein, Eigenduenkel war es, Eigensucht, Die nichts erkennt was nicht ihr eignes Werk. Deshalb nun tadl' ich jenen Juengling, straf ihn, Und faehrt er fort, erreicht ihn bald sein Ziel, Allein erkenn auch was ihn so entstellt. Deucht mir's doch manchmal grimmiges Vergnuegen, Mit ihm zu ringen, in des Argen Brust Die Keime aufzusuchen der Verkehrtheit, Die ihm geliehn so wildverworrne Welt. Die Zeit kann ich nicht baend'gen, aber ihn, Ihn will ich baend'gen, hilft der gnaed'ge Gott. Erzherzog Ferdinand. Ihr werdet's, Herr, und baendigtet die Zeit, Waer' Euch der Wille dort so fest als hier. Rudolf. Mein Ohm, der fuenfte Karl hat's nicht gekonnt, Sankt Just sah ihn als buessenden Karthaeuser. Ich bin ein schwacher, unbegabter Mann, Ich kann es auch nicht. Erzherzog Ferdinand. O des argen Misstrauns In Euer edles Selbst und seine Gaben! Wollt erst nur, wollt! und Gottes Beistand wird Wie ein erhoert Gebet auf Euch sich senken. Die Zeit bedarf des Arztes und Ihr seid's. Rudolf. Ein wackrer Arzt, der selber Heilung braucht! Und dann: allein! Erzherzog Ferdinand. So waert Ihr, Herr, allein? Verzeiht dem Schueler, der den Meister meistert. Um Euch schart sich die Haelfte einer Welt, Die treu noch ihrem Gott und seinem Abbild. Dem Fuersten auf dem angestammten Thron. Fuer Euch ist Spanien, der Papst, ist Welschland, Des eignen Erblands ungebrochne Kraft, Noch nicht verfuehrt von falschen Glaubenslehren. Zaehlt Eure Schar, und zehnfach, hundertfach Wiegt sie die Gegner auf, die, schwach an Zahl, Nur scheinbar sich durch Regsamkeit verdoppeln. Rudolf. Der Arme viel, wo aber bleibt das Haupt? Erzherzog Ferdinand. Ihr selbst, dem niemand gleich an Sinn und Wissen. Dann noch die edlen Fuersten Eures Hauses, Die Gott als Helfer selbst Euch anerschuf. Rudolf. Sprecht Ihr von Euch? Erzherzog Ferdinand. So werde nie mir Heil, Als je mein Sinn ein andres Trachten kannte, Als Oestreichs Wohl und Jesu Christi Ruhm. Mein Alter heisst mich lernen statt zu lehren Auch bin nicht ich's, die Brueder sind's, die Naechsten Der edle Max, Albrecht der sinnig weise, Und jener dritte--Erste, den nur eben Im Vorgemach ich kummervoll-- Rudolf (sich abwendend). Es bien! Erzherzog Ferdinand. Seht ihr, da senkt das alte Misstraun wieder Sich nebelgleich herab auf Eure Stirn! O weh uns, wenn es wahr, was man sich sagt, Dass jener finstern Sternekund'gen einer, Die Euern Hof zum Sammelplatz erwaehlt, Mit astrologisch dunkler Prophezeiung Euch abgewandt von Euerm edeln Haus Gefahr androhend von den Nahverwandten. O weh uns, wenn es so, und Ihr fuer Schein Den wahren Vorteil aufgebt, aller Heil. Rudolf (auffahrend). Fuer Schein? fuer Schein? So kennst du diese Kunst, --Wenn's eine Kunst--dass du so hart sie schmaehst? Glaubst du, es gaeb' ein Sandkorn in der Welt, Das nicht gebunden an die ew'ge Kette Von Wirksamkeit, von Einflug und Erfolg? Und jene Lichter waeren Pfennigkerzen Zu leuchten trunknen Bettlern in der Nacht? Ich glaub an Gott und nicht an jene Sterne, Doch jene Sterne auch sie sind von Gott. Die ersten Werke seiner Hand, in denen Er seiner Schoepfung Abriss niederlegte, Da sie und er nur in der wuesten Welt. Und haett' es spaeter nicht dem Herrn gefallen, Den Menschen hinzusetzen, das Geschoepf, Es waeren keine Zeugen seines Waltens, Als jene hellen Boten in der Nacht. Der Mensch fiel ab von ihm, sie aber nicht, Wie eine Laemmerherde ihrem Hirten, So folgen sie gelehrig seinem Ruf So heut als morgen wie am ersten Tag. Drum ist in Sternen Wahrheit, im Gestein, In Pflanze, Tier und Baum, im Menschen nicht. Und wer's verstuende still zu sein wie sie, Gelehrig fromm, den eignen Willen meisternd, Ein aufgespanntes, demutvolles Ohr, Ihm wuerde leicht ein Wort der Wahrheit kund, Die durch die Welten geht aus Gottes Munde. Fragst aber du: ob sie mir selber kund, Die hohe Wahrheit aus der Wesen Munde? So sag ich: nein, und aber, wieder: nein. Ich bin ein schwacher, unbegabter Mann, Der Dinge tiefster Kern ist mir verschlossen. Doch ward mir Fleiss und noch ein andres: Ehrfurcht Fuer das dass andre maechtig und ich nicht. Wenn aber, ob nur Schueler, Meister nicht, Ich gerne weile in den lichten Raeumen; Kennst du das Woertlein: Ordnung, junger Mann? Dort oben wohnt die Ordnung, dort ihr Haus, Hier unten eitle Willkuer und Verwirrung. Macht mich zum Waechter auf dem Turm bei Nacht, Dass ich erwarte meine hellen Sterne, Belausche das verstaend'ge Augenwinken Mit dem sie stehn um ihres Meisters Thron.-- (Immer leiser sprechend.) Wenn nun der Herr die Uhr rueckt seiner Zeit, Die Ewigkeit in jedem Glockenschlag Fuer die das Oben und das Unten gleich Ins Brautgemach--des Weltbaus Kraefte eilen --Gebunden--in der Strahlen Konjunktur-- Und der Malefikus--das boese Trachten-- (Er verstummt allmaehlich. Sein Haupt sinkt auf die Brust. Pause. Erzherzog Ferdinand tritt ihm, besorgt, einen Schritt naeher.) Rudolf (emporfahrend). Ist jemand hier?--Ja so!--Was soll's?-- Ihr spracht von meinem Bruder, von Mathias. Ich seh es ist ein Plan. Was also will man? Warum verliess er seinen Bann zu Linz? Erzherzog Ferdinand. Und wenn's der Wunsch nach Taetigkeit nur waere? Rudolf. Nach Taetigkeit? Ist er denn taetig nicht? Er reitet, rennt und ficht. Wir beide haben Von unserm Vater Tatkraft nicht geerbt, --Allein ich weiss es, und er weiss es nicht. Was also noch? Zum mindsten will ich zeigen, Dass nicht der Sterne Drohn, dass euer Trachten, Die Heimlichkeit der nahverwandten Brust, Mir Misstraun gab und gibt.--Die Klugheit riete, Zu halten ihn in heilsamer Entfernung, Allein ihr wollt's. Was also soll's mit ihm? Erzherzog Ferdinand. Er wuenschte-- Rudolf. Nun? Erzherzog Ferdinand. In Ungarn ein Kommando. Rudolf. Hat er schon je, und wo hat er gesiegt? Zwar ist der Mansfeld dort, ein tuecht'ger Degen, Der goennt ihm gern die Ehre des Befehls Und tut die Pflichten selbst. Schickt ihn denn hin! Doch heisst ihn zuegeln seine Taetigkeit; Er fuege sich des Feldherrn bessrer Einsicht. Auch sind der Krieger dort, der Fuehrer viel, Die zugetan der neuen Glaubensmeinung. Es ist jetzt nicht die Zeit, noch da der Ort Zu streiten fuer die Wahrheit einer Lehre. (Da Erzherzog Ferdinand zuruecktritt.) Rudolf. Was ist? Was geht Ihr fort? Erzherzog Ferdinand. Nicht anzuhoeren, Wie Oestreichs Haupt, wie Deutschlands Herr und Kaiser Das Wort fuehrt den Abtruennigen vom Glauben. Rudolf. Das Wort fuehrt, ich? Kommt Euch die Lust zu scherzen? Allein wer wagt's, in dieser trueben Zeit Den vielverschlungnen Knoten der Verwirrung Zu loesen eines Streichs. Erzherzog Ferdinand. Wer's wagte? Ich! Rudolf. Das spricht sich gut. Erzherzog Ferdinand. Nur das? Es ist geschehn. In Steyer mindestens, in Krain und Kaernten Ist ausgetilgt der Keim der Ketzerei. An einem Tag auf fuerstlichen Befehl Bekehrten sich an sechzigtausend Seelen Und zwanzigtausend wandern fluechtig aus. Rudolf. Und ohne mich zu fragen? Erzherzog Ferdinand. Herr, ich schrieb So wiederholt als dringend, aber fruchtlos. Rudolf (die auf dem Tische liegenden Papiere untereinanderschiebend). Es ist hier wohl Verwirrung oft mit Schriften. Erzherzog Ferdinand. Da schritt ich denn zur Tat, dem besten Rat. Mein Land ist rein, o waer' es auch das Eure! Rudolf. Und zwanzigtausend wandern fluechtig aus? Mit Weib und Kind? Die Naechte sind schon kuehl. Erzherzog Ferdinand. Durch Drangsal, Herr, und Schmerz erzieht uns Gott. Rudolf. Und das im selben Augenblick wo du Die Sachsenfuerstin freist, die Protestantin? Erzherzog Ferdinand. Gott gab mir Kraft die Neigung zu besiegen, Wenn Ihr's erlaubt, so steh ich ab von ihr Und werbe um des Baierherzogs Tochter. Rudolf. Sie ist nicht schoen. Erzherzog Ferdinand. Ihr Herz ist schoen vor Gott. Rudolf (eine Gebaerde des Schielgewachsenseins machend). Beinah-- Erzherzog Ferdinand. Gerad ihr Sinn, ihr Wandel und ihr Glauben. Rudolf. Nun, ich bewundre Euch.--Weis deine Haende! Ist das hier Fleisch? lebendig, wahres Fleisch? Und fliesst hier Blut in diesen bleichen Adern? Freit eine andre als er meint und liebt-- Mit Weib und Kind, bei zwanzigtausend Mann, In kalten Herbstesnaechten, frierend, darbend! Mir kommt ein Grauen an. Sind hier nicht Menschen? Ich will bei Menschen sein. Herbei! Herein! (Mit dem Stocke auf den Boden stampfend. Die Hofleute kommen zurueck.) Rudolf. Die Kinderzeiten werden wieder wahr, Und mich umschaudert's wie Gespensterglauben. (Zu Erzherzog Ferdinand.) Weilt Ihr noch laenger hier bei uns in Prag, Treibt's Euch zurueck vielleicht schon nach der Heimat? Erzherzog Ferdinand. Ich reise naechst, wenn manches erst geschlichtet (lebhaft) Und meinen Bruder ich Euch vorgestellt. Rudolf. So ist der Leupold da? Wo ist, wo weilt er? Rumpf. Im Schlosshof tummelt er das tuerk'sche Ross, Das Ihr gekauft und das Don Caesar schulte. Sie jubeln, dass der Erker widerhallt. Rudolf. Sie jubeln? Tummelt? Ein verzogner Fant, Huebsch wild und rasch, bei Wein und Spiel und Schmaus. Wohl selbst bei Weibern auch; man spricht davon. Allein er ist ein Mensch. Ich will ihn sehn, Den Leupold sehn! Wo ist er? Bringt ihn her! (Einige sind gegangen.) Rudolf (zu Ferdinand). Beliebt's Euch unterdessen, die Gemaecher, Die man Euch hier bereitet, zu besehn? Wo bleibt der Range? Warum kommt er nicht? Erzherzog Leopolds Stimme (von aussen). Senjor! Rudolf. Aha, er ruft.--Was gibt es dort? (Aus der Seitentuere links ist ein Hofbedienter herausgetreten.) Rumpf. Die Kapellaene fragen untertaenigst, Ob Eure Majestaet den Gottesdienst-- Rudolf (das Barett abnehmend und Mantel und Kleid ordnend). Des Herren Dienst vor allem. (Zu Erzherzog Ferdinand.) Wenn's beliebt! (Zu den uebrigen.) Und kommt mein Neffe, heisst ihn nur uns folgen. Erzherzog Leopold (zur Tuere hereinstuerzend). Mein gnaed'ger Ohm! (Da er den bereits geordneten Zug sieht, stutzt er und zieht das Barett ab.) Rudolf. Nur dort, an Eure Stelle. (Auf einen Wink Erzherzog Ferdinands stellt sich Leopold ihm zur Seite. --Der Zug setzt sich in Bewegung, die beiden Erzherzoge unmittelbar vor dem Kaiser. Nach einigen Schritten tippt letzterer Erzherzog Leopold auf die Schulter. Dieser wendet sich um und kuesst ihm lebhaft die Hand. Der Kaiser winkt ihm liebreich drohend Stillschweigen zu und sie gehen weiter. Die uebrigen folgen paarweise.--Der Vorhang faellt.) Zweiter Aufzug Freier Platz im kaiserlichen Lager. Im Hintergrunde Gezelte. Ein Hauptmann (tritt hinter sich schreitend auf, wobei er eine kurze Partisane waagrecht vor sich haelt). Zurueck, sag ich, zurueck auf eure Posten! Seid ihr Soldaten, wie?--und flieht den Feind? (Ein Trupp Soldaten kommt von derselben Seite, ein Fahnentraeger unter ihnen.) Fahnentraeger. Wir fliehen meint Ihr, Herr? Nun denn mit Gunst, Sagt erst: wo ist der Feind, ob vor--ob rueckwaerts? Ein Krieger ficht wohl, weiss er gegen wen, Doch wo nicht Ordnung, Kundschaft und Befehl, Wehrt er sich seiner Haut und weiter nichts. Hauptmann. So meisterst du, ein Knecht, den Heeresfuersten? Fahnentraeger. Ob zehnmal Herr und zwanzigmale Knecht, Wenn einer irrt, hat doch der andre recht. Wir waren auf am Damm bei Raab gestellt, Wir da und fuenfzig andre, die der Saebel Der Tuerken frass in dieser blut'gen Nacht, Auf blachem Feld, zur Unterstuetzung rings Soweit das Auge trug, nicht Wacht, noch Posten. Doch machten wir 'nen Kirchhof zum Kastell Und hielten straff. Da bricht's mit einmal los: Allah, Allah! aus tausend baert'gen Kehlen, Nicht vor uns, hinter uns. Die Donau durch, Rauscht wie ein zweiter Strom, quer durch den andern Der Spahi und sein Ross. Hilf' Jesu Christ! Da galt kein Saeumen, und war eitel Nacht. Trapp trapp, da sprengen kaiserliche Reiter Und jagen andre kaiserlich wie sie. Der Musketier schiesst los, und den er traf Es war sein Landsmann, in des Dunkels Wirren Die rasche Kugel wechselnd mit dem Freund. Bald ist das ganze Heer nur eine Flucht, Ein Jammern und ein Toeten und ein Schrein. In all der Hast vergass man ganz auf uns, Zu gehn, zu bleiben waren wir die Meister, Doch blieben wir. Erst nach drei heissen Stuermen, Als mancher schon mit seiner Haut bezahlt, Brach auf das kleine Haeuflein; und nicht seitwaerts, Nur Sicherheit fuer unsre Leiber suchend, Zum Lager gradaus schlugen wir uns durch. Und sind nun hier, dem Tuerken, sucht er uns, Der Rueckkehr Strasse schwarz mit Blut zu zeichnen, Doch ihn zu suchen keineswegs gewillt, Man zeig' uns denn wer fuehrt und wer befiehlt. Mehrere im Trupp So ist's!--Ein Fuehrer erst!--Dann folgen alle. Hauptmann. So bin ich unter Meutern? (Oberst Ramee kommt.) Hauptmann. Mein Herr Oberst, Verrat und Aufruhr in des Lagers Mitte. Die hier und der-- (Es haben sich nach und nach immer mehrere gesammelt.) Ramee (halblaut). Lasst nur, lasst nur fuer jetzt. Der Feind im Anzug und das Heer entmutigt, Man drueckt jetzt fueglicher ein Auge zu, Als den Gehorsam noch durch Strenge pruefen. Was weiss man von dem Feldherrn? Hauptmann. Prinz Mathias? Ramee. Wen sonst? Hauptmann. Verschieden gehen die Geruechte. Er ward gesehn in Mitte der Verwirrung. Die einen lassen ihn am rechten Donauufer Die Strasse nehmen nach Haimburg und Wien, Die andern--Heil'ger Gott, wenn er den Tuerken--! Was machen wir, vereinzelt, ohne ihn? Ramee. Dasselbe mein ich was mit ihm, den Frieden. Hauptmann. Allein der Kaiser will nicht. Ramee. Wollen! Wollen! Hier fragt sich was man muss, nicht was man will. Auch, ist der aeussre Krieg erst beigelegt, Hat man die ruest'gen Arme frei nach innen. Hauptmann. Was aber soll mit all der Soldateska? Wir sind in Rueckstand mit zwoelf Monat Sold. Ramee. Erzherzog Leupold wirbt in Passau Voelker, Wenn hier das Handwerk ruht, fragt an bei uns. Hauptmann. Und gegen wen--? Ramee. Die Ruestung geht in Passau! Man weiss noch nicht. Fuer wen, ich hab's gesagt, Auf jeden Fall fuer Oestreich und den Kaiser. Wer sind die Maenner? (Einige schwarzgekleidete Herren gehen quer ueber die Buehne. Mehrere gruessen sie mit abgezogenen Hueten.) Hauptmann. Mit den goldnen Ketten? Die protestant'schen Herrn aus Oesterreich. Sie kamen, den Erzherzog anzusprechen In Sachen ihres neuen Christentums Und halten sich derweile zu den Ungarn. Das lauscht und fluestert, schleicht und konspiriert. Waer' ich der Prinz, wie wollt' ich heim sie senden! Ramee. Heim senden? ei, wenn Ihr sie selbst berieft? (Weibergeschrei hinter der Szene.) Ramee. Was dort? Ein Soldat (eine gefangene Tuerkin an der Hand fuehrend). Nein sag ich, nein! Zwei Kuerassiere (die ihm folgen). Muss doch! muss doch! Soldat. Mein ist die Heidin zehn- und hundertmal. Ihr Haus in Gran fiel mir zum Beuteteil, Ich war's, der ihren Braeutigam erschlug, Drum ist sie mein und das von Rechtes wegen. Kuerassier. Mir druecken sie die Hand. Soldat (zur Tuerkin). Ist's wahr?--Sie kann nicht reden. Wenn's wahr so spalt ich ihr den Kopf. Doch jetzt, Jetzt ist sie mein und-- Kuerassiere (die Hand am Saebel) Wollen eben sehn. Soldat. Kommt an, kommt an! Ob einer gegen zwei. Ist niemand da, der einem Landsmann hilft? Hauptmann (zwischen sie tretend). Zurueck Samlaender, ketzerische Hunde! Kuerassier. Was sagen Mann? Hauptmann. Ist's etwa nicht bekannt, Dass Tuerk' und Lutheraner stets im Bunde? Wie ging' sonst alles schief in Rat und Lager? Die heute nacht der Flucht das Beispiel gaben, Die Ketzer waren's, sinnend auf Verrat. Fahnentraeger (im Vorgrunde rechts). Wer das sagt luegt. Hauptmann (sein Schwert halb gezogen). Mir das? Wer hat gesprochen? Zweiter Soldat (rechts im Vorgrunde). Mit Gunst: hat er doch recht. Hier dieser Mann, Obgleich ein Luthrischer und Kirchenleugner, Gefochten hat er in der heut'gen Schlacht Wie einer der gedenkt des ew'gen Heils. Und ob ich gleich als rechter Katholik Verdammen muss was seine Pred'ger lehren, Im Lager hier sind alle Tapfern Brueder, Und somit meine Hand. Fahnentraeger (einschlagend). Hier meine. Mehrere (ein Gleiches tuend). Freund und Bruder! Ringsherum. Auf Ja und Nein! Trotz Papst und Rom! Wir alle! Hauptmann. Hoert Ihr? Ramee. Lasst nur! Geschrei (im Hintergrunde). Hoheisa! Die Zigeuner! (Im Hintergrunde tritt schlechte Musik auf. Einige Paare folgen sich bei den Haenden haltend und zum Tanze anschickend. Die anwesenden Soldaten sammeln sich bei dem dort stehenden Marketenderzelte. Musik und Taenzer gehen hinein. Gelaechter, Zutrinken.) Klesel (von der rechten Seite kommend). Du heil'ger Gott! bin ich im Christenlager, Und dient kathol'schen Fuersten dieses Heer? Ramee. Wenn Euch das kraenkt, seid wohlgemut, Das Lager wird Euch fuerder nicht mehr aergern. Ihr seid nach Prag berufen, wissen wir, Der Kaiser sieht Euch hier nicht allzugern. Wann reist Ihr ab? Klesel. Wenn's meine Pflicht erheischt, Die keineswegs mir Prag bis jetzt bezeichnet. Der Seelenhirt gehoert in seinen Sprengel. Ramee. Und ist Eu'r Sprengel hier im Lager? Neustadt, Neustadt und Wien, dort leuchte Euer Licht. Ihr seid hier Schuld an manchem Schief' und Argem, Setzt Eure Meinung durch und fuehrt den Krieg Als eine Wallfahrt nach 'nem Gnadenort, Nebstdem dass wenig Gnad' in Euerm Tun. Verkehrt Ihr doch mit eitel Protestanten Und wendet Euerm Herrn die Herzen ab, Die ihm bereit aus den getreuen Landen. Doch ist zur Zeit ein andres Regiment. Mathias, dieses Lagers Fuerst und Fuehrer, Er fand den Rueckweg nicht der andern Fluecht'gen, Und die Erzherzoge, die Ihr berieft Aus Graez und Wien, zu einem Ratschlag heisst es, Sie sind im Lager, treten in sein Amt Und werden Euerm Fluestern wenig horchen. Klesel. Ob Ihr beleidigt mich, es sei verziehn, Allein um aller Heil'gen willen sagt Was von Erzherzog Mathias Euch bekannt. Ramee. Bekannt, dass nichts bekannt. Er ist nicht hier, Ob nun in Wien, ob--Hoffen wir das Beste, Euch sei genug: im Lager ist er nicht. Drum reist nur ab; wenn Ihr nicht vorher noch Bei denen, die ihm folgen im Befehl Und die dort nahn, wollt Euer Heil versuchen. Stellt euch in Ordnung! Die Erzherzoge. (Die im Hintergrunde Befindlichen stellen sich in eine Reihe. Von der linken Seite kommen die Erzherzoge Ferdinand, Leopold und Maximilian.) Maximilian (ein beleibter, wohlbehaglicher Herr). Die Wege ruetteln wie das boese Fieber. Hat noch von unserm Bruder nichts verlautet? Klesel (der in den Vorgrund rechts getreten, auf sie zugebend). Gott segne Euern Eintritt, edle Herrn! (Die Erzherzoge gehen nach der entgegengesetzten Seite und gehen quer ueber die Buehne ab.) Klesel (sich zurueckziehend). Du heil'ger Gott! Erzherzog Leopold (der zurueckgeblieben, links in den Vordergrund tretend). Ramee! Oberst Ramee (zu ihm tretend). Erlauchter Herr! Erzherzog Leopold. Es steht hier schlimm, und doch, bedenk ich's recht, Moecht ich fast sagen: gut. Sie haben Plaene. Das Lager hier, ich fuerchte, loest sich auf. Hast du versucht ob ein und andre willig Bei uns zu dienen im Passauer Heer? Ramee. Bei zwanzig Fuehrer. Leopold. Halt, sprich leise, hier! (Er zieht sich mit ihm nach der linken Seite, wo Ramee zu ihm spricht.) Klesel (in der Mitte der Buehne mit einer Bewegung gegen den Erzherzog.). Ob ich's versuche, noch einmal versuche? (Eine Gruppe Soldaten rechts im Vorgrunde.) Erster (halblaut). Des Kaisers Sohn Don Caesar ist im Lager. Er wirbt Gehilfen zu geheimem Anschlag. Es soll 'ner Kutsche mit zwei Frauen gelten, Begleitet nur von wenigen Berittnen. Zweiter. Das waer' ja wie ein Raeuberueberfall. Erster. Des Kaisers Sohn und Raeuber? Dann zuletzt, Was kuemmert's dich? Sieh hier, man zahlt mit Gold. (Muenzen zeigend.) Zweiter. Gehst du? Erster. Jawohl! und Kunz und Hans und Maerten. Klesel (im Mittelgrunde). Nein, lieber sterben, als den Einsichtslosen Die Einsicht opfern und gerechten Stolz. Leopold (zu Ramee). Sei rasch und klug und huete dich vor dem! (Auf Klesel zeigend, ab.) Zweiter Soldat (rechts im Vorgrunde). Hier hast du mich! Soll's bald? Erster. Heut abend. Zweiter. Gut! Geschrei (hinter der Szene). Vivat! Vivat! Ramee. Was ist? Hauptmann (in die Szene nach links blickend). Ein Mann--umgeben-- In ung'risch niedrer Tracht.--'s ist der Erzherzog. Ramee. Mathias? Hauptmann. Wohl!--Nun vivat, vivat denn, Wer's treu mit Oestreich meint und seinem Haus. (Klesel, der bei dem Worte Mathias zusammengefahren, stuerzt jetzt auf den Hauptmann zu, ihm die Rechte mit beiden Haenden drueckend, dann eilt er nach der linken Seite ab.) Alle (in derselben Richtung folgend). Vivat! Vivat! Ramee. Nun, vivat denn wir alle! (Er schliesst sich an.) Erster Soldat (aus der Gruppe rechts). Wir kommen noch zurecht. Doch wahrt die Zunge. (Sie ziehen sich nach der rechten Seite zurueck. Die Buehne ist leer geworden.) Verwandlung Das Innere eines Zeltes. Kurzer Raum, im Hintergrunde durch einen Vorhang geschlossen. Von aussen hoert man noch immer Vivat rufen. Erzherzog Mathias in einfachen ungarischen bis an die Knie reichenden Rocke, ein paar Diener hinter sich, von der rechten Seite. Mathias. Ha jubelt nur, ihr wackern treuen Jungen! Diesmal fuerwahr ging's nahe g'nug an Leib. (Sein Kleid besehend, zu den Dienern.) Gebt einen andern Rock!--Und doch, lasst immer! Nicht trennen will ich mich von diesen Kleidern Bis abgewaschen dieses Tages Schimpf. Doch einen Stuhl, denn auszuruhn geziemt sich, Eh man die Kraft zu neuem Wirken spannt. Klesel (von rechts eintretend). Gebt Raum! Gebt Raum! Ich muss zu meinem Herrn! (Sich vor ihm auf die Knie werfend und seine Hand fassend.) Ihr seid's, Ihr lebt! O uns ist allen Heil! Mathias (Klesel emporhebend). Habt Dank, mein Freund! Habt Dank fuer Eure Liebe. Ja diesmal galt's. Ein Zoll, ein Haar, Und Prinz Mathias ging zum dunkeln Land, Wo Fuersten sich als Bettlergleiche finden. (Sein Kleid zeigend.) Der Riss hier, schau! Das war ein tuerk'scher Saebel, Den einzeln ich der einzelne bestand. Es gab zu tun, (mit einer Handbewegung) doch eine schiefe Quart Des alten Mazzamoro, unsers Lehrers Aus frueher Knabenzeit, das endlich half. Ein alter Landmann gab mir diesen Rock Und so kam ich zurueck ins eigne Lager. (Diener haben einen kurzen Mantel gebracht.) Mathias. Was soll's?--Sagt' ich denn nicht--? Es gilt wohl gleich! (Diener ziehen ihm das ungarische Kleid aus und geben ihm den Mantel um, waehrenddessen) Klesel. Wie waren wir besorgt seit Flucht und Schlacht. Mathias. Die Schlacht ging schief. Der alte Mansfeld Mit seinem Zaudern hat das Heer verderbt, Da ist kein Mann fuer tuecht'ges Werk und Wagen. Dagegen diese Tuerken, (den Mantel zurecht ziehend, die Diener entfernen sich) wahr bleibt wahr. Sonst schuetzt ein Fluss den drangelehnten Fluegel, Sie aber schwimmen durch mit Ross und Mann, Und was ein Bollwerk schien wird Punkt des Angriffs. In Zukunft sieht man sich wohl vor.--Nun aber Was geht fuer Nachricht von den Fluechtigen? Sind sie zurueck im Lager? Fehlen viel? Klesel. Ein Dritteil sagt man fast des ganzen Heers. Mathias (auf und nieder gehend). Ein Dritteil, schlimm! Klesel. Nicht wahr? Ihr seht nun selbst-- Mathias. Es finden manche sich wohl spaeter ein. Doch haett' ich nicht gedacht-- Klesel. Der Rest entmutigt, So dass kein Mittel, als-- Mathias (stille stehend). Erneuter Angriff. Klesel. Als Frieden. Mathias. Neuer, doppeltstarker Angriff. Klesel. Ihr wart ja doch vor kurzem ueberzeugt, Dass nur allein Vertrag-- Mathias. Vor kurzem, ja, Da war ich Sieger. Aber nun: besiegt. Bei diesem Wort empoert sich mir das Blut Und steigt vom Herzen gluehend in die Wangen. Mir schwebt ein Plan vor aus Vegetius, Bewaehrt sich der, dann sprechen wir des weitern. Klesel. Ist das Eu'r Wort, im selben Augenblick, Wo die Erzherzoge, von Euch berufen, Im Lager schon, zu handeln von dem Frieden. Mathias. Sie moegen sich den Krieg einmal besehn, Mitmachen etwa gar, dergleichen frommt Fuer Gegenwart und Zukunft; endlich gehn Wohin sie Laune treibt, Beruf, Geschaeft. Klesel. Und wenn der Kaiser nun erfaehrt, Dass man hier Rat gehalten gegen seinen Willen. Mathias. Erfahren musst' er's, ob nun so, ob so. Klesel. Doch schuetzte der Erfolg vor seinem Zuernen. Mathias. Den besten Schutz gibt in der Faust das Schwert. Klesel. Und wenn er Euch nun ab vom Heer beruft? Mathias. Vielleicht gehorcht' ich nicht. Klesel. Gestuetzt auf was? Der Feldherr, der Gehorsam weigert, heisst Verraeter, aber wer den Frieden gibt Dem ausgesognen Land, waer's ohne Auftrag, Er ist der Reiter, Abgott seines Volks. (Halbleise.) Vergesst Ihr denn, dass Sultan Amurat Der Frieden braucht, dem Geber dieser Ruh' In Ungarn Macht und Einfluss gerne goennt; Sowie, dass Oestreichs Staende beiden Glaubens Dem Retter in der Not sich in die Arme --Die doch auch Haende haben--freudig stuerzen. Mathias. Ich hab's gesagt. Die Schmach ertrueg' ich nicht. Ein Diener (anmeldend). Die Herrn Erzherzoge. Klesel. Um Gottes willen! Erkennt doch, dass es Wahnsinn was ihr wollt. Und doch--Kommt's wie ein Lichtstrahl nicht von oben? Es ist zu spaet. Bleibt, Herr, bei Eurer Weigrung. (Sich nach dem Vorgrunde entfernend.) Vielleicht reift unsern Anschlag grade dies. (Die Erzherzoge werden eingefuehrt.) Max. Nun Bruder, Gott zum Gruss. Doppelt willkommen, Als kaum entronnen solcher Faehrlichkeit. Nun aber ans Geschaeft. Man rief uns her, Als Zeugen dachten wir von einem Sieg, Um zu bewundern Eure Strategie; Doch scheint Gott Mars, der strahlende Planet, Vorlaeufig in rueckgaengiger Bewegung. Mathias. Aus vor- und rueckwaerts bildet sich der Kreislauf. Max. Doch bleibt man huebsch im Kreis und kommt nicht vorwaerts. Nun Bruder sei nicht unwirsch, ging's mir auch doch Viel anders nicht im Streit um Polens Krone. Sie fingen mich sogar, trotz Stand und Wuerde. Der Krieg kennt nicht Respekt, er zahlt auf Sicht. Hier bring ich dir die Neffen, die du kennst Obgleich seitdem (auf Leopold zeigend) gewachsen (auf Ferdinand) und gealtert. Sie kamen her, den Kreislauf zu studieren Des Gottes Mars. Auch will man, heisst's, beraten Um dies und das. Zuletzt denn sind wir hier. Ferdinand (auf Max zeigend). Des Bruders Gruss, nicht teilend seinen Scherz. Leopold. Und hocherfreut, Euch, Oheim, wohl zu finden. Mathias. Das geht nun so im Lager ab und zu, Bald oben und bald unten. Ist's gefaellig? Ein Imbiss findet sich wohl noch zur Labung. Max. Ich liebe nichts vom Krieg, am wenigsten Die Kriegerkost. Ein deutscher Ordensmeister Will alles ordentlich, zumal die Tafel. Wir haben uns aus unsrer Reisekueche Im Wagen schon gestaerkt und danken freundlichst. Auch will ich keine Lorbeern hier erwerben; Drum rasch nur ans Geschaeft, ist das beendigt, Kehr ich nach Wien zurueck sobald nur moeglich Und wo ein Weg noch von den Tuerken frei. Du scheinst nicht meiner Meinung, Leopold? Bleib hier, gebrauch dein Schwert! Du bist noch jung, Und kommt's zur Flucht, bewegst du ruest'ge Beine. Ich bin von Blei, das zwar aus der Muskete Ein rasches Ding, sonst aber traeg und schwer. Nun aber: wo der Ratstisch und die Stuehle? (Klesel zieht an einer Schnur, der Vorhang des Zeltes oeffnet sich und zeigt einen gruenbehangnen Tisch und Armsessel.) Max. Der Teppich gruen, ah, so bin ich's gewohnt. An einem roten Tisch fiel' mir nichts ein, Ein blaubehangner fuehrte grad ins Tollhaus, Doch gruen, das staerkt das Aug' und den Verstand. Kommt sitzen denn ihr Herrn! (Leise zu Mathias.) Doch hier ist einer, Der ueberlei mir duenkt in unserm Rat. Klesel (zu Mathias). Befehlt Ihr irgend noch, erlauchter Herr, Sonst, mit Erlaubnis, zieh ich mich zurueck Max. Bleibt immer denn, und fuehrt das Protokoll! Man spricht sonst her und hin und weiss zuletzt Nicht ja, noch nein und wer und was gesprochen. (Zu den uebrigen.) Geht sitzen, sitzen! Kommt! (Kleseln das Ende rechts am Tische anweisend.) Hier Euer Platz! Doch mir zulieb, sprecht erst wenn man Euch fragt. Nun Leopold? Leopold (am Ende links). Ihr wisst, ich stehe gern. Max. Ich weiss, ich weiss! In Graez vorm Baeckerladen Hast du gestanden, eisern, stundenlang, Bis sich die holde Mehlverwandlerin Am Fenster, guenstig, eine Venus, zeigte. Leopold. Ein Stadtgeklatsch. Max. Es klatschte wie von Kuessen, Und niemand wusst' es als die ganze Stadt. (Zu Klesel.) Tunkt Ihr die Feder ein? Ihr werdet doch nicht Das alles setzen schon ins Protokoll? Seht nur, er mahnt uns Kluegeres zu sprechen Und er hat recht, nun also denn: zur Sache. Komm sitzen, Leopold! Leopold. Nicht bis ich weiss: Ob mit des Kaisers Willen, ob entgegen Wir uns vereinen hier zu Spruch und Rat. Mathias (nach einer Pause). Sagt etwas, Klesel! Klesel. Wenn ich also darf: Es will gewiss der Mensch sein eignes Bestes. Wird nun des Kaisers Bestes hier beraten, Kann man noch zweifeln, ob es auch sein Wille? Leopold. Ich aber will nur was ich selber will, Und Herrscher heisst wer herrscht nach eignen Willen. Mathias. Man merkt es wohl, Ihr sucht des Kaisers Gunst Leopold. Wer sie nicht wuenscht ist nicht sein Untertan. Mathias. Doch haengt ein Nebenvorteil manchmal noch Der Demut an, die nur Gehorsam schien. Ferdinand. Komm Bruder Leopold, es soll nicht heissen, Dass wir aus Graez Geruechten Nahrung geben, Die Erberschleichung gegen das Gesetz Auf unsers Hauses Wappenmantel spritzen. Leopold. So will ich hoeren denn, doch sitzen nicht. Mathias. Wie's Euch beliebt. Max. Nun also denn: was soll's? (Da Klesel nach einer Schrift in seinem Busen greift.) Max. Lasst stecken, Herr, wir wissen was Ihr bringt: Ein kuenstlich ausgefeilt Elaborat Das uns den Frieden mit den Tuerken soll Als raetlich, noetig, unerlaesslich schildern. Ihr seid der Widerhall von Euerm Herrn, Wenn nicht vielmehr das Echo er von Euch. Und deshalb ohne Vorwort zur Beratung. Der Friede waere gut, allein der Kaiser, Des Landes Haupt und Herr, er will ihn nicht. Nebstdem, dass unter solchen Schmeichelhuellen Ein Anschlag, meint man, andrer Art sich birgt. (Zu Klesel.) Ich will Euch schelten, Herr, drum hiess ich Euch Hier sitzen unter uns; da Bruderliebe Und Fuerstenachtung mir nicht will gestatten Zu schelten meinen Bruder, Euern Herrn. Die Staende, sagt man, protestant'schen Glaubens Aus Oesterreich verkehren still mit Euch, Und als den Preis der Sichrung vor den Tuerken Nebst Zugestaendnis ihrer Glaubensuebung, Verspricht man einem Fuersten unsers Hauses, Den ich nicht kennen will, nicht nennen mag, Ein neuerdachtes Schuetzeramt zu gruenden Halb abgesondert von dem Stamm des Reichs. Ihr seht, was Ihr gesponnen kam ans Licht. Seid noch Ihr fuer den Frieden? Klesel. Durchlaucht ja. Wenn diesmal auch Verleumdung wahr gesprochen, Was gut bleibt gut, waer' auch der Geber schlimm. Max. Und Bruder du?--Allein was frag ich noch (auf Klesel zeigend) Hat dieser deine Meinung doch gesprochen. Mathias. Glaubst du? (Zu Klesel.) Sagt Eure Meinung noch einmal. Klesel. Den Frieden, hoher Herr. Mathias. Und ich den Krieg. Ich bin beschimpft im Angesicht der Welt. Die Ehre unsrer Waffen stell ich her, Dann mag die Klugheit und die Furcht beraten. Max. Nun Bruder sei nicht kindisch, moecht' ich sagen. Hoffst du, geschlagen mit dem ganzen Heer, Nun, mit dem halben, Sieg dir zu erringen? Von hier bis Wien ist nirgends eine Stellung, Die Mauern Wiens verfallen, ungebessert, Ein Wandelgang fuer friedliche Bewohner, Nicht eine Abwehr gegen solchen Feind. Klesel (die Feder eintauchend, eifrig). So seid Ihr fuer den Frieden? Max. Ich? Bewahr! Klesel. Doch spracht entgegen Ihr dem Krieg. Max. Ei, lasst mich! Ferdinand (zu Mathias). Wozu noch kommt, dass es mich heidnisch duenkt, Fuer Kriegesruhm und weltlich eitle Ehre, Das Wohl des Lands, der ganzen Christenheit Zu setzen auf ein truegerisches Spiel. Leopold. Fernand, sie haben dich. Ferdinand. Was faellt dir ein? Leopold. Wer billigt, der bewilligt wohl zuletzt. Ferdinand (fortfahrend). Auch sind im Heer beinah nur Protestanten, Und wo der Glaube fehlt, wo bleibt die Hoffnung? Klesel (zu Mathias). Beliebt's Euch hoher Herr? Mathias. Was das betrifft, So weiss ich keinen glaeubiger als mich. Doch ist das Land, sind seine hoechsten Stellen Mit diesen Protestanten dicht besetzt. Muss ich sie schonen nicht, will ich sie brauchen? Muss ich sie brauchen nicht, wenn zwingt die Not? Und sag ich's nur: die Faehigsten, die Kuehnsten, Die Ketzer sind's, ich weiss nicht wie es kommt. Klesel (auf sein Papier herabgebeugt, wie vor sich). Der Krieg ist dieser Spaltung Keim und Wurzel. Ferdinand (auf Klesel). Da spracht Ihr wahr, wenn irgend jemals sonst! Weil Ruhe war in meiner Steiermark, Weil ich bei Ketzern brauchte nicht zu betteln, Gelang's mir ihre Rotte zu zerstreun; Und deshalb, waere nicht des Kaisers Wille, Stimmt' ich in Euern Antrag freudig ein. Doch gaeb' es einen Ausweg, wie mir deucht, Der Krieg und Frieden gleicherweis vereint: Den Waffenstillstand--(Zu Klesel.) Schuettelt Ihr den Kopf? Mathias. Und soll er nicht, solang sein Kopf ihm eigen? Glaubt ihr, der Tuerke werde muessig gehn, Fuer Waffenruh' und solchen armen Tand, Des Vorteils sich begeben, der ihm lacht? --Wenn er im Vorteil ja, wie's wirklich scheint.-- Das ist der Fluch von unserm edeln Haus: Auf halben Wegen und zu halber Tat Mit halben Mitteln zauderhaft zu streben. Ja oder nein, hier ist kein Mittelweg. Ferdinand. Wenn man uns draengt, das ist nicht Brauch noch Sitte. Mathias. Es draengt die Zeit; wir selbst sind die Bedraengten. Ferdinand. Und kennt man die Bedingungen des Feinds? Klesel (den Stuhl rueckend). Das ist zu wissen leicht aus erster Quelle. Des Ofner Bassa Sekretaer und Dolmetsch Ist hier im Lager; wenn Ihr es gestattet, Fuehr ich ihn her, hoert selbst dann was er bringt. Max. Mir ist gemein nichts mit den grimmen Tuerken. Ferdinand (heftig). Weiss sonst man irgend, frag ich noch einmal, Die Punkte die der Heide nimmt und gibt. Klesel. Der Stand wie vor dem Krieg. Max. Das waere billig. Leopold. Halt aus, Fernand, halt aus! Kehr ruhig heim. Ich bleibe hier; waer's als gemeiner Reiter, Waer's auf den Truemmern des zerstoerten Wiens, Durch Blut und Krieg mit allen seinen Schrecken, Zu fechten fuer des Kaisers Macht und Willen. Ferdinand (sich mit Abscheu von ihm wendend). Nun Frieden also denn! Leopold. Fernand auch du? Ferdinand. Fragst du mich noch, der du mich selber zwingst, Mir schildernd alle Greuel des Verweigerns? Klesel (ruhig zu Mathias). Ihr seid fuer Krieg? Mathias. Wenn man mich ueberstimmt! Leopold. Hier ist noch einer. Ohm, wir sind zu zwei. Mathias. Gerade deshalb Frieden auch. Max. Wir sind zu Ende. Klesel. Vorerst erlaubt, dass mit zwei Worten nur, Dem Pfortendolmetsch, der im Lager harrt, Den Ratschluss ich verkuende samt dem Frieden. Ferdinand. Warum so rasch? Klesel. Wir haben dann was Ihr In Eurer Weisheit wuenschenswert erachtet: Stillstand der Waffen. Denn, o Herr bedenkt! Benuetzt der Tuerke seinen jetz'gen Vorteil Und schneidet ab das Heer im Ruecken gar, So steigert er, befuercht ich, seine Fordrung Und unsre Opfer steigern sich zugleich. Max. Schreibt immer denn! Ferdinand. In mir ringt's wirren Zweifels. Was gaeb' ich nicht waer' mir der Schritt erspart. Max. Zuletzt hat unser Bruder juengster Zeit So sehr sich von Geschaeften rueckgezogen Und aufgeschoben was doch unverschieblich, Dass ihm ein milder Zwang vielleicht erwuenscht. Leopold. Ihr werdet sehen was Ihr angerichtet. (Klesel klingelt, ein Diener erscheint.) Klesel (den gefalteten Zettel uebergebend). Des Ofner Bassa Sekretaer. Sogleich! (Diener ab.) Max. Noch einmal sag ich denn: wir sind zu Ende. Klesel. Nicht ganz, erlauchte Herrn! (Aufstehend.) Wenn ich bisher Nur auf Erlaubnis sprach und wider Willen, Tret ich nun auf in meinem eignen Amt, Als Seelenhirt, als Redner fuer ein Volk Und als Vertreter unsers heil'gen Glaubens. Dieselbe Stimme, die in Wien und Neustadt Zu Tausenden bekehrt mit ihrer Macht Erheb ich nun mit gleichem Feuereifer Im Angesicht der Gegenwart und Zukunft. Ihr schlosst den Frieden edle Herrn, allein Wenn ihn, gesetzt, der Kaiser nun verwirft? Max. Er wird es nicht. Leopold. Er wird's. Klesel (zu Leopold hoehnisch). Ihr habt's getroffen Und kennt, so scheint's, des Kaisers tiefste Meinung. (Mathias will auffahren, Klesel haelt ihn mit einer Handbewegung zurueck.) Ferdinand. Das sagt Ihr uns, nachdem der Bote fort, Der unser Wort verpfaendet an den Tuerken? Klesel. Die Not erkennend schlosst Ihr den Vertrag, Doch erst gehalten sind Vertraege wirklich. Wenn nun der Kaiser Euern Schluss verwirft? Max. Dann waschen wir in Unschuld unsre Haende. Klesel. Das waere Unschuld schlimmer noch als Schuld. Dies edle Land, es darf nicht untergehn Und alles was dem Menschen hoch und heilig Nicht von dem Ueberdruss, den Wechsellaunen Und der Entfernung zwischen Prag und Wien Abhaengig sein zu drohendem Verderben. Am heut'gen Tag, vertragend mit dem Feind, --Obgleich vorlaeufig nur, auf spaetern Abschluss-- Erkanntet in Euch selber Ihr die Macht Zu sorgen fuer des Vaterlandes Beste. Doch nicht der Kaiser nur ist wankelmuetig, Der Tuerk' ist treulos, als ein Heide schon, Im ganzen Reich der fernen Moeglichkeiten Ist nichts als Zweifel, Arglist und Gefahr. Ihr koennt nicht immer hier zu Rate sitzen, Deshalb ist noetig, dass fuer alle einer Mit Macht bekleidet, wenns die Not erheischt, Zu handeln als des Hauses Hort und Saeule. Leopold. Er spricht fuer seinen Herrn. Klesel. Diesmal nicht also! Befragt Ihr mich, wen ich vor allen liebe, Wen ich an Tapferkeit, an hohem Sinn, Voran den Fuersten mancher Laender setze, So ist die Antwort: ihn dort, meinen Herrn. Allein zu solchem Amt fehlt ihm die Festigkeit, Nicht Kraft, doch das Beharren im Entschluss. Mathias (zornig). Ich will Euch zeigen, ob ich fest, ob nicht. Klesel. Auch hat man uns geheimes Einverstaendnis Mit Ketzern, Unzufriednen Schuld gegeben, Das darf nicht sein bei anvertrauter Macht. Erzherzog Maximilian waere rein. Max. Ich bin entwohnt des Wirkens und Befehlens, Mich traefe ganz was meinen Bruder halb. Klesel. Nun denn: ein Muster hier der Festigkeit, Der Herr der Steiermark, der, rascher Tat, Die Ketzerei getilgt in seinem Land. Mathias. Was faellt Euch ein? Ist Euch denn nicht bekannt, Dass diese Graezer um des Kaisers Gunst, Mit Hoffnung wohl zu folgen auf dem Thron, Der eine laut, der andre leise buhlen? Ferdinand (zu Klesel). Auch, habt geruehmt Ihr meine Festigkeit, Vergasst Ihr ihre Wurzel: das Gewissen; Das eine Beugung etwa mir erlaubt Zu gutem Zweck, wie etwa heut und jetzt; Doch Uebertretung, foermliche Verletzung Mir nicht gestattet, gaelt' es eine Krone. Mathias ist des Hauses Aeltester, Tut not denn uebertragene Gewalt, Wie es fast scheint, so sei sie ihm vertraut. Mathias. Ja mir gebuehrt's vor allen und mit Recht. Klesel (ein Papier aus dem Busen ziehend). Da braucht es nur noch Eure Unterschrift. Leopold. Seht Ihr den Schalk? er hat's schon in der Tasche. Klesel. Die Vollmacht ja, allein der Name fehlt. (Die Schrift hinhaltend.) Er blieb hier weiss. Ferdinand (zu Max). Wenn's Oheim Euch genehm. (Sie lesen die Schrift.) Leopold. Schreibt nur Rudolphus, so bleibt's nach wie vor. Ihr habt uns hier am Narrenseil geleitet, Ich geh nach Prag und zeig's dem Kaiser an. Mathias. Das duerft Ihr nicht. Klesel (demuetig). Herr, das war die Bedingung: Geheimzuhalten was beschloss der Rat. Leopold (sein Wehrgehaeng zurechtrichtend). So will ich nur im offnen und geheimen Den Kaiser schuetzen, den Ihr doch bedroht. Ferdinand. Ich setze denn Mathias. Max. Immerhin. Ferdinand (unterzeichnend). Und hier die Unterschrift. Max (ebenso). Sowie die meine. Ferdinand (der aufgestanden ist). Wenn ich betrachte dieses Ungluecksblatt So geht's durch meine Seele wie Verderben. Klesel. Sie liegt noch hier; es braucht nur sie zerreissen, So stehen wir auf gleichem Platz wie vor. Ferdinand. Ich fuehle wohl, es muss. Komm Leupold mit nach Graez, Es draengt mich mein Gewissen auszuschuetten Vor dem der seine Zweifel kennt und loest. Max (aufstehend). Es ist geschehn. Nun Bruder aber hoere: Sei fest und treu! Vor allem aber wisse: Warst eines Sinnes du mit diesem Mann (auf Klesel zeigend) Ich haette die Gewalt dir nicht gegeben. Drum brauch ihn, er ist klug, doch huete dich. Mathias (streng). Ich werde wohl, und hab ihn heut erkannt. Ferdinand. Vielmehr begehr ich, dass Ihr ihn gebraucht, Er ist ein Eifrer fuer die fromme Sach. Leopold. Du zitterst ja! Ferdinand. Lass nur, es geht vorueber. Leopold. Wir haben keinen guten Kampf gekaempft. Mathias. Wollt ihr schon fort? Max. Lass uns! wir sind betruebt. Und ohne Abschied denn!--Geht ihr? Ferdinand. Leopold. Wir folgen. Mathias. Zur Kutsche wenigstens nehmt das Geleit. Auf bald'ges, frohes Wiedersehn. Die Erzherzoge. Wir hoffen's. (Sie gehen, von Mathias geleitet.) Klesel. Nun rasch ans Werk! Vor allem die Depeschen. (Er setzt sich und schreibt.) Mathias (zurueckkommend). Wie, du noch hier? Du trittst vor meine Augen, Nachdem du erst gesprochen wider mich? Klesel (aufstehend). Herr, wider Euch? fuer Euch! Ihr habt die Schrift, Die Euch zum Herren macht in diesem Land. (Da Mathias zu ihm tritt.) Wenn Ihr mich stoert such anderwaerts ich Ruh'. Es gilt zu schreiben, schreiben, rasch und viel. Und diese Schrift, Ihr sollt mir sie noch kuessen, Wie ich sie kuesse jetzt. Wir sind geborgen. (Er tritt ins Innere des Zeltes, dessen Vorhaenge er herablaesst.) Mathias. Er ist ein Raetsel was er tut und spricht Und seine Rede streitet mit ihm selber.-- Nun ja, die Schrift (Freudig auffahrend.) He Klesel, Klesel hoere! (Er tritt an den Vorhang.) Er gibt nicht Antwort. Lass ich ihn denn jetzt! Ein Meer von Bildern schwimmt vor meiner Seele. (Auf die Seitentuere zugehend bleibt er stehen, als ob er umkehren wollte, geht aber nach einigem Besinnen ab.) ------------------------------------------------------ Gegend in der Naehe des kaiserlichen Lagers. Abenddaemmerung. Man hoert einige Flintenschuesse hinter der Szene. Prokop, ein blosses Schwert in der Hand, kommt mit seiner Tochter. Prokop. Komm meine Tochter, noch haelt dieser Arm Und fuehlt sich stark genug dich zu verteid'gen. (Zwei kaiserliche Soldaten folgen.) Erster. Gebt Euch, sag ich, Ihr lebtet laengst nicht mehr, Waer' nicht die Furcht das Maedchen zu verletzen. Prokop (rufend). Janek! Basil! Zweiter. Die hoerten auf zu hoeren. Ihr seid der einzig Lebende, drum hoert! Prokop. So will ich sterben denn, mein Kind verteid'gend. Allein was wird aus ihr, wenn ich erlag. Erster. Das eben, Herr, bedenkt und weicht der Not Sonst eins, zwei, drei, und Euer Tag ist aus. (Sie naehern sich ihm.) Prokop. Lebt denn kein Retter mehr im weiten All? Kein Helfer, der bedraengte Unschuld schirmt? (Trompeten in der Naehe.) Prokop. Hoert ihr? (Ein dritter Soldat kommt.) Erster. Was ist? Dritter. Die Herrn Erzherzoge, Die, stark begleitet, aus dem Lager kehren, Ein Unstern fuehrt sie eben hier vorbei. Wir sind zu schwach, entflieht! Erster. Ich werde wohl! Der Lohn, zum Glueck, ward vorhinein bezahlt. (Sie ziehen sich zurueck.) Prokop. Wir sind gerettet Kind! Lukrezia hoerst du? (Erzherzog Leopold und Oberst Ramee kommen mit Begleitung, die blossen Schwerter in der Hand.) Leopold. Nicht Tuerken sind's, des eignen Lagers Auswurf, Zu Brudermord gezueckt das feige Schwert. Verfolgt sie, gebt dem Henker seine Beute! (Ramee und einige in der Richtung der Fluechtigen, ab.) Leopold. Und wer seid Ihr? (Erzherzog Ferdinand mit Dienern und Fackeln ist gekommen.) Prokop (gegen Ferdinand gewendet). Ein Buerger, Herr, von Prag, Mit seiner Tochter, die Euch dankt die Rettung. Ein Maechtiger am Hof verfolgte sie; Deshalb nun wollt' ich sie nach Dukla bringen Zu einer Tante, die dort lebt im Schloss. Allein der Kriegslaerm, damals weit entfernt, Er ueberholte uns auf unsrer Reise. Seitdem nun irren wir auf Seitenwegen Und hofften in dem Christenlager Schutz. Leopold (Lukrezias Hand fassend). Erholt Euch, schoenes Kind. Lukrezia (die Hand zurueckziehend). Nicht schoen, doch ehrbar. (Ramee und seine Begleiter kommen mit einem in einen dunkeln Mantel Verhuellten zurueck.) Ramee. Den einz'gen nur gelang es zu ereilen. Leopold. Verhuellt Ihr Euch? Es ist nicht Fastnachtzeit! Die Fackel her! (Ein Diener leuchtet hin.) Lukrezia. O Gott, er ist's. Erzherzog Ferdinand. Don Caesar! Prokop. Derselbe den wir flohn. Ferdinand. Wie kommt Ihr hieher? Don Caesar. Fragt nicht und lasst mich frei. Ferdinand. Nicht also, Freund! Der Kaiser will Euch gern in seiner Naehe, Und Ihr beduerft, so seh ich, strenger Hut. (Zu einem Befehlshaber.) Geleitet ihn mit Eurer Schar von Reitern Und sagt dem Kaiser, wenn ihr kommt nach Prag-- Allein das tu ich selbst, wenn's an der Zeit. Geht nur! Ihr haftet mir fuer seine Stellung. (Don Caesar wird fortgebracht.) Prokop. Allein was wird aus uns? Erzherzog Ferdinand. Schliesst Euch nur an, Bis Ihr die Grenze habt erreicht von Maehren, Wo sicher Euer Weg. Prokop. Nehmt tausend Dank. Komm nur mein Kind! (Nach Don Caesar hinweisend.) Er kann nicht weiter schaden. (Ab mit Lukrezia.) Leopold. Nun, Bruder, sieh, wir taten doch ein Gutes. Ferdinand. Nachdem wir Schlimmes erst, ich fuehl's, getan. Leopold. Sei nicht betruebt, es findet sich noch alles. Was halb du weisst und halb ich dir verschwieg: Das Heer in Passau, das ich, andern Vorwands, Seit lange werb, es stellt die Waage gleich Und gibt dem Kaiser wieder seine Rechte. Ferdinand (die Arme auf seine Schultern legend). Nichts Unvorsichtiges mein Freund und Bruder! Leopold (waehrend Ferdinand sich auf ihn stuetzt). Voraussicht ist ja Vorsicht, oder nicht? Die Klugheit gibt nur Rat, die Tat entscheidet. Es soll sich alles noch zum Guten wenden. (Indem sie abgehen, faellt der Vorhang.) Dritter Aufzug Zimmer im Schlosse auf dem Hradschin. Rechts im Hintergrunde eine tuerfoermige Oeffnung, in der ein Schmelztiegel auf einem chemischen Ofen steht. Daneben der Haupteingang. Kaiser Rudolf kommt aus einer Seitentuere rechts. Rudolf. He Martin, Martin! Plagt dich denn der Boese? Ist alles denn verworren und verkehrt? Es fehlt an Kohlen, Kohlen. (Ein Mann in berusster Jacke und Muetze, einen Korb Kohlen am Arme, ist eingetreten.) Rudolf. Traeger Zaudrer! Besorgt denselben Dienst seit dreissig Jahren Und gafft und glotzt als waer's zum erstenmal. (Der Mann beschaeftigt sich im Hintergrunde.) Wo schuettest du die Kohlen hin? Carajo! Scheint's doch du willst mir die Retorte fuellen Und nicht den Herd. Verwuenschter Schlingel! Bist du bezahlt zu Tode mich zu aergern? Der Mann (nach vorn kommend, seine Muetze abnehmend und sich auf ein Knie niederlassend). Verzeiht, o Herr, ich bin's nur nicht gewohnt. Rudolf. Du bist nicht Martin!--Fuego de Dios! (Der Mann hat auch das Wams geoeffnet.) Rudolf. Ah--Herzog Julius von Braunschweig Liebden! Wie kommt Ihr her? und doch zumeist (Misstrauisch mehrere Schritte zuruecktretend.) Was wollt Ihr? Herzog Julius. Seit vierzehn Tagen such ich Audienz Und konnte nun und nimmer sie erhalten, Da griff ich in der Not zu dieser List. Verzeiht dem Treuen der es gut gemeint. Rudolf. Ha, ha, ha, ha! Kein uebler Spass! Steht auf! Ihr koennt nun wenigstens dem Volk bestaetigen, Dass ich noch lebe, was man, heisst's, bezweifelt. Julius (der aufgestanden ist). Bezweifelt, und mit Recht. Rudolf. Ja alter Freund, Damit ich lebe muss ich mich begraben, Ich waere tot, lebt' ich mit dieser Welt. Und dass ich lebe ist vonnoeten Freund. Ich bin das Band, das diese Garbe haelt, Unfruchtbar selbst, doch noetig, weil es bindet. Julius (der den Kittel ausgezogen und auf einen Stuhl gelegt hat). Doch wird das Band nun locker, Majestaet? Rudolf. Mein Name herrscht, das ist zur Zeit genug. Glaubst: in Voraussicht lauter Herrschergroessen Ward Erbrecht eingefuehrt in Reich und Staat? Vielmehr nur: weil ein Mittelpunkt vonnoeten, Um den sich alles schart was Gut und Recht Und widersteht dem Falschen und dem Schlimmen, Hat in der Zukunft zweifelhaftes Reich Den Samen man geworfen einer Ernte, Die manchmal gut und vielmal wieder spaerlich. Zudem gibt's Lagen wo ein Schritt voraus Und einer rueckwaerts gleicherweis' verderblich. Da haelt man sich denn ruhig und erwartet Bis frei der Weg, den Gott dem Rechten ebnet. Julius. Doch wenn Ihr ruht, ruhn deshalb auch die andern? Rudolf. Sie regen sich, doch immerdar im Kreis. Die Zeit hat keine Maenner, Freund wie Feind. Julius. Allein der Krieg in Ungarn? Rudolf. Der ist gut. Den Krieg, ich hass ihn als der Menschheit Brandmal Und einen Tropfen meines Blutes gaeb' ich Fuer jede Traene, die sein Schwert erpresst; Allein der Krieg in Ungarn der ist gut. Er haelt zurueck die streitenden Parteien, Die sich zerfleischen in der Meinung schon. Die Tuerkenfurcht bezaehmt den Lutheraner, Der Aufruhr sinnt in Taten wie im Wort, Sie schreckt den Eifrer meines eignen Glaubens, Der seinen Hass andichtet seinem Gott. Fluch jedem Krieg! Doch besser mit den Tuerken, Als Buergerkrieg, als Glaubens-, Meinungsschlachten. Hat erst der Eifer sich im Stehn gekuehlt, Die Meinung sich geloest ins eigne Nichts, Dann ist es Zeit zum Frieden, dann mein Freund, Soll gruenen er auf unsern lichten Graebern. Julius. Allein der Friede ward geschlossen. Rudolf. Ward. Ich weiss, doch nicht bestaetiget von mir, Und also ist es Krieg bis Gott ihn schlichtet. Doch dass ich nicht auf Zwist und Streit gestellt-- Siehst du? ich schmelze Gold in jenem Tiegel. Weisst du wozu?--Es hoert uns niemand mein ich.-- Ich hab erdacht im Sinn mir einen Orden, Den nicht Geburt und nicht das Schwert verleiht, Und Friedensritter soll die Schar mir heissen. Die waehl ich aus den Besten aller Laender, Aus Maennern, die nicht dienstbar ihrem Selbst, Nein, ihrer Brueder Not und bitterm Leiden; Auf dass sie weithin durch die Welt zerstreut, Entgegentreten fernher jedem Zwist, Den Laendergier und was sie nennen: Ehre, Durch alle Staaten saet der Christenheit, Ein heimliches Gericht des offnen Rechts. Dann mag der Tuerke draeun, wir drohn ihm wieder. Nicht aussen auf der Brust traegt man das Zeichen, Nein innen wo der Herzschlag es erwaermt, Es sich belebt am Puls des tiefsten Lebens. Mach auf dein Kleid!--Wir sind noch unbemerkt. (Er hat aus der Schublade des Tisches eine Kette mit daranhaengender Schaumuenze hervorgezogen.) Der Wahlspruch heisst: Nicht ich, nur Gott.--Sprich's nach! Julius (der sein Kleid geoeffnet und sich auf ein Knie niedergelassen hat). Nun denn. Nicht ich, nur Gott--und Ihr! Rudolf. Nein woertlich. Julius. Nicht ich, nur Gott. Rudolf (nachdem er ihm die Kette umgehangen). Nun aber schliess die Huelle, Dass niemand es erblickt. Du bist ein Ketzer, Allein ein Ehrenmann. So sei geehrt. Julius (der aufgestanden ist). O Herr, wenn Ihr dem Andersmeinenden, Ihr mir die Huld verleiht, die mich beglueckt, Warum versoehnt Ihr nicht den Streit der Meinung Und gebt dem Glauben seinen Wert: die Freiheit, Euch selbst befreiend so zu voller Macht? Rudolf. Zu voller Macht? Die Macht ist's was sie wollen. Mag sein, dass diese Spaltung im Beginn Nur missverstandne Satzungen des Glaubens, Jetzt hat sie gierig in sich eingezogen Was Unerlaubtes sonst die Welt bewegt. Der Reichsfuerst will sich loesen von dem Reich, Dann kommt der Adel und bekaempft die Fuersten; Den gibt die Not, die Tochter der Verschwendung Drauf in des Buergers Hand, des Kraemers, Maeklers, Der allen Wert abwaegt nach Goldgewicht. Der dehnt sich breit und hoert mit Spotteslaecheln Von Toren reden, die man Helden nennt, Von Weisen, die nicht klug fuer eignen Saeckel, Von allem was nicht nuetzt und Zinsen traegt. Bis endlich aus der untersten der Tiefen Ein Scheusal aufsteigt, graesslich anzusehn Mit breiten Schultern, weitgespaltnem Mund, Nach allem luestern und durch nichts zu fuellen. Das ist die Hefe, die den Tag gewinnt Nur um den Tag am Abend zu verlieren, Angrenzend an das Geist- und Willenlose. Der ruft: Auch mir mein Teil, vielmehr das Ganze! Sind wir die Mehrzahl doch, die Staerkern doch, Sind Menschen so wie ihr, uns unser Recht! Des Menschen Recht heisst hungern, Freund, und leiden, Eh' noch ein Acker war, der frommer Pflege Die Frucht vereint, den Vorrat fuer das Jahr; Als noch das wilde Tier, ein Brudermoerder, Den Menschen schlachtete der waffenlos, Als noch der Winter und des Hungers Zahn Alljaehrlich Ernte hielt von Menschenleben. Begehrst ein Recht du als urspruenglich erstes, So kehr zum Zustand wieder der der erste. Gott aber hat die Ordnung eingesetzt, Von da an ward es licht, das Tier ward Mensch. Ich sage dir: nicht Szythen und Chazaren, Die einst den Glanz getilgt der alten Welt, Bedrohen unsre Zeit, nicht fremde Voelker: Aus eignem Schoss ringt los sich der Barbar, Der, wenn erst ohne Zuegel, alles Grosse, Die Kunst, die Wissenschaft, den Staat, die Kirche Herabstuerzt von der Hoehe, die sie schuetzt, Zur Oberflaeche eigener Gemeinheit, Bis alles gleich, ei ja, weil alles niedrig. (Er setzt sich.) Julius. Ihr schaetzt die Zukunft richtig ab, das Ganze, Doch draengt das Einzelne, die Gegenwart. Rudolf. Mein Haus wird bleiben, immerdar, ich weiss, Weil es mit eitler Menschenklugheit nicht Dem Neuen vorgeht oder es begleitet, Nein, weil es einig mit dem Geist des All, Durch klug und scheinbar unklug, rasch und zoegernd, Den Gang nachahmt der ewigen Natur, Und in dem Mittelpunkt der eignen Schwerkraft Der Rueckkehr harrt der Geister, welche streifen. Julius. Doch Eure Brueder denken nicht wie Ihr. Rudolf. Mein Bruder ist nicht schlimm, obgleich nicht klug. Ich geh ihm Spielraum, er begehrt zu spielen. Julius. War's Spiel? dass eigner Macht er schloss den Frieden, Ist's Spiel? da er den Herren spielt im Land? Rudolf. Du spielst mit Worten wie er mit der Macht. Julius. Man sagt, der Tuerke hab ihm angeboten Die Krone Ungarns. Rudolf. Sagt! Die Krone Ungarns. Der Tuerke hat das Land. Was soll das Zeichen? Julius. Die Protestanten,--Herr, ich bin ein Protestant, Doch nur im Glauben, nicht in Widersetzung-- Sie haben ihm als Preis der Glaubensuebung Beistand geschworen wider maenniglich. Rudolf. Mein Bruder ist katholischer als ich. Er ist's aus Furcht, indes ich's nur aus Ehrfurcht. Die Glaubensfreiheit stuende gut mit ihm! Julius. So nuetzt er sie um spaeter sie zu taeuschen. Die Wirkung bleibt die naemliche fuer jetzt. In Maehren greift die Regung schon um sich Und fremde Truppen ziehen durch die Staedte. Rudolf. Das ist der Tilly, den ich hingesandt-- Ich bin so blind nicht all ihr etwa glaubt-- Der haelt das Land in Zaum. Julius. Es sind die Voelker Aus Eures Bruders ungarischem Heer. In Boehmen selbst-- Rudolf. Du weisst nicht was du sprichst. Die Boehmen sind ein starres Volk, doch treu. Julius. Vor allem treu stammalter Ueberzeugung. Der Huss ist tot, doch neu regt sich sein Glaube. In Prag haelt man schon Rat und knuepft Vereine. Rudolf (gegen die Tuere gewendet). Und das verschweigt man mir? Julius. Verzeiht o Herr! Man will es Euch gemeldet haben, doch-- Rudolf. Der eine sagt mir dies, der andre das, Wie's ihm sein Vorteil eingibt, seine Meinung. Arm sind wir Fuersten, wissen das Geheime, Allein das Offenkund'ge, was der Bettler weiss, Der Tageloehner, bleibt uns ein Geheimnis. Auch war soviel zu tun in letzter Zeit. Der Schotte Dee war hier. Ein Mann der Wunder, Der eindringt in die Urnacht des Geschaffnen Und sie erhellt mit gottgegebnem Licht. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit. Haett' ich gleich ihm nur einen mir zur Seite, Ich stuende dieser Welt und ihrem Draeun. Julius. Ihr seid verraten, hoher Herr, verkauft. Indes Ihr lernt, lehrt Ihr der Welt den Aufruhr, Der schon entfesselt tobt in Euern Staedten. Rudolf. Hast du's gesehn? Julius. Ich nicht. Rudolf. So sprich auch nicht! Ein jeder sieht ein andres, nein, sieht nichts Und gibt den Rat, der nichtig schon von vornher. Julius. Ein Mann ist hier, er kommt von Bruenn und Wien. Er hat gesehn. Es ist derselbe, Herr, Der Euern Fluechtling rueckgebracht--Don Caesar. Rudolf. Bring ihn zu mir den Mann! Ich will ihn sprechen. Er hat geleistet mir den hoechsten Dienst, Der mir erwiesen ward seit langen Jahren. Julius. Er ist im Vorgemach. Rudolf. Warum nicht hier? Was zoegert er? Warum nicht mir genueber? Don Caesar! Wie mein Innres sich empoert! Der freche Sohn der Zeit.--Die Zeit ist schlimm, Die solche Kinder naehrt und braucht des Zuegels. Der Lenker findet sich, wohl auch der Zaum. (Herzog Julius hat indessen Lukrezias Vater eingefuehrt.) Rudolf (ihm einige Schritte entgegengehend). Ah du, mein Ehrenmann! (Zuruecktretend.) Bleibt immer dort! Dort an der Tuer. Ihr seid ein Buerger Prags? Prokop. Ich bin es, Majestaet. Rudolf. Seit wann denn fuehren Die Buerger Waffen? Prokop (auf den Dolch in seinem Guertel blickend). Herr, die boese Zeit Gebeut zu ruesten sich (Den Dolch mit der Scheide aus dem Guertel ziehend, mit einer Bewegung nach der Tuere.) Doch will ich-- Rudolf. Bleibt! Ihr habt den Fluechtling der sich Caesar nennt Gestellt uns als Gefangenen zur Haft. Wir danken Euch, und denken Eure Tochter Zu schuetzen gegen ihn; vorausgesetzt, Dass sie nicht selbst, wie etwa Weiberart, Ihn anfangs taendelnd angezogen-- Prokop. Nein! Rudolf. Nun Ihr sprecht kurz. Ihr seid ein Protestant? Prokop. Herr, Utraquist, des boehm'schen Glaubens. Rudolf. So! Warum des boehmischen und nicht des deutschen? Des welschen, griechisch, span'schen?--Arme Wahrheit! Vergass ich fast doch, dass es so viel Kirchen Als Kirchenraeume gibt und--Kirchhofgraeber. Nun gut. Vor Caesar lebt nur kuenftig sicher, Ich will ihn hueten wie des Auges Stern. Und hoert ihr einst er sei zu Nacht gestorben, So denkt nur: seine Krankheit hiess Verbrechen Und Strafe war sein Arzt.--Ihr kommt von Wien. Ich weiss was man dort treibt und halb ich dulde Und halb ein Wink von meiner Hand zerstreut. Doch luestet mich's zu hoeren was ihr saht, Ein einfach schlichter Mann. Prokop (gegen Herzog Julius). Das von der Huld'gung? (zum Kaiser.) Ich war dabei in Wien als beide Oestreich Im Landhaussaal geschworen Euerm Bruder. Rudolf. Geschworen als Erzherzog, nun er ist's. Prokop. Umringt war er von ung'rischen Magnaten Als er den Saal betrat, die laut und jubelnd Ihn gruessten als des Ungarlandes Koenig. Rudolf. Das ist nicht wahr! Prokop (zu Herzog Julius). So kann ich wieder gehn? Rudolf. Wenn ich Euch's heisse, frueher nicht noch spaeter. Der Ungarn Koenig? Nun: voraus bezeichnet, Nachfolger etwa; ob auch das zur Zeit Nicht sicher noch, abhaengig von gar vielem. In Maehren dann? Prokop. Ich war in Bruenn zugegen Beim Einzug Eures Bruders, wo er jubelnd, Vor allem von den Dienern meines Glaubens, Empfangen ward, ein Retter in der Not. Die protestant'schen Kirchen stehen offen; Und ob er gleich sich letzter Zeit entfernt-- Rudolf. Entfernt? Wohin? Prokop. Man weiss nicht, Herr, die Richtung. Rudolf (zu Herzog Julius). Ich sage dir: er ging zurueck nach Wien. Ihm fehlt der Mut. Ich kenne diesen Menschen: Zum Anfang rasch, doch zoegernd kommt's zur Tat. (Zu Prokop.) Ich danke dir mein Freund und weiss genug; Der Aufstand ist am Schluss wie dein Bericht. Prokop. Obgleich sich der Erzherzog nun entfernt, Blieb doch an seiner Stelle Bischof Klesel, Der mit der Grenze meuterisch verkehrt. Rudolf. Wie war das? Klesel? Ist er doch in Neustadt, Wohin ich ihn gebannt, in seinem Sprengel. Prokop. Er ist in Bruenn, wo ich ihn selber sprach Von wegen meines sicheren Geleits, Und steht vor allen nahe dem Erzherzog. Rudolf (zu Herzog Julius). Das waere schlimm. Wenn jener list'ge Priester Das was dem andern fehlt, den Mut, die Tatkraft, Ihm goesse in die unentschiedne Seele. Das waere schlimm, und denk ich fort und weiter, Vergroessert sich's zu wirklicher Gefahr. (Zu Prokop.) Ich dank Euch guter Freund! Ihr seid entlassen, Und Euer Kind, es zaehl' auf meinen Schutz. (Da Prokop sich entfernt und die Tuere offensteht.) He Wolfgang Rumpf! Wolfgang Rumpf! Wolfgang Rumpf (eintretend). Hier Majestaet. Rudolf. Bringt die Berichte dieser letzten Tage, Und was an Briefen, in mein Kabinett. Und will ich kuenftig ungestoert mich wissen, So hindert's nicht, dass, wenn das Haus in Flammen, Ihr dennoch kommt und ansagt: Herr, es brennt. Herzog Julius (zu Rumpf halblaut). War's moeglich denn? Rumpf (ebenso). Ihr wisst nicht edler Herzog. Der Kaiser drohten mit geschwungnem Dolch, Wenn jemand nur ihn anzusprechen wagte. Rudolf. Nun wohl, Ihr habt das Zuenglein an der Waage, Das ich mit Sorge hielt im Gleichgewicht, Ihr habt es rohen Draengens angestossen, Es schwankt und blut'ge Todeslose fallen Aus beiden Schalen auf die bange Welt. Leiht mir nicht Eure Schuld; wenn's etwa Schuld nicht, Dass ich vertraut, und nur ein Mensch, kein Gott. Ruft mir den Kanzler! Rumpf. Herr, er ist schon hier Und spricht im span'schen Saale zu den Staenden. Rudolf. Die Staende, wie? Rumpf. Die gleicherweise erschienen Von des Geruechtes Stimmen aufgeregt. (Zu Herzog Julius.) O Herr, o Herr! Wir wissen's erst seit jetzt: Des Herrn Erzherzoges Mathias Gnaden Sind insgeheim von Bruenn verrueckt nach Tabor, Von wo sie nun durch Meuterer verstaerkt Mit Heeresmacht heranziehn gegen Prag. Die Stadt ist in Bewegung, Manifeste Sind angeschlagen an den Strassenecken, Die von des Kaisers Hoheit ehrfurchtlos-- Rudolf. Ich weiss den Inhalt dieser Manifeste: Dass ich, ein alter Mann, an Willen schwach Entziehe mich dem Reich und seinen Sorgen; Indes mich das Gespenst der blut'gen Zukunft Verfolgt bis in mein innerstes Gemach, Und, nachts empor auf meinem Lager sitzend, Der Trommel Ruf, des Schlachtenlaerms Getos Mir wachend schlaegt ans Ohr, den Traum ergaenzend. Dazu noch das Bewusstsein, dass im Handeln, Ob so nun oder so, der Zuendstoff liegt, Der diese Mine donnernd sprengt gen Himmel. Ihr habt gehandelt, wohl! das Tor geht auf Und eine grasse Zeit haelt ihren Einzug. Was wollen sie die Staende? Weiss man es? Rumpf. Sie tragen eine Handfest vor sich her, Von Pergament gerollt, auf einem Kissen. Rudolf. Es ist der Majestaetsbrief, den sie frueher Mir vorgelegt, doch damals ich zurueckwies, Berechtigung zusichernd ihrem Glauben. (Bitter.) Die Zeit scheint ihnen guenstig zum Vertrag. (Die Muetze abziehend, heftig.) Allmaecht'ger Gott, der du mich eingesetzt, Zu wahren deiner Ehre und der meinen, Die Doppellast sie spottet meiner Kraft Und nicht vermag ich fuerder sie zu tragen. Ich stelle dir zurueck was deines Reichs, Bist du der Starke doch, und was du willst Fuehrst du zum Ziel durch unerforschte Wege. Doch was mein eignes Amt, dass diese Welt Ein Spiegel sei, ein Abbild deiner Ordnung, Dass Fried' und Eintracht wohnen bruederlich Vom Unrecht ungestoert und von Verrat, Das will ich ueben, stehst du, Gott, mir bei. (Er hat sein Barett wieder aufgesetzt.) Ich will hinueber zu den treuen Staenden; Treu naemlich, wenn--und ehrenhaft, obgleich-- Anhaenglich auch, jedoch--wahrhaft, nur dass-- Und wie die krummen Wege alle heissen, Auf denen Selbstsucht geht und die Gemeinheit. (Er macht einige Schritte gegen die Tuere, dann bleibt er stehen, mit dem Fusse stampfend.) Mich widerts an. Ich mag den Hohn nicht sehn, Die Schadenfreude auf den frechen Stirnen. Ruft sie herueber. Heisst das: einen Ausschuss Fuer alle fuehrend insgesamt das Wort. Ertraeglich ist der Mensch als einzelner, Im Haufen steht die Tierwelt gar zu nah. Was zoegerst du? ruf sie herueber, sag ich. (Rumpf ab.) Nun Herzog Julius, fuehlt Ihr noch die Kraft Das Schwert zu schwingen in der alten Rechte? Mich selbst befaellt ein Hauch der Jugendzeit Und an der Spitze, denk ich, meiner Treuen Hinauszuziehn, um Stirne gegen Stirn Den Aufruhr zu befragen was sein Ziel. Nicht dass mich lockt die stolze Herrschermacht Und wuesst' ich Schultern die zum Tragen tuechtig, Ich schuettelte sie ab als ekle Last, Von da an erst ein Mensch und neu geboren, Doch wenn es wahr, dass Gott die Kronen gibt, Geziemt es Gott allein nur sie zu nehmen, Sie abzulegen, selbst, auch ziemt sich nicht. Wo ist mein Degen? Wolfgang! Wolfgang Rumpf! Er lehnt am Tisch zunaechst an meinem Bette. (Da Herzog Julius auf das Kabinett zugeht.) Herr, Ihr bemueht Euch selbst? Habt Dank, o Lieber! (Herzog Julius ins Kabinett ab.) Rudolf (gegen den Haupteingang gewendet). Hoert mich denn niemand? Sind sie schon geflohn Vom Niedergang gewendet zu dem Aufgang? Das soll sich aendern, ja es soll, es muss. (Herzog Julius kommt zurueck.) Rudolf. Ihr bringt den Mantel auch? Habt Ihr doch recht Die Welt verlangt den Schein. Wir beide nur Wir tragen innerhalb des Kleids den Orden. (Nachdem er mit Herzog Julius Hilfe den Mantel umgehaengt.) Den Degen legt nur hin! Ist doch das Eisen Fast wie der Mensch. Geschaffen um zu nuetzen, Wird es zur schneid'gen Wehr und trennt und spaltet Die schoene Welt und aller Wesen Einklang. Ich hoere kommen. Nun wir sind bereit, Und frommt die Milde nicht, so hilft das Schwert. (Der Kaiser setzt sich. Mehrere boehmische Staende treten ein. Vor ihnen ein Page, der auf einem samtenen Kissen eine Pergamentrolle traegt.) Rudolf. Fragt sie was ihr Begehr? (Da einer vortritt.) Rudolf. Nicht Ihr Graf Thurn! Ihr seid kein Eingeborner, seid kein Boehme, Die Lust an Unruh hat Euch hergefuehrt. Lasst einen andern, lasst den naechsten sprechen. Zweiter (vortretend). Erlauchter Herr und Koenig, gnaed'ger Kaiser, Euch ist bekannt was sich im Land begibt Und in dem Nachbarland an seinen Grenzen. Bewaffnet ziehen Scharen gegen Prag Und Eurer Hoheit Bruder heisst ihr Fuehrer. Da ist das Volk nun mannigfach bewegt: Die einen wittern heimlich Einverstaendnis Mit Eurer Majestaet betrauten Raeten, Und meinen, wenn das fremde Heer im Land, Werd' es die Schneide kehren gegen uns, Zum Umsturz unsrer Satzungen und Rechte. Rudolf (vor sich hinsprechend). Sehr heimlich waer' das Einverstaendnis, wahrlich. Der Wortfuehrer. Die andern wieder werden angelockt Von dem was ihnen anbeut die Empoerung: Freiheit der Meinung und der Glaubensuebung, Was jedem Menschen teurer als sein Selbst. Nicht wir nur sind's die diese Sprache fuehren, Allein das Volk-- Rudolf. Das Volk! Ei ja, das Volk! Habt ihr das Volk bedacht, wenn ihr die Zehnten, Das Herrenrecht von ihnen eingetrieben? Das Volk! Das sind die vielen leeren Nullen, Die gern sich beisetzt wer sich fuehlt als Zahl, Doch wegstreicht, kommt's zum Teilen in der Rechnung. Sagt lieber, dass ihr selbst ergreift den Anlass Mit abzuzwingen, was ich euch verweigert, Und jetzt auch weigern wuerde, stuende gleich Ein Moerder mit gehobnem Dolch vor mir. Doch handelt sich's von mir nicht jetzt, noch euch, Vielmehr von dem was sein muss und geschehn, Soll nicht der Grundbau jener weisen Fuegung, Die Gott gesetzt und die man nennt den Staat, Im wilden Taumel auseinandergehn. Ich seh's an jener Schrift. Es ist die gleiche, Wie sie seit Monden liegt in meinem Zimmer, Gleichstellung fordernd fuer den neuen Glauben. Was ihr hier bittet, beut euch an der Aufruhr. Vor Irrtum kann ich laenger euch nicht wahren, Aufruhr ersparen aber kann ich euch. Seid ihr zufrieden wenn ich euch verspreche, Sobald gestillt die Unruh in dem Land, Frei zu bewilligen was ihr begehrt? Ihr schweigt. Misstraut ihr mir? Abgeordneter. Nicht Euch, Herr Kaiser, Dem Einfluss aber von Madrid und Rom. Rudolf. Haett' ich gehoert auf das was dorther toent, Waer' laengst getilgt die Lehre samt den Schuelern Und in Verbannung geiferte der Trotz. Ich aber duldete mit Vatermilde, Die Ueberzeugung ehrend selbst im Irrtum. Verfolgt ward niemand wegen seiner Meinung; Im Heer im Rate sitzen eure Juenger, (auf Herzog Julius zeigend) Selbst hier mein Freund ist euch ein Lehrgenoss. Geduldet hab ich, aber nicht gebilligt, Bestaet'gen waere billigen zugleich. Zuckt ihr die Schulter? Nun ihr meint, das Messer Sitzt eben an der Kehle, und habt recht. Will ich vergessen nicht mein weltlich Amt, Muss ich dem Himmel ueberlassen seines. Gebt her die Schrift! Sie ist wohl gleichen Inhalts Mit jener fruehern; doch da ihr misstraut, Ziemt Misstraun wohl auch mir. Gebt eure Schrift! (Die Rolle, die der Page ihm kniend darbietet, vom Kissen nehmend.) Ist's doch als ginge wild verzehrend Feuer Aus dieser Rolle, das die Welt entzuendet Und jede Zukunft, bis des Himmels Quellen Mit neuer Suendflut baendigen die Glut, Und Poebelherrschaft heisst die Ueberschwemmung. (Die Schrift entfaltend und lesend.) Der Eingang, wie gewoehnlich, leere Formel. Von Treu, Anhaenglichkeit--Wohl Liebe gar! Drum fordert ihr auch meiner Neigung Pfaender. (Ein Hofdiener ist unmittelbar aus der Tuere links gekommen und hat sich Wolfgang Rumpf genaehert, der dem Kaiser gegenueber im Vorgrunde steht.) Diener (leise). Erzherzog Leopold aus Steiermark Sind angekommen, heimlich, unerkannt, Und wuenschen augenblickliches Gehoer. Rumpf (ebenso). Es ist nicht moeglich jetzt. Diener. Sie dringen sehr. (Da Wolfgang Rumpf einige Schritte gegen den Kaiser macht. Rudolf. Was soll's? Jetzt ist nicht Zeit.--Was immer. Spaeter! (Rumpf zieht sich zurueck und bedeutet dem Diener durch Zeichen, der sich entfernt.) Rudolf (weiter lesend). Hier ist ein Punkt der neu. Der muss hinweg. Gehorsam zu verweigern gibt er euch Das ausgesprochne Recht, wird irgendwie Geordnet was entgegen eurer Satzung. Das ist der Aufruhr, staendig, als Gesetz. Bedenkt ihr auch das Beispiel das ihr gebt? Ich nicht allein bin Herr, auch ihr seid Herren, Habt Untertanen, die in eurer Pflicht; Wenn ihr mir trotzt, so drohen sie euch wieder. Erst gebt dem einzelnen, dem Unverstaend'gen Ein Urteil ihr in dem, wo selbst die Weisen Verstummend stehn als an der Weisheit Grenze; Dann ruft ihr ihn vom Acker auf den Markt, Zaehlt seine Stimme mit und heisst ihn mehren Die Mehrzahl wider Ehrfurcht und Gesetz. Ihr stellt ihn gleich mit euch, und hofft doch kuenftig Als Mindern ihn zu stellen unter euch? Und waert ihr auch so christlich mild gesinnt Im Menschen nur zu sehen euern Bruder: Seht an die Welt, die sichtbar offenkund'ge, Wie Berg und Tal und Fluss und Wiese stehn. Die Hoehen, selber kahl, ziehn an die Wolken Und senden sie als Regen in das Tal, Der Wald haelt ab den zehrend wilden Sturm, Die Quelle traegt nicht Frucht, doch naehrt sie Fruechte, Und aus dem Wechselspiel von hoch und niedrig, Von Frucht und Schutz erzeugt sich dieses Ganze, Des Grund und Recht in dem liegt, dass es ist. Zieht nicht vor das Gericht die heil'gen Bande, Die unbewusst, zugleich mit der Geburt, Erweislos weil sie selber der Erweis, Verknuepfen was das Kluegeln feindlich trennt. Du ehrst den Vater,--aber er ist hart; Du liebst die Mutter,--die beschraenkt und schwach, Der Bruder ist der naechste dir der Menschen, Wie sehr entfernt in Worten und in Tat; Und wenn das Herz dich zu dem Weibe zieht, So fragst du nicht ob sie der Frauen Beste, Das Mal auf ihrem Hals wird dir zum Reiz, Ein Fehler ihrer Zunge scheint Musik, Und das: ich weiss nicht was, das dich entzueckt, Ist ein: ich weiss nicht was fuer alle andern; Du liebst, du hoffst, du glaubst. Ist doch der Glaube Nur das Gefuehl der Eintracht mit dir selbst, Das Zeugnis, dass du Mensch nach beiden Seiten: Als einzeln schwach, und stark als Teil des All. Dass deine Vaeter glaubten was du selbst, Und deine Kinder kuenftig treten gleiche Pfade Das ist die Bruecke die aus Menschenherzen Den unerforschten Abgrund ueberbaut Von dem kein Senkblei noch erforscht die Tiefe. O pruefe nicht die Stuetzen, bessre nicht! Dein Menschenwerk zerstoert den geist'gen Halt Und deine Enkel lachen einst der Truemmer In denen deine Weisheit modernd liegt. Ist eure Satzung wahr, wird sie bestehn, Und wie das Baeumchen, das vom Stein gedrueckt, Die Zweige breiten, siegend ob der Last; Allein wenn falsch, so wisst, dass seine Wurzeln Auflockern all was fest und alt und sicher. Der Zweifel zeugt den Zweifel an sich selbst, Und einmal Ehrfurcht in sich selbst gespalten, Lebt sie als Ehrsucht nur noch und als Furcht. Masst euch nicht an zu deuteln Gottes Wahrheit. Abgeordneter. Wir baun auf festen Boden, auf die Schrift. Rudolf. Die Schrift? (Rasch unterschreibend.) Hier meine Unterschrift. Da ihr Den toten Zuegen einer toten Hand Mehr traut als dem lebendig warmen Wort, Das von dem Mund der Liebe fortgepflanzt, Empfangen wird vom liebedurst'gen Ohr, Hier schwarz auf weiss.--Und nun noch Blut als Siegel. Blut ist das rote Wachs, das jede Luege Zur Wahrheit stempelt; wenn von Volk zu Volk, Warum nicht auch von Fuerst zu Untertan? Und nun hinaus, beweisen mit dem Schwert Was nur der Geist dem Geiste soll beweisen. Des Reiches Ehre soll und muss bestehn. Und ist das Tor dem Unheil nun geoeffnet, Ist Mord und Brand geschleudert in die Welt, Dann denkt einst spaet, wenn laengst ich modre: Wir waren auch dabei und haben es gewollt. (Ein ferner Kanonenschuss.) Rudolf (zusammenfahrend). Was ist?--Mein Geist ist stark, mein Leib nur zittert. (Zu einem Diener der eingetreten ist und sich Rumpf genaehert hat.) Was soll's? Diener. Man hat den Wall am Wissehrad besetzt Und schiesst auf Truppen, die der Stadt sich nahn. Rudolf. Man soll nicht schiessen! (Neuer Kanonenschuss.) Rudolf (mit dem Fusse stampfend). Soll nicht, sag ich euch! Staende (die Schwerter ziehend). Mit Gut und Blut fuer unsern Herrn und Kaiser! Rudolf. Da steht's vor mir! Der Mord, der Buergerkrieg. Was ich vermieden all mein Leben lang, Es tritt vor mich am Ende meiner Tage. Es soll, es darf nicht. Steckt die Schwerter ein, Vertragt euch mit dem Feind! Und diese Handfest, Die ihr als Preis des Beistands abgetrotzt, Sei euch geschenkt.--Ihr selbst Herr Kanzler seht Was sie begehren draussen vor der Stadt. Ist es mein Bruder doch, bestimmt zu herrschen, Wenn mich der Tod, ich hoffe bald, hinwegrafft. Er uebe sich vorlaeufig in der Kunst, Der undankbaren, ewig unerreichten, In der verkehrt was sonst den Menschen adelt: Erst der Erfolg des Wollens Wert bestimmt, Der reinste Wille wertlos--wenn erfolglos. In Boehmen aber will ich ruhig weilen Und harren bis der Herr mich zu sich ruft. (Mit einer Entlassungsbewegung gegen die Staende.) Mit Gott, ihr Herrn! (Die Staende entfernen sich.) Und Ihr Herr Kanzler eilt! (Alle bis auf Herzog Julius und den Kaiser ab.) Rudolf. So sind wir denn allein.--Ein wuestes Wort. Du tadelst mich mein Freund? Julius. Herr, ich verehr Euch. Rudolf. Ich bin so gut nicht als es etwa scheint-- Die andern nennen's schwach, ich nenn es gut. Denn was Entschlossenheit den Maennern heisst des Staats Ist meistenfalls Gewissenlosigkeit Hochmut und Leichtsinn, der allein nur sich Und nicht das Schicksal hat im Aug' der andern; Indes der gute Mann auf hoher Stelle Erzittert vor den Folgen seiner Tat, Die als die Wirkung eines Federstrichs Glueck oder Unglueck forterbt spaeten Enkeln. Ich aber bin so gut nicht als du glaubst. In diesen Adern straeubt sich noch der Herrscher Und Zorn und Rachsucht glueht in meiner Brust. Zu zuechtigen die sich an mir vergessen, Die schwach mich nennen, schwaecher weit als ich; Die alte Brust zu schnueren noch in Erz Und in dem Glanz verletzter Majestaet Genueber mich zu stellen den Verraetern, Ob sich ihr Aug' empor zu meinem wagt. Und war ein Funke Glut in diesen Maennern, Die sich Vertreter nennen eines Volks, War irgend etwas nur in ihrem Blick, Das mehr als Eigennutz und Schadenfreude, Ich stuende jetzt mit ihnen drauss im Feld Und toetete mit Blicken den Verrat. (Die Seitentuere links oeffnet sich, Erzherzog Leopold in einen dunkeln Mantel gehuellt, tritt heraus.) Rudolf. Siehst du, da kommt er der Versucher, da! Mein Sohn, mein Leopold!--Und doch, hinweg! Er steht im Bund mit meines Herzens Wuenschen. Er wird mir sagen, dass ja noch ein Heer In Passau steht, zu meinem Dienst geworben; Dass Rache suess und dass der Kampf gerecht. Mein Sohn es ist zu spaet! Ich darf nicht, will nicht. Sie nennen schwach mich, und ich bin's zum Kampf, Allein zum Fliehen reichen noch die Kraefte. Versucher fort! Ob hundertmal mein Sohn. (Er eilt ins Kabinett rechts.) Erzherzog Leopold (der den Mantel abgeworfen). Mein Oheim und mein Herr! (An der Tuere des Kabinetts.) Verschliesst Ihr Euch? Herzog Julius (zu Rumpf). Geht Ihr und weilet draussen vor der Tuer, Damit kein Unberufner stoerend nahe. (Rumpf geht hinaus.) Leopold. So komm ich her spornstreichs auf Seitenwegen, Verborgen, unerkannt, und bring Euch Hilfe, Und Ihr verschliesst die Pforte mir, das Herz? Ja denn, noch ist ein Kriegsheer Euch bereit, Mit Mueh' halt ich's in Passau nur zurueck. Ein Wort von Euch und tausend Schwerter flammen Zu Euerm Schutz, zum Schutz der Majestaet. Doch wenn Ihr auch den Retterarm verschmaeht, Stosst nicht zurueck das Herz, die Kindestreue. Lasst mich, das Haupt gelehnt an diese Pfosten, Nicht glauben Eure Brust sei hart wie sie.-- Die Tuere wird bewegt--sie oeffnet sich--Mein Vater! (Er stuerzt in das Kabinett, dessen Tuere sich hinter ihm schliesst.) Julius (mit gefalteten Haenden). O dass nun nicht der Groll, gekraenkte Wuerde, Und die Empfindung, die, wenn aufgeregt, Gern uebergeht in jegliches Empfinden: Von hart zu weich, von Innigkeit zu Zorn, Ihn hinreisst einzuwill'gen in das Schlimmste: Zu handeln, da's zu spaet. Rumpf (Zur Tuere hereinsprechend). Herr Bischof Klesel. Julius. Nicht jetzt, nur jetzo nicht! Rumpf. Sie lassen sich Abweisen nicht. Klesel (eintretend). Nein wahrlich, in der Tat. Julius (ihm entgegen tretend, mit gedaempfter Stimme). Ihr wagt es, Herr, hier in denselben Raeumen, Die Euer Rat mit Zwietracht angefuellt-- Klesel. Ich komme her im Auftrag meines Herrn. Julius. Wollt Ihr den Kaiser zwingen Euch zu sprechen? Klesel. Da sei Gott fuer! Gemeldet will ich werden, So heisst mein Auftrag und, wenn abgewiesen, Kehr ich zurueck. Doch melden muss man mich. (Er setzt sich links im Vorgrunde.) Julius. Ich bitt Euch, Herr, sprecht leise. Klesel. Und warum? Julius. Glaubt Ihr denn nicht die Stimme schon des Mannes, Der ihm, er glaubt's, so Schlimmes zugefuegt, Muss in des Kaisers Brust, jetzt, wo Entschluesse Hart mit Entschluessen kaempfen, Scham und Zorn-- Klesel. Jetzt ist nicht von Entschluessen mehr die Rede, Notwendigkeit ist da und sie schliesst ab. (In des Kaisers Kabinett wird geklingelt.) Julius. Es ist geschehn! Nun wahre Gott der Folgen! (Wolfgang Rumpf geht ins Kabinett.) Julius. Und war kein anderer als Ihr zu finden Zu solcher Botschaft, die fast klingt wie Hohn? Klesel. Vielleicht weil ich allein kein Schranz und Hoefling, Gewohnt zu sagen gradaus was gemeint. Julius. Die Derbheit ist nicht immer Redlichkeit. Klesel. So ist sie denn Arznei, die schon als bitter, Den langverwoehnten Magen staerkt und heilt; Und Heilung war gemeint mit diesem Umschwung, Man wird's zuletzt erkennen, hoert man mich. Wer den Ertrinkenden erfasst am Haar, Er hat gerettet ihn und nicht beleidigt. (Rumpf kommt aus dem Kabinette zurueck.) Rumpf. Der Kaiser ist ergrimmt, er heisst Euch gehn, Von seinem Antlitz fern der Strafe harren. Der naechste Augenblick droht Euch Gefahr. Klesel. Ich gehe denn. Den Frieden wollt' ich bringen, Waehlt man den Hass, so suche man nach Macht. Die Strafe die man droht, sie liegt so fern, Wir freuen uns indessen an dem Lohn. (Er geht.) Julius. Es werden Stimmen laut im Kabinett. Geht Ihr hinein, versucht es sie zu stoeren. Ich fuerchte dies Gespraech und seine Folgen. (Erzherzog Leopold kommt aus dem Kabinette, in das sogleich Rumpf hineingeht.) Leopold (einen Zettel in die Hoehe haltend). Ich hab's, ich hab's' (Aus der Seitentuere links tritt Oberst Ramee heraus.) Leopold. Ramee und nun die Pferde! (Er nimmt seinen Mantel auf.) Nichts teurer ist hierlands als der Entschluss, Man muss ihn warm verzehren eh' er kalt wird. Rumpfs Stimme (im Kabinett). Erzherzogliche Hoheit! Julius (sich Leopold naehernd). Gnaed'ger Herr! Leopold. Schon kommt die Reue duenkt mich, lass uns gehn! (Erzherzog Leopold und Ramee durch die Seiten Tuere links ab.) Rumpf (aus dem Kabinett kommend). Der Kaiser will noch einmal mit Euch sprechen, Es ist noch eins zu sagen. Julius. Er ist fort. Rumpf. Der Herr ist wie von Sinnen, schlaegt die Brust. Julius. Ich will ihm nach! Gibt Fluegel die Gefahr, So flieg ich statt zu gehn; denn das Verderben Es steht vor mir in graesslicher Gestalt. (Er folgt dem Erzherzog durch die Seitentuere links.) Rumpf (sich dem Kabinett naehernd). Man bringt ihn noch zurueck.--Der Herzog selber. Eh' er sein Pferd besteigt ereilt man ihn. (Er geht ins Kabinett.) ------------------------------------------------------ Der Kleinseitner Ring in Prag. Volk fuellt mannigfach bewegt den Hintergrund. Die drei Wortfuehrer der Staende kommen von der linken Seite. Graf Thurn. Lasst uns hinaus, begruessen den Erzherzog. Der Vortrab seines Heers nimmt heute nacht Quartier in unsrer Stadt. Man hofft ihn selbst Ob freilich nur im Durchzug vorderhand, Dem kuenft'gen Untertan den kuenft'gen Herrn Mit mildem Segensblick vorerst zu zeigen. Wie immer denn! Kommt, schliesst euch an! Ist er ja doch der Retter, der Befreier. Schlick. Nur, fuercht ich, sprosst in ihm der alte Same, Zur Macht gelangt, wirft er die Maske weg. Thurn. Fuer neues Draengen gibt es neue Mittel, Und sag ich: neue, mein ich nur die alten. Der leise Widerstand stumpft jeden Stachel, Und streiten sie um unsre Krone sich, Verarmen wie im Rechtsstreit beide Teile, Reich werden Richter nur und Anwalt, wir. Kommt Zeit, kommt Rat.--Hoert ihr die Glocken? Man hat ihn von den Tuermen wohl erblickt Und dort der erste Trupp von seinen Scharen. (Gelaeut von Glocken. Im Hintergrund beginnt von der rechten Seite mit Musik und Fahnen der Vorueberzug von Soldaten. Das Volk draengt sich nach rueckwaerts, die Blicke eben dahin gerichtet, so dass sie den Zug verdecken und der Vorgrund leer bleibt.--Erzherzog Leopold und Oberst Kamee, in Maentel gehuellt, kommen von links im Vorgrunde. Herzog Julius folgt ihnen.) Julius. Ich lass Euch nicht. Ihr muesst zurueck zum Kaiser. Leopold. Ich habe schriftlich seinen hohen Willen, Nun ist's an mir ihn treulich zu vollziehn. Julius. Kommt Ihr ins Land mit fremdgeworbnen Truppen, So gaert der Aufruhr neu, des Kaisers Gegner Benuetzen es zu seinem Untergang. Es ist zu spaet. Leopold. Und frueher war's zu frueh. Wann ist die rechte Zeit? Julius (ihn anfassend). Ich lass Euch nicht. So fass ich Euch und flehe: kehrt zurueck! Leopold (den Mantel abstreifend der in Herzog Julius' Hand zurueckbleibt). Wie Joseph denn im Hause Potiphar Lass ich den Mantel Euch, mich selber nicht. Ramee (auf das Volk zeigend). Herr, wenn man Euch erkennt. Leopold. Man soll mich kennen! (Mit starken Schritten nach rechts abgehend.) Halt ihn zurueck! (Ramee tritt zwischen beide.) Julius. Nun denn, es ist geschehn. (Den Mantel fallen lassend.) Die Huelle liegt am Boden, das Verhuellte Geht offen in die Welt als Untergang. (Ramee folgt dem Erzherzog.--Der Zug im Hintergrunde hat sich indessen fortgesetzt. Jetzt erscheint Erzherzog Mathias zu Ross die Menge ueberragend. Das Volk draengt sich ihm entgegen.) Volk. Vivat Mathias! Hoch des Landes Recht! (Indem Herzog Julius mit einer schmerzlich abwehrenden Bewegung sich nach rueckwaerts wendet faellt der Vorhang.) Vierter Aufzug Die Kleinseite in Prag, wie zu Anfang des ersten Aufzuges. Die Sturmglocke wird gezogen. Man hoert schiessen. Buerger treten fliehend auf. Ein Buerger. Flieht Nachbar, flieht! 's ist das Passauer Kriegsvolk. Der Kaiser hat sie in das Land gerufen, Erzherzog Leopold sein Neffe fuehrt sie. Prokop (aus seinem Hause tretend). Was ist? was soll's? Buerger. Ihr wisst ja: die Passauer. Prokop. Doch ist die Stadt bewahrt. Buerger. Man hat die Pforte Geoeffnet ihnen oben am Hradschin Und nun ergiesst der Trupp sich durch die Strassen. Prokop (sein Schwert ziehend). So greift zur Wehr! Buerger. Dort, seht Ihr? kommt ein Trupp. Prokop. Schliesst euch und haltet aus! Ist doch die Stadt Von Maennern voll. Tut jeder seine Pflicht, So lehren wir den Raeubern wohl die Reue. (Gegen sein Haus gewendet.) Dich, Kind, indes befehl ich Gottes Hut. Der ist kein Buerger, der die eigne Sorge Vergisst nicht in der Not des Allgemeinen. Zieht euch zu jener Ecke, sie gibt Schutz, Und gehn sie vor, so fallt in ihre Seiten. (Sie ziehen sich zurueck.--Oberst Ramee tritt auf mit Soldaten.) Ramee (zu einigen, die ihre Gewehre anschlagen). Halt ein mit Schiessen! Es erweckt die Schlaefer. Wir ueberfallen sie, und ohne Blut, So will es der Erzherzog, sind wir Sieger. Draengt nicht zu scharf! Denn rasch in ihrem Ruecken Eilt eine Reiterschar der Moldau zu, Besetzt die Bruecke, dringt ins offne Tor; Die Altstadt unser, sind wir Herrn von Prag. (Trompeten in weiter Ferne.) Ramee. Die Bruecke ist genommen. Jetzt auf sie! (Mit den Soldaten nach der rechten Seite ab. Man hoert Laerm des Gefechts. --Don Caesar im Wams, ohne Hut, kommt von einigen Soldaten umgeben.) Caesar. Ich dank euch, Freunde, dass ihr mich entledigt Der bittern Haft, in der mich hielt die Willkuer, Um jener wegen, die dort oben wacht. (Auf Prokops Haus zeigend, in dessen oberem Geschoss ein Licht brennt.) Ich will mit euch, will kaempfen, fechten, sterben, Gleichviel fuer wen und gleichviel gegen wen; Den der mich toetet nenn ich meinen Freund. Doch vorher noch ein Woertchen oder zwei Mit ihr, die mich verdarb. (Da einige sich der Tuere naehern.) Halt, kein Geraeusch! Ich kenne die Gelegenheit des Hauses, Aus frueh'rer Zeit. Dort rueckwaerts an der Mauer Ist noch ein Pfoertchen das ins Innre fuehrt, Von wo zwei Treppen nach der Gartenseite Zum Soeller steigen naechst an ihr Gemach. Dort sei's versucht und ihr bewahrt den Eingang! (Sie verlieren sich hinter dem Hause.) ------------------------------------------------------ Zimmer in Prokops Hause. An der linken Seite ein Fenster. Gegenueber eine Tuere. Im Hintergrunde zwei andere, worunter eine Glastuere, die nach dem Soeller fuehrt. Lukrezia. (tritt aus der Seitentuere links). Es kommt der Tag, allein mein Vater nicht. Ich hoerte schiessen, schrein, Geklirr der Waffen Und er verlaesst sein Kind in dieser Not. O dass die Maenner nur ins Weite streben! Sie nennen's Staat, das allgemeine Beste, Was doch ein Trachten nach dem Fernen nur. Gibt's denn ein Bestes, das nicht auch ein Naechstes? Mein Herz sagt nein, naechstpochend an die Brust. (Ans Fenster tretend.) Nun ist es ruhig und der graue Schein Vom Ziskaberg verkuendet schon die Sonne. (Rasch umgewendet.) Hoer ich Geraeusch und kehrt mein Vater heim? (Die Glastuere des Soellers oeffnet sich und Don Caesar tritt ein.) Don Caesar. Viel Glueck ins Haus! Lukrezia. O Gott, so schaut das Unglueck! Don Caesar. Erschreckt nicht holde Maid! Ich bin es selbst; Und bin's auch nicht. Die Asche nur des Feuers, Das einst fuer Euch geglueht, Ihr wisst wie heiss; Der Schatten nur des Wesens das ich war. Und selbst der letzte Schimmer dieses Daseins, Der noch ins Dunkel strahlt, das Leben heisst, Kommt zu verloeschen mir in dieser Nacht. Ich geh in Kampf und weiss ich werde fallen, Die Ahnung truegt nicht wenn vom Wunsch erzeugt. Was soll ich auch in dieser wuesten Welt, Ein Zerrbild zwischen Niedrigkeit und Groesse; Verleugnet von dem Manne der mein Vater, Missachtet von dem Weib das ich geliebt.-- Erzittert nicht! Davon ist nicht die Rede. Die Leidenschaften und die heissen Wuensche, Die mich bewegt, sie liegen hinter mir, Ich habe sie begraben, eingesargt. Was ist es auch--ein Weib? Halb Spiel, halb Tuecke, Ein Etwas, das ein Etwas und ein Nichts, Je demnach ich mir's denke, ich, nur ich. Und Recht und Unrecht, Wesen, Wirklichkeit, Das ganze Spiel der buntbewegten Welt, Liegt eingehuellt in des Gehirnes Raeumen, Das sie erzeugt und aufhebt wie es will. Ich plagte mich mit wirren Glaubenszweifeln, Ich pochte forschend an des Fremden Tuer, Gelesen hab ich und gehoert, verglichen, Und fand sie beide haltlos, beide leer. Vertilgt die Bilder solchen Schattenspiels, Blieb nur das Licht zurueck, des Gauklers Lampe, Das sie als Wesen an die Waende malt, Als einz'ge Leidenschaft der Wunsch: zu wissen. Lasst mich erkennen Euch, nur deshalb kam ich; Zu wissen was Ihr seid, nicht was Ihr scheint. Denn wie's nur eine Tugend gibt: die Wahrheit, Gibt's auch ein Laster nur: die Heuchelei. Lukrezia. Mir aber duenkt, der Heuchler, wie Ihr's nennt, Zeigt mindstens Ehrfurcht vor dem Heil'gen, Grossen, Das Eure Wahrheit leugnet wenn sie's schmaeht. Don Caesar. So seid Ihr Heuchlerin? Lukrezia. Ich war es nie. Don Caesar. Ich fuerchte doch: ein bisschen, holde Maid. Als ich, nun lang, zum erstenmal Euch sah, Da schien mir alle Reinheit, Unschuld, Tugend Vereint in Eurem jungfraeulichen Selbst; Zeigt wieder Euch mir also, lasst mich glauben! Und wie der Mann der abends schlafen geht Von eines holden Eindrucks Macht umfangen, Er traeumt davon die selig lange Nacht, Und beim Erwachen tritt dasselbe Bild Ihm mit dem Sonnenstrahl zugleich vors Auge. So gebt mir Euch, Euch selber auf die Reise Von der zurueck der Wandrer nimmer kehrt. Kein Weib, ein Engel; nicht geliebt, verehrt. Lukrezia. Wie ohne Grund Ihr mich zu hoch gestellt, So stellt Ihr mich zu tief nun ohne Grund. Don Caesar. Nicht doch, nicht doch!--Ihr stiesset mich zurueck. Ich musst' es dulden, manchen Fehls bewusst. Doch seht, da war ein Mann, Belgioso hiess er, Ein Heuchler und ein Schurk' Lukrezia. Er war es nicht. Don Caesar. Verteidigt Ihr ihn denn? Lukrezia. Wer klagt ihn an? Don Caesar. Ich, der ich ihn gekannt.--Er hielt zu mir; In all dem Treiben das mit Recht man tadelt, Im wilden Toben war er mein Genoss'. Doch ging er hin und zeigt' es heimlich an Und brachte mich um meines Vaters Liebe. Lukrezia. Der laute Ruf erspart' ihm diese Mueh'. Don Caesar. Die Welt hat Recht zum Tadel, nicht der Freund. Doch ploetzlich kehrt' er sichtlich mir den Ruecken, Zu gleicher Zeit betrat er Euer Haus. Lukrezia. Er war der Freund des Vaters, nicht der meine. Don Caesar. Als Freund des Vaters denn nahmt Ihr ihn auf, Doch als der Eure, denk ich, kam er wieder, War Mitbewohner fast in diesem Haus, Bei Tag, bei Nacht. Lukrezia. Zu Abend wollt Ihr sagen, Im Beisein meines Vaters, anders nie. Don Caesar. Ich aber stand genueber auf der Strasse Mit Reif und Schnee bedeckt und sah empor Zum Fenster, wo die Schatten Gluecklicher Wie Muecken flogen um den Strahl des Lichts. Da endlich kam der Tag, der ihn bestrafte. Lukrezia. Erinnert Ihr mich noch an seinen Tod? Don Caesar. Nicht ich tat's, noch geschah's um meinetwillen, Das Euch zu sagen kam zumeist ich her. Feldmarschall Russworm, zwar mein Freund und Lehrer, Doch Taeter seiner Taten er allein, Im Streit, beim Spiel, was weiss ich? oder sonst Hat ihn besiegt in ehrlichem Gefecht Wie's Edelleute pflegen und Soldaten. Und wisst Ihr welches Los ward meinem Freund? Der Kaiser liess auf offnem Marktplatz ihm Das Haupt vom Rumpfe trennen, angesichts Des ganzen Volks, beinah vor meinen Augen. Gedenk' ich jenes Tags, so gaert's in mir, Und blutige Gedanken werden wach. Stuend' er vor mir der heuchelnde Verraeter, Nicht damals tat ich's, aber jetzt geschaeh's: Das Schwert bis an das Heft in seiner Brust, Bezahlt' er mir die Schrecken jener Stunde. Lukrezia. O Gott, wer rettet mich? Don Caesar. Seid nicht besorgt! Mir ist's, sagt' ich, um Wahrheit nur zu tun. Glaubt nicht auch, dass mich Eifersucht bewegt! Die Eifersucht ist Demut, ich bin stolz, Verachtung liegt mir naeher als der Hass. Doch dass Ihr von erlogner Tugend Hoehe Herabseht auf die Welt, auf mich, auf alle, Den gleichen Fehl verhehlend in der Brust, Das soll nicht sein. Fluch aller Heuchelei! Sagt mir, ich liebt' ihn den geschiednen Freund, Ich liebt' ihn, weil sein Antlitz zart und weiss, Ich liebt' ihn, weil sein Haar von Salben duftend, Ich liebt' ihn, weil ich toericht, albern, schwach, Sagt's, und ich lass Euch frei. Lukrezia. Ich liebt' ihn nicht; Nur Gott hat meine Liebe und mein Vater. Don Caesar. Recht gut, recht schoen!--Doch wes ist dieses Bild --Ich bin vertraut mit Eures Hauses Raeumen-- (die Seitentuere oeffnend) Wes ist das Bild das haengt an jener Wand, Vom Licht der Lampe buhlerisch beschienen? Ist's Belgiojosos nicht? Ertappt, ertappt! Lukrezia. Mein Vater haengt' es hin. Don Caesar. Und Ihr Madonna, Ihr ruecktet Euern Schemel zum Gebet Hart an das Bild, dass wenn die Lippen beten, Das Herz zugleich schwelgt in Erinnerungen, Erinnerungen die--Und wenn ich tot, Lacht an der Seite eines neuen Buhlen Ihr mein und meiner Liebe, wie Ihr lachtet An Belgiojosos Hand. (Lukrezia entflieht ins Seitengemach.) Caesar. Nicht dort hinein! Nicht dort hinein vor meines Feindes Bild, Des Heuchlers, Heuchlerin!--Ringst du die Haende Zu ihm als deinem Heil'gen? (Er hat eine Pistole aus dem Guertel gezogen, die er jetzt in der Richtung der offnen Tuere abschiesst.) Folg ihm nach! --Was ist geschehn? (In die Tuere blickend.) Weh mir!--O meine Taten! (Er wirft sich auf ein Knie, die Augen mit den Haenden bedeckend.--Ein Hauptmann kommt mit Soldaten.) Hauptmann. Hier fiel ein Schuss und er ist in der Naehe. Prokop (der sich durch die Soldaten draengt). Lukrezia mein Kind! (An der offenen Tuere.) Oh! greulich, graesslich! (Er stuerzt hinein, die Tuere schliesst hinter ihm.) Hauptmann (Don Caesar emporrichtend). Wir suchten Euch! Don Caesar. Nun denn Ihr habt gefunden. Gibt's Richter noch in Prag? Hauptmann. Es gibt sie wieder. Der Feind hinausgeschlagen aus der Stadt, Kehrt Ordnung und das Recht zurueck von neuem. Don Caesar. So richtet mich! Erspart mir selbst die Mueh'. (Er geht auf die Hintertuere zu, von den Soldaten gefolgt.) Prokop (in der Seitentuere erscheinend). Hieher, hieher! Vielleicht ist Hilfe moeglich. (Einige Diener, die waehrend des Vorigen gekommen sind, folgen ihm ins Seitengemach.--Alle ab.) ------------------------------------ Garten im koeniglichen Schlosse auf dem Hradschin. In der Mitte des Hintergrundes ein Ziehbrunnen mit einem Schoepfrade. Heinrich Thurn und Graf Schlick kommen mit einigen bewaffneten Buergern. Thurn. Stellt Wachen aus, besetzt die aeussern Pforten! Von hier aus liess den Feind man in die Stadt, Darum bewahrt vor allem den Hradschin. (Die Buerger gehen.) Schlick. Scheint's doch ein Wunder fast, dass wir gerettet. Thurn. Das Wunder war der Mut, die Tapferkeit Der wackern Buerger unsrer Altstadt Prag. Der Feinde Plan war listig angelegt. Hier oben von Verraetern eingelassen, Drang ihre Schar nur langsam, zoegernd vor, Als ob den Widerstand der Gegner scheuend; Doch desto schneller fliegt durch Seitengassen Ihr Reitertrupp der Moldaubruecke zu, Die Altstadt, wohl im Schlaf noch, ueberfallend. Schon fuellt die Bruecke sich mit Ross und Mann, Schon dringen, die zuvoerderst, in die Stadt; Da faellt mit eins das Gitter vor das Tor Und von dem Turm aus Buechsen und Kartaunen Ergiesst sich Feuer auf die wilde Schar. Die Rosse baeumen und die Reiter stuerzen, Der Vortrupp weicht, der Nachzug draengt nach vorn, Ein unentwirrter Knaeuel fuellt die Bruecke Entladend in die Moldau sein Gedraeng'; Bis endlich Schrecken, maecht'ger als die Raubgier, Nach rueckwaerts treibt den lauten Menschenstrom, Sich ueberstuerzend und den Nachbar schaed'gend, Ins eigne Fussvolk bricht die Reiterei, Dass unsern Buergern, die im Ausfall folgen, Die Muehe nur des Schlachtens uebrig bleibt. Die Wege die er kam, verfolgt der Rueckzug, Und Buergertreue schliesst die Einbruchspforte, Die Rachsucht oeffnete und der Verrat. Schlick. Doch sind sie stark noch aussen vor der Stadt. Thurn. Seid unbesorgt! Der raeuberische Durchzug Von Passau her durchs obre Oesterreich Bis fern nach Boehmen, blieb nicht unbewacht, So wie er unvorhergesehen nicht. Von ringsum sammeln sich die Garnisonen, Der Landmann greift zur Wehr, und der Erzherzog, Mathias, derzeit noch von Ungarn Koenig, Und bald von Boehmen, denk ich, etwa auch Er ist zur Hand, rasch folgend ihrer Ferse. Ja nur, weil nicht gewachsen ihm im Feld, Versuchten sie heut nacht den Ueberfall. Von hier verdraengt, ihr Zufluchtsort verloren, Zerstaeubt in alle Winde bald die Schar. Schlick. Allein was tun wir selbst? Thurn. Man wirbt um euch. Verhaltet euch wie die verschaemte Braut, Der neue Freier bringt euch neue Gaben. (Herzog Julius kommt mit einem Hauptmanne, der einen Schluessel traegt.) Julius. Ihr Herrn ist das wohl Fug und Recht? Man stellt Im Schlosse Wachen wie in Kerkermauern, Selbst vor des Kaisers fuerstliches Gemach. Man fordert ab die Schluessel aller Pforten, Des Eingangs Freiheit und des Ausgangs hemmend. Zuletzt noch diesen, der vor allem noetig. Er fuehrt zum Turm, in den man rueck Don Caesar Den unglueckselig wildverworrnen brachte, Im Wahnsinnfieber gen sich selber wuetend. Die Aerzte haben, Blut mit Blut bekaempfend, Die Adern ihm geoeffnet an dem Arm. Er braucht des Beistands und des freien Zutritts, Drum fordr' ich diesen Schluessel hier von Euch. Thurn. Doch deucht mich, dass Don Caesar, eben er, Verbunden mit den Raeubern heute nacht, Teilnahm an all dem Greuel der geschah, Weshalb er in Gewahrsam nur mit Recht. Julius. Der Richter wird erkennen seine Schuld. Thurn. Man weiss noch nicht wer Richter hier im Land. Julius. Doch wohl nicht Ihr? Thurn. Verhuet' es Gott! Doch auch nicht jene, die des Unheils Stifter, Als schuldig etwa selber sich gezeigt. Wir harren eines Hoehern, der schon naht. Allein damit Ihr seht, dass Euer Wert Als Fuerst des Reiches und als Ehrenmann Auch hier im fernen Boehmen anerkannt; Nehmt diesen Schluessel; ob zwar auf Bedingung: Dass nur der Eintritt und fuer Aerzte nur, Nicht auch der Austritt etwa gar fuer ihn Geknuepft an diesen Buergen seiner Haft. Julius. Ich dank Euch edler Graf, und bin erboetig Zu gleichem Dienst, kommt Ihr in gleichen Fall. Doch jetzt nehmt Euern Abschied, wenn's beliebt. Von fern seh ich des Kaisers Majestaet, Den Ihr vertrieben aus der Burg Gemaechern, Goennt ihm den Atem in der freien Luft. Thurn. Die Luft ist frei fuer jeden, doch die Burg Verschliesst man gern vor Untreu und Verrat. (Er entfernt sich mit seinem Begleiter.) (Der Kaiser kommt, von Rumpf und einigen begleitet von der linken Seite. Er bleibt vor einem Blumenbeete stehen.) Rumpf. Die Blumen sind zum guten Teil geknickt, Das tat der boese Sturm in heut'ger Nacht. (Der Kaiser winkt bestaetigend mit dem Kopfe.) Rumpf. Den Sturmwind mein ich eben, Majestaet. (Der Kaiser hat sich nach vorn bewegt, jetzt bleibt er stehen und faehrt mit dem Stabe einige Male ueber den Boden.) Rumpf. Der Fusstritt vieler Kommenden und Geh'nden Hat arg gehaust in dieses Gartens Wegen. Des Gaertners Rechen gleicht es wieder aus. Beliebt's Euch nun den Tieren nachzusehn, Die in den Kaefigen der Fuettrung harren? Der Loewe nimmt die Nahrung nur von Euch, Die Waerter sagen, dass gesenkten Haupts Er leise stoehnt, wie einer der betruebt. (Der Kaiser hat den Herzog von Braunschweig bemerkt und haelt ihm die Hand hin.) Julius (auf ihn zugehend). Mein Kaiser und mein Herr! (Er will ihm die Hand kuessen, der Kaiser zieht sie zurueck und haelt sie, als zum Handschlag, wieder hin.) Julius (des Kaisers Hand mit beiden fassend). Nun denn: willkommen! Mich freut das Wohlsein Eurer Majestaet. (Der Kaiser lacht hoehnisch.) Julius. Nach Wolken, sagt ein Sprichwort, kommt die Sonne, Die Sonne aller aber ist das Recht. (Der Kaiser weist mit dem Stabe gen Himmel.) Julius. Nicht nur dort oben, auch schon, Herr, hienieden. Denn selbst der Boesewicht will nur fuer sich Als einzeln ausgenommen sein vom Recht, Die andern wuenscht er vom Gesetz gebunden, Damit vor Raeuberhand bewahrt sein Raub. Die andern denken gleich in gleichem Falle Und jeder Schurk' ist einzeln gegen alle; Die Mehrheit siegt und mit ihr siegt das Recht. Waer's anders, Herr, die Welt bestuende nicht Und alle Bande des gemeinen Wohls Sie waeren laengst geloest von Eigennutz. In Eurem Fall: glaubt Ihr, des Reiches Fuersten Sie werden ruhig zusehn dem Verderben hier, Nicht boeses Beispiel fuer sich selbst befuerchten? Selbst Euer Volk-- (Ein Buerger, nachlaessig bewaffnet, die Muskete auf der Schulter tritt von der linken Seite auf, betrachtet die Anwesenden und kehrt auf einen Wink Herzog Julius' wieder zurueck. Der Kaiser faehrt zusammen.) Rumpf. Es sind die Wachen-- Die Leibwacht freilich nicht der Koenigsburg-- Vielmehr die Buerger, die man ausgestellt, Weil sie behaupten, dass hier vom Hradschin Den Feind man eingelassen in die Stadt Und weil man Tor und Pforte will verwahren. (Der Kaiser droht heftig mit dem Finger in die Ferne.) Julius. O scheltet nicht den Neffen der Euch liebt! Erzherzog Leopold, glaubt mir o Herr, Er fuehlt das Unglueck tiefer als Ihr selbst. Er war bei mir als schon der Kampf entschieden Und bat mich, nassen Augs, ihn zu vertreten Ob seiner Wagnis, die der Zufall nur, Ein missverstandener Befehl vereitelt, Sonst wart Ihr frei und Herr in Euerm Land. Er geht nach Deutschland, um des Reiches Staende Zum Schutze zu vereinen seines Herrn. Zugleich die andern Fuersten Eures Hauses-- (Zu Rumpf.) Ward es gemeldet schon? (Auf eine entschuldigende Gebaerde Rumpfs.) Sie sind uns nah. Sie kommen heut nach Prag um als Vermittler Zu schlichten diesen unheilvollen Zwist, Dabei auch, wie Ihr frueher selbst begehrt, Abbittend der verletzten Majestaet, Genugzutun fuer alles was sie selbst In guter Meinung frueherhin gesuendigt. Die Welt sie fuehlt die Ordnung als Beduerfnis Und braucht nur ihr entsetzlich Gegenteil In voller Bloesse nackt vor sich zu sehn, Um schaudernd rueckzukehren in die Bahn. (Der Kaiser zeigt auf die Erde, wiederholt mit dem Stabe auf den Boden stossend und entfernt sich dann auf Rumpf gestuetzt nach dem Hintergrunde. --Ein Diener von der rechten Seite kommend, halblaut zu Herzog Julius.) Diener. Um Gottes willen gebt den Schluessel, Herr! Julius. Was ist? Diener. Die Aerzte fordern Einlass zu Don Caesar. (Der Kaiser hat sich umgewendet und blickt forschend nach den Sprechenden.) Rumpf. Der Kaiser wuenscht zu wissen was die Sache. Julius. Man hat Don Caesar in den Turm gebracht, Wo als Erkranktem, der dem Wahnsinn nahe, Die Adern man geoeffnet ihm am Arm. Diener. Er aber tobte an dem Eisengitter Und rief nach einem Richter, um Gericht, Er wolle leben nicht; bis ploetzlich, jetzt nur, Er den Verband sich von den Adern riss. Es stroemt sein Blut und die verschlossne Tuer Verwehrt den Eintritt den berufnen Aerzten. Gibt man den Schluessel nicht ist er verloren. Julius (den Schluessel aus dem Guertel ziehend). Hier nimm und eil. (Der Kaiser winkt mit dem Finger.) Julius. Allein bedenkt, o Herr! (Da der Kaiser den Schluessel genommen hat und sich damit entfernt, ihm zur Seite folgend.) Von einem Augenblick haengt ab sein Leben, Und nicht sein Leben nur, sein Ruf, sein Wert. Ihm selbst und jedem andern der ihm nah, Liegt nun daran, dass er vor seinen Richtern Erlaeutre was er tat und was ihn trieb, Dass nicht wie ein verzehrend, reissend Tier, Dass wie ein Mensch er aus dem Leben scheide, Wenn nicht gereinigt, doch entschuldigt mindstens. Ihm werde Spruch und Recht. Der Kaiser (der auf den Stufen des Brunnens stehend, den Schluessel hinabgeworfen hat, mit starker Stimme). Er ist gerichtet, Von mir, von seinem Kaiser, seinem-- (mit zitternder, von Weinen erstickter Stimme) Herrn! (Er wankt nach der linken Seite von Rumpf unterstuetzt, ab.) Julius (auf die Stufen des Brunnens tretend und hinabsehend). Es ist umsonst! Don Caesar ist verloren. Sprengt auf die Tuer!--Und doch, es ziemt uns nicht Dem Urteil vorzugreifen seines Richters.-- O dass er doch mit gleicher Festigkeit Das Unrecht ausgetilgt in seinem Staat, Als er es austilgt nun in seinem Hause. Geht nur, es ist geschehn. Hinder der Szene wird gerufen. Halt da! Zurueck! Julius. Was dort? Der Kaiser aufgehalten von den Wachen? Legst du die Hand an ihn, an den Gesalbten? Das soll nicht sein, so lang ich leb und atme. Mein letztes Blut fuer ihn. Zurueck die Haende! Sonst zahlst du deine Frechheit mit dem Tod. (Er geht, die Hand am Schwert, nach der linken Seite ab.) Verwandlung Gemach in der Burg wie zu Anfang des dritten Aufzuges. Die nischenartige Vertiefung rechts im Hintergrunde mit einem herabgelassenen Vorhange bedeckt. Thurn und Schlick kommen, ein Arbeiter mit Schurzfell hinter ihnen. Thurn. Ward jeder Ausgang nach Geheiss verschlossen? Hier ist noch eine Tuer. Arbeiter (den Vorhang wegziehend und an einer in der Mauer befestigten Spange zurueckschlagend). Sie ist nicht mehr. Mit starken Bohlen hat man sie verrammelt, Sie haelt so fest nun als die feste Wand. Thurn. Geht immer nur und seht nach aussen zu. (Arbeiter ab.) Thurn. Vor allem liegt daran, dass unser Koenig, Der aus sich selbst wohl Schlimmes nie begehrt, Nicht von Verraetern heimlich weggebracht Zur Fahne diene feindlichem Beginn. Schlick. Allein, mein Freund, wir ehren unsern Koenig, Und das geht weiter als die Absicht war. Thurn. Die Absicht, Freund, ist ein vorsicht'ger Reiter Auf einem Renner feurig, der die Tat, Den spornt er an zu hastigem Vollzug. Hat er das Ziel erreicht, zieht er die Zuegel Und meint nun waer's genug. Allein das Tier, Von seiner edlen Art dahingerissen Und von dem Wurf des Laufes und der Kraft, Es stuermt noch fort durch Feld und Busch und Korn, Bis endlich das Gebiss die Glut besiegt. Da kehrt man denn zurueck. Schlick. Wenn's dann noch moeglich. Thurn. Wenn nicht, dann nur kein Trost von Zweck und Absicht, All was geschehn das hast du auch gewollt. Doch nahen Tritte; wohl der Kaiser selbst, Lass uns noch sehen nach der aeussern Pforte. (Sie gehen durch die Tuere links.) (Der Kaiser kommt auf Rumpf gestuetzt, Herzog Julius geht vor ihm her.) Julius. Verzeiht o Herr, der Wachen Unverstand. Der Mann, den man zur Obhut hingestellt, Erkannt' Euch nicht. (Der Kaiser nickt hoehnisch mit dem Kopfe.) Julius. Er folgte dem Befehl, Der jedermann den Zutritt untersagte. (Der Kaiser erblickt den verschlossenen Eingang zum Laboratorium und zeigt mit dem Stocke darauf hin.) Rumpf (den zurueckgeschlagenen Vorhang herablassend). Besorgnis wohl fuer Eure Sicherheit, Man will den Eingang Unberufnen wehren. Rudolf. Den Eingang? Sag den Ausgang! Mir. Dem Kaiser. Ich bin's und fuehle mich als Herrn, obgleich in Haft. Drum fort von mir du menschlich naher Schmerz, Gib Raum dem Ingrimm der verletzten Wuerde. Und weisst du wer's getan? Nicht dass mein Bruder Die Hand erhoben wider meine Krone; Ich hab ihn nie geliebt und er ist eitel, Er tat nach seinem Wesen, obgleich schlimm. (Ans Fenster tretend.) Doch diese Stadt. Schau wie sie ueppig liegt Geziert mit Tuermen und mit edlem Bau Verschoent durch Kunst was Gott schon reich geschmueckt. Und mein Werk ist's. Hier war mein Koenigssitz. Fuer Prag gab ich das lebensvolle Wien, Den Sitz der Ahnen seit des Reiches Wiege. Die heuchlerische Stille tat mir wohl Weil selbst ich still und heimisch gern in mir. Gehuetet wie den Apfel meines Auges Hab ich dies Land und diese arge Stadt, Und waehrend alle Welt ringsum in Krieg, Lag einer bluehenden Oase gleich Es in der Wueste von Gewalt und Mord. Doch bist du muede deiner Herrlichkeit Und stehst in Waffen gegen deinen Freund? Ich aber sage dir: wie eine boese Beule Die schlimmen Saefte all des Koerpers anzieht, Zum Herde wird der Faeulnis und des Greuls, So wird der Zuendstoff dieses Kriegs zu dir, Der lang verschonten nehmen seinen Weg, Nachdem du ihm gewiesen deine Strassen. In deinem Umfang kaempft er seine Schlachten, Nach deinen Kindern richtet er sein Schwert, Die Haeupter deiner Edlen werden fallen, Und deine Jungfraun, losgebundnen Haars, Mit Schande zahlen ihrer Vaeter Schande. Das sei dein Los und also--fluch ich dir!-- Die du die Wohltat zahlst mit boesen Taten. Wo ist mein Stock? Die Kniee werden schwach, Lasst niemand ein! ich hoere Stimmen drauss, Wer immer auch, ein Feind ist's und Verraeter. (Die Erzherzoge Maximilian und Ferdinand erscheinen in der Tuere.) Rumpf. Es sind die Herrn Erzherzoge. O Wonne! Rudolf. Ihr seid es? Bruder du? Willkommen Vetter! Nehmt Sitz! Ihr kommt in wunderlicher Zeit. (Er hat sich gesetzt.) Was Neues in der Welt? Zwar stets dasselbe: Das Alte scheidet und das Neue wird. Kommt ihr zum Taufschmaus oder zum Begraebnis? Ferdinand. Eh' wir uns setzen, so erlaubt dass knieend Abbitte wir fuer das Vergangne leisten, Den Willen unterstellend fuer die Tat. (Die Erzherzoge knien.) Rudolf. Vom Boden auf!--Und du mein guter Bruder Sprichst nicht? Max. Mir ist das Weinen naeher. Auch kniet sich's schwer mit meines Koerpers Last. Rudolf. Vom Boden auf! Soll unser edles Haus Vor jemand knieen als vor seinem Gott? Ist einer tot so liegt er auf dem Grund, Doch lebend kniet kein Mann und kein Erzherzog. (Die beiden sind aufgestanden.) Rudolf. Sollt' ich euch strenger richten als mich selbst? Wir haben's gut gemeint, doch kam es uebel. Das macht: dem reinen Trachten eines Edlen, Kann er's nicht selbst vollfuehren, er allein, Mischt von der Leidenschaft, der boesen Selbstsucht Der andern, die als Werkzeug ihm zur Hand, So viel sich bei, dass, hat er nun vollbracht, Ein Zerrbild vor ihm steht statt seiner Tat. Ich habe viel gefehlt, ich seh es ein, Seitdem ich aus den Nebeln, die am Gipfel, Herabgestiegen in das tiefe Tal, In dem das Grab liegt als die letzte Stufe. Ich hielt die Welt fuer klug, sie ist es nicht. Gemartert vom Gedanken droh'nder Zukunft, Dacht' ich die Zeit von gleicher Furcht bewegt, Im weisen Zoegern seh'nd die einz'ge Rettung. Allein der Mensch lebt nur im Augenblick, Was heut ist kuemmert ihn, es gibt kein morgen. So rannten sie hinein ins tolle Werk, Und ihr, ihr ranntet nicht, allein ihr gingt. Ich tadl' euch nicht, ihr wart besorgt ums Ganze, Nicht boese Selbstsucht hat euch irrgefuehrt. Nur einen tadl' ich, den ich hier nicht nenne; Den ich verachtet einst, alsdann gehasst. Und nun bedaure als des Jammers Erben. Er hat nur seiner Eitelkeit gefroent, Und dacht' er an die Welt, so war's als Buehne, Als Schauplatz fuer sein leeres Heldenspiel. Max (vom Stuhle aufstehend). Gerade darum, Bruder, sind wir hier. Es muss der boese Zwist zum Abgrund kehren, Und Recht dir werden, der du rechtlich bist. Rudolf. Davon kein Wort! Der Koenig ist dahin. Ich geb ihn auf. Allein das Koenigtum Moecht' ich der Welt erhalten, der's vonnoeten. Mein Bruder herrscht in Ungarn und in Oestreich, Er will's in Boehmen auch, nicht kuenftig, jetzt. Wohlan es sei darum; denn keine Teilung Vertraegt was alle Teile eint zum Ganzen. Ich selbst, wie einst mein Oheim, Karl der Fuenfte, Als er die Welt, wie sie nun mich, zurueckstiess, Im Kloster von Sankt Justus in Hispanien Den Tod erwartete, so will auch ich. Es waehrt nicht lang, ich fuehl es wohl, denn Undank Graebt tiefer als des Totengraebers Spaten; Und Kloster sei und Zelle mir dies Schloss. Mathias herrsche denn. Er lerne fuehlen, Dass tadeln leicht und Besserwissen trueglich, Da es mit bunten Moeglichkeiten spielt; Doch handeln schwer, als eine Wirklichkeit, Die stimmen soll zum Kreis der Wirklichkeiten. Er sieht dann ein, dass Satzungen der Menschen Ein Mass des Toerichten notwendig beigemischt, Da sie fuer Menschen, die der Torheit Kinder. Dass an der Uhr, in der die Feder draengt, Das Kronrad wesentlich mit seiner Hemmung, Damit nicht abrollt eines Zugs das Werk, Und sie in ihrem Zoegern weist die Stunde. Ihr selbst wart um mein Herrscheramt bemueht, Mehr fast als gut. Sorgt auch fuer ihn. Allein bedenkt: der auf dem Throne sitzt, Er ist die Fahne doch des Regiments, Zerrissen oder ganz, verdient sie Ehrfurcht. Fernand, du glaubst dich stark, und bist es auch, Vor allem wenn du meinst fuer Gott zu streiten. Sei's gleicherweis auch sonst, und stark, nicht hart! Was dir als Hoechstes gilt: die Ueberzeugung, Acht sie in andern auch, sie ist von Gott, Und er wird selbst die Irrenden belehren. Des Menschen Innres wie die Aussenwelt Hat er geteilt in Tag und dunkle Nacht. Das Aug' ertruege nicht bestaend'ges Licht, Da fuehrt er an dem Horizont herauf Die Dunkelheit mit ihrer holden Stille, Wo die Empfindung aufwacht, das Gefuehl Und suesse Schauer durch die Seele schreiten. Doch immer Nacht, waer' schlimmer noch als nie, Und was du weisst, weisst du durch Tag und Licht. Ich selber war ein Mann der Dunkelheit. Von ihren Streitigkeiten angeekelt, Floh ich dahin allwo die fruehsten Menschen Zuerst erkannten ihres Lebens Meister. Vom Huegel auf zu den Gestirnen blickend Und ihre staet'ge Wiederkehr betrachtend, Erscholl's in ihrer Brust: es ist ein Gott Und ewig die Gesetze seines Waltens. Seitdem hat er sich kundig offenbart Und uebertoent die Stimmen der Natur, Doch in der Stille klingen sie noch nach, Und als er selbst als Mensch zu Menschen kam, Da sandt' er einen Stern, und jene Weisen, Sie liessen ruhen ihrer Weisheit Duenkel, Und folgten jenem Zeichen bis zur Huette, Wo schon die Hirten standen und die Engel Aus weiter Ferne: Friede, Friede sangen. --Ist hier Musik? Julius. Wir hoeren nichts, o Herr. Rudolf. Nun denn, so ist's der Nachklang von der Weihnacht, Die mir heruebertoent aus ferner Zeit, An die ich glaube und im Glauben sterbe. --Nicht Stern, nur Gott!--Wer bist denn du, Du flammender Komet? Nur Dunst und Nebel.-- Nun Frieden auch mit dir, mit allen Frieden.-- Wie hold es klingt und fort und fort und weiter!-- Max. Sein Geist beginnt zu schwaermen. Ferdinand. Lasst uns gehn! Versoehnen was zu suehnen ist, und dann Ihm schuetzend stehn zur Seite, Waechtern gleich. Rumpf. Ach wir empfehlen Euch den frommen Herrn. (Die Erzherzoge gehen.) Rudolf. Und einig, einig seid! Das Neue draengt. Die alternden Geschlechter sterben aus, Das Band geloest, bricht es die einzelnen. Rumpf. Sie sind schon fort. Rudolf. Schon fort? Nun, um so besser! Mir ist so leicht, so wohl. Gebt mir nur Luft! Ich will ans Fenster. Rumpf. Herr, wir leiten Euch. Rudolf. Was faellt dir ein? Ich fuehle Jugendkraft. (Er versucht aufzustehen.) Doch ist's der Geist nur, meine Glieder wanken. Rueckt einen Stuhl ins Fenster, ich will Luft. (Unterstuetzt ans Fenster gehend, zu Herzog Julius.) Siehst du? So lohnt die Welt fuer unsre Sorge. Sie saugt uns aus und findet uns dann welk, Indes sie prangt mit unsern besten Kraeften. (Er sitzt.) Das Fenster auf! Rumpf. Allein, o Herr, bedenkt! Ihr habt der Luft Euch sorglich stets verschlossen. Rudolf. Nicht Kaiser bin ich mehr, ich bin ein Mensch Und will mich laben an dem Allgemeinen. Wie wohl, wie gut! Und unter mir die Stadt Mit ihren Strassen, Plaetzen, voll von Menschen. Julius. Und gabt Ihr erst den Fluch in Euerm Zorn. Rudolf. Tat ich's? Nun ich bereu's. Mit jedem Atemzug Saug ich zurueck ein vorschnell rasches Wort, Ich will allein das Weh fuer alle tragen. Und also segn' ich dich, verlockte Stadt, Was Boeses du getan, es sei zum Guten. Mein Geist verirrt sich in die Jugendzeit. Als ich aus Spanien kam, wo ich erzogen, Und man nun meldete, dass Deutschlands Kueste Sich nebelgleich am Horizonte zeige, Da lief ich aufs Verdeck und offner Arme Rief ich: mein Vaterland! Mein teures Vaterland! --So duenkt mich nun ein Land in dem ein Vater-- Am Rand der Ewigkeit emporzutauchen. --Ist es denn dunkel hier?--Dort seh ich Licht Und fluegelgleich umgibt es meinen Leib. --Aus Spanien komm ich, aus gar harter Zucht, Und eile dir entgegen,--nicht mehr deutsches, Nein himmlisch Vaterland.--Willst du?--Ich will! (Er sinkt zurueck.) Rumpf. Ruft Aerzte! Er hat oefter solchen Anfall. Der Herzschlag geht. Nach Aerzten, Hilfe, schnell! Und bringt ihn auf sein Bett in jene Kammer! Ich mag nicht denken, dass es Schlimmres waere. Julius (sich entfernend). Das Schlimmste kennt kein Schlimmres, er erlitt's. Der Kaiser starb, ob auch der Mensch genese. Rumpf. Er lebt, ich fuehl's. Fasst ihn nur sorglich an! Julius (auf ihn zueilend). Mein edler, frommer, mildgesinnter Herr! (Der Vorhang faellt.) Fuenfter Aufzug Saal in der kaiserlichen Burg zu Wien. Klesel steht wartend, Erzherzog Ferdinand tritt ein. Ferdinand. Ist's endlich mir gegoennt, bei meinem Oheim, Mit dem ich sprechen muss, Gehoer zu finden? Klesel. Die Tuere steht Euch offen jederzeit, Ihr seht ihn taeglich, stuendlich, wenn Ihr wollt. Ferdinand. O ja, im Schwall des Hofs, bei Spiel, beim Tanz. Wohl auch im Kabinett, in Eurem Beisein. Klesel. Er ist der Herr und ich sein Diener nur. Befiehlt er mir zu gehen, geh ich; bleibe, Wenn er mein Bleiben foerderlich ermisst. Ferdinand. Nur neulich sprach ich endlich ihn allein, Nur merkt' ich wohl aus den zerstreuten Blicken, Die stets er warf nach der Tapetentuer, Dass jemand dort versteckt, der uns behorchte. Und Ihr wart's, mein ich; leugnet's wenn Ihr koennt. Klesel. Waer' es geschehn, geschah es auf Befehl: Gehorchen schliesst das Horchen selbst nicht aus. Ferdinand. Wir aber wollen's laenger nicht mehr dulden, Dass sich ein Fremder eindraengt zwischen uns Und stoert die Einigkeit von unserm Hause. War's darum dass wir uns Euch angeschlossen Und gegen ihn den rechten guet'gen Herrn? So dass die Roete mir der Scham noch jetzt Indem ich spreche aufsteigt bis zur Stirne. Da hiess es, dass ein Haupt dem Reich vonnoeten, Dass nur mit festem Tritt und sicherm Aug' Der Ausweg sei zu finden aus den Wirren, In denen labyrinthisch geht die Zeit, Und wir, wir stimmten ein--waer's nie geschehn! Doch kaum erreicht das langersehnte Ziel, Gestillt die Gier des Herren und--des Dieners, Wankt man auf gleichem Irrweg durch den Wald, Und meint: sich regen sei schon weitergehn. Klesel. Ihr irrt; ein fester Plan beherrscht das Ganze Und jeder Schritt fuehrt naeher an das Ziel. Ferdinand. Doch dieses Ziel, sag ich, es ist verderblich. Ausgleichung heisst's, Gleichgueltigkeit fuer jedes; Vermengung des was Menschen ist und Gottes. Sagt selbst ob Euer Herr-- Klesel. Nur meiner? Ferdinand. Meiner auch. Doch einen Abstand bildet wohl was nah und naechst. Sagt selbst: war er nicht heisser Tatendurst, Zu zuegeln kaum und kaum zurueckzuhalten, So lang die Krone lag im Reich der Hoffnung; Und nun, bedeckt mit ihr als einem Helm Den Szepter als ein Schwert in seiner Hand Schlaeft er auf traegen Purpurkissen ein Und bringt die Zeiten Kaiser Rudolfs wieder. Ja schlimmer noch; denn jener war die Waage Die beide Teile hielt im Gleichgewicht; Ihr aber legt was Euch noch bleibt an Schwere Der einen Schale zu, und zwar der schlechten, Der gottverhassten, der verderblichen. Ist nicht halb Oesterreich noch protestantisch, Mit Ketzern nicht besetzt ein jeglich Amt. Die hohe Schule, deren Rektor Ihr, Ertoent von Worten frecher Kirchenleugner. Klesel. Wir suchen Wissen bei der Wissenschaft, Der Glaube wird gelehrt von glaeub'gen Meistern. Ferdinand. Fluch jedem Wissen, das nicht aufwaerts geht Zu aller Wesen Herrn und einz'gem Ursprung. Klesel. Von oben rinnt der Quell, doch rinnt er nicht zurueck, Wo er das Licht betritt ist er schon Lauf, nicht Quelle. Ferdinand. Seid Ihr derselbe der, ein Kirchenfuerst, Berufen zur Verteid'gung ihrer Lehre? Der sie verteidigt auch, o ja ich weiss, Solang der Kirche Gold und Rang und Ansehn Euch noch ein Lohn schien, der des Strebens wert, Und habt, so sagt die Welt, nicht nur von Glaubensschaetzen, Auch von den Schaetzen dieser ird'schen Welt Ein Artiges gehaeuft in Euern Speichern. Klesel. Man sieht sich vor; die Zeiten schlagen um. Ferdinand. So mag der einzelne vielleicht sich troesten, Doch fuer den Staat gibt es kein einzelnes, Fuer ihn haengt alles an derselben Kette. Ja selbst die Maechte, die mit uns vereint, Die gleichen Wegs mit unsern ebnen Bahnen, Sie nehmen an der Lauheit Aergernis Und ziehen sich zurueck. Was bleibt uns dann? Hispanien, der Papst, das fromme Baiern. Klesel. Von daher also kommt's? Mein hoher Herr, Es sorgt ein jeder doch zunaechst fuer sich, Der Freund ist mehr als meiner noch sein eigner. Hispanien begehrt die Niederlande Durch unsern Beistand und mit unserm Blut. Der Papst ist der Kompass, des sichre Nadel Die Richtung anzeigt uns zum fernen Pol; Allein die Segel stellen und das Ruder brauchen, Das ueberlaesst er uns; wir hoffen so. Und endlich Baiern. Arglos frommer Herr, So seht ihr nicht wohin sein Streben geht? Ist Oestreich erst verworren und geschwaecht, Steht nichts in Weg ihm zu der Kaiserkrone. Ferdinand. Der Baierfuerst hegt gottesfuercht'gen Sinn, Das Wohl der Kirche sucht er, nicht sein eignes. Klesel. Will einer erst die Herrschaft Gott verschaffen, Sieht er in sich gar leicht des Herren Werkzeug Und strebt zu herrschen, damit jener herrsche, Auch ist der Seeleneifer und der Eigennutz Nicht gar so unvereinbar als man glaubt. Die Ueberspannung laesst zuweilen nach, Und wie der Adler, der der Sonne naechst, Holt er sich Kraeftigung durch ird'sche Beute. Man meint's selbst von der Kurie in Rom. Ferdinand. Ob Ihr nun sprecht was Euch und mir nicht ziemt, --Ihr nennt, ich weiss es, derlei Politik-- Doch eins tut not in allen ernsten Dingen: Entschiedenheit; ob unser Ihr, ob nicht. Klesel. Was nennt Ihr unser? Ich bin meines Herrn. Er ist mein Uns, mein Euch, mein Ich, mein Alles. Er ist entschieden und ich bin es auch. Doch wenn die Macht nicht einig wie der Wille, Wer traegt die Schuld als jene, die im Dunkeln Am Hofe selbst sich bilden zur Partei Und die Parteiung in den Laendern naehren? In Boehmen selbst, wo man den Majestaetsbrief Erfuellen will, getreulich, ohne Hehl, Trifft jeder Auftrag Seiner Majestaet Auf einen heimlich widersprechenden, Gegeben von den Naechsten seines Hauses. Die Utraquisten wollen Kirchen baun, Wozu sie Kaiser Rudolfs Brief berechtigt, Man hindert sie und stellt die Arbeit ein. Ferdinand. Null ist der Majestaetsbrief, als erzwungen. Klesel. Erzwungen ist zuletzt ein jeder Friede; Der Schwaechere gibt nach. Doch soll das Schwert Nicht wueten bis zu voelliger Vertilgung, Muss Friede werden, der nur Friede ist Wenn er gehalten wird, ob frei, ob nicht. Sie sollen Kirchen baun, so will's ihr Koenig. Ferdinand. Sagt doch vielmehr nur: Ihr. Klesel. Nun also: Ich, Sofern mein Rat ein Teil von seinem Willen. Mich hat umsonst aus meiner Niedrigkeit Die Vorsicht nicht gestellt auf jene Stufe Zu der sonst nur Geburt und Gunst erhebt. Der Kirche Macht bekleidet mit dem Purpur, Der mich den Koenigen zur Seite stellt. Ich werde nicht vor Menschen feig erzittern, Und waeren's Koenige--im Land der Zukunft; Die naemlich kommen kann, nicht kommen muss. Ferdinand. Da waer' zu zittern denn an mir? Klesel. Niemand soll zittern! Vor allem der im Recht ist und der klug. Ferdinand (auf die Kabinettstuere zugehend). Da ist denn einer nur der hier entscheidet. Klesel (mit einer gleichen Bewegung). Ich bin bestellt. Ferdinand. Und ich, ich bin berufen, Im Sinn der Schrift. Berufen und--erwaehlt, In Boehmen wenigstens als kuenft'ger Koenig. (Ein Kaemmerling erscheint in der Kabinettstuere.) Klesel. Sagt, dass wir warten hier, und sputet Euch! (Der Kaemmerling geht ins Kabinett zurueck) (Klesel geht mit starken Schritten auf und nieder.) Ferdinand (sich entfernend). Der Bauer steckt noch ganz in seinem Leibe Mit des Emporgekommnen Uebermut. (Der Kaemmerling kommt zurueck.) Ferdinand. Hat man gemeldet also? Kaemmerling (mit einer Einlassbewegung). Eminenz. (Klesel geht mit starkem Schritt ins Kabinett.) Kaemmerling. Entschuld'gen soll ich seine Majestaet, Hochwicht'ge Nachricht sei aus Prag gekommen, Sie stehn zu Dienst wenn das Geschaeft beendigt. Ferdinand. Ich bin's gewohnt den Dienern nachzustehn. Wie ist's in Prag, vor allem mit dem Kaiser? Kaemmerling. Ein Anfall wie er oefter schon ihn traf, Nur stark wie nie, bedroht sein Leben, sagt man, Doch gibt man Hoffnung noch--fuer dieses Mal. Ferdinand. Ich bete drum, denn er ist unsre Hoffnung, Der schutzlos selber, unser einziger Schutz. (Kaemmerling geht zurueck.) Ferdinand. Nun denn, der Augenblick der Tat, er kam. Stirbt Kaiser Rudolf, was wohl furchtbar nah, Und folgt Mathias auf dem deutschen Throne, Verdoppeln sich die furchtsamen Bedenken, Die ihm dies Schwanken in die Brust gelegt. Des Reiches Fuersten, ketzerisch zumeist, Hier Sachsen, Brandenburg, die boese Pfalz, Sie noetigen zu Schonung, schwachem Dulden Und jene Spaltung setzt sich endlos fort, In der Gott selbst so wie sein Wort gespalten. Vor allem jetzt muss dieser Priester fort, Des schlimme Schmeichelei, gehuellt in Derbheit, Ihn ehrlich nennt wo listig er zumeist. Des Leichtigkeit in Schrift und Wort und Tat, Ihn unentbehrlich macht, weil er bequem Die Herrschaft aufloest in die Unterschrift. Jetzt oder nie! Seit Monden seh ich's kommen, Und der ich Festigkeit von andern fordre, Mir ringen Zweifel selber in der Brust. (Aus der Tasche seines Mantels Briefe hervorziehend.) Bin ich gewappnet nicht mit aller Vollmacht Von Rom, von Spanien, dem kathol'schen Deutschland? Das boese Beispiel das ich etwa gebe, Es findet sich geheiliget im Zweck: Der Ehre Gottes und dem Sieg der Kirche. (Das Barett abnehmend.) So war dem Hohenpriester wohl zu Mut Als er den Ahab toetete im Haus des Herrn. Er warf sich nieder vor der Bundeslade Wie ich jetzt beugen moechte hier mein Knie Und Gottes Wink erflehn und seine Stimme. Ich will noch einmal meinen Oheim sprechen, Ihm vor die Augen legen diese Briefe, Die alle fordern was das Heil von allen. Dann aber rasch, denn er ist wankelmuetig! Der naechste Tag bringt einen andern Sinn Und die Gewohnheit ist das Band der Schwaeche. (Die Tuere im Hintergrunde oeffnend.) Seyfried bist du bereit? Seyfried Breuner (eintretend). Ich bin's seit lange. Ferdinand. Nun diesmal gilt's. Besorg erst einen Wagen. Seyfried. Des Klesel Kutsche, die ihn hergebracht, Haelt unten noch im Hof. Ferdinand. Um desto besser. Indes ich noch mit meinem Oheim spreche, Halt ihn zurueck durch irgend einen Vorwand, Bis ich dir sage: jetzt! Dann schnell nach Kufstein. Merk wohl, er darf zurueck nicht in sein Haus, Denn seine Schriften sind vor allem wichtig. Er kommt. Geh nur und sieh nach deinen Leuten. (Seyfried ab.--Klesel kommt aus dem Kabinett.) Ferdinand. Darf ich nun endlich meinem Oheim nahn? Klesel. Er ging nur eben nach der Schlosskapelle, Doch kehrt er wieder, ehrt ihn der Besuch. Ferdinand. Es ist kaum zehn, um eilf Uhr ist die Messe. Klesel. Die Andacht bindet sich an keine Zeit. Ferdinand. Nun das habt Ihr getan. Ich dank Euch drum. Ich forderte ein Zeichen erst vom Himmel, Ihr gebt das Zeichen selbst. Noch einmal: Dank! Das ist der Lohn der Schlauheit, dass sie fein Den Faden spinnt, bis er, am feinsten, bricht. Ihr sollt nach Kufstein, Herr! Klesel. Nicht dass ich wuesste! Mir ist zu reisen weder Zeit noch Lust. Ferdinand. Doch wenn Ihr muesst? Klesel (sich dem Kabinette naehernd). Wer wagt hier zu gebieten? Ferdinand. Ihr habt ja selbst den Schutz von Euch entfernt. Der Koenig ist in seinen Zimmern nicht, Gesendet habt Ihr ihn nach der Kapelle Und seid gegeben nun in unsre Macht. Der Papst will Euch in Rom; deshalb nach Kufstein, Das annoch deutsch und auf dem Weg nach Welschland. Klesel. Der Koenig ruft zurueck mich Augenblicks. Ferdinand. Seid dessen wirklich Ihr so sicher? Klesel.--Nein! Ihm hat die Herrschaft aufgedrueckt die Makel, Die sie der Koen'ge besten nur erspart: Unsicherheit und Mangel an Entschluss. Doch spaeter, wenn der Samen aufgegangen, Den man gesaet in den entzweiten Landen, Verwirrung und Empoerung, ja der Krieg In blutigroter Bluete wuchernd sprossen, Dann wird man pilgern hin zu Kufsteins Toren, Dann kehr ich heim in siegendem Triumph. Seyfried (eintretend). Es draengt die Zeit. Ferdinand. Sei immer ruhig, Freund, Er hat dafuer gesorgt, dass uns sein Herr Nicht vor der Zeit hier stoere im Beginnen. Nun aber fort! Es ziemt nicht meiner Wuerde Den Schergen hier zu spielen nebst dem Richter. Obwohl's mich freut, erquickt in meinem Sinn, --Nicht meinetwillen, nein um Gottes wegen-- Im Staub zu sehn den Mann, der ihm getrotzt. Glueck auf den Weg! Nach Kufstein also rasch! (Durch die Mitteltuere ab.) Klesel. Herr Seyfried, seht, ich war Euch stets ein Freund. Seyfried. Drum habt Ihr meiner Schwester auch verweigert Die Pension, die ihr zu Recht gebuehrt. Klesel. Sie soll sie haben, und verlangt ihr Gold, Nennt den Betrag bis dreissigtausend Kronen, Nur goennt mir Aufschub, eine Viertelstunde. Lasst mich zu Hause ordnen noch Papiere, Man hat so viel was nicht fuer jeden taugt. Seyfried. Ich bin vom selben Stoff wie meine Waffen: Die Faust von Eisen und die Brust von Erz. (Auf die Seitentuere links zeigend.) Dort unser Weg. Verlegt Euch nicht auf Bitten. Klesel. Ihr mahnt mich recht. Ich habe hier geboten Und will nicht betteln um der Bettler Gnade. Vollfuehrt denn die Befehle Eures Herrn, Der sich von Eisen fuehlt, wie Euer Harnisch So oft ihn Glaubenseifer vorwaerts treibt, Doch kommt's einmal zu menschlicher Zerwuerfnis Vor jedem zittern wird, der, starken Sinns Sich dienend aufgedrungen ihm zum Herrn. Er wird mein Raecher sein. Ich ahn ihn schon Und hoere seine Tritte aus der Ferne. Ein Diener (der die Mitteltuere oeffnet, anmeldend). Herr Oberst Wallenstein. Klesel. Hoert Ihr den Namen? Seyfried. Jetzt ist nicht Zeit zu sprechen. Dort hinaus! (Aus der Seitentuere sind Trabanten herausgetreten.) Klesel (zu Seyfried, der vorausgehen will). Zurueck! Mir bleibt der Vorrang, waer's in Ketten. (Er geht mitten durch die Trabanten ab. Seyfried folgt. Oberst Wallenstein ist eingetreten und sieht ihnen verwundert nach. Erzherzog Ferdinand kommt durch die Mitteltuere.) Ferdinand. Wir freuen uns, Herr Oberst, Euch zu sehn. Ihr kommt aus Prag? Wallenstein. Auf einem Umweg, ja. Ferdinand. Wie steht's im Schloss? Wallenstein. Verwirrung aller Orten. Man spricht von Krankheit, manche gar von Tod. Ferdinand. Verhuet' es Gott! Wallenstein. Er wird wohl etwa, denk ich. Allein im Land bedarf es unsre Sorge, Da ist das Unterste zuoberst, Herr. Ferdinand. Vielleicht das Oberste zuunterst bald. Wallenstein. Man hat den Bau der Kirchen eingestellt, Die ihnen zugesagt der Majestaetsbrief. Ferdinand. Das hat er nicht. Wallenstein. Nun auch gut, also nicht. Allein sie glauben's und der Aufstand lodert In Braunau, Pilsen, weit herum im Land. Schon bis nach Prag erstreckt sich die Bewegung. Der Mathes Thurn liegt dort im Hinterhalt. Ferdinand. Und unsre Treuen, Martiniz, Slawata, Des Landes fromme Pfleger, dulden sie's? Wallenstein. Sie haben Aergeres bereits erduldet. Der Mathes Thurn liess eben als ich abging, Nach einer alten Landessitte, sagt er, Sie aus den Fenstern werfen am Hradschin, Im vollen Landtag und im besten Sprechen. Doch sind sie unverletzt, seid unbesorgt. Sie haben noch gar hoeflich sich entschuldigt Weil nach dem Rang sie nicht zu liegen kamen, Zuoberst, weil zuletzt, der Sekretaer. Betrachtet Boehmen drum als feindlich Land. Ferdinand. Nun um so besser denn! Wallenstein. Ihr seid mein Mann! Drum eben ist Gewalt Gewalt genannt, Weil sie entgegen tritt dem Widerstand. Und wie im Feld der Heeresfuerst gebeut, Nicht fremde Meinung oder Tadel scheut, So sei auch in des Landes Regiment Ein Gott, ein Herr, ein Wollen ungetrennt. Ich will nun noch zu Seiner Majestaet. Ferdinand. Lasst das auf spaeter. Setzt fuer jetzt Euch hin, Schreibt die Befehle an die Garnisonen. Wallenstein. Das ist bereits geschehn. Ferdinand. Durch wen? und wann? Wallenstein. Da auf den Stationen als ich herritt, Man mit den Pferden zoegerte, wie's Brauch, Benutzt' ich jede Rast und schrieb die Orders An die entfernt gelegnen Truppen selbst, Sie teils nach Bruenn, teils her nach Wien bescheidend. Erwartet heut noch die Dampierrschen Reiter, Kapraras Fussvolk auch ist wohl schon nah. Der Krieg hat Fuesse denn doch nur und Haende Wenn er Geschwindigkeit mit Kraft vereint. Ferdinand. Und das nahmt Ihr auf Euch? Wallenstein. So sollt' ich nicht? Ferdinand. Ich dank Euch, Herr; und denk Euch wohl zu brauchen, Wenn mich einst Gott auf diesen Thron gesetzt. Doch will ich mich auch hueten, nehmt's nicht uebel, Dass Ihr nicht mehr mir dient, als lieb mir selbst. Wallenstein. Wer kann wohl sagen, meint ein altes Sprichwort: Aus diesem Brunnen will ich niemals trinken! Die Zeit entscheidet da, Herr--und der Durst. Erzherzog Ferdinand (die Mitteltuere oeffnend). Herbei wer in den Vorgemaechern draussen Und treu es meint mit Oestreichs edlem Haus. (Mehrere treten ein.) Ferdinand. In Prag hat sich der Poebel, Glaubenspoebel Erfrecht was nimmermehr zu dulden ziemt. Wer Christ und Edelmann ist aufgefordert Zu ziehn mit uns fuer Gott und fuer das Recht. Einige. Seht uns bereit! Andere. Mit Gut und Blut und Leben! Ferdinand. Besendet Tilly, schreibt an Baierns Herzog, Dass uns ihr Beistand sicher, wenn er not. Obwohl fuer jedes Menschenleben gern Ich einen Teil hingaebe meines Selbst, Will ich nicht ruhn, bis dieses boese Schlingkraut Vertilgt in jeder Windung bis zum Kern. (Trompeten in der Ferne.) Wallenstein (ans Fenster eilend). Das sind, weiss Gott! schon die Dampierrschen Reiter. Die habt Ihr nun wie Wuerfel in der Hand. (Koenig Mathias kommt aus dem Kabinette.) Mathias. Was sind das fuer Trompeten? und was soll's? Ferdinand. Die Truppen, Herr, die sich nach Prag bewegen, Wo frecher Aufruhr uns die Stirne beut. Mathias. Die Fruechte das von dem geheimen Treiben, Das hinter unserm Ruecken still bemueht. Schickt nach dem Kardinal! (Da die Angeredeten verlegen zuruecktreten.) Was zoegert ihr? Ferdinand. Er ist nur eben abgereist nach Kufstein. Mathias. In diesem Augenblick? Ist er von Sinnen? Ferdinand. Gerad in diesem Augenblick, mein Koenig. (Auf das Kabinett zeigend.) Gefaellt's Euch hier ins Innre einzutreten, So leg ich Euch die Gruende dienstlich vor. Mathias (streng). Sprecht oeffentlich, damit ich offen richte. Ferdinand (Schriften aus dem Mantel ziehend, halblaut). Die Briefe hier von Baiern, Spanien, Rom, Den einz'gen Stuetzen unsrer guten Sache, Die nur auf die Entfernung dieses Manns Den Beistand uns verheissen, den wir brauchen. Hier Oberst Wallenstein, er kommt aus Prag Und meldet uns, dass dort der Aufstand rege. Die Andersglaeubigen der andern Laender, Erwarten nur das Zeichen solchen Ausbruchs, Um zu vereinen sich zu gleichem Trotz. Glaubt Ihr, dass wir mit unsern eignen Kraeften (auf die Schriften zeigend) Nicht unterstuetzt von gleichgesinnten Maechten, Dem Sturm gewachsen der uns rings bedroht? Mathias. Waer' Klesel hier er wuesste des wohl Rat. Ferdinand. Er ist kaum auf dem Weg. Geliebt es Euch, So bringen Boten ihn noch heut zurueck. Allein alsdann verzeiht, wenn ich mich selbst Vereine mit den Schreibern dieser Briefe, Zurueck mich ziehend in mein stilles Land. (Mit gebeugtem Knie die Schriften hinhaltend.) Mathias (die Schriften ihm heftig aus der Hand nehmend). Wir wollen sehn!--Herr Oberst Wallenstein Ihr kommt von Prag. Wie steht es mit dem Kaiser? (Mit einem Seitenblicke auf Erzherzog Ferdinand.) Ich fuehle mich nur jetzt an ihn gemahnt. Wallenstein. Er ward so oft im Leben totgesagt, Dass nun auch kaum man den Geruechten glaubt, Die unheilkuendend sich vom Schloss verbreiten. Doch ueberholt' ich an der Taborbruecke Ein Sechsgespann mit kaiserlichem Wappen Und Herren drin in Schwarz, vielleicht in Trauer. Hier sind sie deucht mich; hoert die Antwort selbst. (Herzog Julius von Braunschweig und einige Hofleute, die reichverzierte Kleinodien-Gehaeuse tragen, saemtlich in Trauer, treten ein.) Mathias. Ich weiss genug. Es sprechen eure Kleider. Mein Bruder tot. Waer' ich es erst nur auch. (An der Tuere des Kabinetts.) Und niemand folge mir! Ich will allein sein. (Er geht hinein.) Ferdinand. Und ist es so? Julius. Es ist. Ein jaeher Anfall, Der noch der Hoffnung Raum liess, weil er oefter, So sagen seine Diener, ihn ergriff. Doch diesmal war's der Tod. Er ist geschieden. Ferdinand. O dass der Drang der Zeit mir Weile goennte Ihn zu beweinen wie er es verdient. Er war ein frommer Fuerst. Julius. Wohl, und ein Weisrer, Als ihm die Hast der Uebereilung zugibt. Ferdinand. Doch zeigt die Weisheit sich im Handeln meist. Julius. Wo nichts zu wirken ist auch nicht zu handeln Die Zeit hilft selbst sich mehr als man ihr hilft. Wir bringen die Insignien des Reichs, Das einem andern nun zu Recht gehoert, Ein Erbe, der die Erbschaft schon besitzt. Und so nun, meine Freundespflicht erfuellt, --Er war mein Freund, ich wenigstens der seine-- Empfehl ich dieses Land in Gottes Schutz Und kehre rueck zu meinem das mich ruft. Ferdinand. Vor allem noch nehmt unsers Hauses Dank, Herr, und erlaubt, dass bis zur aeussern Tuer-- Julius (ablehnend). Der Tod macht gleich. Wir alle muessen sterben. (Er geht. Seine Begleiter setzen die Kapseln mit den Insignien auf einen rechts im Hintergrunde stehenden Tisch.--Militaermusik in der Ferne.) Wallenstein (ans Fenster eilend). Das ist Kapraras Fussvolk, wie ich sagte. Ferdinand. Lasst diese Toene schweigen, die den Jubel In unsers Herzens Trauer spottend mischen. --Auch stoert es etwa Seine Majestaet, Die jetzt wohl schwer von anderen Gedanken. (Es ist jemand auf den Balkon getreten und hat mit dem Schnupftuch ein Zeichen gemacht. Die Musik schweigt.) Ferdinand. Und so im Geist der Leichenfeier folgend Des hingeschiednen Herrn, lasst uns ihn raechen. Zwar Rache ziemt dem echten Christen nicht, Doch seine Feinde strafen die auch unsre; Und strafend sie, waer's mit dem Aeussersten, Zugleich erretten von dem ew'gen Tod. Ein kurzer Feldzug nur steht uns bevor-- Wallenstein (in der Menge). Der Krieg ist gut, und waehrt' er dreissig Jahr. Ferdinand. Wer sprach? Was faellt Euch ein? Und warum dreissig? Ist's doch als ob mit wiederholtem Schall Das Wort von allen Waenden widertoente. Ein kurzer Feldzug sagt' ich, und so ist's. Was faellt Euch ein? Und warum dreissig eben? Wallenstein. Ei, Herr, man nennt so viel ein Menschenleben. Und eh' nicht, die nun Maenner, fasst das Grab, Und die nun Kinder, Maenner sind geworden, Legt sich die Gaerung nicht, die jetzt im Blut. Ferdinand. Wir achten Euch als wohlerprobten Krieger, Als tuecht'gen Fuehrer, wohl dereinst als Feldherrn, Doch zum Propheten seid Ihr noch zu jung. Und wenn Ihr, wie man sagt, in Sternen lest, So denkt an Kaiser Rudolfs traurig Wissen. Nun lasst uns die Befehle noch bereiten, Dass jedem kundig wo sein wahrer Punkt. Denn gleich der Tat ehr ich die kluge Schrift; Die Feder schlaegt oft sichrer als die Waffe. Musik und Laerm auf der Strasse. Vivat Mathias! Ferdinand. Schweigt man nimmer denn? Ein Diener (der eingetreten ist). Der Tod des Kaisers hat sich schon verbreitet. Man jauchzt dem neuen Herrn. Man will ihn sehn. Auf der Strasse. Vivat Mathias! Ferdinand (auf das Kabinett zeigend). Geh denn einer hin Und sage--Meldet Seiner Majestaet Des Volkes Wunsch und der Getreuen Bitte. (Der Diener geht ins Kabinett.) Ferdinand. Man muss die Stimmung nuetzen wenn sie neu. Gealtert teilt sie gern des Alters Zweifel Und fraegt nach Gruenden; endlos im Warum? Mathias (aus dem Kabinette). Wird mir denn nimmer Ruh'? Was soll es noch? Ferdinand. Das Volk von dem Ereignis unterrichtet, Das seinen Herrn beruft zum deutschen Thron, Dazu die Krieger, die ins Feld sich ruesten, Verlangen Euch zu sehn, erlauchter Herr. Mathias. Nun denn, nur schnell. Ferdinand (auf die Glastuere zeigend). Vielleicht hier vom Balkon. Mathias. Geht Ihr mit mir und steht an meiner Seite, Vielleicht erkennt das Volk dann wer sein Herr. (Erzherzog Ferdinand tritt mit einer ehrerbietigen Verbeugung zurueck.) Mathias. So oeffnet denn die Tuer!--Und-- (mit einer Abschiedsbewegung) Gott befohlen! (Er tritt auf den Balkon. Jubelgeschrei von aussen.) Ferdinand. Wir wollen denn nicht laenger laestig fallen. Ich selber ziehe nicht mit Euch ins Feld, Doch will ich sorgen, dass, dieweil Ihr fern Die Feinde tilgt mit scharfgeschliffner Waffe, Die Gegner in dem Ruecken Eures Heers, Die heimlichen, deshalb gefaehrlichsten, Gejaetet und gesichtet und getilgt, Auf dass das Land ein wohlbestellter Garten, Ein Aehrenfeld, zu Frucht dem hoechsten Herrn. (Indem die Anwesenden sich oeffnen und einen Durchgang bilden.) Ferdinand. Es geht in Krieg, seid froh Herr Wallenstein. Wallenstein. Ich bin's. Mehrere. Wir auch, und waehrt' es dreissig Jahr --Ja waeren's dreissig--Dreissig!--Um so besser. (Indem sie Wallenstein die Hand schuetteln, alle ab.) Mathias (der vom Balkon zurueckkommt). Was sprechen sie von Krieg und dreissig Jahren? Ich werd es nicht erleben. Glueck genug. Und uebrall Laerm. Ich aber brauchte Stille Toent's doch in meinem Innern laut genug; Und wieder oede, dass kein Widerhall Des allgemeinen Jubels rueckerklingt. Am Ziel ist nichts mir deutlich als der Weg, Der kein erlaubter war und kein gerechter. (Sein Blick trifft die Reichskleinodien, er wendet die Augen ab.) O Bruder, lebtest du und waer' ich tot! Gekostet hab ich was mir herrlich schien, Und das Gebein ist mir darob vertrocknet, Entschwunden jene Traeume kuenft'ger Taten, Machtlos wie du wank ich der Grube zu. Ich will ins Freie, mich zerstreun--und doch, Wie ein Magnet ziehts mir die Augen hin Und taeuscht mit Formen, die nicht sind, ich weiss. Reicht denn dein Hass herueber uebers Grab, Selbst nach der Strafe noch? (Laerm und Musik von neuem aus der Ferne.) Mathias (gegen den Tisch gekehrt in einiger Entfernung niederkniend und wiederholt die Brust schlagend). Mea culpa, mea culpa, Mea maxima culpa Von der Strasse. Vivat Mathias! (Indem das Vivatrufen fortwaehrt und Mathias das Gesicht mit beiden Haenden bedeckt faellt der Vorhang.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Ein Bruderzwist in Habsburg, von Franz Grillparzer. End of Project Gutenberg's Ein Bruderzwist in Habsburg, by Franz Grillparzer *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN BRUDERZWIST IN HABSBURG *** This file should be named 7brdz10.txt or 7brdz10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7brdz11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7brdz10a.txt Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau. Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. 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