The Project Gutenberg EBook of Kater Martinchen, by Ernst Moritz Arndt #2 in our series by Ernst Moritz Arndt Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 7-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg2000.de erreichbar. Kater Martinchen Ernst Moritz Arndt Einundzwanzig vorpommersche Sagen Inhalt: Geschichte von den sieben bunten Maeusen Prinzessin Svanvithe Der Riese Balderich Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin Abenteuer des Johann Dietrich Das Silbergloeckchen Der glaeserne Schuh Der Alte von Granitz Der Falscheid Rattenkoenig Birlibi Das brennende Geld Kater Martinchen Thrin Wulfen De Kroeger van Poseritz De Bruegg bi Slemmin Schipper Gau un sin Puk De witte Fru to Loebnitz De Prester un de Duewel De Wewer un de Steen Die alte Burg bei Loebnitz Der Rabenstein Geschichte von den sieben bunten Maeusen Vor langer, langer Zeit wohnte in Puddemin ein Bauer, der hatte eine schoene und fromme Frau, die fleissig betete und alle Sonntage und Festtage zur Kirche ging, auch den Armen, die vor ihre Tuere kamen, gern gab. Es war ueberhaupt eine freundliche und mitleidige Seele und im ganzen Dorfe und Kirchspiele von allen Leuten geliebt. Nie hat man ein hartes Wort von ihr gehoert, noch ist ein Fluch und Schwur oder andere Ungebuehr je aus ihrem Munde gegangen. Diese Frau hatte sieben Kinder, lauter kleine Dirnen, von welchen die aelteste zwoelf und die juengste zwei Jahr alt war: huebsche, lustige Dingelchen. Diese gingen alle uebereins gekleidet, mit bunten Roeckchen und bunten Schuerzen und roten Muetzchen; Schuhe aber und Struempfe hatten sie nicht an, denn das haette zuviel gekostet, sondern gingen barfuss. Die Mutter hielt sie nett und reinlich, wusch und kaemmte sie morgens frueh und abends spaet, wann sie aufstanden und zu Bett gingen, lehrte sie lesen und singen und erzog sie in aller Freundlichkeit und Gottesfurcht. Wann sie auf dem Felde was zu tun hatte oder weit ausgehen musste, stellte sie die aelteste, welche Barbara hiess, ueber die andern; diese musste auf sie sehen, ihnen was erzaehlen, auch wohl etwas vorlesen. Nun begab es sich einmal, dass ein hoher Festtag war (ich glaube, es war der Karfreitag), da ging die Bauerfrau mit ihrem Manne zur Kirche und sagte den Kindern, sie sollten huebsch artig sein; der Barbara aber und den naechst aelteren gab sie ein paar Lieder auf aus dem Gesangbuche, die sie auswendig lernen sollten. So ging sie weg. Barbara und die andern Kinder waren anfangs auch recht artig; die aelteren nahmen die Buecher und lasen, und die kleinsten sassen still auf dem Boden und spielten. Als sie so sassen, da erblickte das eine Kind etwas hinter dem Ofen und rief: "O seht! Seht! Was ist das fuer ein schoener und weisser Beutel!" Es war aber ein Beutel mit Nuessen und Aepfeln, den die Mutter des Morgens da hingehaengt hatte und den sie des Nachmittags einem ihrer kleinen Paten bringen wollte. Die meisten Kinder sprangen nun alsbald auf und guckten danach, und auch Barbara, die aelteste, stand auf und guckte mit. Und die Kinder fluesterten und sprachen dies und das ueber den schoenen Beutel und was wohl darin sein moechte. Und es geluestete sie so sehr, es zu wissen, und da riss eines den Beutel von dem Nagel, und Barbara oeffnete die Schnur, womit er zugebunden war, und es fielen Aepfel und Nuesse heraus. Und als die Kinder die Aepfel und Nuesse auf dem Boden hinrollen sahen, vergassen sie alles, und dass es Festtag war, und was die Mutter ihnen befohlen und aufgegeben hatte; sie setzten sich hin und schmausten Aepfel und knackten Nuesse und assen alles rein auf. Als nun Vater und Mutter um den Mittag aus der Kirche zu Hause kamen, sah die Mutter die Nussschalen auf dem Boden liegen, und sie schaute nach dem Beutel und fand ihn nicht. Da erzuernte sie sich und ward boese zum ersten Male in ihrem Leben und schalt die Kinder sehr und rief: "Der Blitz! Ich wollte, dass ihr Mausemaerten alle zu Maeusen wuerdet!" Der Schwur war aber eine grosse Suende, besonders weil es ein so heiliger und hoher Festtag war; sonst haette Gott es der Baeuerin wohl vergeben, weil sie doch so fromm und gottesfuerchtig war. Kaum hatte die Frau das schlimme Wort aus ihrem Munde gehen lassen, so waren alle die sieben niedlichen Kinderchen weg, als haette sie ein Wind weggeblasen, und sieben bunte Maeuse liefen in der Stube herum mit roten Koepfchen, wie die Roecke und Muetzen der Kinder gewesen waren. Und Vater und Mutter erschraken so sehr, dass sie haetten zu Stein werden moegen. Da kam der Knecht herein und oeffnete die Tuere, und die sieben bunten Maeuse liefen alle zugleich hinaus und ueber die Flur auf den Hof hin; sie liefen aber sehr geschwind. Und als die Frau das sah, konnte sie sich nicht halten, denn es war ihr im Herzen, als waeren die Maeuse ihre Kinder gewesen; und sie stuerzte sich aus der Tuere hinaus und musste den Maeusen nachlaufen. Die sieben bunten Maeuse aber liefen den Weg entlang aus dem Dorfe heraus, immer sporenstreichs; und so liefen sie ueber das Puddeminer Feld und das Guenzer Feld und das Schoritzer Feld und durch die Krewe und die Dumsevitzer Koppel. Und die Mutter lief ihnen ausser Atem nach und konnte weder schreien noch weinen und wusste nicht mehr, was sie tat. So liefen die Maeuse ueber das Dumsevitzer Feld hin und in einen kleinen Busch hinein, wo einige hohe Eichen standen und in der Mitte ein spiegelhellen Teich war. Und der Busch steht noch da mit seinen Eichen und heisst der Maeusewinkel. Und als sie in den Busch kamen und an den Teich im Busche, da standen sie alle sieben still und guckten sich um, und die Bauerfrau stand dicht bei ihnen. Es war aber, als wenn sie ihr Adje sagen wollten. Denn als sie die Frau so ein Weilchen angeguckt hatten, plump! Und alle sieben sprangen zugleich ins Wasser und schwammen nicht, sondern gingen gleich unter in der Tiefe. Es war aber der helle Mittag, als dies geschah. Und die Mutter blieb stehen, wo sie stand, und ruehrte keine Hand und keinen Fuss mehr, sie war auch kein Mensch mehr. Sie ward stracks zu einem Stein, und der Stein liegt noch da, wo sie stand und die Maeuslein verschwinden sah; und das ist dieser grosse runde Stein, an welchem wir sitzen. Und nun hoere mal, was nach diesem geschehen ist und noch alle Nacht geschieht! Glocke zwoelf, wann alles schlaeft und still ist und die Geister rundwandeln, da kommen die sieben bunten Maeuse aus dem Wasser heraus und tanzen eine ganze ausgeschlagene Stunde, bis es eins schlaegt, um den Stein herum. Und sie sagen, dann klingt der Stein, als wenn er sprechen koennte. Und das ist die einzige Zeit, wo die Kinder und die Mutter sich verstehen koennen und voneinander wissen; die uebrige Zeit sind sie wie tot. Dann singen die Maeuse einen Gesang, den ich dir sagen will, und der bedeutet ihre Veraenderung, oder dass sie wieder in Menschen verwandelt werden koennen. Und dies ist der Gesang: Herut! herut! Du junge Brut! Din Bruedegam schall kamen; Se hebben di Doch gar to frueh Din junges Leben namen. Sitt de recht up'n Steen, Wat he Flesch un Been, Und wi gan mit dem Kranze: Saeven Junggesell'n Uns fuehren schael'n Juchhe! to'm Hochtidsdanze. Und nun will ich dir sagen von dem Gesange, was er bedeutet. Die Maeuse tanzen nun wohl schon tausend Jahre und laenger um den Stein, wann es die Mitternacht ist, und der Stein liegt ebensolange. Es geht aber die Sage, dass sie einmal wieder verwandelt werden sollen, und das kann durch Gottes Gnade nur auf folgende Weise geschehen: Es muss eine Frau sein gerade so alt, als die Baeuerin war, da sie aus der Kirche kam, und diese muss sieben Soehne haben gerade so alt, als die sieben kleinen Maedchen waren. Sind sie eine Minute aelter oder juenger, so geht es nicht mehr. Diese Frau muss an einem Karfreitage gerade um die Mittagszeit, als die Frau zu Stein ward, mit ihren sieben Soehnen in den Busch kommen und sich auf den Stein setzen. Und wenn sie sich auf den Stein setzt, so wird der Stein lebendig und wird wieder in einen Menschen verwandelt, und dann steht die Bauerfrau wieder da, leibhaftig und in eben den Kleidern, die sie getragen, als sie den Maeusen nachgelaufen zu diesem Mausewinkel. Und die sieben bunten Maeuse werden wieder zu sieben kleinen Maedchen in bunten Roecken und mit roten Muetzen auf dem Kopf. Und jedes kleine Maedchen geht zu dem kleinen Knaben hin, der sein Alter hat, und sie werden Braut und Braeutigam. Und wann sie gross werden, so halten sie Hochzeit an einem Tage und tanzen ihre Kraenze ab. Und es sollen die schoensten Jungfrauen werden auf der ganzen Insel, sagen die Leute, und auch die gluecklichsten und reichsten, denn alle diese Gueter und Hoefe hier umher sollen ihnen gehoeren. Aber ach, du lieber Gott, wann werden sie verwandelt werden? Prinzessin Svanvithe Du hast wohl von der Sage gehoert, dass hier bei Garz, wo jetzt der Wall ueber dem See ist, vor vielen tausend Jahren ein grosses und schoenes Heidenschloss gewesen ist mit herrlichen Haeusern und Kirchen, worin sie ihre Goetzen gehabt und angebetet haben. Dieses Schloss haben vor langer, langer Zeit die Christen eingenommen, alle Helden totgeschlagen und ihre Kirchen umgeworfen und die Goetzen, die darin standen, mit Feuer verbrannt; und nun ist nichts mehr uebrig von all der grossen Herrlichkeit als der alte Wall und einige Leuschen, welche die Leute sich erzaehlen, besonders von dem Mann mit Helm und Panzer angetan, der auf dem weissen Schimmel oft ueber die Stadt und den See hinreitet. Einige, die ihn naechtlich gesehen haben, erzaehlen, es sei der alte Koenig des Schlosses, und er habe eine gueldene Krone auf. Das ist aber alles nichts. Dass es aber um Weihnachten und Johannis in der Nacht aus dem See klingt, als wenn Glocken in den Kirchen gelaeutet werden, das ist wahr, und viele Leute haben es gehoert, und auch mein Vater. Das ist eine Kirche, die in den See versunken ist, andere sagen, es ist der alte Goetzentempel. Das glaub' ich aber nicht; denn was sollten die Helden an christlichen Festtagen laeuten? Aber das Klingen und Laeuten im See ist dir gar nichts gegen das, was im Wall vorgeht, und davon will ich dir eine Geschichte erzaehlen. Da sitzt eine wunderschoene Prinzessin mit zu Felde geschlagenen Haaren und weinenden Augen und wartet auf den, der sie erloesen soll; und dies ist eine sehr traurige Geschichte. In jener alten Zeit, als das Garzer Heidenschloss von den Christen belagert ward und die drinnen in grossen Noeten waren, weil sie sehr gedraengt wurden, als schon manche Tuerme niedergeworfen waren und sie auch nicht recht mehr zu leben hatten und die armen Leute in der Stadt hin und wieder schon vor Hunger starben, da war drinnen ein alter, eisgrauer Mann, der Vater des Koenigs, der auf Ruegen regierte. Dieser alte Mann war so alt, dass er nicht recht mehr hoeren und sehen konnte; aber es war doch seine Lust, unter dem Golde und unter den Edelsteinen und Diamanten zu kramen, welche er und seine Vorfahren im Reiche gesammelt hatten und welche tief unter der Erde in einem schoenen, aus eitel Marmelsteinen und Kristallen gebauten Saale verwahrt wurden. Davon waren dort ganz grosse Haufen aufgeschuettet, viel groessere als die Roggen- und Gerstenhaufen, die auf deines Vaters Kornboden aufgeschuettet sind. Als nun das Schloss zu Garz von den Christen in der Belagerung so geaengstet ward und viele der tapfersten Maenner und auch der Koenig, des alten Mannes Sohn, in dem Streite auf den Waellen und vor den Toren der Stadt erschlagen waren, da wich der Alte nicht mehr aus der marmornen Kammer, sondern lag Tag und Nacht darin und hatte die Tueren und Treppen, die dahin fuehrten, dicht vermauern lassen; er aber wusste noch einen kleinen heimlichen Gang, der unter der Erde weglief, viele hundert Stufen tiefer als das Schloss, und jenseits des Sees einen Ausgang hatte, den kein Mensch wusste als er, und wo er hinausschluepfen und sich draussen bei den Menschen Speise und Trank kaufen konnte. Als nun das Schloss von den Christen erobert und zerstoert ward und die Maenner und Frauen im Schlosse getoetet und alle Haeuser und Kirchen verbrannt wurden, dass kein Stein auf dem andern blieb, da fielen die Tuerme und Mauern uebereinander, und die Tuere der Goldkammer ward gar verschuettet; auch blieb kein Mensch lebendig, der wusste, wo der tote Koenig seine Schaetze gehabt hatte. Der alte Koenig aber sass drunten bei seinen Haufen Goldes und hatte seinen heimlichen Gang offen und hat noch viele hundert Jahre gelebt, nachdem das Schloss zerstoert war; denn sie sagen, die Menschen, welche sich zu sehr an Silber und Gold haengen, koennen vom Leben nicht erloest werden und sterben nicht, wenn sie Gott auch noch so sehr um den Tod bitten. So lebte der alte, eisgraue Mann noch viele, viele Jahre und musste sein Gold bewachen, bis er ganz duerr und trocken ward wie ein Totengerippe. Da ist er denn gestorben und auch zur Strafe verwandelt worden und muss nun als ein schwarzer magerer Hund unter den Goldhaufen liegen und sie bewachen, wenn einer kommt und den Schatz holen will. Des Nachts aber zwischen zwoelf und ein Uhr, wann die Gespensterstunde ist, muss er noch immer rundgehen als ein altes graues Maennlein mit einer schwarzen Pudelmuetze auf dem Kopf und einem weissen Stock in der Hand. So haben die Leute ihn oft gesehen im Garzer Holze am Wege nach Poseritz; auch geht er zuweilen um den Kirchhof herum. Denn da sollen vor alters Heidengraeber gewesen sein, und die Helden haben immer viel Silber und Gold mit sich in die Erde genommen. Das will er holen, darum schleicht er dort, kann es aber nicht kriegen, denn er darf die geweihte Erde nicht beruehren. Das ist aber seine Strafe, dass er so rundlaufen muss, wann andere Leute in den Betten und Graebern schlafen, weil er so geizig gewesen ist. Nun begab es sich lange nach diesen Tagen, dass in Bergen ein Koenig von Ruegen wohnte, der hatte eine wunderschoene Tochter, die hiess Svanvithe; und sie war die schoenste Prinzessin weit und breit, und es kamen Koenige und Fuersten und Prinzen aus allen Landen, die um die schoene Prinzessin warben. Und der Koenig, ihr Herr Vater, wusste sich kaum zu lassen vor allen den Freiern und hatte zuletzt nicht Haeuser genug, dass er die Fremden beherbergte, noch Staelle, wohin sie und ihre Knappen und Staller ihre Pferde zoegen; auch gebrach es fast an Hafer im Lande und Raum fuer alle die Kutscher und Diener, die mit ihnen kamen, und war Ruegen so voll von Menschen, als es nie gewesen seit jenen Tagen. Und der Koenig waere froh gewesen, wenn die Prinzessin sich einen Mann genommen haette und die uebrigen Freier weggereist waeren. Das laesst sich aber bei den Koenigen nicht so leicht machen als bei andern Leuten, und muss da alles mit vieler Zierlichkeit und Langsamkeit hergehen. Die Prinzessin, nachdem sie wohl ein ganzes halbes Jahr in ihrer einsamen Kammer geblieben war und keinen Menschen gesehen, auch kein Sterbenswort gesagt hatte, fand endlich einen Prinzen, der ihr wohl gefiel, und den sie gern zum Mann haben wollte, und der Prinz gefiel auch dem alten Koenige, dass er ihn gern als Eidam wollte. Und sie hatten einander Ringe geschenkt, und war grosse Freude im ganzen Lande, dass die schoene Svanvithe Hochzeit halten sollte, und hatten alle Schneider und Schuster die Fuelle zu tun, die schoenen Kleider und Schuhe zu machen, die zur Hochzeit getragen werden sollten. Der verlobte Prinz aber und Svanvithens Braeutigam hiess Herr Peter von Daenemarken und war ein ueber die Massen feiner und stattlicher Mann, dass seinesgleichen wenige gesehen wurden. Da, als alles in lieblicher Hoffnung und Liebe gruenete und bluehete und die ganze Insel in Freuden stand und nur noch ein paar Tage bis zur Hochzeit waren, kam der Teufel und saeete sein Unkraut aus, und die Luft ward in Traurigkeit verwandelt. Es war naemlich allda an des Koenigs Hofe auch ein Prinz aus Polen, ein hinterlistiger und schlechter Herr, sonst schoen und ritterlich an Gestalt und Gebaerde. Dieser hatte manches Jahr um die Prinzessin gefreit und sie geplagt Tag und Nacht; sie hatte aber immer nein gesagt, denn sie mochte ihn nicht leiden. Als dieser polnische Prinz nun sah, dass es wirklich eine Hochzeit werden sollte und dass Herr Peter von Daenemarken zum Treuliebsten der schoenen Svanvithe erkoren war, sann er in seinem boesen Herzen auf arge Tuecke und wusste es durch seine Kuenste so zu stellen, dass der Koenig und alle Menschen glaubten, Svanvithe sei keine zuechtige Prinzessin und habe manche Naechte bei dem polnischen Prinzen geschlafen. Das glaubte auch Herr Peter und reiste ploetzlich weg; und der polnische Prinz war zuerst weggereist, und alle Koenige und Prinzen reisten weg. Und das Schloss des Koenigs in Bergen stand wuest und leer da, und alle Freude war mit weggezogen und alle Geiger und Pfeifer und alles Saitenspiel, die sich auf Turniere und Feste geruestet hatten. Und die Schande der armen Prinzessin klang ueber das ganze Land; ja in Schweden und Daenemark und Polen hoerten sie es, wie die Hochzeit sich zerschlagen hatte. Sie aber war gewiss unschuldig und rein wie ein Kind, das aus dem Mutterleibe kommt, und war es nichts als die greuliche Bosheit des verruchten polnischen Prinzen, den sie als Freier verschmaeht hatte. So ging es der armen Svanvithe, und der Koenig, ihr Vater, war einige Tage nach diesen Geschichten wie von Sinnen und wusste nicht von sich, und ihm war so zumute, dass er sich haette ein Leid antun koennen von wegen seiner Tochter und von wegen des Schimpfes, den sie auf das ganze koenigliche Haus gebracht hatte. Und als er sich besann und wieder zu sich kam und die ganze Schande bedachte, worein er geraten war durch seine Tochter, da ergrimmte er in seinem Herzen, und er liess die schoene Svanvithe holen und schlug sie hart und zerraufte ihr Haar und stiess sie dann von sich und befahl seinen Dienern, dass sie sie hinausfuehrten in ein verborgenes Gemach, dass seine Augen sie nimmer wiedersaehen. Darauf liess er in einen mit dichten Mauern eingeschlossenen und mit dunklen Baeumen beschatteten Garten hinter seinem Schlosse einen duestern Turm bauen, wo weder Sonne noch Mond hineinschien, da sperrte er die Prinzessin ein. Der Turm, den er hatte bauen lassen, war aber fest und dicht und hatte nur ein einziges kleines Loch in der Tuere, wodurch ein wenig Licht hineinfiel und wodurch der Prinzessin die Speise gereicht ward. Es war auch weder Bett noch Tisch oder Bank in dem traurigen Gefaengnis; auf harter Erde musste die liegen, die sonst auf Sammet und Seiden geschlafen hatte, und barfuss musste die gehen, die sonst in goldenen Schuhen geprangt hatte. Und Svanvithe haette sterben muessen vor Jammer, wenn sie nicht gewusst haette, dass sie unschuldig war, und wenn sie nicht zu Gott haette beten koennen. Sie aber war ein sehr junges Kind, als sie eingesperrt ward, erst sechzehn Jahre alt, schoen wie eine Rose und schlank und weiss wie eine Lilie, und die Menschen, die sie liebhatten, nannten sie nicht anders als des Koenigs Lilienstengelein. Und dieses suesse Lilienstengelein sollte so jaemmerlich verwelken in der kalten und einsamen Finsternis. Und sie hatte wohl drei Jahre so gesessen zwischen den kalten Steinen, und auch der alte Koenig war nicht mehr froh gewesen seit jenem Tage, als der polnische Prinz sie in die grosse Schande gebracht hatte, sondern sein Kopf war schneeweiss geworden vor Gram wie der Kopf einer Taube; aber vor den Leuten gebaerdete er sich stolz und aufgerichtet und tat, als wenn seine Tochter tot und lange begraben waere. Sie aber sass von der Welt ungewusst in ihrem Elende und troestete sich allein Gottes und dachte, dass er ihre Unschuld wohl einmal an den Tag bringen wuerde. Weil sie aber in ihren einsamen Trauerstunden Zeit genug hatte, hin und her zu denken, so fiel ihr die Sache ein von dem Koenigsschatze unter dem Garzer Walle, die sie in ihrer Kindheit oft gehoert hatte, und sie gedachte damit ihre Unschuld, und dass der polnische Prinz sie unter einem falschen Schein schaendlich belogen hatte, sonnenklar zu beweisen. Und als darauf ihr Waechter kam und ihr die Speise durch das Loch reichte, sprach sie zu ihm: "Lieber Waechter, gehe zu dem Koenige, meinem und deinem Herrn, und sage ihm, dass seine arme einzige Tochter ihn nur noch ein einziges Mal zu sehen und zu sprechen wuenscht in ihrem Leben und dass er ihr diese letzte Gunst nicht versagen mag." Und der Waechter sagte ja und lief und dachte bei sich: "Wenn der alte Koenig ihre Bitte nur erhoert!" Denn es jammerte ihn die arme Prinzessin unaussprechlich, und sie jammerte alle Menschen; denn sie war immer freundlich gewesen gegen jedermann, auch hatten die meisten von Anfang an geglaubt, dass sie faelschlich verklagt war und dass der polnische Prinz einen argen Luegenschein auf sie gebracht hatte; denn sie hatte sich immer aller Zucht und Jungfraeulichkeit beflissen vor jedermann. Und als ihr Waechter vor den Koenig trat und ihm die Bitte der Prinzessin anbrachte, da war der alte Herr sehr zornig und schalt ihn und drohete ihm, ihn selbst in den Turm zu werfen, wenn er den Namen der Prinzessin vor ihm je wieder ueber seine Lippen laufen lasse. Und der erschrockene Waechter ging weg. Der Koenig aber legte sich hin und schlief ein. Da soll er einen wunderbaren Traum gehabt haben, den kein Mensch zu deuten verstanden hat, und er ist frueh erwacht und sehr unruhig gewesen und hat viel an seine Tochter denken muessen, bis er zuletzt befohlen hat, dass man sie aus dem Turm heraufbraechte und vor ihn fuehrte. Als Svanvithe nun vor den Koenig trat, war sie bleich und mager, auch waren ihre Kleider und Schuhe schon abgerissen, und sie stand fast nackt und barfuss da und sah einer Bettlertochter aehnlicher als einer Koenigstochter. Und der alte Koenig ist bei ihrem Anblick blass geworden vor Jammer wie der Kalk an der Wand, aber sonst hat er sich nichts merken lassen. Und Svanvithe hat sich vor ihm verneigt und also zu ihm gesprochen: "Mein Koenig und Herr! Ich erscheine nur als eine arme Suenderin vor dir, als eine, die an der goettlichen Gnade und an dem Lichte des Himmels kein Recht mehr haben soll. Also hast du mich von deinem Angesicht verstossen und von allem Lebendigen weggesperrt. Ich beteure aber vor dir und vor Gott, dass ich unschuldig leide und dass der polnische Prinz aus eitel Tuecke und Arglist all den schlimmen Schein auf mich gebracht hat. Und nun hat Gott, der sich mein erbarmen will, mir einen Gedanken ins Herz gegeben, wodurch ich meine unbefleckte Jungfrauschaft beweisen und dich und mich und dein ganzes Reich zu Reichtum und Ehren bringen kann. Du weisst, es geht die Sage, unter dem alten Schlosswalle zu Garz, wo unsere heidnischen Ahnen weiland gewohnt haben, liege ein reicher Schatz vergraben. Diese Sage, die mir in meiner Kindheit oft erzaehlt ist, meldet ferner, dieser Schatz koenne nur von einer Prinzessin gehoben werden, die von jenen alten Koenigen herstamme und noch eine reine Jungfrau sei: wenn naemlich diese den Mut habe, in der Johannisnacht zwischen zwoelf und ein Uhr nackt und einsam diesen Wall zu ersteigen und darauf rueckwaerts so lange hin und her zu treten, bis es ihr gelinge, die Stelle zu treffen, wo die Tore und Treppen verschuettet sind, die zu der Schatzkammer hinabfuehren. Sobald sie diese mit ihren Fuessen beruehre, werde es sich unter ihr oeffnen, und sie werde sanft heruntersinken mitten in das Gold und koenne sich von den Herrlichkeiten dann auslesen, was sie wolle, und bei Sonnenaufgang wieder herausgehen. Was sie aber nicht tragen koenne, werde der alte Geist, der den Schatz bewacht, nebst seinen Gehilfen nachtragen. Hierauf habe ich nun meine Hoffnung eines neuen Glueckes gestellt, ob es mir etwa aufbluehen wolle; lass mich denn, Herr Koenig, mit Gott diese Probe machen. Ich bin ja doch einer Toten gleich, und ob ich hier begraben bin oder dort begraben werde, kann dir einerlei sein." Sie hatte die Gebaerde, als wolle sie noch mehr sagen; aber bei diesen Worten stockte sie und konnte nicht mehr, sondern schluchzete und weinte bitterlich. Der Koenig aber winkte dem Waechter leise zu, der sie hereingefuehrt hatte, und alsbald kamen Frauen und Dienerinnen herbei und trugen sie hinaus von dem Koenige weg in ein Seitengemach. Und nicht lange, so ward der Waechter wieder zu dem Koenige gerufen, und er brachte ihr Speise und Trank, dass sie sich staerkte und erquickte, und zugleich die Botschaft, dass der Koenig ihr die gebetene mitternaechtliche Fahrt erlaube. Bald trugen Dienerinnen ihr ein Bad herein nebst zierlichen Kleidern, dass sie sich bedecken konnte, denn sie war fast nackend. Und sie lebte nun wieder in Freuden, obgleich sie ganz einsam sass und gegen niemand den Mund auftat--auch den Dienern und Dienerinnen war das Sprechen zu ihr verboten, sie wussten auch nicht, wer sie war, noch wie sie in das Schloss gekommen, denn von denen, die sie kannten, ward niemand zu ihr gelassen denn allein der Waechter, der ihr immer die Speise gebracht hatte im Turme. Und ihre Schoene fing wieder an aufzubluehen, wie blass und elend sie auch aus dem Turm gekommen war; und alle, die sie sahen, entsetzten sich ueber ihre Huld und Lieblichkeit, und sie deuchte ihnen fast einem Engel gleich, der vom Himmel in das Schloss gekommen sei. Und als vierzig Tage vergangen waren und der Tag vor Johannis da war, da ging sie zu dem Koenige, ihrem Vater, ins Gemach und sagte ihm Lebewohl. Und der alte Herr neigte noch einmal wieder seinen weissen Kopf ueber sie und weinte sehr, und sie sank vor ihm hin und umfasste seine Knie und weinte noch mehr. Und darauf ging sie hinaus und verkleidete sich so, dass niemand sie fuer eine Prinzessin gehalten haette, und trat ihre Reise an. Die Reise war aber nicht weit von Bergen nach Garz, und sie ging in der Tracht eines Reiterbuben einher. Und in der Nacht, als es vom Garzer Kirchturm zwoelf geschlagen hatte, betrat sie einsam den Wall, tat ihre Kleider von sich, also dass sie da stand, wie Gott sie erschaffen hatte, und nahm eine Johannisrute in die Hand, womit sie hinter sich schlug. Und so tappte sie stumm und ruecklings fort, wie es geschehen musste. Und nicht lange war sie geschritten, so tat sich die Erde unter ihren Fuessen auf, und sie fiel sanft hinunter, und es war ihr, als wuerde sie in einem Traum hinabgewiegt; und sie fiel hinab in ein gar grosses und schoenes und von tausend Lichtern und Lampen erleuchtetes Gemach, dessen Waende von Marmor und diamantenen Spiegeln blitzten und dessen Boden ganz mit Gold und Silber und Edelsteinen beschuettet war, dass man kaum darauf gehen konnte. Sie aber sank so weich auf einen Goldhaufen herab, dass es ihr gar nicht weh tat. Und sie besah sich alle die blitzende Herrlichkeit in dem weiten Saale, wo die Schaetze und Kostbarkeiten ihrer Ahnherren von vielen Jahrhunderten gesammelt und aufgehaengt waren; und da sah sie in der hintersten Ecke in einem goldenen Lehnstuhl das kleine graue Maennchen sitzen, das ihr freundlich zunickte, als wolle es mit der Urenkelin sprechen. Sie aber sprach kein Wort zu ihm, sondern winkte ihm nur leise mit der Hand. Und auf ihren Wink hob der Geist sich hinweg und verschwand, und statt seiner kam eine lange Schar praechtig gekleideter Diener und Dienerinnen, welche sich in stummer Ehrfurcht hinter sie stellten, als erwarteten sie, was die Herrin befehlen wuerde. Svanvithe aber saeumte nicht lange, bedenkend, wie kurz die Mittsommersnacht ist, und sie nahm die Fuelle der Edelsteine und Diamanten und winkte den Dienern und Dienerinnen hinter ihr, dass sie ebenso taeten; auch diese fuellten Haende und Taschen und Zipfel und Geren der Kleider mit Gold und edlen Steinen und kostbaren Geschirren. Und noch ein Wink, und die lange Reihe wandelte, und die Prinzessin schritt voran der Treppe zu, als wenn sie herausgehen wollte; jene aber folgten ihr. Und schon hatte sie viele Stufen vollendet und sah schon das daemmernde Morgenlicht und hoerte schon den Lerchengesang und den Hahnenkrei, die den Tag verkuendeten--da ward es ihr bange, ob die Diener und Dienerinnen ihr auch nachtraeten mit den Schaetzen. Und sie sah sich um, und was erblickte sie? Sie sah den kleinen grauen Mann sich ploetzlich in einen grossen schwarzen Hund verwandeln, der mit, feurigem Rachen und funkelnden Augen gegen sie hinaufsprang. Und sie entsetzte sich sehr und rief: "Oh Herr je!" Und als sie das Wort ausgeschrien hatte, da schlug die Tuer ueber ihr mit lautem Knalle zu, und die Treppe versank, und die Diener und Dienerinnen verschwanden, und alle Lichter des Saales erloschen, und sie war wieder unten am Boden und konnte nicht heraus. Der alte Koenig aber, da sie nicht wiederkam, graemte sich sehr; denn er dachte, sie sei entweder umgekommen bei dem Hinabsteigen zu dem Schatze durch die Tuecke der boesen Geister, die unter der Erde ihre Gewalt haben, oder sie habe sich der Sache ueberhaupt nicht unterstanden und laufe nun wie eine arme, verlassene Streunerin durch die Welt. Und er lebte nur noch wenige Wochen nach ihrem Verschwinden; dann starb er und ward begraben. Der Prinzessin Svanvithe war dieses Unglueck aber geschehen, weil sie sich umgesehen hatte, als sie weggehen wollte, und weil sie gesprochen hatte. Denn ueber die Unterirdischen hat man keine Gewalt, wenn man sich umsieht oder spricht, sondern es geraet dann fast immer ungluecklich, wovon man viele Beispiele und Geschichten weiss. Und es waren viele Jahre vergangen, vielleicht hundert Jahre und mehr, und alle die Menschen waren gestorben und begraben, welche zu der Zeit des alten Koenigs und der schoenen Svanvithe gelebt hatten, und schon ward hie und da von ihnen erzaehlt wie von einem alten, alten, laengst verschollenen Maerchen; da hoerte man hin und wieder, die Prinzessin lebe noch und sitze unter dem Garzer Wall in der Schatzkammer und muesse nun mit dem alten, grauen Urgrossvater die Schaetze hueten helfen. Und kein Mensch weiss zu sagen, wie dies hier oben bekannt geworden ist. Vielleicht hat der kleine graue Mann, der zuzeiten rundgeht, es einem verraten, oder es hat es auch einer der hellsichtigen Menschen gesehen, die an hohen Festtagen in besonderen Stunden geboren sind und die das Gras und das Gold in der Erde wachsen sehen und mit ihren Augen durch die dicksten Berge und Mauern dringen koennen. Und es war viel erschollen von der Geschichte und von dem wundersamen Versinken der Prinzessin unter die Erde, und dass sie in der dunkeln Kammer sitze und noch lebe und einmal erloest werden solle. Sie kann aber, sagen sie, erloest werden, wenn einer es wagt, auf dieselbe Weise, wie sie einst in der Johannisnacht getan hat, in die verbotene Schatzkammer hinabzufallen. Dieser muss sich dann dreimal vor ihr verneigen, ihr einen Kuss geben, sie an die Hand fassen und sie still herausfuehren; denn kein Wort darf er beileibe nicht sprechen. Wer sie herausbringt, der wird mit ihr in Herrlichkeit und in Freuden leben und so viele Schaetze haben, dass er sich ein Koenigreich kaufen kann. Darin wird er dann fuenfzig Jahre als Koenig auf dem Throne sitzen und sie als seine Koenigin neben ihm, und werden gar liebliche Kinder zeugen; der kleine graue Spuk wird dann aber auf immer verschwinden, wann sie ihm die Schaetze weggehoben haben. Nun hat es wohl so kuehne und verwegene Prinzen und schoene Knaben gegeben, die mit der Johannisrute in der Hand zu ihr hinabgekommen sind; aber sie haben es immer in etwas versehen, und die Prinzessin ist noch nicht erloest. Ja, wenn das ein so leichtes Ding waere, wieviele wuerden Lust haben, eine so schoene Prinzessin zu freien und Koenige zu werden! Die Leute erzaehlen aber, der greuliche schwarze Hund ist an allem schuld; keiner hat es mit ihm aushalten koennen, sondern wenn sie ihn sehen, so muessen sie aufschreien, und dann schlaegt die Tuere zu, und die Treppe versinkt, und alles ist wieder vorbei. So sitzt denn die arme Svanvithe da in aller ihrer Unschuld und muss da unten frieren und das kalte Gold hueten, und Gott weiss, wann sie erloest werden wird. Sie sitzt da ueber Goldhaufen gebeugt; ihr langes Haar haengt ihr ueber die Schultern herab, und sie weint unaufhoerlich. Schon sitzen sechs junge Gesellen um sie herum, die auch mithueten muessen. Das sind die, denen die Erloesung nicht gelungen ist. Wem es aber gelingt, der heiratet die Prinzessin und bekommt den ganzen Schatz und befreit zugleich die andern armen Gefangenen. Sie sagen, der letzte ist vor zwanzig Jahren darin versunken, ein Schuhmachergesell, der Jochim Fritz hiess. Das war ein junges, schoenes Blut und ging immer viel auf dem Wall spazieren. Der ist mit einem Male verschwunden, und keiner hat gewusst, wo er gestoben und geflogen war, und seine Eltern und Freunde haben ihn in der ganzen Welt suchen lassen, aber nicht gefunden! Er mag nun auch wohl dasitzen bei den andern. Der Riese Balderich In der westlichen Spitze der Insel Ruegen in der Ostsee an der Feldscheide der Doerfer Rothenkirchen und Goetemitz, etwa eine Viertelmeile von dem Kirchdorfe Rambin, liegen auf flachem Felde neun kleine Huegel oder Huenengraeber, welche gewoehnlich die Neun Berge oder die Neun Berge bei Rambin genannt werden, und von welchen das Volk allerlei Maerchen erzaehlt. Diese entstanden weiland durch die Kuehnheit eines Riesen, und seitdem die Riesen tot sind, treiben die Zwerge darin ihr Wesen. Vor langer Zeit lebte auf Ruegen ein gewaltiger Riese (ich glaube, er hiess Balderich), den verdross es, dass das Land eine Insel war und dass er immer durch das Meer waten musste, wenn er nach Pommern auf das feste Land wollte. Er liess sich also eine ungeheure Schuerze machen, band sie um seine Hueften und fuellte sie mit Erde; denn er wollte sich einen Erddamm auffuehren von der Insel bis zur Feste. Als er mit seiner Tracht bis ueber Rothenkirchen gekommen war, riss ein Loch in die Schuerze, und aus der Erde, die herausfiel, wurden die Neun Berge. Er stopfte das Loch zu und ging weiter; aber als er bis Gustow gekommen war, riss wieder ein Loch in die Schuerze, und es fielen dreizehn kleine Berge heraus. Mit der noch uebrigen Erde ging er ans Meer und goss sie hinein. Da ward der Prosnitzer Hafen und die niedliche Halbinsel Drigge. Aber es blieb noch ein schmaler Zwischenraum zwischen Ruegen und Pommern, und der Riese aergerte sich darueber so sehr, dass er ploetzlich von einem Schlagfluss hinstuerzte und starb. Und so ist denn sein Damm leider nie fertig geworden. Von demselben Riesen Balderich erzaehlt man ein Kraftstueck, das er bei Putbus bewiesen hat. Er hatte schon mehrmals mit Aerger gesehen, dass dem Christengotte zu Vilmnitz, eine halbe Meile von Putbus, eine Kirche erbaut ward, und da hat er bei sich gesprochen: "Lass die Wuermer ihren Ameisenhaufen nur aufbauen; den werfe ich nieder, wann er fertig ist." Als nun die Kirche fertig und der Turm aufgefuehrt war, nahm der Riese einen gewaltigen Stein, stellte sich auf dem Putbusser Tannenberge hin und schleuderte ihn mit so ungeheurer Gewalt, dass der Stein wohl eine Viertelmeile ueber die Kirche wegflog und bei Nadelitz niederfiel, wo er noch diesen Tag liegt am Wege, wo man nach Posewald faehrt, und der Riesenstein genannt wird. Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin In den Neun Bergen bei Rambin wohnen nun die Zwerge und die kleinen Unterirdischen und tanzen des Nachts in den Bueschen und Feldern herum und fuehren ihre Reigen und ihre Musiken auf im mitternaechtlichen Mondschein, besonders in der schoenen und lustigen Sommerzeit und im Lenze, wo alles in Bluete steht; denn nichts lieben die kleinen Menschen mehr als die Blumen und die Blumenzeit. Sie haben auch viele schoene Knaben und Maedchen bei sich; diese aber lassen sie nicht heraus, sondern behalten sie unter der Erde in den Bergen, denn sie haben die meisten gestohlen oder durch einen gluecklichen Zufall erwischt und fuerchten, dass sie ihnen wieder weglaufen moechten. Denn vormals haben sich viele Kinder des Abends und des Morgens locken lassen von der suessen Musik und dem Gesange, der durch die Buesche klingt, und sind hingelaufen und haben zugehorcht; denn sie meinten, es seien kleine singende Waldvoegelein, die mit solcher Lustigkeit musizierten und Gott lobeten--und dabei sind sie gefangen worden von den Zwergen, die sie mit in den Berg hinabgenommen, dass sie ihnen dort als Diener und Dienerinnen aufwarteten. Seitdem die Menschen nun Wissens dass es da so hergeht und nicht recht geheuer ist, hueten sie sich mehr, und geht keiner dahin. Doch verschwindet von Zeit zu Zeit noch manches unschuldige Kind, und die Leute sagen dann wohl, es hab's einer der Zwerge mitgenommen; und oft ist es auch wohl durch die Kuenste der kleinen braunen Maenner eingefangen und muss da unten sitzen und dienen und kann nicht wiederkommen. Das ist aber ein uraltes Gesetz, das bei den Unterirdischen gilt, dass sie je alle fuenfzig Jahre wieder an das Licht lassen muessen, was sie eingefangen haben. Und das ist gut fuer die, welche so gefangen sitzen und da unten den kleinen Leuten dienen muessen, dass ihnen diese Jahre nicht gerechnet werden, und dass keiner da aelter werden kann als zwanzig Jahre, und wenn er volle fuenfzig Jahre in den Bergen gesessen haette. Und es kommen auf die Weise alle, die wieder herauskommen, jung und schoen heraus. Auch haben die meisten Menschen, die bei ihnen gewesen sind, nachher auf der Erde viel Glueck gehabt: entweder, dass sie da unten so klug und witzig und anschlaegisch werden, oder dass die kleinen Leute, wie einige erzaehlen, ihnen unsichtbar bei der Arbeit helfen und Gold und Silber zutragen. Die Unterirdischen, welche in den Neun Bergen wohnen, gehoeren zu den braunen, und die sind nicht schlimm. Es gibt aber auch schwarze, das sind Tausendkuenstler und Kunstschmiede, geschickt und fertig in allerlei Werk, aber auch arge Zauberer und Hexenmeister, voll Schalkheit und Trug, und ist ihnen nicht zu trauen. Sie sind auch Wilddiebe, denn sie essen gern Braten. Sie duerfen aber das Wild mit keinem Gewehr faellen, sondern sie stricken eigene Netze, die kein Mensch sehen kann; darin fangen sie es. Darum sind sie auch Feinde der Jaeger und haben schon manchem Jaeger sein Gewehr behext, dass er nicht treffen kann. Das glauben aber bis diesen Tag viele Leute, dass nichts eine groessere Gewalt ueber diese Schwarzen hat als Eisen, worueber gebetet worden, oder was in Christenhaenden gewesen ist. Solche Schwarzen wohnen hier aber gar nicht. In zwei Bergen wohnen von den weissen, und das sind die freundlichsten, zartesten und schoensten aller Unterirdischen, fein und anmutig von Gliedern und Gebaerden und ebenso fein und liebenswuerdig drinnen im Gemuete. Diese Weissen sind ganz unschuldig und rein und necken niemand, auch nicht einmal im Scherze, sondern ihr Leben ist licht und zart, wie das Leben der Blumen und Sterne, mit welchen sie auch am meisten Umgang halten. Diese niedlichen Kleinen sitzen den Winter, wann es auf der Erde rauh und wuest und kalt ist, ganz still in ihren Bergen und tun da nichts anders, als dass sie die feinste Arbeit wirken aus Silber und Gold, dass die Augen der meisten Sterblichen zu grob sind, sie zu sehen; die sie aber sehen koennen, sind besonders feine und zarte Geister. So leben sie den trueben Winter durch, wann es da draussen unhold ist, in ihren verborgenen Klausen. Sobald es aber Fruehling geworden und den ganzen Sommer hindurch, leben sie hier oben im Sonnenschein und Sternenschein sehr froehlich und tun dann nichts als sich freuen und andern Freude machen. Sobald es auch im ersten Lenze zu sprossen und zu keimen beginnt an Baeumen und Blumen, sind sie husch aus ihren Bergen heraus und schluepfen in die Reiser und Stengel und von diesen in die Blueten und Blumenknospen, worin sie gar anmutig sitzen und lauschen. Des Nachts aber, wann die Menschen schlafen, spazieren sie heraus und schlingen ihre froehlichen Reihentaenze im Gruenen um Huegel und Baeche und Quellen und machen die allerlieblichste und zarteste Musik, welche reisende Leute so oft hoeren und sich verwundern, weil sie die Spieler nicht sehen koennen. Diese kleinen Weissen duerfen auch bei Tage immer heraus, wann sie wollen, aber nicht in Gesellschaft, sondern einzeln, und sie muessen sich dann verwandeln. So fliegen viele von ihnen umher als bunte Voegelein oder Schmetterlinge oder als schneeweisse Taeubchen und bringen den kleinen Kindern oft Schoenes und den Erwachsenen zarte Gedanken und himmlische Traeume, von welchen sie nicht wissen, wie sie ihnen kommen. Das ist bekannt, dass sie sich haeufig in Traeume verwandeln, wenn sie in geheimer Botschaft reisen. So haben sie manchen Betruebten getroestet und manchen Treuliebenden erquickt. Wer ihre Liebe gewonnen hat, der ist im Leben besonders gluecklich, und wenn sie nicht so reich machen an Schaetzen und Guetern als die andern Unterirdischen, so machen sie reich an Liedern und Traeumen und froehlichen Gesichten und Phantasien. Und das sind wohl die besten Schaetze, die ein Mensch gewinnen kann. Abenteuer des Johann Dietrich In Rambin lebte einst ein Arbeitsmann, der hiess Jakob Dietrich, ein Mann schlecht und recht und gottesfuerchtig, und der auch eine gute und gottesfuerchtige Frau hatte. Die beiden Eheleute besassen dort ein Haeuschen und ein Gaertchen und naehrten sich redlich von der Arbeit ihrer Haende; denn andere Kuenste kannten sie nicht. Sie hatten viele liebe Kinder, von welchen das juengste, Johann Dietrich genannt, ihnen fast das liebste war. Denn es war ein schoener und munterer Junge, aufgeweckt und quick, fleissig in der Schule und gehorsam zu Hause, und behielt alle Lehren und Geschichten sehr gut, welche die Eltern ihm versagten. Auch von vielen andern Leuten lernte er und hielt jeden fest, der Geschichten wusste, und liess ihn nicht eher los, als bis er sie erzaehlt hatte. Johann war acht Jahre alt geworden und lebte den Sommer bei seines Vaters Bruder, der Bauer in Rothenkirchen war, und musste nebst andern Knaben Kuehe hueten, die sie ins Feld gegen die Neun Berge hinaustrieben, wo damals noch viel mehr Wald war als jetzt. Da war ein alter Kuhhirt aus Rothenkirchen, Klas Starkwolt genannt, der gesellte sich oft zu den Knaben, und sie trieben die Herden zusammen und setzten sich hin und erzaehlten Geschichten. Der alte Klas wusste viele und erzaehlte sie sehr lebendig; er war bald Johann Dietrichs liebster Freund. Besonders aber wusste er viele Maerchen von den Neun Bergen und von den Unterirdischen aus der allerfruehesten Zeit, als die Riesen im Lande untergegangen und die Kleinen in die Berge gekommen waren, und Johann hoerte sie immer mit dem innigsten Wohlgefallen und plagte den alten Mann jeden Tag um neue Geschichten, obgleich ihm dieser das Herz zuweilen so in Flammen setzte, dass er des Abends spaet und des Morgens frueh, wenn er hier zuweilen heraus musste, mit sausendem Haar ueber das Feld hinstrich, als haette er alle Unterirdischen als Jaeger hinter sich gehabt, die ihn fangen wollten. Der kleine Johann Dietrich hatte sich so vertieft und verliebt in diese Maerchen von den Unterirdischen, dass er nichts anders sah und hoerte, von nichts anderm sprach und fabelte als von goldenen Bechern und Kronen, glaesernen Schuhen, Taschen voll Dukaten, goldenen Ringen, diamantenen Kraenzen, schneeweissen Braeuten und klingenden Hochzeiten. Wenn er nun so ganz darin war und in kindischer Freude aufjauchzte und umhersprang, dann pflegte der alte Starkwolt wohl den Kopf zu schuetteln und ihm zuzurufen: "Johann! Johann! Wo willst du hin? Spaten und Sense, das sind dein Zepter und deine Krone, und deine Braut wird ein Kraenzel von Rosmarin und einen bunten Rock von Drell tragen." Johann liess sich das aber nicht anfechten und traeumte immer lustig fort. Und obwohl er herzlich graulich war und in der Dunkelheit um alles in der Welt nicht ueber den Kirchhof gegangen waere, hatte er sich das Leben da in dem Berge und die Schaetze und Herrlichkeiten darin doch so ausgemalt, dass ihn fast geluestete, einmal hinabzusteigen; denn der alte Klas hatte gesagt, wie man es anfangen muesse, damit man da unten Herr werde und nicht Diener, und damit sie einen nicht fuenfzig Jahre festhalten und die Becher spuelen und das Estrich kehren lassen koennten. Wer naemlich so klug oder so gluecklich sei, die Muetze eines Unterirdischen zu finden oder zu erhaschen, der koenne sicher hinabsteigen, dem duerfen sie nichts tun noch befehlen, sondern muessen ihm dienen, wie er wolle, und derjenige Unterirdische, dem die Muetze gehoere, muesse sein Diener sein und ihm schaffen, was er wolle. Das hatte Johann sich hinters Ohr geschrieben und seinen Teil dabei gedacht; ja, er hatte wohl hinzugesetzt, so etwas unterstehe er sich auch wohl zu wagen. Die Leute glaubten ihm das aber nicht, sondern lachten ihn aus; und doch hat er es getan, und sie haben genug geweint, als er nicht wiedergekommen ist. Es war nun die Zeit des Johannisfestes, wo die Tage am laengsten sind und die Naechte am kuerzesten, und wo die Jahreszeit am schoensten ist. Die Alten und die Kinder hatten die Festtage froehlich gelebt und gespielt und allerlei Geschichten erzaehlt; da konnte Johann sich nicht laenger halten, sondern den Tag nach Johannis schlich er sich heimlich weg, und als es dunkel ward, legte er sich auf dem Gipfel des hoechsten der Neun Berge hin, wo die Unterirdischen, wie Klas ihm erzaehlt, ihren vornehmsten Tanzplatz hatten. Und wahrlich, er legte sich nicht ohne Angst hin, und haette er nicht einmal dagelegen, vielleicht waere nimmer was daraus geworden; denn sein Herz schlug ihm wie ein Hammer, und sein Atem ging wie ein frischer Wind. So lauschte er in Furcht und Hoffnung von zehn Uhr abends bis zwoelf Uhr Mitternacht. Und als es zwoelf schlug, sieh, da fing es an zu klingen und zu singen in den Bergen; und bald wisperte und lispelte und pfiff und saeuselte es um ihn her; denn die kleinen Leute dreheten sich jetzt in Taenzen rund, und andere spielten und tummelten sich im Mondschein und machten tausend lustige Schwaenke und Possen. Ihn ueberlief bei diesem Gewispel und Gesaeusel ein geheimer Schauder (denn sehen konnte er nichts von ihnen, da ihre Muetzchen, die sie tragen, sie unsichtbar machen); er aber lag ganz still, das Gesicht ins Gras gedrueckt und die Augen fest zugeschlossen und leise schnarchend, als schliefe er. Doch konnte er es nicht lassen, zuweilen ein wenig umher zu blinzeln, damit er etwa seinen Vorteil ersaehe, einen der kleinen Leute finge und ein Herr wuerde, denn dazu hatte er gar grosse Lust; aber wie heller Mondschein es auch war, er konnte auch nicht das geringste von ihnen erblicken. Und siehe, es waehrte nicht lange, so kamen drei der Unterirdischen dahergesprungen, wo er lag, gaben aber nicht acht auf ihn, warfen ihre braunen Muetzchen in die Luft und fingen sie einander ab. Da riss der eine dem andern in Schalkheit die Muetze aus der Hand und warf sie weg. Und die Muetze flog dem Johann gerade auf den Kopf, und er fuehlte sie, griff zu und richtete sich sogleich auf und liess Schlaf Schlaf sein. Er schwang mit Freuden seine Muetze, dass das silberne Gloecklein daran klingelte, und setzte sie sich dann auf den Kopf, und (o Wunder! ) in demselben Augenblicke sah er das zahllose und lustige Gewimmel der kleinen Leute, und sie waren ihm nicht mehr unsichtbar. Die drei kleinen Maenner kamen listig herbei und wollten mit Behendigkeit die Muetze wieder gewinnen; er aber hielt seine Beute fest, und sie sahen wohl, dass sie auf diese Weise nichts von ihm gewinnen wuerden; denn Johann war ein Riese gegen sie an Groesse und Staerke, und sie reichten ihm kaum bis ans Knie. Da kam derjenige, dem die Muetze gehoerte, und trat ganz demuetig vor den Finder hin und bat flehentlich, als haenge sein Leben dran, ihm die Muetze wiederzugeben. Johann aber antwortete ihm: "Nein, du kleiner, schlauer Schelm, die Muetze bekommst du nicht wieder; das ist nichts, was man fuer ein Butterbrot weggibt! Ich waere schlimm daran mit euch, wenn ich nichts von euch haette; jetzt aber habt ihr kein Recht an mir, sondern muesst mir, was ich nur will, zu Gefallen tun. Und ich will mit euch hinabfahren und sehen, wie ihr es da unten treibt; du aber sollst mein Diener sein, denn du musst wohl. Das weiss ich so gut als ihr, dass es nicht anders sein kann, denn Klas Starkwolt hat mir es alles erzaehlt." Der kleine Mensch aber gebaerdete sich, als ob er dies alles nicht gehoert noch verstanden haette; er fing seine Quaelerei und Winselei und Plinselei wieder von vorn an, klagte und jammerte und heulte erbaermlich um sein verlornes Muetzchen; aber als Johann ihm kurzweg sagte: "Es bleibt dabei, du bist der Diener, und ich will eine Fahrt mit euch machen", da fand er sich endlich drein, zumal da auch die andern ihm zuredeten, dass es so sein muesse. Johann aber warf seinen schlechten Hut nun weg und setzte sich die Muetze an seiner Stelle auf und befestigte sie wohl auf seinem Kopfe, damit sie ihm nicht abgleiten oder abfliegen koennte; denn in ihr trug er die Herrschaft. Und er versuchte es sogleich und befahl seinem neuen Diener, ihm Speise und Trank zu bringen, denn ihn hungerte. Und der Diener lief wie der Wind davon, und in einem Hui war er wieder da und trug Wein in Flaschen herbei und Brot und koestliche Fruechte. Und Johann ass und trank und sah dem Spiele und den Taenzen der Kleinen zu, und es gefiel ihm sehr wohl. Und er fuehrte sich in allen Dingen mit ihnen beherzt und klug auf, als waere er ein geborner Herr gewesen. Und als der Hahn seinen dritten Krei getan hatte und die kleinen Lerchen in der Luft die ersten Wirbel anschlugen und das junge Licht in einzelnen weissen Streifen im Osten aufdaemmerte, da ging es husch husch husch durch die Buesche und Blumen und Halme fort, und die Berge klangen wieder und taten sich auf, und die kleinen Menschen fuhren hinab; und Johann gab wohl acht auf alles und fand es wirklich so, wie sie ihm erzaehlt hatten. Siehe, auf dem Wipfel der Berge, wo sie eben noch getanzt hatten, und wo alles eben voll Gras und Blumen stand, wie die Menschen es bei Tage sehen, hob sich, als es zum Abzuge blies, ploetzlich eine glaenzende glaeserne Spitze hervor; auf diese trat, wer hinein wollte, sie oeffnete sich, und er glitt sanft hinab, und sie tat sich wieder hinter ihm zu; als sie aber alle hinein waren, verschwand sie und war auch keine Spur mehr von ihr zu sehen. Die aber durch die glaeserne Spitze fielen, sanken gar sanfte in eine weite silberne Tonne, die sie alle aufnahm und wohl tausend solcher Leutlein beherbergen konnte. In eine solche fiel auch Johann mit seinem Diener und mit mehreren hinab, und sie alle schrien und baten ihn, dass er sie nicht treten moege, denn sie waeren des Todes gewesen von seiner Last. Er aber huetete sich und war sehr freundlich gegen sie. Es gingen aber mehrere solcher Tonnen nebeneinander hin, immer hinauf und hinab, bis alle hinunter waren. Sie hingen an langen silbernen Ketten, die unten gezogen und gehalten wurden. Johann erstaunte beim Hinabfahren ueber den wunderbaren Glanz der Waende, zwischen welchen das Toennchen fortglitt. Es war alles wie mit Perlen und Diamanten besetzt, so blitzte und funkelte es; unter sich aber hoerte er die lieblichste Musik aus der Ferne klingen. So ward er auf das anmutigste hinabgewiegt, dass er nicht wusste, wie ihm geschah, und vor lauter Lust in einen tiefen Schlaf fiel. Er mochte wohl lange geschlafen haben. Als er erwachte, fand er sich in dem allerweichsten und allernettesten Bette, wie er es in seines Vaters Hause nimmer gesehen hatte, und dieses Bett stand in dem allerniedlichsten Zimmer; vor ihm aber stand ein kleiner Brauner mit dem Fliegenwedel in der Hand, womit er Muecken und Fliegen abwehrte, dass sie seines Herrn Schlummer nicht stoeren konnten. Johann tat kaum die Augen auf, so brachte der kleine Diener ihm schon das Handtuch mit dem Waschwasser und hielt ihm zugleich die nettesten neuen Kleider zum Anziehen hin, aus brauner Seide sehr niedlich gemacht, und ein Paar neue schwarze Schuh mit roten Bandschleifchen, wie Johann sie in Rambin und Rothenkirchen nie gesehen hatte; auch standen dort einige Paare der niedlichsten und glaenzendsten glaesernen Schuhe, die nur bei grossen Festlichkeiten gebraucht zu werden pflegen. Es gefiel dem kleinen Knaben sehr, dass er so leichte und saubere Kleider tragen sollte, und er liess sie sich gern anziehen. Und als Johann angekleidet war, flugs flog der Diener fort und war geschwind wie der Blitz wieder da. Er trug aber auf einer goldenen Schuessel eine Flasche suessen Wein und ein Toepfchen Milch und schoenes Weissbrot und Fruechte und andere koestliche Speisen, wie kleine Knaben sie gern essen. Und Johann sah immer mehr, dass Klas Starkwolt, der alte Kuhhirt, es wohl gewusst habe; denn so herrlich und praechtig, als er hier alles fand, hatte er es sich doch nicht getraeumt. Auch war sein Diener der allergehorsamste und tat alles von selbst, was er ihm nur an den Augen absehen konnte. Der Worte bedurfte es nie, sondern nur leichter Blicke und Winke; denn er war klug wie ein Bienchen, wie alle diese kleinen Leute von Natur sind. Und nun muss ich Johanns Zimmer beschreiben. Sein Bettchen war schneeweiss mit den weichsten Polstern und mit den weissesten Laken ueberzogen, mit Kissen aus Atlas und einer solchen gesteppten Decke. Ein Koenigssohn haette darin schlafen koennen. Neben und vor diesem Bette standen die niedlichsten Stuehle, auf das netteste gearbeitet und mit allerlei bunten Voegeln und Tieren verziert, welche kunstreiche Haende eingeschnitten hatten; einige waren auch von edlen Steinen bunt eingelegt. An den Waenden standen weisse Marmortische und ein paar kleinere aus gruenen Smaragden, und zwei blanke Spiegel glaenzten an den beiden Enden des Zimmers, deren Rahmen mit blitzenden Edelgesteinen eingefasst waren. Die Waende des Zimmers waren mit gruenen Smaragden getaefelt, und hatte einen solchen Glanz nie ein Mensch auf Erden gesehen und wird ihn auch keiner dort sehen, auch nicht in des groessten Kaisers Hause. Und in solchem Zimmer wohnte nun der kleine Johann Dietrich, eines Tageloehners Sohn aus Rambin, dass man wohl sagen mag: Das Glueck faengt, wem es von Gott beschert ist. Hier unter der Erde sah man nun freilich nie Sonne, Mond und Sterne leuchten, und das schien allerdings ein grosser Fehler zu sein. Aber sie brauchten hier solche Lichter nicht, auch bedurften sie weder der Wachslichter noch der Talglichter, noch der Kerzen und Oellampen und Laternen; sie hatten andern Lichtes genug. Denn die Unterirdischen wohnen recht eigentlich mitten unter den Edelgesteinen und sind die Meister des reinsten Silbers und Goldes, das in der Erde waechst, und sie haben die Kunst wohl gelernt, wie sie es hell bei sich haben koennen bei Tage und bei Nacht. Eigentlich muss man hier von Tag und Nacht nicht reden, denn die unterscheiden sie hier unten nicht, weil keine Sonne hier auf- und untergeht, welche die Scheidung macht, sondern sie rechnen hier nur nach Wochen. Sie setzen aber ihre Wohnungen und die Wege und Gaenge, welche sie unter der Erde durchwandern, und die Orte, wo sie ihre grossen Saele haben und ihre Reigen und Feste halten, mit den allerkostbarsten Edelgesteinen aus, dass es funkelt, als waere es der ewige Tag. Einen solchen Stein hatte der kleine Johann auch in seinem Zimmer. Das war ein auserlesener Diamant, ganz rund und wohl so gross als eine Kugel, womit man Kegel zu werfen pflegt. Dieser war oben in der Decke des Zimmers befestigt und leuchtete so hell, dass er keiner andern Lampen und Lichter bedurfte. Als Johann Fruehstueck gegessen hatte, oeffnete der Diener ein Tuerchen in der Wand, und Johanns Augen fielen hinein, und er sah die zierlichsten goldenen und silbernen Becher und Schalen und Gefaesse und viele Koerbchen voll Dukaten und Kaestchen voll Kleinodien und kostbarer Steine. Auch waren da viele liebliche Bilder und die allersaubersten Maerchenbuecher mit Bildern, die er in seinem Leben gesehen hatte. Und er wollte diesen Vormittag gar nicht ausgehen, sondern betastete und besah sich alles und blaetterte und las in den schoenen Bilderbuechern und Maerchenbuechern. Und als es Mittag geworden, da klang eine helle Glocke, und der Diener rief: "Herr, willst du allein essen oder in der grossen Gesellschaft?" Und Johann antwortete: "In der grossen Gesellschaft." Und der Diener fuehrte ihn hinaus. Johann sah aber nichts als einzelne von Edelsteinen erleuchtete Hallen und einzelne kleine Maenner und Frauen, die ihm aus Felsritzen und Steinklueften herauszuschluepfen schienen, und verwunderte sich, woher die Glocke klaenge, und sprach zu dem Diener: "Aber wo ist denn die Gesellschaft?" Und als er noch fragte, so oeffnete sich die Halle, worin sie gingen, zu einer grossen Weite und ward ein unendlicher Saal, ueber welchen eine weite, gewoelbte und mit Edelsteinen und Diamanten geschmueckte Decke gezogen war. Und in demselben Augenblick sah er auch ein unendliches Gewimmel von zierlich gekleideten kleinen Maennern und Frauen durch viele geoeffnete Tueren hineinstroemen, und tat sich der Boden an vielen Stellen auf, und die niedlichsten, mit den koestlichsten Gefaessen und schmackhaftesten Speisen und Fruechten und Weinen besetzten Tische stellten sich aneinander hin, und die Stuehle und Polster reiheten sich von selbst um die Tische, und die Maenner und Frauen nahmen Platz. Und die Vornehmsten des kleinen Voelkchens kamen und verneigten sich vor Johann und fuehrten ihn mit sich an ihren Tisch und setzten ihn zwischen ihre schoensten Jungfrauen, dass er seine Lust hatte, mit den lieblichen Kindern zu sein, und es ihm da ueber die Massen wohlgefiel. Es war auch eine sehr froehliche Tafel, denn die Unterirdischen sind ein sehr lebendiges und lustiges Voelkchen und koennen nicht lange still sein. Dazu klang die allerlieblichste Musik aus den Lueften, und die buntesten Voegel flogen umher und sangen in gar anmutigen Toenen, die einem die Seele aus der Brust holen konnten. Es waren aber keine lebendige Voegel, die da sangen, sondern kuenstliche Voegel und kuenstliche Toene und von den kleinen Maennern so sinnreich gemacht, dass sie fliegen und singen konnten. Und Johann erstaunte und entsetzte sich sehr ueber alle die Wunder, die er sah, und freuete sich gewaltig. Die Diener und Dienerinnen aber, welche bei Tische aufwarteten und Blumen streueten und die Flur mit Rosenoel und andern Dueften besprengten und die goldenen Schalen und Becher herumtrugen und die silbernen und kristallenen Koerbe mit Fruechten, waren Kinder der Menschen da droben, welche aus Neugier oder von ungefaehr unter die Kleinen geraten und hier hinabgestiegen waren, ohne sich vorher eines Pfandes zu bemeistern, und die also in die Gewalt der Kleinen gekommen waren, oder die sich naechtlich und mitternaechtlich unter ihre Sternenspiele auf dem glaesernen Berge verirrt hatten. Diese waren anders gekleidet als sie. Die Knaben und die Maedchen waren in schneeweisse Roeckchen und Jaeckchen gekleidet und trugen feine glaeserne Schuh, dass man ihren Tritt immer hoeren konnte, und blaue Muetzchen auf dem Kopfe; ihre Leibchen aber hatten sie mit silbernen Guerteln umguertet. Das war die Tracht der Diener und Dienerinnen. Den kleinen Johann jammerten sie anfangs wohl, als er sie sah, wie sie springen und den Unterirdischen aufwarten mussten; aber weil sie munter aussahen und fein gekleidet waren und rosenrote Wangen hatten, so dachte er: "Nun, es geht ihnen doch so schlimm nicht, und ich habe es noch lange so gut nicht gehabt, als ich hinter den Kuehen und Ochsen laufen musste. Ich bin nun freilich ein Herr hier, und sie muessen als Diener laufen. Das kann aber nicht anders sein: warum haben sie sich auch so dumm fangen lassen und sich vorher kein Zeichen genommen? Es muss doch die Zeit kommen, wo sie einmal erloest werden, und laenger als fuenfzig Jahre werden sie hier gewiss nicht bleiben." Damit troestete er sich und spielte und scherzte mit seinen kleinen Gesellinnen und ass und trank in Freuden und liess sich von seinem Diener und von den andern allerlei unterirdische Geschichten erzaehlen; denn er wollte alles genau wissen. So sassen sie ungefaehr zwei Stunden lustig beisammen und assen und tranken und horchten auf die liebliche Musik, die aus den Lueften erklang. Da klingelte der Vornehmste mit einem Gloeckchen, und in einem Hui versanken die Tische und die Stuehle wieder, und alle Maenner und Frauen und Juenglinge und Jungfrauen standen da wieder auf den Fuessen. Und wieder ein zweiter Klang mit einem zweiten Gloeckchen, und wo eben die Tafeln gestanden, erhoben sich gruene Orangen- und Palmen- und Lorbeerbaeume mit Blueten und Fruechten, und andere, lustigere und klangreichere Voegel als die vorher durch die Luft geflattert hatten, sassen in ihren Zweigen und sangen. Und sie sangen alle wie in einer Weise und in einem Masse, und Johann sah bald, woher dies kam; denn am Ende des Saales hoch oben an der Decke sass in einer hohlen Wand ein eisgrauer Greis und gab den Ton an, nach welchem sie singen mussten. Sie nannten ihn ihren grossen Ballmeister. Er war aber so ernst, als er weise war, und verschwiegen wie die graue Zeit und sprach nie ein Sterbenswort, da die andern alle wohl oft zuviel plapperten und schwaetzelten. Der alte Eisgraue droben strich nun die Geige zum Tanze, und alle die bunten Voegel klangen den Strich nach. Es war aber ein recht fliegender Strich, denn ihr Tanz geht immer aeusserst geschwind und lebendig. Als nun der Reigen angeklungen war, siehe, da bewegten sich die leichten und froehlichen Scharen und sprangen und huepften und drehten sich, als wenn die Welt im Wirbel auseinanderfliegen sollte. Und die kleinen huebschen und feinen unterirdischen Dirnen, die sich neben Johann gesetzt hatten, fassten ihn auch und drehten ihn mit rund. Und er liess es gern geschehen und tanzte mit ihnen rund wohl zwei Stunden lang. Und diesen lustigen Tanz hat er jeden Nachmittag mitgehalten, solange er da unten geblieben ist, und in seinem spaetesten Alter noch immer mit vielem Vergnuegen davon erzaehlt. Er pflegte dann zu sagen, die himmlische Freude und der Gesang und das Saitenspiel der Engel, welche die Seligen im Himmel einst zu hoffen haetten, moegen wohl ueberschwenglich schoen sein; er aber koenne sich nichts Schoeneres und Lieblicheres denken als die Musik dieses unterirdischen Reigens, die schoenen und beseelten kleinen Menschen, die wunderbaren Voegel in den Zweigen mit den allerzauberischesten Toenen und die klingenden Silbergloeckchen an den Muetzen. Ein Mensch, der das nicht gesehen und gehoert, koenne sich gar keine Vorstellung davon machen. Als die Musik schwieg und der Tanz geendigt war (das mochte wohl die Zeit sein, die wir vier Uhr nachmittag nennen), verschwand das kleine lustige Voelkchen, die einen hiehin, die andern dahin, und jeder ging wieder an sein Werk und seine Lust. Des Abends ward nach dem Essen gewoehnlich ebenso gejubelt und getanzt. Des Nachts aber schluepften alle heraus aus den Bergen, besonders in schoenen, sternhellen Naechten, und wenn sie auf Erden etwas Besonderes zu tun hatten. Da ging aber der kleine Johann immer ruhig schlafen und hielt, wie es einem frommen christlichen Knaben geziemte, andaechtig sein Abendgebet, und auch des Morgens vergass er nie zu beten. Doch nun muss ich noch mehr erzaehlen von den Unterirdischen, ehe ich weiter melde, wie es unserm kleinen Johann Dietrich da unten die folgenden Wochen und Jahre ergangen ist. Dass solche kleine Unterirdische, die man mit vielen Namen auch wohl Braunchen, Weisschen, Elfen, Weisselfen, Schwarzelfen, Kobolde, Puke, Heinzlein, Trolle nennt, seit uralten Zeiten unter den Bergen und Huegeln wohnen und ihre wunderbaren kristallenen und glaesernen Haeuser haben, ist gewiss. Aber wie sie dahingekommen sind, und was es denn eigentlich fuer Geister sind, und wozu der liebe Gott sie eigentlich geschaffen hat, das hat uns bisher noch keiner sagen koennen. Sie sind wohl gleich den Seelen und Herzen der Menschen von sehr verschiedener Art, einige boes, andere gut, einige freundlich, andere neckisch; das wird aber von allen ohne Unterschied gesagt, dass sie sehr sinnreich und geschickt sind und die kuenstlichsten Werke und Geschmeide machen koennen, die ihnen kein Mensch nachmachen kann, und die von den Menschen deswegen oft fuer Zauberwerk und Hexenwerk gehalten werden. Alles, was ich hier erzaehle, hat Johann Dietrich mitgebracht und es seinen Freunden erzaehlt und seinen Kindern so hinterlassen. Von diesen haben es wieder andere gehoert, und so hat sich's weitererzaehlt bis diesen Tag. Die Unterirdischen, zu welchen Johann hinabgestiegen war, gehoerten zu den Braunen. Sie hatten auch kleine Schelmstreiche im Herzen, waren aber im ganzen doch gutmuetiger und froehlicher Art. Die Braunen hiessen sie, weil sie braune Jaeckchen und Roeckchen trugen und braune Muetzen auf dem Kopf mit silbernen Gloeckchen; einige trugen schwarze Schuh mit roten Baendern, die meisten aber feine glaeserne, und beim Tanze trugen sie alle keine anderen. Sie hatten ihre Haeuschen in den Bergen; aber damit waren sie sehr geheim, und Johann Dietrich, solange er bei ihnen gewesen, hat keine einzige ihrer Kammern gesehen. Er und der Diener hatten ihre Kammer hart bei der Stelle, wo der herrliche Speise- und Tanzsaal immer kam und verschwand; er hat auch an vielen andern Stellen schoene Hallen und offene Plaetze und liebliche Anger und Auen gesehen, aber nirgends Wohnungen; sondern die Kleinen waren immer nur einzeln oder scharweise da, entweder dass sie tanzten, lustwandelten oder auch geschwind voruebergingen. Und wie sie aus den Steinen, worin sie wohnen, herauskamen und wieder hinschwanden, das hat er mit seinen Augen nie sehen koennen, wie sehr er auch oft darauf gelauscht hat; sondern sie kamen vor seinen Augen und verschwanden wie Blitze und Scheine. Einige kleine Dirnen aber, die ihn lieb hatten, haben ihm zugefluestert: jeder habe sein eignes Haeuschen tief im Gestein, ein liebliches, helles, glaesernes Haeuschen; auch sei der ganze Berg durchsichtig von Anfang bis zu Ende und eigentlich rings mit Glas umwachsen; das sei aber seinen Augen zu sehen nicht moeglich. Von diesen kleinen Unterirdischen waren die groessten kaum einer Elle lang und die Knaben und Maedchen also gar klein; aber sie waren von Gestalt und Gebaerde freundlich und schoen, mit hellen, lichten Augen und mit gar feinen und anmutigen Haendchen und Fuesschen. Und eben durch diese Lieblichkeit und Freundlichkeit haben sie manches Menschenkind verfuehrt, dass es zu ihnen heruntergekommen ist ohne irgend ein Pfand und Zeichen und lange Jahre da hat bleiben und dienen muessen. Denn wenn man ein Pfand von ihnen hat, schadet es nichts, dass man mit in dem silbernen Toennchen hinabsteigt, und sie muessen einen immer wieder herauslassen. Sie geben aber nicht gern ein Pfand. Das kluegste und richtigste ist, dass man mit Listen ein Pfand von ihnen nimmt; denn dann muessen sie einem dienen, da sie sonst gern herrschen wollen. Denn sie sind sehr herrschsuechtig, und das ist eigentlich ihr Hauptfehler; vorzueglich herrschen sie gern ueber die Menschen und bilden sich etwas darauf ein, weil die soviel staerker und groesser sind, dass sie sie mit Listen zu ihren Dienern und Knechten machen. Das beste Pfand, das man von ihnen gewinnen kann und wodurch man am meisten Macht ueber sie bekommt, ist eine braune Muetze mit dem Gloeckchen; sehr gut ist auch ein glaeserner Schuh oder eine silberne Spange, womit sie ihren Leibguertel zu schliessen pflegen. Wer die hat, der hat aller Freuden Fuelle bei ihnen und ist ein grosser Gebieter. Ob sie auch sterben, das weiss man nicht, oder ob sie, wie einige erzaehlen, wann sie alt werden wollen, sich in Steine und Baeume verkriechen und so sich verwachsen und zu wundersamen Klaengen, Aechzern und Seufzern werden, die sich zuweilen hoeren lassen, ohne dass man weiss, woher sie kommen, oder zu abenteuerlichen Knorren und verflochtenen Schlingen, wodurch die Hexen schluepfen sollen, wann sie von dem wilden Jaeger gejagt werden. Eine Leiche von ihnen hat keiner gesehen, und wenn man sie darnach gefragt hat, haben sie immer so geantwortet, als verstanden sie das Wort gar nicht. Das ist gewiss, dass manche von ihnen ueber zweitausend Jahre alt sind. Da ist es denn kein Wunder, dass man so weise Leute unter ihnen findet. Sie haben einen grossen Vorteil voraus vor uns Menschenkindern, dass sie nicht noetig haben, fuer das taegliche Brot zu sorgen und zu arbeiten, denn Speise und Trank kommt ihnen von selber oder Gott weiss durch welche wundersame Kunst, und es fehlt nie Brot und Wein und Braten auf ihrem Tische. Auch sieht man dort unten, wo sie wohnen, und wo hin und wieder auch weite Fluren und Felder sind, nirgends Korn wachsen oder Vieh weiden oder Wild laufen, sondern bloss das Allerlustigste ist zum Genuss da, naemlich die schoensten Baeume und Reben, die mit den auserlesensten Fruechten und Trauben prangen; auch die lieblichsten Blumen in Menge, worauf so bunte Schmetterlinge flattern, als man in dem Lande der Sonne und des Mondes nimmer sieht; und die allerschoensten und schimmerndsten Voegel, die alle wie Paradiesvoegel und wie der Vogel Phoenix aussehen, wiegen sich in den Zweigen und singen suesse Lieder. Anderes Lebendiges sieht man dort nicht, wenn man das nicht etwas Lebendiges nennen will, dass hie und da aus den Kristallwaenden Quellen von Wein und Milch sich ergiessen. So scheint dies Voelkchen denn sehr gluecklich zu sein und bloss fuer die Freude und Lust geboren, und sie verstehen sich sehr wohl auf die Kunst, vergnuegt zu sein und ihr Leben lustig zu gebrauchen. Doch muss man nicht glauben, dass sie nichts weiter tun als Tafel, Spiel und Tanz halten, dann in ihre Kammern schluepfen und schlafen und etwa die Mitternaechte ueber der Erde verspielen--nein, sie sind wohl die allerregsamsten und allerfleissigsten Wesen, die man je gesehen hat. Niemand versteht so gut als sie das Innere der Erde und die geheimen Kraefte der Natur und was in Bergen und Steinen und Metallen waechst, und was in den Farben der Blumen und den Wurzeln der Baeume fuer Triebe lauschen. Denn ihre Sinne sind die allerklarsten und die allerfeinsten, viel feiner als des heitersten und hellesten Kindes, von Menschen geboren; denn auch unsere kleinen Kindlein haben wohl recht feine Sinne und Gedanken, welche die Erwachsenen nur nicht immer verstehen, weil diese meistens schon wieder durch Stein und Erde verhaertet und vergroebert sind. Die Unterirdischen haben viel Freude an Silber und Gold und edlen Steinen und machen die allerkuenstlichsten Arbeiten daraus, so dass die besten Meister hier oben erstaunen, wenn ein solches unterirdisches Werk hier mal gesehen wird. Deswegen nennen viele sie auch wohl Hueter des Goldes und des Silbers und meinen, dass sie von schlimmer Gier besessen und boese metallische Geister sind. Die meisten, die das sagen, tun ihnen aber unrecht, denn die weissen und braunen Unterirdischen sind wohl nicht so gierig. Sie verschenken ja soviel Schoenes an die Menschenkinder; das wuerden sie aber nicht tun, wenn sie das Gold und die Edelsteine zu lieb haetten. Sie haben es nur lieb wegen des Glanzes, denn Glanz und Licht lieben sie ueber alles in der Welt. Die mit den schwarzen Jacken und Muetzen sind aber wohl geizig und ueberhaupt von schlimmerer Natur als diese. Wie die Unterirdischen des Nachts aus ihren glaesernen Bergen schluepfen und im Mondschein und Sternenschein tanzen und sich erlustigen, habe ich schon erzaehlt. Sie koennen sich aber auch unsichtbar in die Haeuser der Menschen schleichen; denn wenn sie ihre Muetzen aufhaben, kann sie kein Mensch sehen, er habe denn selbst eine solche Muetze. Da sagen die Leute denn, dass sie allerlei Schalkereien treiben, die Kinder in den Wiegen vertauschen, ja gar wegstehlen und mitnehmen. Das ist aber gewiss nicht wahr von den Weissen und Braunen. Auch hat ihnen Gott ueber die Haeuser und Wohnungen der Menschen keine Gewalt gegeben, solcherlei schlimme Schalkerei zu treiben. Sie kommen wohl in die Haeuser der Menschen, sie koennen sich auch verwandeln, so dass kein Schluesselloch so klein ist, dass sie nicht hindurchschluepfen; aber sie tun den Menschen nichts Boeses, sondern wollen nur zuweilen sehen, was sie machen. Meistens bringen sie ihnen was Schoenes mit, besonders den Kindern, die sie sehr lieb haben. Und wann die Kinder beim Spielen Dukaten oder goldene Ringe gefunden haben, wie das wohl zuweilen geschieht, und mit zu Hause bringen, oder wenn kleine, zierliche Schuhe oder ein neues Kleidchen oder gruene Kraenzlein, wann sie erwachen, auf ihren Wiegen und Bettchen hangen, so haben das wohl nicht immer die himmlischen Englein getan, sondern oft auch die kleinen Unterirdischen. Das sagen aber viele Leute, die es wissen, dass sie oft unsichtbar um die Kinder sind und sie behueten, besonders damit sie nicht im Feuer und Wasser umkommen. Wenn sie ja jemand necken und schrecken, so sind es faule Knechte und schmutzige Maegde, die sie mit boesen Traeumen aengstigen, als Alp druecken, als Floehe stechen, als Hunde und Katzen ungesehen beissen und kratzen, oder es sind Diebe und Buhler, welchen sie, wenn sie des Nachts auf verbotenen Wegen schleichen, als Eulen in den Nacken stossen, oder die sie als Irrlichter in Suempfe und Moraeste locken oder gar ihren Verfolgern entgegenbringen. Aber das, denke ich, ist keine Suende. Die Schwarzjacken aber sind boesartig und ueben gern arge Tuecken. Die duerfen aber den Haeusern der Menschen nicht nahe kommen, auch ueberhaupt wenig auf der Erde sein, es sei denn in Wuesten und Einoeden, wohin selten Menschen kommen. Sie kommen auch nicht zu den Menschen, ausser wenn diese ihnen selbst die Gewalt ueber sich gegeben oder sich ihnen verpfaendet und verschrieben haben. Denn darauf sinnen diese schwermuetigen und grueblerischen Geister Tag und Nacht, wie sie arme Narren und listige Schelme verstricken und sich endlich an ihrer Not ergoetzen moegen. Und diese schwarzen sind auch nicht schoen wie die andern Unterirdischen, sondern grundhaesslich, haben truebe und triefende Augen wie die Koehler und Grobschmiede, sind stumm und heimlich bei ihrer Arbeit, leben einsam und hoechstens zu zweien und dreien und kennen keinen Tanz und Musik, sondern nur Geheul und Gewimmer. Und wenn es in Waeldern und Suempfen schreit wie eine Menge schreiender Kinder, oder wie ein Haufe Katzen miauen und eine Schar Eulen kreischen und wehklagen wuerde--das sind ihre naechtlichen Versammlungen, das ist ihre Musik, das sind sie. Doch haben die Menschen vor allen Unterirdischen ein Grauen, und das ist wohl natuerlich. Denn dem Menschen ist das Licht angeboren und die Liebe zu allem Lichten und Hellen, und es schaudert ihm vor dem Dunklen und Verborgenen und vor allen geheimen Kraeften, die unsichtbar umherschleichen und walten. Auch wissen sie ja, dass die Unterirdischen allenthalben sein und sich verwandeln und zaubern koennen. Freilich erzaehlt man vielmehr von ihren Zaubereien, als wahr ist; das meiste machen sie durch ihre Unsichtbarkeit und Kuenstlichkeit, wodurch sie so feine Arbeit als Spinnen und Wespen weben und wirken und den Menschen allerlei Gaukelei und Einbildung vormachen koennen. Und wenn sie ja viel zaubern, tun sie es mehr zur Freude und zum Spiel als zum Boesen. Die Schwarzen aber koennen auch hexen und sind schlimme Hexenmeister, und wenn die sich verwandeln, sind sie die scheusslichsten Tiere und Gewuerme, Baeren, Woelfe, Hyaenen, Tiger, Katzen, Schlangen, Kroeten, Skorpione, Kraehen und Eulen; und wehe den armen Menschen, die sich mit ihnen eingelassen haben! Denn von ihnen muss man dreifache Pfaender nehmen, und auch der Kluegste wird von ihnen betrogen, wenn er nicht kurzen Kauf mit ihnen haelt. Dass diese Hexenkappen und Nebelkappen weben, womit man sich unsichtbar machen und in einem Hui ueber Land und Meer fahren kann, das ist wahr. Dem Doktor Faust haben sie seinen Mantel gemacht, womit er in einer Sekunde von Strassburg nach Rom und von Mainz nach Paris gefahren ist. Aber wie ist es diesem armen Doktor Faust auch ergangen! Er ist mit diesen schwarzen Kuenstlern, weil er zu weise werden wollte, ein Schwarzkuenstler geworden und endlich zu dem Allerschwaerzesten gefahren. Die Schwarzen machen auch Zauberwaffen, Harnische, die gegen Stahl und Hieb fest sind, Degen, die nie Scharten bekommen koennen und vor welchen sein Helm und Panzer aushaelt, duenne Kettenhemde leicht wie Spinnweben, wodurch keine Kugel dringt. Der Gebrauch derselben ist aber sehr abgekommen, seit die meisten Menschen Christen sind, und war mehr in der heidnischen Zeit. Das ist einmal wahr, kuenstliche Schmiede und Waffenschmiede sind sie und wissen eine Haertung und zugleich eine Schmeidigung des Stahls, die ihnen kein irdischer Schmied nachmachen kann; denn ihre Klingen sind zugleich biegsam wie Rohrhalme und scharf wie Diamanten. Auch wirken sie noch viel anderes Zaubergeschmeide aus Stahl und Eisen, das zu mancherlei verborgenen Kuensten gebraucht wird und zum Teil die seltsamsten und unbegreiflichsten Eigenschaften hat. Die Braunen sind aber die Juweliere der Berge, die mehr in Gold und Silber und Edelsteinen arbeiten. Die feinsten und kuenstlichsten aller Unterirdischen sind die Weissen; die wirken ihre Arbeiten so fein und duenn wie die zartesten Blumen aus, so fein und zart, dass viele Augen sie gar nicht sehen koennen; und sie koennen aus Silber und Gold Roeckchen weben, von denen man schwoeren sollte, sie seien aus Sonnenstrahlen oder Mondschein gewebt; denn sie sind leichter als die leichtesten Spinnweben. Johann Dietrich kam die ersten Wochen, die er in dem glaesernen Berge verlebte, nicht weiter als in sein Kaemmerchen und von dem Kaemmerchen in den Speise- und Tanzsaal und wieder zurueck. Er konnte gar kein Ende finden, die schoenen und koestlichen Sachen zu betrachten und zu loben, die in seinem Zimmer und in dem Schraenkchen aufgestellt waren. Am meisten aber ergoetzte er sich an den schoenen Bildern und an seinem Buecherschranke, wo viele hundert der sauberst gebundenen Buecher mit goldenem Schnitte nebeneinander standen, und in welchen er die allerfeinsten und lustigsten Maerchen fand, an welchen er sich nicht satt lesen konnte. Als aber die ersten Wochen vergangen waren, da spazierte er oft aus und liess sich von seinem Diener alles zeigen und erzaehlen. Es gab da unten aber die allerlieblichsten Spaziergaenge nach allen Seiten hin, und er konnte viele Meilen weit wandeln, und sie nahmen kein Ende; und man sieht daraus, wie unendlich gross der Berg war, worin die Unterirdischen wohnten, und doch erschien die Spitze oben nur wie ein kleiner Huegel, worauf einige Baeume und Straeuche stehen. Und daraus kann man auch wissen, wieviele Meilen seine Tiefe nach unten hinabgehen musste. Das war aber das Besondere, dass zwischen jeder Au und jedem Anger, die man hier mit Huegeln und Baeumen und Blumen und Inseln und Seen durchsaeet in der groessten Mannigfaltigkeit hatte, gleichsam eine schmale Gasse war, durch welche man wie durch eine kristallene Felsenmauer gehen musste, bis man zu etwas Neuem gelangte. Die einzelnen Anger und Auen waren aber wohl oft eine Meile lang. Von den Baeumen habe ich schon erzaehlt, wie sie voll koestlicher Fruechte hingen, und von den Quellen, in welchen Milch und Wein aus den Felsen rieselte. Da konnten die Wanderer sich nie so weit vergehen, sie fanden immer, womit sie sich erquicken konnten. Aber das Allerlustigste waren die bunten Voegel, die immer von Zweig zu Zweig flatterten und wie tausend himmlische Nachtigallen sangen, und die Blumen, so wunderschoen von Farben und Dueften, dass Johann ihresgleichen nimmer auf Erden gesehen hatte. Kurz, es war hier alles zauberisch, lustig und anmutig und bei aller der Lust und dem Jubel ein so stilles Leben. Es wehete, und man fuehlte keinen Wind; es schien hell, und man fuehlte keine Hitze; die Wellen brauseten, und man fand keine Gefahr, sondern die niedlichsten Nachen und Gondeln, als schneeweisse Schwaene gestaltet, kamen, wann man ueber einen Strom wollte, von selbst ans Land geschwommen und fuehrten an das jenseitige Ufer, und ebenso fuehrten sie ueber die Seen zu den Inseln. Woher das alles kam, wusste niemand, und der Diener durfte es nicht sagen; das aber sah Johann wohl und konnte es mit Haenden greifen, dass die grossen Karfunkel und Diamanten, womit die hohe Decke statt des Himmels gewoelbt war, und womit alle Waende des Berges geschmueckt standen, fuer Sonne, Mond und Sterne leuchteten. Diese lieblichen Fluren und Auen waren meist einsam. Man sah wenige Unterirdische auf ihnen, und die man sah, schienen immer nur so vorueberzuschluepfen, als haetten sie die groesste Eile, davonzukommen. Selten geschah es, dass einige hier im Freien einmal einen Reigen auffuehrten, etwa zu dreien, hoechstens zu einem halben Dutzend: mehr hat Johann hier nie beisammen gesehen. Nur dann ging es lustig her, wann die Schar der Diener und Dienerinnen, die wohl ein paar Hundert sein mochten, ausgelassen und spazieren gefuehrt wurden. Das geschah aber alle Woche nur zweimal; meistens waren sie da drinnen in dem grossen Saale oder in den anstossenden Zimmern beschaeftigt oder mussten auch in der Schule sitzen. Das war hier auch noch besonders, dass, wie die Diamanten und Edelsteine oben die Sonne und den Mond und die Sterne vorstellen mussten, es hier eigentlich keine Jahreszeiten gab; sondern die Luft war immer gleich, d. h. es war jahraus, jahrein eine milde, linde Fruehlingsluft, von Bluetenatem durchwehet und von Vogelgesang durchklungen. Doch zwei Tageszeiten gab es, Tag und Nacht, und diese teilten sich wieder in vier Teile, in Morgen, Mittag, Abend und Nacht; doch war der Mittag nicht waermer als die anderen Tageszeiten. Das aber hatte es hier besonders, dass die Nacht nie so dunkel und der Tag nie so hell ward, als sie oben auf der Erde sind. Johann hatte viele Monate hier verlebt (ich glaube, es waren zehn), und sie waren ihm hingeschwunden wie ein Tag. Da begegnete ihm etwas, das ihn in die Schule brachte. Ich will erzaehlen, wie das zuging. Er wandelte einst nach seiner Gewohnheit mit seinem Diener herum. Da sah er in der Abenddaemmerung etwas Schneeweisses in eine kristallene Felswand hineinschluepfen und dann ploetzlich verschwinden. Und es hatte ihm gedeucht, dass es von den kleinen Leuten war und dass ihm auch schneeweisse Locken von den Schultern herabhingen. Er fragte denn seinen Begleiter: "Was war das? Gibt es auch unter euch, die in weissen Kleidern gehen wie die Diener und Dienerinnen, die ihr uns abgefangen habt?" Der Diener antwortete: "Ja, es gibt deren, aber wenige, und sie erscheinen nie bei dem Tanze noch an den grossen Tafeln ausser einmal im Jahre, wann des grossen Bergkoenigs, der viel tausend Meilen unter uns in der innersten Tiefe wohnt, Geburtstag ist. Darum hast du sie noch nie gesehen. Das sind die aeltesten Maenner unter uns, und einige von ihnen sind wohl manches Jahrtausend alt und wissen vom Anfange der Welt und vom Ursprung der Dinge zu erzaehlen und werden die Weisen genannt. Sie leben sehr einsam fuer sich und kommen nur aus ihren Kammern, dass sie unsere Kinder und die Diener und Dienerinnen unterweisen, fuer welche hier auch eine grosse Schule ist; sonst sind sie meist mit der Betrachtung der innerlichen und himmlischen Dinge und mit der Sternkunde und Alchemie beschaeftigt. "--"Was? Gibt es hier auch Schulen?" rief Johann. "Das ist nicht recht, Diener, dass du mir das verschwiegen hast; ich habe immer grosse Lust gehabt, in die Schule zu gehen und etwas Ordentliches zu lernen. "--"Das kannst du haben, wie du willst", antwortete der Diener; "du bist hier der Herr, und was du haben willst, muessen wir dir schon zu Gefallen tun. Du kannst dir einen der schneeweissen Weisen in die Kammer kommen lassen, wenn dir das gefaellt, oder kannst auch in eine der Schulen gehen."--"Das will ich gleich morgenden Tages tun", sprach Johann, "und ich will mit in die Schule gehen, wo die Diener und Dienerinnen unterwiesen werden. Denn ich will mit denen lernen, die auf der Erde geboren sind; ihr moechtet mir zu fein sein, und ich kaeme nicht mit, und der hinterste zu sein waere unlustig." Und gleich den andern Morgen liess Johann sich von dem Diener in die Schule fuehren, und es gefiel ihm da so gut, dass er nachher nie einen Tag versaeumt hat. Das ist naemlich sehr loeblich von den Unterirdischen, dass die Kinder, welche zu ihnen herabkommen, immer sehr gut unterwiesen werden, so dass sehr kluge und geschickte Leute aus den Bergen gekommen sind, Maenner und Frauen, die ihre Wissenschaft bei den Unterirdischen gelernt haben. Hier waren Meister in allerlei Kuensten. Die Kinder lernten schreiben, lesen, rechnen, zeichnen, malen, Geschichten und Maerchen aufschreiben und erzaehlen und wurden zugleich in mancherlei feiner und kuenstlicher Arbeit unterwiesen. Die Groesseren und Faehigeren erhielten auch Unterricht von der Natur und von den Gestirnen und wurden auch in der Dichtkunst und Raetselkunst geuebt, welche beiden Kuenste die Unterirdischen ueber alles lieben, und womit sie sich bei der Tafel und bei Festen untereinander viel reizen und ergoetzen. Der kleine Johann war sehr fleissig und ward bald einer der geschicktesten Zeichner und Maler; auch arbeitete er sehr fein in Silber und Gold und Stein, ja er konnte aus Stein zuletzt so feine Fruechte und Blumen wirken, dass man glauben sollte, der liebe Gott, der doch alles auf das schoenste und kuenstlichste geschaffen hat, koenne es kaum besser machen; er machte auch huebsche Reimlein, und im Raetselkampf war er so gewandt, dass er fast allen antworten konnte und ihm mancher die Antwort schuldig blieb. Manches liebe Jahr hatte Johann hier verlebt, ohne dass er an seine schoene Erde gedacht haette und an diejenigen, welche er dort oben zurueckgelassen hatte; so angenehm verfloss ihm die Zeit, und es waehrte nicht lange, dass er die Schule viel lieber hatte als den Tanzsaal und alle seine anderen Freuden. Auch hatte er hier unter den Kindern manchen lieben Gespielen und Gespielin gefunden. Nur war das betrueblich, dass diese gewisse Stunden immer dienen mussten und dann nicht mit ihm sein durften, obgleich sie keineswegs hart gehalten wurden und einen sehr leichten und meistens nur spielenden Dienst hatten, denn schwere und schmutzige und muehevolle Arbeit gab es hier unten gar nicht. Unter allen seinen Gesellen und Gesellinnen hatte Johann niemand lieber als ein kleines, blondes Maedchen, welches Lisbeth Krabbin hiess. Diese war mit ihm aus demselben Dorfe; es war die Tochter des Pfarrers Friedrich Krabbe in Rambin. Sie war als ein vierjaehriges Kind weggekommen, und Johann erinnerte sich wohl, wie sie ihm von ihr erzaehlt hatten. Sie war aber nicht gestohlen von den Unterirdischen, sondern einen Sommertag mit den andern Kindern ins Feld gelaufen. Sie waren zu den Neun Bergen gegangen; da war die kleine Lisbeth eingeschlafen und von den andern vergessen und des Nachts, als sie erwachte, unter die Unterirdischen und mit ihnen unter die Erde gekommen. Johann aber hatte sie nicht bloss deswegen so lieb, weil sie mit ihm aus einem Dorfe war, sondern Lisbeth war von Natur ein ausnehmend freundliches und liebes Kind mit hellblauen Aeuglein und blonden Loeckchen und dem allerenglischesten Laecheln, und als sie gross ward, war sie ausbuendig schoen. Mit diesem niedlichen Kinde hatte Johann hier seine Kinderjahre recht lustig verspielt und gar nicht mehr daran gedacht, dass da oben ueber den Bergen auch noch Leute wohnten. So war er achtzehn Jahre alt geworden und Lisbeth sechzehn. Und was bis jetzt ein unschuldiges Kinderspiel gewesen war, ward nun eine suesse Liebe. Sie konnten nicht mehr voneinander lassen und nannten sich Braut und Braeutigam und waren lieber allein als unter den andern Gespielen. Die Unterirdischen sahen das aber sehr gern, denn die hatten den Johann alle sehr lieb und haetten ihn gern auch als ihren Diener gehabt--denn Herrschsucht ist ihr Laster bei manchen Tugenden. Und sie dachten: "Durch diese huebsche Dienerin werden wir ihn fangen, und er wird sich um ihretwillen zuletzt wohl gefallen lassen, bei Tische aufzuwarten und Aepfel und Trauben von den Baeumen zu lesen und Blumen zu streuen und das Estrich zu kehren." Sie irrten sich aber sehr. Der kleine Diener, dem er die Muetze genommen und den die Langeweile oft bei ihm geplagt, hatte ihm zuviel erzaehlt: dass er hier nur das Befehlen habe und dass sie alles tun muessten, was er wolle; denn wer Meister von einem Unterirdischen geworden, sei dadurch auch soweit Meister aller uebrigen, dass sie ihm alles zu Gefallen tun muessen, was in ihrer Macht stehe. Johann ging nun viel spazieren mit seiner suessen, kleinen Braut und liess den Diener oft zu Hause, denn jetzt waren dort keine Wege und Stege mehr, die er nicht kannte. Und sie spazierten viel in der Daemmerung und oft bis in die sinkende Nacht hinein, ohne dass sie es merkten, wo ihnen die Zeit blieb; denn die Liebe ist eine Zeitdiebin, die ihresgleichen nicht hat. Der Johann war bei diesen Spaziergaengen immer froehlich und munter; aber die Lisbeth war oft stumm und traurig und erinnerte ihn oft des Landes da droben, wo die Menschen wohnen und Sonne, Mond und Sterne scheinen. Weil er das aber immer wegschob durch andere Gespraeche, so verstummte sie wieder und seufzte still in sich, vergass es endlich auch wohl wieder durch das Glueck, dass sie an seinen Armen wandeln durfte. Nun begab es sich einmal, dass sie bei einem Spaziergange ueber ihrer Liebe und dem lustigen Gekose und Gefluester derselben ganz der Zeit vergessen hatten und Gott weiss wie weit geschlendert waren. Es war schon nach Mitternacht, und sie waren zufaellig unter die Stelle gekommen, wo die Spitze des glaesernen Berges sich aufzutun und wo die Unterirdischen heraus und herein zu schluepfen pflegten. Als sie nun da wandelten, hoerten sie mit einem Male mehrere irdische Haehne laut kraehen. Bei diesem suessen Klange, den sie nun in zwoelf Jahren nicht gehoert hatte, ward der kleinen Lisbeth gar wundersam um das Herz; sie konnte sich nicht laenger halten, sie umfasste ihren Johann, als wollte sie ihn totdruecken, und netzte ihm mit heissen Traenen die Wangen. So hing sie lange sprachlos an seiner Brust; dann kuesste sie ihn wieder und bat ihn, dass er ihnen den unterirdischen Kerker doch aufschliessen sollte. Sie sprach ungefaehr also zu ihm: "Lieber Johann, es ist hier unten wohl schoen, und die kleinen Leute sind auch freundlich und tun einem nichts zuleide, aber geheimelt hat es mir hier nie, sondern ist doch immer schauerlich zumute gewesen, und eigentlich froh bin ich hier erst geworden, seit ich dich so lieb habe, und doch nicht recht froh, denn es ist hier doch kein rechtes Leben, wie es fuer Menschen sein soll. Ich habe hier doch keine Ruhe Tag und Nacht, und ich will es dir nun sagen, was ich immer verschwiegen habe: alle Nacht traeumt mir von meinem lieben Vater und von meiner Mutter und von unserm Kirchhofe, wo die Leute so andaechtig an den Kirchtueren stehen und auf den Vater warten; und mir ist es dann so sehnsuechtig im Herzen, dass ich Blut weinen moechte, weil ich nicht mit ihnen in die Kirche gehen und beten und Gott loben und preisen kann, wie Menschen sollen. Denn ein christliches Leben ist hier unten einmal nicht, sondern nur so ein buntes, kuenstliches in der Mitte, wobei einem doch nicht ganz wohl wird, weil es wohl halb heidnisch ist. Und, lieber Johann, auch das musst du bedenken, wir koennen hier ja nie Mann und Frau werden, denn es ist hier ja kein Priester, der uns vertrauen kann; und so muessen wir immerfort Brautleute bleiben und koennen alt und grau darueber werden. Darum denke darueber und mache Anstalt, dass wir von hier kommen; mich verlangt unbeschreiblich, wieder bei meinem Vater und unter frommen Christen zu sein." Auch fuer Johann hatten die Haehne ganz wunderbar gekraehet, und er empfand etwas, was er hier unten noch nie empfunden hatte, naemlich eine tiefe Sehnsucht nach dem schoenen Sonnenlande, und er antwortete seiner Braut: "Liebe, suesse Lisbeth, du ermahnest mich ganz recht! Ich empfinde nun auch, dass es Suende ist fuer Christen, hier zu bleiben, und mir ist im Herzen fast, als haette der Herr Christus uns mit diesem Hahnenkrei als mit seiner Liebesstimme gerufen: Kommt herauf, ihr Christenkinder, aus der Bezauberung und aus den Wohnungen der Verblendung! Kommt herauf an das Sternenlicht und wandelt wie die Kinder des Lichts! Ja, Lisbeth, mir ist zum erstenmal recht weh um das Herz geworden, und ich sehe wohl, dass es ein grosser Fuerwitz und eine schreckliche Suende war, dass ich so mit den Unterirdischen hinabgefahren bin. Das mag Gott meinen jungen Jahren vergeben, weil ich ein Kind war und nicht wusste, was ich tat. Und nun will ich auch keinen Tag laenger warten, sondern geschwinde Anstalt machen, dass ich fortkomme. Mich duerfen sie hier nicht halten." Und er war sehr bewegt in seiner Seele und fuehrte sein liebes Kind eilends von dannen. So trieb ihn der Vorsatz fort, der schon in ihm lebendig war. Er hatte aber nicht bemerkt, dass Lisbeth bei seinen letzten Worten totenblass geworden war, und wie schwer sie ihr aufs Herz gefallen waren; denn sie hatte vorher nicht bedacht, dass sie Dienerin war und ihre fuenfzig Jahre aushalten musste, und dass sie mit ihm nicht fort konnte. Und der Schmerz ward so gewaltig in ihr, dass sie endlich laut weinen und schluchzen musste und er sie nun fragte, was ihr sei; er wolle ja gern mit ihr fortziehen, ja durch die ganze Welt mit ihr, wohin sie wolle. Da antwortete sie ihm: "Ach! Du bist hier der Herr und kannst es; aber ich bin die Dienerin und muss nach dem strengen Gesetze, das hier gilt, aushalten, bis die fuenfzig Jahre um sind. Und was soll ich dann auf der Erde tun, wenn Vater und Mutter lange tot und die Gespielen alt und grau sind? Und du bist dann auch grau und alt; was kann es mir da helfen, dass ich hier jung bleibe und nicht aelter werden kann als zwanzig Jahre? Ach, ich arme Lisbeth!" Sie sprach diese Worte so klaeglich aus, dass sie einen Stein haetten ruehren koennen. Und in Johanns Ohren toenten sie wie Donnerschlaege, und er ward auch sehr traurig. Denn das fuehlte er wohl, ohne sie konnte er von hier nicht gehen--und er konnte doch in seiner Seele nirgends einen Ausweg finden. Sie schieden also, als sie heimgekommen waren, sehr traurig voneinander. Johann aber drueckte Lisbeths Hand an sein Herz und kuesste sie viel tausendmal und sagte ihr: "Nein, liebe Lisbeth, ohne dich geh ich nimmer von hier, das glaube mir!" Und Lisbeth ward sehr getroestet durch diese Worte. Johann waelzte sich die ganze Nacht auf seinen Kissen hin und her und konnte kein Auge zutun, denn die Gedanken liessen ihm keine Ruhe, sondern flogen, wie aufgescheuchte Voegel, hinter welchen der Falke ist, immer rundum in seiner Seele. Endlich, als der Morgen schon grauete, fuhr er geschwind aus dem Bette und sprang hoch auf vor Freuden und jauchzete in seiner Stube hin und her und schrie ueberlaut: "Nun hab' ich's! Nun hab' ich's! Diener! Diener! Du hast mir zuviel erzaehlt." Und er klingelte, und der Diener kam, und er befahl: "Diener, geschwind! Geschwind! Bringe mir Lisbeth!" Und in einigen Augenblicken war der Diener da und fuehrte die schoene Lisbeth an der Hand. Und er hiess den Diener hinausgehen und kuesste seine Lisbeth und sprach zu ihr: "Liebe Lisbeth, nun freue dich mit mir! Ich hab' es gefunden! Ich hab' es gefunden! Wir werden nun beide bald wieder zu Christen kommen, und sie koennen uns hier nicht festhalten. Verlass dich nur drauf, ich kann es machen. Und nun gehe, mein Herzchen, und sei froh." Und er kuesste sein liebes Kind, rief darauf dem Diener und hiess ihn die Lisbeth wieder heimfuehren und auf dem Rueckwege die sechs Vornehmsten zu ihm rufen. Der Diener aber verwunderte sich ueber diese Sendung, und die sechs wunderten sich noch mehr, als er ihnen die Mutung Johanns brachte, und munkelten und fluesterten untereinander, gingen aber mit ihm. Und als die sechse in Johanns Zimmer traten, empfing er sie sehr freundlich, denn es waren ja die, mit welchen er alle Tage zu Tische zu sitzen pflegte, und sprach also zu ihnen: "Liebe Herren und Freunde, euch ist wohl bewusst, auf welche Weise ich hierher gekommen bin, nicht als ein Gefangener und Ueberlisteter oder Diener, sondern als ein Herr und Meister ueber einen von euch und dadurch ueber alle; nur dass dieser eine immer mein leiblicher und stuendlicher, ja sekundlicher Diener sein muss. Ihr habt mich die zehn Jahre, welche ich bei euch lebe, wie einen Herrn empfangen und gehalten, und dafuer bin ich euch Dank schuldig. Ihr seid mir aber noch groessern Dank schuldig, denn ich haette euch mit allerlei Befehlen und Einfaellen manche Muehe und Arbeit, Neckerei und Plage antun, ja ich haette ein recht tueckischer und unfreundlicher Tyrann gegen euch sein koennen, und ihr haettet es alles in Gehorsam leiden und tun muessen und nicht mucksen duerfen. Ich habe das aber nicht getan, sondern mich wie euresgleichen aufgefuehrt und mehr mit euch gejubelt und gespielt, als dass ich unter euch geherrscht haette. Nun bitte ich euch, seid wieder freundlich gegen mich, wie ich gegen euch gewesen bin, und gewaehret mir eine Bitte. Es ist hier unter den Dienerinnen eine feine Dirne, die ich lieb habe, Lisbeth Krabbin aus Rambin, wo auch ich geboren bin. Diese gebt mir und lasset sie mit mir ziehen! Denn ich will nun wieder hinauf, wo die Sonne scheint und der Pflug ins Feld geht. Weiter begehre ich nichts, als dieses schoene Kind und den Geschmuck und das Geraet meines Zimmers mitzunehmen." So sprach er mit sehr lebendigem und kraeftigem Ton, dass sie den Ernst wohl fuehlten. Sie aber schlugen die verlegenen und bedenklichen Blicke zu Boden und schwiegen alle; darauf nahm der aelteste unter ihnen das leise Wort und lispelte: "Herr, du begehrst, was wir nicht geben koennen; es tut uns leid, dass du Unmoegliches verlangest. Es ist ein unverbruechliches Gesetz, dass nie ein Diener oder eine Dienerin entlassen werden kann von hier vor der bestimmten Zeit. Braechen wir das Gesetz, so wuerde unser ganzes unterirdisches Reich einen Fall tun. Sonst alles, denn du bist uns sehr lieb und ehrenwert; aber die Lisbeth koennen wir dir nicht herausgeben." "Ihr koennt die Lisbeth herausgeben, und ihr sollt sie herausgeben!" rief Johann im Zorn. "Nun geht und bedenkt euch bis morgen! Ich wisst meinen Befehl; es ist keine Bitte mehr. Morgen kommt zu dieser Stunde wieder. Ich will euch zeigen, ob ich ueber eure schmeichlischen und fuechsischen Listen herrschen kann." Die sechs verneigten sich und gingen; den begleitenden Diener aber schalten sie, dass er zuviel erzaehlt habe. Er aber entschuldigte sich und verneinte es und sagte: "Ich wisst ja, wie klug er mich ueberlistet hat mit der Muetze und wie er von den Geheimnissen unserer Herrschaft alles gewusst hat durch den alten Kuhhirten aus Rothenkirchen; er hat ihm dies auch erzaehlt." Und sie glaubten ihm und schalten ihn nicht mehr. Als die sechse den andern Morgen zur befohlenen Stunde wiederkamen, empfing Johann sie doch freundlich und sprach: "Ich habe euch gestern hart angeredet; aber ich habe es nicht so schlimm gemeint, als ich ausgesehen habe. Aber die Lisbeth will und muss ich haben; dabei bleibt es! Und ich weiss wohl, dass ihr auch mich nicht gern misset, weil ihr die Menschenkinder gern habet, besonders wenn sie freundlich und lustig sind, wie ich bin. Aber ich kann's nun einmal nicht helfen, ich muss wieder zu Christen und wie ein Christ leben und sterben, und es ist eine grosse Suende, wenn ich hier laenger saeume. Und deswegen verlasse ich euch, und nicht aus Widerwillen oder Hass. Und meine liebe Lisbeth will ich auch mitnehmen; dabei bleibt es! Und nun gebaerdet euch nicht laenger widerwaertig und widerspenstig und tut wie Freunde dem Freunde, was ihr sonst aus Not tun muesset und gebet mir die schoene Dirne heraus und lasset uns freundlich voneinander scheiden und hier und dort ein freundliches Andenken in den Herzen bewahren!" Und die sechs taten sehr freundlich und redeten nun einer nach dem andern und machten sehr schoene Wendungen und Schlingungen der Worte, womit sie ihn zu bestricken hofften, denn darin sind sie sehr geschickt. Auch hatten sie sich heute vorbereitet, dass sie wussten, was sie sprechen wollten. Aber es half ihnen nichts, und ihre Worte verflogen sich in den Winden und beruehrten Johann nicht staerker, als haetten sie Spreu aus dem Munde geblasen. Und das Ende vom Liede war wieder, nachdem er alle die schoenen und kuenstlichen Worte angehoert hatte: "Gebt die Lisbeth heraus! Ich gehe nicht ohne die Lisbeth." Denn Johann war zu sterblich verliebt, als dass er die schoene Dirne hier gelassen haette. Die sechs aber verweigerten es standhaft und gebaerdeten sich, als haetten sie recht und wuerden es nimmer tun. Johann aber sagte ihnen laechelnd: "Geht nun! Fahrt wohl bis morgen! Morgen seid ihr wieder zu dieser Stunde hier! Ich gebe euch nun das dritte und letzte Mal. Wollt ihr meinen Befehl dann nicht in Guete erfuellen, sollt ihr sehen, ob ich verstehe, Herr zu sein." Er hatte aber, da er sie so hartnaeckig sah, in sich beschlossen, sie durch Plagen zum Gehorsam zu zwingen, falls sie nicht unterdessen auf bessere Gedanken kaemen. Und sie kamen den dritten Morgen, und Johann sah sie mit ernstem und strengem Blick an und erwiderte ihre Verbeugungen nicht, sondern fragte kurz: "Ja oder nein?" Und sie antworteten einstimmig nein. Darauf befahl er dem Diener, er solle noch vierundvierzig der Vornehmsten rufen und solle ihre Frauen und Toechter mitkommen heissen und auch die Frauen und Toechter von diesen sechsen, die vor ihm standen. Und der Diener fuhr dahin wie der Wind, und in wenigen Minuten standen die vierundvierzig da mit ihren Frauen und Toechtern und auch die Frauen und Toechter der sechse, und waren in allem wohl fuenfhundert Maenner, Frauen und Kinder da. Und Johann liess sie hingehen und Hauen, Karsten und Stangen holen und dann flugs wiederkommen. Und sie taten, wie er befohlen hatte, und waren bald wieder da. Er aber gedachte sie nun zu plagen, damit sie aus Not taeten, was sie aus Liebe nicht tun wollten. Er fuehrte sie auf einen Felsenberg, der auf einem der Anger lag. Da mussten diese feinen und zarten Wesen, die fuer schwere Arbeit nicht geschaffen waren, Steine hauen, sprengen und schleppen. Sie taten das ganz geduldig und liessen sich nichts merken, sondern gebaerdeten sich, als sei es ihnen ein leichtes und gewohntes Spiel. Er aber liess sie sich plagen vom Morgen bis an den Abend, und sie mussten schwitzen und arbeiten, dass ihnen der Atem fast ausging, denn er stand immer dabei und trieb sie an. Sie aber hofften, er werde die Geduld verlieren, und der Jammer werde ihn ueberwinden, dass er sie und ihre Frauen und Kinder so bleich und welk werden sah, die sonst so schoen und lustig waren. Und wirklich war Johann zu keinem Koenig Pharao und Nebukadnezar geboren, denn nachdem er es einige Wochen so getrieben hatte, ging ihm die Geduld aus, und der Jammer, dass er die schoenen kleinen Menschen so misshandeln musste, tat auch sein Teil dazu. Sie aber wurden nicht muerb, denn es ist ein gar eigensinniges Voelkchen. Sie brauchten aber immer die List, dass die schoensten unter ihnen immer zunaechst bei Johann arbeiten mussten; besonders stellten sie die niedlichen, kleinen Dirnen dahin, die sonst seine Tischgesellinnen waren, und die mussten auf seine Mienen und Gebaerden achtgeben und hatten bald bemerkt, dass er sich oft verstohlen wegwendete und eine Traene aus den Augen wischte. Johann dachte nun darauf, wie er eine Plage erfaende, die ihn geschwinder zum Ziele fuehrte. Und er machte sich hart und gebaerdete sich noch viel haerter und rief sie einen Abend zusammen und sprach: "Ich sehe, ihr seid ein hartnaeckiges Geschlecht; so will ich denn viel hartnaeckiger sein, denn ihr seid. Morgen, wann ihr zur Arbeit kommt, bringe sich jeder eine neue Geissel mit!" Und sie gehorchten ihm und brachten die Geisseln mit. Und er hiess sie sich alle entkleiden und einander mit den Geisseln zerhauen, bis das Blut danach floss; und er sah grimmig und grausam dabei aus, als haette ihn eine Tigerin gesaeugt oder ein schwarzer Galgenvogel das Futter zugetragen. Aber die kleinen Leute zerhieben sich und bluteten und hohnlachten dabei und taten ihm doch nicht den Willen. So taten sie drei, vier Tage. Da konnte er es nicht laenger aushalten; es jammerte und ekelte ihn, und er hiess sie ablassen und schickte sie nach Hause. Und er dachte auf viele andere Plagen und Martern, die er ihnen antun koennte. Da er aber von Natur weich und mitleidig war und diese Wochen wirklich mehr ausgestanden hatte, dass er sie plagen musste, als sie, die geplagt wurden, so gab er den Gedanken daran ganz auf; fuer sich und fuer seine Lisbeth wusste er aber auch gar keinen Rat und ward so traurig, dass sie ihn oft troesten und aufrichten musste, der sonst immer so froehlich und beherzt war. So lieb er die kleinen Leute sonst gehabt hatte, so unlieb wurden sie ihm jetzt. Er schied sich ganz aus ihrer Gesellschaft und von ihren Festen und Taenzen und lebte einsam mit seiner Dirne und ass und trank einsam in seinem Zimmer, so dass er fast ein Einsiedler ward und ganz in Truebsinn und Schwermut versank. Als er einmal in dieser Stimmung in der Daemmerung spazierte, warf er im Unmut, wie man zu tun pflegt, kleine Steine, die ihm vor den Fuessen lagen, gegeneinander, dass sie zerspraengen. Vielleicht erquickte es seinen schweren Mut auch, dass er die Steine sich so aneinander zerschlagen sah, denn wenn ein Mensch in sich uneins und zerrissen ist, moechte er im Unmut oft die ganze Welt zerschlagen. Genug, Johann, der nichts Besseres tun mochte, zerwarf die armen Steine, und da geschah es, dass aus einem ziemlich grossen Stein, der auseinandersprang, ein Vogel schluepfte, der ihn erloesen sollte. Es war dies eine Kroete, deren Haus in dem Stein mit ihr gewachsen war, und die vielleicht seit der Schoepfung der Welt darin gesessen hatte. Kaum sah Johann die Kroete springen, so ward er ganz freudenfroh und sprang hinter sie drein und haschte sie und rief ein Mal ueber das andere: "Nun, hab' ich sie! Nun hab' ich meine Lisbeth! Nun will ich euch schon kirr machen, nun sollt ihr's kriegen, ihr tueckischen kleinen Gesellen! Habt ihr euch mit Ruten nicht wollen zum Gehorsam geisseln lassen, so will ich euch mit Kroeten und Skorpionen geisseln." Und er barg die Kroete wie einen kostbaren Schatz in seiner Tasche und lief eilends nach Hause und nahm ein festes, silbernes Gefaess und setzte sie darein, damit sie ihm nicht entrinnen koennte. Und in seiner Freude sprach er ueberlaut fuer sich viele Worte und gebaerdete sich so wunderlich, als sei er naerrisch geworden, und sprang dann ins Freie hinaus. "Komm mit, mein Voeglein", rief er, "nun will ich dich versuchen, ob du echt bist!" Und er nahm das Gefaess mit der Kroete unter den Arm und lief hin, wo ein paar Unterirdische in der Einsamkeit des Weges gingen. Und als er ihnen naeher kam, stuerzten sie wie tot auf den Boden hin und winselten und heulten jaemmerlich. Er aber liess flugs von ihnen und rief: "Lisbeth, Lisbeth, nun hab' ich dich! Nun bist du mein!" Und so stuermte er zu Hause, schellte den Diener herein und liess ihn Lisbeth holen. Und als Lisbeth kam, war sie ganz erstaunt, dass sie ihn so munter fand, denn seit einem halben Jahre hatte sie ihn nicht mehr froh gesehen. Und er lief auf sie zu und umhalsete sie und sprach: "Lisbeth! Suesse Lisbeth! Nun bist du mein, nun nehme ich dich mit; uebermorgen soll der Auszug sein, und juchhe, wie bald die lustige Hochzeit!" Sie aber erstaunte noch mehr und sagte: "Lieber Johann, du bist geck geworden? Wie soll das moeglich sein?" Er aber laechelte und sprach: "Ich bin nicht geck geworden, aber die kleinen Schlingel will ich geck machen, wenn sie sich nicht zum Ziele legen wollen. Sieh hier! Hier ist dein und mein Erloeser." Und er nahm das silberne Geschirr und oeffnete es und zeigte ihr die Kroete, vor deren Garstigkeit es ihr fast geschwunden haette. Nun erzaehlte er ihr, wie er zu dem seltenen Vogel gekommen war, und wie herrlich ihm die Probe geglueckt war, die er mit ihm an den Unterirdischen angestellt hatte, und wohlgefaellig rief er noch einmal: "Sei froh, meine liebe Lisbeth! Du sollst es sehen, wie ich sie mit dieser zu Paaren treiben will." Nun muss ich auch das Geheimnis erzaehlen, das in der Kroete steckte. Klas Starkwolt hatte dem kleinen Johann oft erzaehlt, dass die Unterirdischen keinen Gestank vertragen koennten, und dass sie bei dem Anblick, ja bei dem Geruch von Kroeten sogleich in Ohnmacht fielen und die entsetzlichsten Schmerzen litten; mit Gestank und mit diesen garstigen und scheusslichen Tieren koenne man sie zu allem zwingen. Daher findet man auch nie etwas Stinkendes in dem ganzen glaesernen Reiche, und die Kroeten sind dort etwas Unerhoertes, und man muss daher diese Kroete, die so wunderbar in einem Stein eingehaeuft und fast ebenso wunderbar aus diesem ihrem steinernen Hause herausgekommen war, fast ansehen als von Gott von Ewigkeit her zu solcher geheimen Wohnung verdammt, damit Johann und Lisbeth zusammen aus dem Berge kommen und Mann und Frau werden koennten. Johann und Lisbeth glaubten auch gern an ein solches Wunder, besonders Lisbeth, die Gottes liebes, frommes Kind war. Und als Johann ihr alles erzaehlt und erklaert hatte, was er ferner tun und wie er die Kleinen endlich zu seinem Willen zwingen wollte, da fiel sie ganz entzueckt und geruehrt auf ihr Gesichtchen zur Erde und betete und dankete Gott, dass er sie endlich von den kleinen Heiden erloesen und wieder zu Christenmenschen bringen wolle. Und sie ging ganz froehlich heim und faltete ihre Haendchen im Bette noch viel zum Gebete und hatte die Nacht die allersuessesten Traeume. Johann legte sich auch nicht traurig nieder, und er ueberdachte und ueberlegte sich alles, wie er die Kleinen erschrecken und endlich mit seiner geliebten Braut aus dem Berge ziehen wollte. Und den folgenden Morgen, als es getagt hatte, rief er seinen Diener und hiess ihn die fuenfzig Vornehmsten holen mit ihren Frauen und Toechtern. Und sie erschienen alsbald vor Johann, und er sprach zu ihnen: "Ihr wisset alle, und ist euch nicht verborgen, wie ich hierher gekommen bin, und wie ich diese manchen Jahre mit euch gelebt habe, nicht als ein Herr und Gebieter, sondern als ein Freund und Genosse. Und ich habe es wohl gewusst, wie ich haette Herr sein und meiner Herrschaft gegen euch gebrauchen koennen; und das habe ich nicht getan, sondern nur einen einzigen von euch hab' ich als Diener gebraucht, und auch nicht als Diener, sondern mehr als Freund. Und ihr schienet mit mir zufrieden zu sein und mich lieb zu haben; als es aber dahin gekommen ist, dass ich endlich eine einzige kleine Freundlichkeit von euch begehren musste, habt ihr euch gebaerdet, als forderte ich Leben und Reich von euch, und mir sie trotzig abgeschlagen. Ihr wisset auch, was ich da ergriffen habe, und wie ich angefangen habe, euch mit Arbeit und Streichen zu plagen, damit ihr einsaehet, dass ihr unrecht haettet, und mir die Liebe taetet. Aber ihr seid trotziger und hartnaeckiger gewesen, als ich strenge, und aus Barmherzigkeit habe ich ablassen muessen von der Strafe. Ihr habt das aber nicht erkannt, sondern habt mich ausgelacht als einen Dummen, der keinen Rat wisse, euch zum Gehorsam zu zwingen. Ich aber weiss wohl Rat und will es euch bald zeigen, wenn ihr in eurer Verstocktheit bleibet und mir die Lisbeth nicht losgeben wollt. Darum zum letzten Male, besinnet euch noch eine Minute, und sagt ihr dann nein, so sollt ihr die Pein fuehlen, die euch und euren Kindern von allen Peinen die fuerchterlichste ist!" Und sie saeumten nicht lange und sagten mit einer Stimme nein und dachten bei sich: "Welche neue List hat der Juengling erdacht, womit er so weise Maenner einzuschrecken meint?" Und sie laechelten, als sie nein sagten. Dies Laecheln aergerte Johann mehr als alles andere und voll Zorns rief er: "Nun denn, da ihr nicht hoeren wollt, sollt ihr fuehlen", und lief geschwind wie ein Blitz einige hundert Schritt weg, wo er das Gefaess mit der Kroete unter einem Strauch versteckt hatte. Und er kam zurueck, und als er sich ihnen auf hundert Meter genahet hatte, stuerzten sie alle hin, als waeren sie mit einem Schlage zugleich vom Donner geruehrt, und begannen zu heulen und zu winseln und sich zu kruemmen, als ob sie von den entsetzlichsten Schmerzen gefoltert wuerden. Und sie streckten die Haende aus und schrien einer um den andern: "Lass ab, Herr! Lass ab, und sei barmherzig! Wir fuehlen, dass du eine Kroete hast, und dass kein Entrinnen ist. Nimm die greulichen Plagen weg; wir wollen ja alles tun, was du befiehlst." Und er liess sie noch einige Sekunden zappeln; dann entfernte er das Gefaess mit der Kroete, und sie richteten sich wieder auf, und ihre Zuege erheiterten sich wieder, denn die Pein war weg, wie das Tier weggenommen war. Johann behielt nur die sechs Vornehmsten bei sich und liess die Weiber und Kinder und die uebrigen Maenner alle gehen, wohin jeder wollte. Zu den sechsen aber sprach er seinen Willen also aus: "Diese Nacht zwischen zwoelf und ein Uhr ziehe ich mit der Lisbeth von dannen, und ihr beladet mir drei Wagen mit Silber und Gold und edlen Steinen. Wiewohl ich alles nehmen koennte, was ihr in den Bergen habt, da ihr so widerspenstig und ungehorsam gegen mich gewesen seid, will ich euch doch so hart nicht strafen, sondern barmherziger gegen euch sein, als ihr gegen mich und die Lisbeth gewesen seid. Auch alle meine Herrlichkeiten und Kostbarkeiten und Bilder und Buecher und Geraete, die in meinem Zimmer sind, werden auf zwei Wagen geladen, also dass in allem fuenf Frachtwagen bereit gemacht werden. Mir selbst aber ruestet ihr den schoensten Reisewagen, den ihr in euren Bergen habt, mit sechs schwarzen Rappen, worauf ich und meine Braut sitzen und zu den Unsrigen einfahren wollen. Zugleich befehle ich euch, dass von den Dienern und Dienerinnen alle diejenigen freigelassen werden, welche solange hier gewesen sind, dass sie droben zwanzig Jahre und drueber alt sein wuerden; und ihr sollt ihnen soviel Silber und Gold mitgeben, dass sie auf der Erde reiche Leute heissen koennen. Und das soll kuenftig ein ewiges Gesetz sein, und ihr sollt mir es hier diesen Augenblick beschwoeren, dass nimmer ein Menschenkind hier laenger festgehalten werden soll als bis zu seinem zwanzigsten Jahre." Und die sechse leisteten ihm den Schwur und gingen dann traurig weg; er aber nahm jetzt die Kroete und vergrub sie tief in die Erde. Und sie und die uebrigen Unterirdischen ruesteten alles zu, und auch Johann und Lisbeth bereiteten sich zur Reise und schmueckten sich festlich gegen die Nacht, damit sie als Braut und Braeutigam erscheinen koennten. Es war aber jetzt beinahe dieselbe Zeit, in welcher er einst in den Berg hinabgestiegen war, die Zeit der laengsten Tage, also Mittsommerszeit, die sie die Sonnengicht nennen. Und er war etwas ueber zwoelf Jahre in dem Berge gewesen und Lisbeth etwas ueber dreizehn, und er ging in sein einundzwanzigstes Jahr und Lisbeth in ihr achtzehntes. Die kleinen Leute taten mit grossem Gehorsam, aber sehr still alles, wie er ihnen befohlen hatte; desto lauter aber war die Schar der Diener und Dienerinnen, welche sein neues Gesetz ueber das zwanzigste Jahr mit erloeset hatte. Diese jubelten um ihn und um seine Lisbeth her und freueten sich sehr, dass sie mit ihnen auf die Oberwelt ziehen durften. Und als alle Kostbarkeiten herausgeschafft und die erloeseten Diener und Dienerinnen hinaufgefahren waren, setzten Johann und seine Lisbeth sich zuletzt in die silberne Tonne und liessen sich hinaufziehen. Es mochte wohl eine Stunde nach Mitternacht sein. Und es deuchte ihnen ebenso als vormals, wie sie hinabgefahren waren. Sie waren von Jubel umrauscht und von Musik umtoent, und endlich klang es ueber ihren Koepfen, und sie sahen den glaesernen Berg sich oeffnen, und die ersten Himmelsstrahlen blinkten zu ihnen hinab nach so manchen Jahren, und bald waren sie draussen und sahen das Morgenrot schon im Osten daemmern. Johann sah eine Menge Unterirdischer, die um ihn und Lisbeth und die Wagen geschaeftig waren, dort hin und her wallen, und er sagte ihnen das letzte Lebewohl; dann nahm er seine braune Muetze, schwang sie dreimal in der Luft um und warf sie unter sie. Und in demselben Augenblick sah er nichts mehr von ihnen, sondern erblickte nun nichts weiter als einen gruenen Huegel und bekannte Buesche und Felder und hoerte die Glocke vom Rambiner Kirchturme eben zwei schlagen. Und als es still geworden war und er von dem unterirdischen und ueberirdischen Getummel nichts weiter hoerte als einige Lerchen, die ihre ersten Morgenlieder anstimmten, da fiel er mit seiner Lisbeth im Grase auf die Knie, und sie beteten beide recht andaechtig und gelobten Gott ein recht christliches Leben, weil er sie so wunderbar von den Unterirdischen errettet hatte. Und alle Diener und Dienerinnen, welche durch sie miterloeset waren, taten desgleichen. Darauf erhuben sie sich alle, und die Sonne ging eben auf, und Johann ordnete nun den Zug seiner Wagen. Voran fuhren zwei Wagen, jeder mit vier Rotfuechsen bespannt, die waren mit eitel Gold und Dukaten beladen, so schwer, dass die Pferde von der Last stoehneten; diesen folgte ein anderer Wagen mit sechs schneeweissen Pferden, welche alles Silber und Kristall zogen; hinter diesem fuhren zwei letzte Wagen, jeder mit vier Grauschimmeln bespannt, und diese waren mit den herrlichsten Geraeten und Gefaessen und Edelgesteinen und mit der Bibliothek Johanns beladen. Er mit seiner Braut fuhr zuletzt in einem offenen Wagen aus lauter gruenem Smaragd, dessen Decke und Vorderseite mit vielen grossen Diamanten besetzt waren, und sechs mutige, wiehernde Rappen zogen ihn. Er war aber nebst seiner Braut auf das kostbarste geschmueckt, damit sie den Ihrigen auch durch den Schmuck und die Pracht als ein rechtes Wunder Gottes kaemen. Denn beide waren von ihnen lange als tot betrauert und wer haette wohl gedacht, dass sie jemals wiederkommen wuerden? Die erloesten Diener und Dienerinnen in glaesernen Schuhen und weissen Kleidern und Jaeckchen mit silbernen Guerteln gingen vor und hinter und neben den Wagen und geleiteten sie; einige fuehrten auch die Pferde. Denn sie wollten sie alle bis Rambin begleiten und von da jeder seines Weges weiter ziehen. Es waren ihrer in allem zwischen fuenfzig und sechzig. Und sie jauchzeten vor Freuden, und einige, welche Geigen und Pfeifen und Trompeten mit hatten, spielten lustig auf. So zogen sie mit Jauchzen und Klingen die Huegel hinab auf die Strasse, welche von Rambin nach Garz fuehrt. Es war aber dem Johann und der Lisbeth gar wundersam zumute, als sie den Turm von Rambin wiedersahen und die Sturmweiden von Drammendorf und Giesendorf aus der Ferne, wo sie als Kinder soviel gespielt hatten. Als sie vor Rothenkirchen hinzogen, kam eben die Kuhherde ueber den Berg, und Klas Starkwolt mit seinem treuen Hurtig zog ihr langsamen Schrittes nach. Johann sah ihn und erkannte ihn stracks und dachte bei sich: "Den treuen Alten wirst du nicht vergessen." Und so zog er mit seiner Begleitung weiter, und alle Leute, die auf der Strasse waren, hielten oder standen still, und viele liefen ihnen nach, ja einige liefen voraus und meldeten in Rambin, welche blanke und praechtige Wagen dort auf der Landstrasse fuehren, und brachten das ganze Dorf auf die Beine. Der Zug ging aber sehr langsam wegen der schwer beladenen Wagen. So zogen sie etwa um vier Uhr morgens in Rambin ein und hielten still mitten im Dorf, etwa zwanzig Schritt von dem Hause, wo Johann geboren war. Und es war alles Volk zusammengelaufen und aus den Haeusern gegangen, damit sie die glaenzende Herrlichkeit mit eigenen Augen saehen. Johann entdeckte bald seinen alten Vater und seine Mutter und erkannte unter den vielen auch seinen Bruder Andres und seine Schwester Trine. Auch der alte Pfarrer Krabbe stand da in schwarzen Pantoffeln und einer weissen Schlafmuetze, wie er eben aus dem Bette gekommen war, und gaffte mit den andern; aber Lisbeth erkannt ihn nicht mehr, denn sie war zu klein gewesen, als sie in den Berg entfuehrt worden. So hielten sie etwa zehn Minuten still, ohne sich etwas merken zu lassen. Und man kann wohl sagen, dass in dem Dorfe Rambin nie eine solche Herrlichkeit erschienen war und auch nicht erscheinen wird bis an der Welt Ende. Johann und seine Braut funkelten von Diamanten und edlen Steinen; die Wagen, die Pferde, die Geschirre waren auf das praechtigste geziert, die Begleiter und Begleiterinnen alle in der Bluete der Jahre, mit den schoenen, weissen Kleidern angetan und den sonderbaren Muetzen und glaesernen Schuhen. Alles war wie aus einer andern Welt, so dass der Kuester, seines Handwerks ein Schuhmacher, der in seiner Jugendwanderschaft bis nach Moskau und Konstantinopel gekommen war, sagte: "Sind es keine tatarische und persische und asiatische Prinzen, so muessen sie vom Mond heruntergekommen sein, denn in dem Lande Europa habe ich dergleichen nie gesehen und bin doch auch in vielen Staedten gewesen, wo Kaiser und Koenige wohnen!" Der gute Kuester irrte sich aber; sie kamen weder aus Persien noch aus der Tatarei, sondern ganz aus der Naehe, aber freilich aus einer sehr wenig entdeckten Welt. Als Johann nun glaubte, es sei genug, und sie haetten ihre Augen bis zur Saettigung geweidet, sprang er rasch vom Wagen und hob sein schoenes Kind auch heraus und drang durch die Menge hin, die ihm ehrerbietig Platz machte. Und ohne sich lange zu besinnen, eilte er zu dem niedrigen, strohenen Haeuschen, wo Jakob Dietrich mit seiner Frau stand, und umhalsete sie beide und kuessete sie, die sich vor ihm zur Erde werfen und seine Knie kuesse wollten. Er aber wehrte ihnen und sprach: "Mitnichten! Das darf nicht sein! Kennt ihr mich denn nicht? Ich bin euer verlornen Sohn Johann Dietrich, und diese hier ist meine Braut." Und die beiden Alten erstaunten und wussten nicht, ob sie wachten oder traeumten; alles Volk aber, das dies sah und hoerte, verwunderte sich und rief: "Johann Dietrich, der verlorne Johann Dietrich ist von den Unterirdischen wiedergekommen, und seht, was er mitgebracht hat!" Johann Dietrich aber stand dort nicht lange muessig bei seinen Eltern, sondern, als er den alten Pfarrer Krabbe in der weissen Schlafmuetze erblickte, lief er eilends hin und holte ihn fast mit Gewalt herbei; denn der alte Mann wusste nicht, was der ungestueme Juengling im Sinn hatte. Und er fuehrte den alten, ehrwuerdigen Herrn zu Lisbeth und fragte ihn: "Kennst du diese?" Ehe er aber noch antworten konnte, zog er ihm Lisbeth in die Arme und sprach: "Dies ist deine verlorene Tochter und meine Braut, die bringe ich dir wieder. Und nun sollst du uns segnen und christlich zusammensprechen, da wir auf eine so wundersame Weise wieder zu den Unsern gekommen sind." Und der alte Mann war lange sprachlos und hing an der Brust seiner Lisbeth und weinte vor Freude; denn sie war sein einziges Kind, und er hatte sie lange als eine Tote beweint. Und als er sich besonnen hatte von dem ersten Erstaunen, nahm er die Haende seines Kindes und legte sie in die Haende Johanns und hiess Jakob Dietrich und seine Frau auch hinzutreten und sprach: "So segnet euch denn der Gott des Friedens und der Barmherzigkeit, der euch so wunderbar zusammengebracht hat, und lasse euch Kinder und Kindeskinder sehen und in seiner Furcht wandeln bis ans Ende eures Lebens! Siehe, ich preise ihn, dass er mich diesen Tag hat sehen lassen." Als dies vorbei und noch viel gefragt und erzaehlt war, und als die Nachbarn und die Gespielen und Gespielinnen sich den Johann und die Lisbeth wieder besehen und jeder auf seine Weise an seinen Zeichen wieder erkannt hatten, da gingen die beiden zu den Eltern in die Haeuser. Johann aber saeumte nicht mit der Hauptlust, mit der Hochzeit, die binnen acht Tagen sein sollte. Und er schickte viele hundert Wagen in den Wald, welche Baeume und Zweige in unendlicher Menge herbeifuhren. Und er liess viele Zimmerleute und Schreiner und Tapezierer kommen. Und wo jetzt das Kloster steht, einige hundert Schritt vor dem Dorfe, da liess er einen hohen und weiten Laubsaal bauen und von beiden Seiten Tische aufschlagen und in der Mitte eine Tanzbuehne, und der Saal war so gross, dass er wohl fuenftausend Menschen fassen konnte. Zu gleicher Zeit schickte er nach Stralsund und Greifswald und liess ganze Boete von Wein, Zucker und Kaffee laden; auch wurden ganze Herden Ochsen, Schweine und Schafe zur Hochzeit hergetrieben, und wieviele Hirsche, Rehe und Hasen dazu geschossen sind, das ist nicht zu sagen, sowenig als die Fische zu zaehlen sind, die dazu bestellt wurden. In ganz Ruegen und Pommern ist auch kein einziger Musikant geblieben, der nicht dazu verdungen wurde. Denn Johann war sehr reich und wollte seine Pracht sehen lassen. Auch hatte er das ganze Kirchspiel zur Hochzeit geladen und auch alle die schoenen, weissen Juenglinge und Jungfrauen dabehalten, die er erloeset hatte, und die nun seinen Ehrentag mitfeiern wollten. Dies war die Ordnung der Hochzeit: Als der Morgen angebrochen war, gingen alle Gaeste in die Kirche, und der alte Krabbe dankete Gott und erzaehlte die wunderbare Erhaltung und Errettung und Verlobung der Kinder; darauf segnete er sie ein und gab sie feierlich zusammen. Nun gingen sie in zierlicher Reihe alle in den grossen Laubsaal, so dass Jakob Dietrich und seine Frau Lisbeth zwischen sich fuehrten, Johann aber zwischen Vater Krabbe und seinem alten Klas Starkwolt ging. Denn diesen hatte er sogleich kommen lassen und ihn reichlich beschenkt, so dass er fuer seine uebrigen Lebenstage geborgen war; auch hatte er ihm die schoensten Hochzeitskleider anmessen lassen. Und Klas hatte ihm versprechen muessen, bei ihm zu bleiben und mit ihm zu leben, so oft und viel er wollte; und das hat er redlich gehalten. Nach diesen Ehrenpaaren folgten die feinen Weissen aus dem Berge Paar um Paar, und darauf die ganze uebrige Freundschaft, Nachbarschaft und Kirchspielschaft, nach Stand und Wuerden und Alter, wie es sich gebuehrte. Und sie hielten eine Hochzeit, wie sie in Rambin nie wieder gehalten worden, und wovon noch die Urenkel zu erzaehlen wissen. Vierzehn ausschlagene Tage und Naechte ist geschmaust und getanzt worden, und da hat man ueber vierzig Paare auf glaesernen Schuhen tanzen sehen, was seitdem etwas Unerhoertes gewesen. Und die Leute haben sich ueber die Taenzerinnen gewundert, so anmutigen Tanz haben sie gehalten; denn die Unterirdischen sind die ersten Tanzmeister in der Welt, und da hatten sie ja tanzen gelernt. Und als die Hochzeit vorbei war, da ist Johann herumgereist im Lande mit seiner schoenen Lisbeth, und sie haben sich viele Staedte und Doerfer und Gueter gekauft, und er ist Herr von beinahe ganz Ruegen geworden und ein sehr vornehmer Graf im Lande. Und auch der alte Jakob, sein Vater, ist ein Edelmann geworden, und Johanns Brueder und Schwestern haben Junker und Fraeulein geheissen. Denn was kann man sich nicht alles fuer Silber und Gold schaffen? Schier alles, nur nicht die Seligkeit; sonst haette der arme Mensch auf Erden auch gar keinen Trost. Johann aber hat in all seinem Reichtum nie vergessen, auf welche wunderbare Weise Gott seine Jugend gefuehrt hat, und ist ein sehr frommer, christlicher Mann gewesen. Und seine Frau Lisbeth ist noch fast frommer gewesen als er. Und beide haben Kirchen und Armen viel Gutes getan, auch selbst viele Kirchen gebauet und sind endlich, von allen, die sie kannten, gesegnet, seliglich im Herrn verschieden. Und diese Kirche, die jetzt in Rambin steht, hat der Graf Johann Dietrich auch bauen lassen und hat sie sehr reich beschenkt von seinem vielen Gelde. Und sie ist zum ewigen Andenken an seine Geburt da gebaut, wo Jakob Dietrichs Haeuschen gestanden hat. Und er hat viele kostbare Geraete dahin geschenkt, goldene Becher und silberne Schalen von der allerkuenstlichsten Arbeit, wie die Unterirdischen sie in ihren Bergen machen, nebst seinen und der Lisbeth glaesernen Schuhen, zum ewigen Andenken, was ihnen in der Jugend geschehen war. Diese sind aber weggekommen unter dem grossen Koenig Karolus XII. von Schweden, als die Russen hier auf die Insel kamen und schlimm hauseten. Da haben die Kosaken auch die Kirche gepluendert und das alles mitgenommen. So war der kleine Johann Dietrich aus einem armen Hirtenknaben ein reicher und vornehmer Herr geworden, weil er das Herz gehabt hatte, hinabzusteigen und sich die Schaetze zu holen. Aber viele sind schon dadurch reich geworden, dass sie nur irgendein Pfand von den Unterirdischen gewonnen haben. Dadurch haben sie sie soweit in ihre Macht gekommen, dass sie ihnen etwas haben schenken oder zuliebe tun muessen. Manchen schenken sie auch freiwillig etwas und lehren sie schoene Kuenste und allerlei Geheimnisse; aber diesen, die ein Pfand oder etwas Verlornes von ihnen haben, muessen sie aus Not dienstbar und gefaellig werden. Das Silbergloeckchen Ein Schaeferjunge zu Patzig, eine halbe Meile von Bergen, wo es in den Huegeln auch viele Unterirdische hat, fand eines Morgens ein silbernes Gloeckchen auf der gruenen Heide zwischen den Huenengraebern und steckte es zu sich. Es war aber das Gloeckchen von einer Muetze eines kleinen Braunen, der es da im Tanze verloren und nicht sogleich bemerkt hatte, dass es an dem Muetzchen nicht mehr klingelte. Er war nun ohne das Gloeckchen heruntergekommen und war sehr traurig ueber diesen Verlust. Denn das Schlimmste, was den Unterirdischen begegnen kann, ist, wenn sie die Muetze verlieren, dann die Schuhe. Aber auch das Gloeckchen an der Muetze und das Spaenglein am Guertel ist nichts Geringes. Wer das Gloeckchen verloren hat, der kann nicht schlafen, bis er es wiedergewinnt, und das ist doch etwas recht Betruebtes. Der kleine Unterirdische in dieser grossen Not spaehete und spuerte umher; aber wie sollte er erfahren, wer das Gloecklein hatte? Denn nur wenige Tage im Jahr duerfen sie an das Tageslicht hinaus, und dann durften sie auch nicht in ihrer wahren Gestalt erscheinen. Er hatte sich schon oft verwandelt in allerlei Gestalten, in Voegel und Tiere, auch in Menschen, und hatte von seinem Gloeckchen gesungen und geklungen und gestoehnt und gebruellt und geklagt und gesprochen; aber keine kleinste Kunde oder nur Spur von einer Kunde war ihm bis jetzt zugekommen. Denn das war das Schlimmste, dass der Schaeferjunge gerade den Tag, nachdem er das Gloeckchen gefunden, von Patzig weggezogen war und jetzt zu Unrow bei Gingst die Schafe huetete. Da begab es sich erst nach manchem Tag durch ein Ungefaehr, dass der arme kleine Unterirdische wieder zu seinem Gloeckchen und zu seiner Ruhe kommen sollte. Er war naemlich auf den Einfall gekommen, ob auch ein Rabe oder Dohle oder Kraehe oder Uglaster das Gloeckchen gefunden und etwa bei seiner diebischen Natur, die sich in das Blanke vergafft, in sein Nest getragen habe. Und er hatte sich in einen angenehmen, kleinen bunten Vogel verwandelt und alle Nester auf der ganzen Insel durchflogen und den Voegeln allerlei vorgesungen, ob sie ihm verraten moechten, dass sie den Fund getan haetten, und er so wieder zu seinem Schlaf kaeme. Aber die Voegel hatten sich nichts merken lassen. Als er nun des Abends flog ueber das Wasser von Ralow her ueber das Unrower Feld hin, weidete der Schaeferjunge, welcher Fritz Schlagenteuffel hiess, dort eben seine Schafe. Mehrere der Schafe trugen Glocken um den Hals und klingelten, wenn der Junge sie durch seinen Hund in den Trab brachte. Das Voegelein, das ueber sie hinflog, dachte an sein Gloecklein und sang in seinem traurigen Mut: Gloeckelein, Gloeckelein. Boeckelein, Boeckelein, Schaeflein auch du, Traegst du mein Klingeli, Bist du das reichste Vieh, Traegst meine Ruh. Der Junge horchte nach oben auf diesen seltsamen Gesang, der aus den Lueften klang, und sah den bunten Vogel, der ihm noch viel seltsamer vorkam. Er sprach bei sich: "Potztausend, wer den Vogel haette! Der singt ja, wie unsereiner kaum sprechen kann. Was mag er mit dem wunderlichen Gesange meinen? Am Ende ist es ein bunter Hexenmeister. Meine Boecke haben nur tonbackene Glocken, und er nennt sie reiches Vieh, aber ich habe ein silbernes Gloeckchen, und von mir singt er nichts!" Und mit den Worten fing er an, in der Tasche zu fummeln, holte sein Gloeckchen heraus und liess es klingen. Der Vogel in der Luft sah sogleich, was es war, und freute sich ueber die Massen; er verschwand aber in der Sekunde, flog hinter den naechsten Busch, setze sich, zog sein buntes Federkleid aus und verwandelte sich in ein altes Weib, das mit kuemmerlichen Kleidern angetan war. Die alte Frau, mit einem ganzen Sack voll Seufzer und Aechzer versehen, stuemperte sich quer ueber das Feld zu dem Schaeferbuben hin, der noch mit seinem Gloecklein klingelte und sich wunderte, wo der schoene Vogel geblieben war, raeusperte sich und tat einige Huster aus hohler Brust und bot ihm dann einen freundlichen guten Abend und fragte nach der Strasse zu der Stadt Bergen. Dann tat sie, als ob sie das Gloecklein jetzt erst erblickte, und rief: "Herre je, welch ein niedliches, kleines Gloeckchen! Hab' ich doch in meinem Leben nichts Feineres gesehen! Hoere, mein Soehnchen, willst du die Glocke verkaufen? Und was soll sie kosten? Ich habe ein kleines Enkelchen, fuer den waere sie mir eben ein bequemes Spielgeraet."--"Nein, die Glocke wird nicht verkauft!" antwortete der Schaeferknabe kurz abgebissen; "das ist eine Glocke, so eine Glocke gibt's in der Welt nicht mehr: wenn ich nur damit anklingele, so laufen meine Schafe von selbst hin, wohin ich sie haben will; und welchen lieblichen Ton hat sie! Hoert mal, Mutter", (und er klingelte) "ist eine Langeweile in der Welt, die vor dieser Glocke aushalten kann? Dann kann ich mir die laengste Zeit wegklingeln, dass sie in einem Hui fort ist." Das alte Weib dachte: "Wollen sehen, ob er Blankes aushalten kann?" und hielt ihm Silber hin, wohl drei Taler; er sprach: "Ich verkaufe aber die Glocke nicht." Sie hielt ihm fuenf Dukaten hin; er sprach: "Das Gloeckchen bleibt mein." Sie hielt ihm die Hand voll Dukaten hin; er sprach zum drittenmal: "Gold ist Quark und gibt keinen Klang." Da wandte die Alte sich und lenkte das Gespraech anderswohin und lockte ihn mit geheimen Kuensten und Segenssprechungen, wodurch sein Vieh Gedeihen bekommen koennte, und erzaehlte ihm allerlei Wunder davon. Da ward er luestern und horchte auf. Das Ende vom Liede war, dass sie ihm sagte: "Hoere, mein Kind, gib mir die Glocke; siehe, hier ist ein weisser Stock" (und sie holte ein weisses Staebchen hervor, worauf Adam und Eva sehr kuenstlich geschnitten waren, wie sie die paradiesischen Herden weideten, und wie die feistesten Boecke und Laemmer vor ihnen hintanzten; auch der Schaeferknabe David, wie er ausholt mit der Schleuder gegen den Riesen Goliath), "diesen Stock will ich dir geben fuer das Gloeckchen, und solange du das Vieh mit diesem Staebchen treibst, wird es Gedeihen haben, und du wirst ein reicher Schaefer werden; deine Haemmel werden immer vier Wochen frueher fett werden als die Haemmel aller andern Schaefer, und jedes deiner Schafe wird zwei Pfund Wolle mehr tragen, ohne dass man ihnen den Segen ansehen kann." Die alte Frau reichte ihm den Stock mit einer so geheimnisvollen Gebaerde und laechelte so leidig und zauberisch dazu, dass der Junge gleich in ihrer Gewalt war. Er griff gierig nach dem Stock und gab ihr die Hand und sagte: "Topp, schlag ein! Die Glocke ist dein fuer den Stock." Und sie schlug ein und nahm die Glocke und fuhr wie ein leichter Wind ueber das Feld und die Heide hin. Und er sah sie verschwinden, und sie deuchte ihm wie ein Nebel hinzufliessen und sanft fortzulaufen, und alle seine Haare richteten sich zu Berge. Der Unterirdische, der ihm die Glocke in der Verkleidung einer alten Frau abgeschwatzt, hatte ihn nicht betrogen. Denn die Unterirdischen duerfen nicht luegen, sondern das Wort, das sie von sich geben oder geloben, muessen sie halten; denn wenn sie luegen, werden sie stracks in die garstigsten Tiere verwandelt, in Kroeten, Schlangen, Mistkaefer, Woelfe und Luechse und Affen, und muessen wohl Jahrtausende in Abscheu und Schmach herumkriechen und herumstreichen, ehe sie erloest werden. Darum haben sie ein Grauen davor. Fritz Schlagenteuffel gab genau acht und versuchte seinen neuen Schaeferstab, und er fand bald, dass das alte Weib ihm die Wahrheit gesagt hatte, denn seine Herde und all sein Werk und seiner Haende Arbeit geriet ihm wohl und hatte ein wunderbares Glueck, so dass alle Schafherren und Oberschaefermeister diesen Jungen begehrten. Er blieb aber nicht lange Junge, sondern schaffte sich, ehe er noch achtzehn Jahre alt war, seine eigene Schaeferei und ward in wenigen Jahren der reichste Schaefer auf ganz Ruegen, so dass er sich endlich ein Rittergut hat kaufen koennen: und das ist Grabitz gewesen hier bei Rambin, was jetzt den Herren vom Sunde gehoert. Da hat mein Vater ihn noch gekannt, wie aus dem Schaeferjungen ein Edelmann geworden war, und hat er sich auch da als ein rechter, kluger und frommer Mann aufgefuehrt, der bei allen Leuten ein gutes Lob hatte, und der hat seine Soehne wie Junker erziehen lassen und seine Toechter wie Fraeulein, und es leben noch davon und duenken sich jetzt vornehme Leute. Und wenn man solche Geschichten hoert, moechte man wuenschen, dass man auch mal so etwas erlebte und ein silbernes Gloecklein faende, das die Unterirdischen verloren haben. Der glaeserne Schuh Ein Bauer aus Rothenkirchen, Johann Wilde genannt, fand einmal einen glaesernen Schuh auf einem der Berge, wo die kleinen Leute zu tanzen pflegen. Er steckte ihn flugs ein und lief weg damit und hielt die Hand fest auf der Tasche, als habe er eine Taube darin. Denn er wusste, dass er einen Schatz gefunden hatte, den die Unterirdischen teuer wiederkaufen muessten. Andere sagen, Johann Wilde habe die Unterirdischen mitternaechtlich belauert und einem von ihnen den Schuh ausgezogen, indem er sich mit einer Branntweinflasche dort hingestreckt und gleich einem Besoffenen gebaerdet habe. Denn er war ein sehr listiger und schlimmer Mensch und hatte durch seine Verschlagenheit manchen betrogen und war deswegen bei seinen Nachbarn gar nicht gut angeschrieben, und keiner hatte gern mit ihm zu tun. Viele sagen auch, er habe verbotene Kuenste gekonnt und mit den Unholden und alten Wettermacherinnen geheimen Umgang gepflogen. Als er den Schuh nun hatte, tat er es denen, die unter der Erde wohnen, gleich zu wissen, indem er um die Mitternacht zu den Neun Bergen ging und lauten Halses schrie: "Johann Wilde in Rothenkirchen hat einen schoenen glaesernen Schuh, wer kauft ihn? Wer kauft ihn?" Denn er wusste, dass der Kleine, der einen Schuh verliert, den Fuss solange bloss tragen muss, bis er in wiederbekommt. Und das ist keine Kleinigkeit, da die kleinen Leute meist auf harten und steinichten Boden treten muessen. Der Kleine saeumte auch nicht, ihn wieder einzuloesen. Denn sobald er einen freien Tag hatte, wo er an das Tageslicht hinaus durfte, klopfte er als ein zierlicher Kaufmann an Johann Wildens Tuere und fragte, ob er nicht glaeserne Schuh zu verkaufen habe? Denn die seien jetzt eine angreifische Ware und werden auf allen Maerkten gesucht. Der Bauer antwortete, er habe einen sehr kleinen, netten glaesernen Schuh, so dass auch eines Zwerges Fuss davon geklemmt werden muesse, und dass Gott erst eigene Leute dazu schaffen muesse; aber das sei ein seltener Schuh und ein kostbarer Schuh und ein teurer Schuh, und nicht jeder Kaufmann koenne ihn bezahlen. Der Kaufmann liess ihn sich zeigen und sprach: "Es ist eben nichts so Seltenes mit den glaesernen Schuhen, lieber Freund, als Ihr hier in Rothenkirchen glaubt, weil Ihr nicht in die Welt hinauskommet"; dann sagte er nach einigen Hms: "Aber ich will ihn doch gut bezahlen, weil ich gerade einen Gespann dazu habe." Und er bot dem Bauern tausend Taler. "Tausend Taler ist Geld, pflegte mein Vater zu sagen, wenn er fette Ochsen zu Markt trieb", sprach der Bauer spoettisch; "aber fuer den lumpigen Preis kommt er nicht aus meiner Hand, und mag er meinethalben auf dem Fusse von der Docke meiner Tochter prangen. Hoer' Er, Freund, ich habe von dem glaesernen Schuh so ein Liedchen singen hoeren, und um einen Quark kommt er nicht aus meiner Hand. Kann Er nicht die Kunst, mein lieber Mann, dass ich in jeder Furche, die ich auspfluege, einen Dukaten finde, so bleibt der Schuh mein, und Er fragt auf anderen Maerkten nach glaesernen Schuhen." Der Kaufmann machte noch viele Versuche und Wendungen hin und her; da er aber sah, dass der Bauer nicht nachliess, tat er ihm den Willen und schwur's ihm zu. Der Bauer glaubte ihm's und gab ihm den glaesernen Schuh; denn er wusste, mit wem er's zu tun hatte. Und der Kaufmann ging mit seinem Schuh weg. Und nun hat der Bauer sich flugs in seinen Stall gemacht und Pferde und Pflug bereitet und ist ins Feld gezogen und hat sich ein Stueck mit der allerkuerzesten Wendung ausgesucht, und wie der Pflug die erste Scholle gebrochen, ist der Dukaten aus der Erde gesprungen, und so hat er's bei jeder neuen Furche wieder gemacht. Da ist des Pfluegens denn kein Ende gewesen, und der Bauer hat sich bald noch acht neue Pferde gekauft und auf den Stall gestellt zu den achten, die er schon hatte, und ihre Krippen sind nie leer geworden von Hafer, damit er je alle zwei Stunden zwei frische Pferde anschirren und desto rascher treiben koennte. Und der Bauer ist unersaettlich gewesen im Pfluegen und ist immer vor Sonnenaufgang ausgezogen und hat oft noch nach der Mitternacht gepfluegt, und immerfort, immerfort, solange die Erde nicht zu Stein gefroren war, Sommer und Winter. Er hat aber immer allein gepfluegt und nicht gelitten, dass jemand mit ihm gegangen oder zu ihm gekommen ist; denn er wollte nicht sehen lassen, warum er so pfluegte. Und er ist weit geplagter gewesen als seine Pferde, welche den schoenen Hafer frassen und ordentlich Schicht und Wechsel hielten; und er ist bleich und mager geworden von dem vielen Wachen und Arbeiten. Seine Frau und Kinder haben keine Freude mehr an ihm gehabt; auf die Schenken und Gelage ist er nicht mehr gegangen und hat sich allen Leuten entzogen und kaum ein Wort mehr gesprochen, sondern ist stumm und in sich gekehrt so fuer sich hingegangen und hat des Tages auf seine Dukaten gearbeitet, und des Nachts hat er sie zaehlen und darauf gruebeln muessen, wie er noch einen geschwinderen Pflug erfaende. Und seine Frau und die Nachbarn haben ihn bejammert wegen seines wunderlichen Tuns und wegen seiner Stummheit und Schwermut und haben geglaubt, er sei naerrisch geworden; auch haben alle Leute seine Frau und Kinder bedauert, denn sie meinten, durch die vielen Pferde, die er auf dem Stalle hielt, und durch die verkehrte Ackerwirtschaft mit dem ueberfluessigen Pfluegen muesse er sich um Haus und Hof bringen. So ist es aber nicht ausgefallen. Aber das ist wahr, der arme Bauer hat keine vergnuegte Stunde mehr gehabt, seit er so die Dukaten aus der Erde pfluegte, und es hat wohl mit Recht von ihm geheissen: Wer sich dem Golde ergibt, ist schon halb in des Boesen Klauen. Auch hat er es nicht lange ausgehalten mit diesem Laufen in den Furchen bei Tage und Nacht. Denn als der zweite Fruehling kam, ist er eines Tages hinterm Pflug hingefallen wie eine matte Novemberfliege und vor lauter Golddurst vertrocknet und verwelkt, da er doch ein sehr starker und lustiger Mensch war, ehe er den unterirdischen Schuh in seine Gewalt bekam. Seine Frau aber fand nach ihm einen Schatz, zwei grosse vernagelte Kisten voll heller, blanker Dukaten. Und seine Soehne haben sich grosse Gueter gekauft und sind Herren und Edelleute geworden. So macht der Teufel zuweilen auch grosse Herren. Aber was hat das dem armen Johann Wilde gefrommt? Der Alte von Granitz Nicht weit von der Aalbeck liegt ein kleiner Hof namens Granitz unter der grossen waldigen Uferforst, welche auch die Granitz genannt wird. Auf diesem Hoefchen lebte vor nicht langen Jahren ein Herr von Scheele. Dieser war in seinen spaeteren Tagen in Truebsinn gesunken und sah fast keinen Menschen mehr, da er frueher ein sehr munterer und geselliger Mann und ein gewaltiger Jaeger gewesen war. Diese Einsamkeit des alten Mannes, sagen die Leute, kam daher, dass ihm drei schoene Toechter, die man die drei schoenen Blonden hiess, und die hier in des Waldes Einsamkeit unter Herden und Voegeln aufgewachsen waren, mit einem Male alle drei in einer Nacht davongegangen waren und nie wiedergekommen sind. Das hatte der alte Mann sich zu Gemuet gezogen und sich von der Welt und ihren lustigen Freuden abgewendet. Er hatte vielen Umgang mit den kleinen Schwarzen und war auch mancher Nacht ausser dem Hause, und kein Mensch wusste, wo er gewesen war; wenn er aber um die Morgendaemmerung heimkam, fluesterte er seiner Haushaelterin zu: "Pst! Pst! Ich habe heint an hoher Tafel geschmaust." Dieser alte Herr von Scheele pflegte seinen Freunden zu erzaehlen und bekraeftigte es wohl mit einem tuechtigen husarischen und weidmaennischen Fluche, in den Granitzer Tannen um die Aalbeck und an dem ganzen Ufer wimmele es von Unterirdischen. Auch hat er Leute, die er dort herum spazieren fuehrte, oft eine Menge kleiner Spuren gezeigt, wie von den allerkleinsten Kindern, die da im Sande von ihren Fuesschen einen Abdruck hinterlassen haetten, und ihnen ploetzlich zugerufen: "Horch! Wie es da wieder wispert und fluestert!" Ein ander Mal, als er mit guten Freunden laengs dem Meeresstrand gegangen, ist er wie in Bewunderung ploetzlich still gestanden, hat auf das Meer gezeigt und gerufen: "Da sind sie meiner Seele wieder in voller Arbeit, und viele Tausende sind um ein paar versunkene Stueckfaesser Wein beschaeftigt, die sie ans Ufer waelzen. Was wird das die Nacht ein lustiges Gelag werden!" Dann hat er ihnen erzaehlt, er koenne sie sehen bei Tage und bei Nacht, und ihm tun sie nichts, ja sie seien seine besonderen Freunde, und einer habe sein Haus einmal von Feuersgefahr errettet, da er ihn nach Mitternacht aus tiefem Schlafe aufweckte und ihm einen Feuerbrand zeigte, der vom Herde gefallen und schon anderes Holz und Stroh, das auf der Flur lag, anzuenden wollte. Man sehe beinahe alle Tage einige von ihnen am Ufer; bei hohen Stuermen aber, wo das Meer sehr tobe, seien sie fast alle da und lauern auf Bernstein und Schiffbrueche, und gewiss vergehe kein Schiff, von welchem sie nicht den besten Teil der Ladung bergen und unter der Erde in Sicherheit bringen. Und wie herrlich da unter den Sandbergen bei ihnen zu wohnen sei, und welche kristallene Palaeste sie haben, davon habe auch kein Mensch eine Vorstellung, der nicht da gewesen sei. Dieser alte Mann galt sonst fuer einen guten und freundlichen Mann, und kein Mensch hat ihm nachgesagt, dass er etwas tue, was einen Bund mit boesen Geistern verrate. Aber der Umgang mit den kleinen Schwarzen ist nicht immer so unschuldig. Davon gibt es auch eine Geschichte. Der Falscheid Bei dem Kirchdorfe Lancken unweit der Granitz wohnte ein Bauer namens Matthes Pagels, ein sinniger, fleissiger Mann, der sehr einsam und still lebte, und den die Leute fuer sehr reich hielten. Einige munkelten auch, er sei ein Hexenmeister. Aber mancher wird fuer einen Hexenmeister gehalten, der sein Geld durch die natuerlichste Hexerei erwirbt, dass er fleissig ist und gut aufpasst. Dieser Pagels war aber kein guter Mensch. Er bekam Streit mit einem seiner Nachbarn, weil dieser ihn beschuldigte, er pfluege ihm an einer Seite den Acker ab. Und der Bauer Pagels tat das wirklich; er fluchte und schwur aber, das ganze Ackerstueck gehoere ihm in seiner ganzen Breite, soweit er gepfluegt hatte, und noch zehn Schritte weiter bis zu der hohen Buche, die oben an dem Rain stand; und das wollte er durch Eid und Schriften beweisen. Und er hat es bewiesen durch Eid und Urkunden und ein Papier vorgebracht, wodurch der Acker sein geworden ist. Die Leute sagen aber, zwei von den kleinen Schwarzen, die ihm auch das Geld in das Haus getragen, haben das falsche Papier geschmiedet und in der grossen hoellischen Staatskanzlei des Teufels geschrieben und besiegelt. Matthes Pagels aber hat schon bei seinem Leben die Strafe dafuer gehabt, dass er weder Kraft noch Ruhe hatte vor seinen kleinen Geistern: jede Nacht um zwoelf Uhr musste er mit aller Gewalt aus dem Bette und auf dem Ackerstueck rundwandeln und auf die hohe Buche klettern und dort zwei volle Glockenstunden aushalten und frieren. Noch sieht man ihn zuweilen da als einen kleinen Mann im grauen Rocke mit einer weissen Schlafmuetze auf dem Kopfe; gewoehnlich sitzt er aber wie eine schneeweisse Eule auf dem Baume, sobald die Mitternacht vorbei ist, und schreit ganz jaemmerlich. Und kein Mensch kommt dem Baume gern zu nahe, und kein Pferd ist da auf dem Wege vorbeizubringen, sondern sie schnauben und blasen und baeumen sich und gehen auch mit dem besten Reiter durch und querfeldein. Als meine selige Mutter, die in Lancken geboren war, noch ein Kind war, sangen die Leute noch vom Matthes Pagels und seiner Buche: Pagels mit de witte Muetz, Wo koold un hoch is din Sitz! Up de hoge Boek Un up de kruse Eek Un achter'm hollen Tuun; Woruem kannst du nich ruhn? Daruem kann ick nich rasten: Dat Papier liggt im Kasten, Un mine arme Seel Brennt in de lichte Hoell. Rattenkoenig Birlibi Ich will die Geschichte erzaehlen von dem Rattenkoenig Birlibi, eine Geschichte, die mir Balzer Tievs aus Preseke oft erzaehlt hat nebst vielen andern Geschichten. Balzer war ein Knecht, der auf meines Vaters Hofe diente, als ich acht, neun Jahre alt war, ein Mensch von schalkischen Einfaellen, der viele Geschichten und Maerchen wusste. Die Geschichte von dem Rattenkoenig Birlibi lautet also: In dem stralsundischen Dorfe Altenkamp, welches zwischen Garz und Putbus seitwaerts am Strande liegt, hat vormals ein reicher Bauer gelebt, der hiess Hans Burwitz. Das war ein ordentlicher, kluger Mann, dem alles, was er angriff, geriet, und der im ganzen Dorfe die beste Wehr hatte. Er hatte sechzehn Kuehe, vierzig Schafe, acht Pferde und zwei Fuellen auf dem Stalle und in den Koppeln, glatt wie die Aale und von so guter Zucht, dass seine Fuellen auf dem Berger Pferdemarkt immer zu acht bis zehn Pistolen das Stueck bezahlt wurden. Dazu hatte er sechs huebsche Kinder, Soehne und Toechter, und es ging ihm so wohl, dass die Leute ihn wohl den reichen Bauer zu Altenkamp zu nennen pflegten. Dieser Mann ist durch naechtliche Gaenge im Walde um all sein Vermoegen gekommen. Hans Burwitz war auch ein starker Jaeger, besonders hatte er eine treffliche Witterung auf Fuechse und Marder und war deswegen oft des Nachts im Walde, wo er seine Eisen gelegt hatte und auf den Fang lauerte. Da hat er im Dunkeln und im Zwielichte der Daemmerung und des Mondscheins manche Dinge gesehen und gehoert, die er nicht wiedererzaehlen mochte, wie denn im Walde des Nachts viel Wunderliches und Absonderliches vorgeht; aber die Geschichte von dem Rattenkoenig Birlibi hat man von ihm erfahren. Hans Burwitz hatte in seiner Kindheit oft von einem Rattenkoenig erzaehlen hoeren, der eine goldene Krone auf dem Kopfe trage und ueber alle Wiesel, Hamster, Ratten, Maeuse und anderes dergleichen Springinsfeldisches und leichtes Gesindel herrsche und ein gewaltiger Waldkoenig sei; aber er hatte nie daran glauben wollen. Manches liebe Jahr war er auch im Walde auf Fuchs- und Marderfang und Vogelstellerei rundgegangen und hatte vom Rattenkoenig auch nicht das mindeste weder gesehen noch gehoert. Da mochte der Rattenkoenig aber wohl in einer anderen Gegend sein Wesen getrieben haben. Denn er hat viele Schloesser in allen Laendern unter den Bergen und zieht beinahe jedes Jahr auf ein anderes Schloss, wo er sich mit seinen Hofherren und Hofdamen erlustigt. Denn er lebt wie ein sehr vornehmer Herr, und der Grossmogul und Koenig von Frankreich kann keine bessere Tage haben, und die Koenigin von Antiochien hat sie nicht gehabt, die ihr Vermoegen in Herzen von Paradiesvoegeln und Gehirnen von Nachtigallen aufgefressen hat. Und das glaube nur nicht, dass dieser Rattenkoenig und seine Freunde Nuesse und Weizenkoerner und Milch je an ihren Schnabel bringen; nein, Zucker und Marzipan ist ihr taegliches Essen, und suesser Wein ist ihr Getraenk, und leben besser als Koenig Salomon und Feldhauptmann Holofernes. Nun ging Hans Burwitz wieder einmal nach Mitternacht in den Wald und war auf der Fuchslauer. Da hoerte er aus der Ferne ein vielstimmiges und kreischendes Getoese, und immer klang mit heller Stimme heraus: Birlibi! Birlibi! Birlibi! Da erinnerte er sich des Maerchens vom Rattenkoenig Birlibi, das er oft gehoert hatte, und er dachte: "Willst mal hingehen und zusehen, was es ist!" Denn er war ein beherzter Mann, der auch in der stockfinstersten Nacht keine Furcht kannte. Und er war schon auf dem Sprunge zu gehen, da bedachte er das Sprichwort: "Bleib weg, wo du nichts zu tun hast, so behaeltst du deine Nase"; aber das Birlibi toente ihm nach, solange er im Walde war. Und die andere Nacht und die dritte Nacht war es wieder ebenso. Er aber liess sich nichts anfechten und sprach: "Lass den Teufel und sein Gesindel ihr tolles Wesen treiben, wie sie wollen! Sie koennen dem nichts tun, der sich nicht mit ihnen abgibt." Wollte Gott, Hans haette es immer so gehalten! Aber die vierte Nacht hat es ihn uebermaechtigt, und er ist wirklich in die boesen Stricke geraten. Es ist der Walpurgisabend gewesen, und seine Frau hat ihn gebeten, er moege diese Nacht nur nicht in den Wald gehen, denn es sei nicht geheuer, und alle Hexenmeister und Wettermacherinnen seien auf den Beinen, die koennen ihm was antun; denn in dieser Nacht, die das ganze hoellische Heer loslasse, sei schon mancher Christenmensch zu Schaden gekommen. Aber er hat sie ausgelacht und hat es eine weibische Furcht genannt und ist seines gewoehnlichen Weges in den Wald gegangen, als die andern zu Bett waren. Da ist ihm aber der Koenig Birlibi zu maechtig geworden. Anfangs war es diese Nacht im Walde eben wie die vorigen Naechte, es tosete und laermte von fern, und das Birlibi klang hell darunter; und was ueber seinem Kopfe durch die Wipfel der Baeume schwirrte und pfiff und rauschte, das kuemmerte Burwitz nicht viel, denn an Hexerei glaubte er gar nicht und sagte, es seien nur Nachtgeister, wovor dem Menschen graue, weil er sie nicht kenne, und allerlei Blendwerke und Gaukeleien der Finsternis, die dem nichts tun koennen, der keinen Glauben daran habe. Aber als es nun Mitternacht ward und die Glocke zwoelf geschlagen hatte, da kam ein ganz anderes Birlibi aus dem Walde hervor, dass Hansen die Haare auf dem Kopfe kribbelten und sauseten und er davonlaufen wollte. Aber die waren ihm zu geschwind, und er war bald mitten unter dem Haufen und konnte nicht mehr heraus. Denn als es zwoelf geschlagen hatte, toente der ganze Wald mit einem Male wie von Trommeln und Pauken und Pfeifen und Trompeten, und es war so hell darin, als ob er ploetzlich von vielen tausend Lampen und Kerzen erleuchtet worden waere. Es war aber diese Nacht das grosse Hauptfest des Rattenkoenigs, und alle seine Untertanen und Leute und Mannen und Vasallen waren zur Feier desselben aufgeboten. Und es schienen alle Baeume zu sausen und alle Buesche zu pfeifen und alle Felsen und Steine zu springen und zu tanzen, so dass Hansen entsetzlich bange ward; aber als er weglaufen wollte, verrannten ihm so viele Tiere den Weg, dass er nicht durchkommen konnte und sich ergeben musste, stehenzubleiben, wo er war. Es waren da die Fuechse und die Marder und die Iltisse und Wiesel und Siebenschlaefer und Murmeltiere und Hamster und Ratten und Maeuse in so zahlloser Menge, dass es schien, sie waren aus der ganzen Welt zu diesem Feste zusammengetrommelt. Sie liefen und sprangen und huepften und tanzten durcheinander, als ob sie toll waren; sie standen aber alle auf den Hinterfuessen, und mit den Vorderfuessen trugen sie gruene Zweige aus Maien und jubelten und toseten und heulten und kreischten und pfiffen jeder auf seine Weise. Kurz, es war das ganze leichte Diebsgesindel der Nacht beisammen und machten gar ein scheussliches Gelaeute und Gebimmel und Getuemmel durcheinander. In den Lueften ging es ebenso wild als auf der Erde; da flogen die Eulen und Kraehen und Kaeuze und Uhus und Fledermaeuse und Mistkaefer bunt durcheinander und verkuendigten mit ihren gellenden und kreischenden Kehlen und mit ihren summenden und schwirrenden Fluegeln die Freude des hohen Tages. Als Hans erschrocken und erstaunt sich mitten in dem Gewimmel und Geschwirr und Getoese befand und nicht wusste, wo aus noch ein, siehe, da leuchtete es mit einem Male heller auf, und nun sangen viele tausend Stimmen zugleich, dass es in fuerchterlich grauslicher Feierlichkeit durch den Walde schallte und Hansen das Herz im Leibe bebte: Macht auf! Macht auf! Macht auf die Pforten! Und wallet her von allen Orten! Geladen seid ihr allzugleich; Der Koenig ziehet durch sein Reich. Ich bin der grosse Rattenkoenig. Komm her zu mir, hast du zu wenig! Von Gold und Silber ist mein Haus, Das Geld mess' ich mit Scheffeln aus. So klang es im feierlichen und langsamen Gesange fort, und dann schallten immer wieder einzelne kreischende und gellende Stimmen mit widerlichem Laute darunter Birlibi! Birlibi! Und die ganze Menge rief Birlibi! nach, dass es durch den Wald schallte. Und es war der Rattenkoenig, welcher einhergezogen kam. Er war ungeheuer gross wie ein Mastochs und sass auf einem goldenen Wagen und hatte eine goldene Krone auf dem Haupte und hielt ein goldenes Zepter in der Hand, und neben ihm sass seine Koenigin und hatte auch eine goldene Krone auf und war so fett, dass sie glaenzte; und sie hatten ihre langen kahlen Schwaenze hinter sich zusammengeschlungen und spielten damit, denn ihnen war sehr wohlig zumute. Und diese Schwaenze waren das Allerscheusslichste, was man da sah; aber der Koenig und die Koenigin waren auch scheusslich genug. Und der Wagen, worin sie sassen, ward von sechs magern Woelfen gezogen, die mit den Zaehnen fletschten, und zwei lange Kater standen als Heiducken hinten auf und hielten brennende Fackeln und miauten entsetzlich. Dem Rattenkoenig und der Rattenkoenigin war aber vor ihnen nicht bange; sie schienen hier zu gewaltige Herren und Koenige ueber alle zu sein. Es gingen auch zwoelf geschwinde Trommelschlaeger dem Wagen voran und trommelten. Das waren Hasen; die muessen die Trommel schlagen und andern Mut machen, weil sie selbst keinen haben. Hansen war schon bange genug gewesen; jetzt aber, als er den Rattenkoenig und die Rattenkoenigin und die Woelfe und Kater und Hasen so miteinander sah, da schauderte ihm die Haut auf dem ganzen Leibe, und sein sonst so tapferes Herz wollte fast verzagen, und er sprach bei sich: "Hier mag der Henker laenger bleiben, wo alles so wider die Natur geht! Ich habe auch wohl von Wundern gelesen und gehoert; aber sie gingen doch immer etwas natuerlich zu. Dass dies aber buntes Teufelsspiel ist und teuflisches Pack, sieht man wohl. Wer nur heraus waere!" Und Hans machte noch einen Versuch, sich heraus zu draengen; aber der Zug brauste immer frisch fort durch den Wald, und Hans musste mit. So ging es, bis sie an eine aeusserste Ecke des Waldes kamen. Da war ein offenes Feld und hielten viele hundert Wagen, die mit Speck und Fleisch und Korn und Nuessen und anderen Esswaren beladen waren. Einen jeden Wagen fuhr ein Bauer mit seinen Pferden, und die Bauern trugen die Saecke Korn und das Speck und die Schinken und Mettwuerste und was sie sonst geladen, hinab in den Wald, und als sie Hans Burwitz stehen sahen, riefen sie ihm zu: "Komm! Hilf auch tragen!" Und Hans ging hin und lud mit ab und trug mit ihnen; er war aber so verwirrt, dass er nicht wusste, was er tat. Es deuchte ihm aber in dem Zwielichte, als sehe er unter den Bauern bekannte Gesichter, und unter andern den Schulzen aus Krakvitz und den Schmied aus Casnevitz; er liess sich aber nichts merken, und jene taten auch wie unbekannte Leute. Mit den Bauern aber hatte es die Bewandnis: sie hatten sich dem Rattenkoenig und seinem Anhange zum Dienst ergeben und mussten ihnen in der Walpurgisnacht, wo des Rattenkoenigs grosses Fest steht, immer den Raub zu dem Walde fahren, den Rattenkoenigs Untertanen einzeln aus allen Orten der Welt zusammengemaust und zusammengestohlen hatten. Und Hans kam nun auch ganz unschuldig dazu und wusste nicht wie. Sowie die Saecke und das andere in den Wald getragen wurden, war das wilde Diebsgesindel darueber her, und es ging Grips! Graps! und Rips! Raps! hast du mir nicht gesehen, und jeder griff zu und schleppte sein Teil fort, so dass ihrer immer weniger wurden. Der Koenig aber hielt noch da in seinem hohen und praechtigen Wagen, und es tanzeten und toseten und laermten noch einige um ihn. Als aber alle Wagen abgeladen waren, da kamen wohl hundert grosse Ratten und gossen Gold aus Scheffeln auf das Feld und auf den Weg und sangen dazu: Haende her! Muetzen her! Wer will mehr? Wer will mehr? Lustig! Lustig! Heut geht's toll, Lustig! Haend' und Muetzen voll! Und die Bauern fielen wie die hungrigen Raben ueber das ausgeschuettete Gold her und griffelten und graffelten und draengten und stiessen sich, und jeder raffte so viel auf von dem roten Raube, als er habhaft werden konnte, und Hans war auch nicht faul und griff ruestig mit zu. Und als sie in bester Arbeit waren wie Tauben, worunter man Erbsen geworfen, siehe, da kraehete der Morgenhahn, wo das heidnische und hoellische Reich auf der Erde keine Macht mehr hat--und in einem hui war alles verschwunden, als waere es nur ein Traum gewesen, und Hans stand ganz allein da am Walde. Und der Morgen brach an, und er ging mit schwerem Herzen nach Hause. Er hatte aber auch schwere Taschen und schoenes rotes Gold darin; das schuettete er nicht aus. Seine Frau war ganz aengstlich geworden, dass er so spaet zu Hause kam, und sie erschrak, als sie ihn so bleich und verstoert sah, und fragte ihn allerlei. Er aber fertigte sie nach seiner Gewohnheit mit Scherz ab und sagte ihr nicht ein Sterbenswoertchen von dem, was er gesehen und gehoert hatte. Hans zaehlte sein Gold (es war ein huebsches Haeuflein Dukaten), legte es in den Kasten und ging die ersten Monate nach diesem Abenteuer nicht in den Wald. Er hatte ein heimliches Grauen davor. Dann vergass er, wie es dem Menschen geht, die Walpurgisnacht und ihr schauerliches und greuliches Getuemmel allmaehlich und ging nach wie vor im Mond- und Sternenschein auf seinen Fuchs- und Marderfang. Von dem Rattenkoenig und seinem Birlibi sah und hoerte er nichts mehr und dachte zuletzt selten daran. Aber als es gegen den Fruehling ging, veraenderte sich alles; er hoerte zuweilen um die Mitternacht wieder das Birlibi klingen, dass seine mattesten Haare auf dem Kopfe ihm lebendig wurden, und lief dann zwar immer geschwinde aus dem Walde, hatte aber dabei doch seine heimlichen Gedanken auf die Walpurgisnacht; und weil das, was die Menschen bei Tage denken, ihnen bei Nacht im Traume wiederkommt und allerlei spielt und spiegelt und gaukelt, so blieb auch der Rattenkoenig mit seiner Nachtgaukelei nicht aus, und Hans traeumte oft, als stehe der Rattenkoenig vor seiner Tuere und klopfe an; und er machte ihm dann auf und sah ihn leibhaftig, wie er damals in dem Wagen gesessen, und er war nun ganz von lauterem Golde und auch nicht so haesslich, als er ihm damals vorgekommen, und Rattenkoenig sang ihm mit der allersuessesten Stimme, von der man nicht glauben wollte, dass eine Rattenkehle sie haben koennte, den Vers vor: Ich bin der grosse Rattenkoenig. Komm her zu mir, hast du zu wenig! Von Gold und Silber ist mein Haus, Das Geld mess' ich mit Scheffeln aus. Und dann kam er dicht zu ihm heran und fluesterte ihm ins Ohr: "Du kommst doch wieder zur Walpurgisnacht, Hans Burwitz, und hilfst Saecke tragen und holst dir deine Taschen voll Dukaten?" Zwar hatte Hans, wann er aus solchen Traeumen erwachte, neben der Freude ueber das Gold immer ein Grauen, und er sprach dann wohl: "Warte nur, Prinz Birlibi, ich komme dir nicht zu deinem Feste!" Aber es ging ihm, wie es andern Leuten auch gegangen ist, und das alte Sprichwort sollte an ihm auch wahr werden: Wen der Teufel erst an einem Faden hat, den fuehrt er auch wohl bald am Strick. Genug, je naeher die Walpurgisnacht kam, desto mehr wuchs in Hans die Gier, auch dabei zu sein. Doch nahm er sich fest vor, dem Boesen diesmal nicht den Willen zu tun, und ging den Walpurgisabend auch gluecklich mit seiner Frau zu Bett. Aber er konnte nicht einschlafen; die Wagen mit den Saecken und die Bauern und die grossen Ratten, die das Gold aus Scheffeln auf den Boden schuetteten, fielen ihm immer wieder ein, und er konnte es nicht laenger aushalten im Bette, er musste aufstehen und sich von der Frau fortschleichen und in den finstern Wald laufen. Und da hat er diese zweite Nacht ebenso wieder erlebt als das erstemal. Er hatte sich ein Saeckchen mitgenommen fuer das Gold und hatte auch viel reichlicher eingesammelt als das vorige Jahr. Nun deuchte ihm, habe er des Goldes genug, und er tat einen hohen Schwur, er wolle sich nimmer wieder in die Versuchung geben und auch nie wieder in den Wald gehen. Und er hat den Schwur gehalten und sich selbst ueberwunden, dass er nicht in den Wald gegangen ist und keine Walpurgisnacht wieder mitgehalten hat, so oft ihm auch noch von dem Birlibi und dem goldenen Rattenkoenige getraeumt hat. Er hat das aber nicht in seinem Herzen sitzen lassen, sondern hat es mit eifrigem Gebet wieder ausgetrieben und den Boesen endlich mued, gemacht, dass er von ihm gewichen ist. So war manches Jahr vergangen, und Hans hiess ein sehr reicher Mann. Er hatte sich fuer seine Dukaten Doerfer und Gueter gekauft und war ein Herr geworden. Es munkelte auch unter den Leuten, es gehe nicht mit rechten Dingen zu mit seinem Reichtum; aber keiner konnte ihm das beweisen. Aber endlich ist der Beweis gekommen. Der Boese lauerte auf den armen Mann, an dem er schon einige Macht gewonnen hatte. Er war ergrimmt auf ihn, weil er von seinen hohen Festen in der Walpurgisnacht ganz ausblieb, und als Hans einmal wieder mit suendlicher Luesternheit an das Goldsammeln gedacht und darueber das Abendgebet vergessen, auch einige unchristliche Flueche ueber eine Kleinigkeit getan hatte, hat er mit seinem Gesindel hervorbrechen koennen, und Hans hat nun gelernt, was das goldene Spielwerk des Koenigs Birlibi eigentlich auf sich habe. Seit dieser Zeit hat Hans weder Stern noch Glueck mehr in seiner Wirtschaft gehabt. Wieviel er sich auch abmattete, er konnte nichts mehr vor sich bringen, sondern es ging von Tage zu Tage mehr rueckwaerts. Seine aergsten Feinde aber waren die Maeuse, die ihm im Felde und in den Scheunen das Korn auffrassen, die Wiesel, Ratten und Marder, die ihm die Huehner, Enten und Tauben abschlachteten, die Fuechse und Woelfe, die seine Laemmer, Schafe, Fuellen und Kaelber holten. Kurz, das Gesindel hat es so arg gemacht, dass Hans in wenigen Jahren um Gueter und Hoefe, um Pferde und Rinder, um Schafe und Kaelber gekommen ist und zuletzt nicht ein einziges Huhn mehr hat sein nennen koennen. Er hat als ein armer Mann mit dem Stock in der Hand nebst Weib und Kindern von Haus und Hof gehen und sich auf seinen alten Tagen als Tageloehner ernaehren muessen. Da hat er oft die Geschichte erzaehlt, wie er zu dem Reichtum gekommen und aus dem Bauern ein Edelmann geworden ist, und hat Gott gedankt, dass er Ratten und Maeuse als seine Bekehrer geschickt und ihn so arm gemacht hat. "Denn sonst", hat der arme Mann gesagt, "Waere ich wohl nicht in den Himmel gekommen, und der Teufel haette seine Macht an mir behalten, und ich haette dort jenseits endlich auch nach des Rattenkoenigs Pfeife tanzen muessen." Das hat er auch dabei erzaehlt, dass solches Gold, das man auf eine so wundersame und heimliche Weise gewinne, doch keinen Segen in sich habe; denn ihm sei bei allen seinen Schaetzen doch nie so wohl ums Herz gewesen als nachher in der bittersten Armut; ja, er sei ein elenderer Mann gewesen, da er als Junker mit Sechsen gefahren, als nachher, da er oft froh gewesen, wenn er des Abends nur Salz und Kartoffeln gehabt habe. Das brennende Geld Drei Bauern kamen eine Herbstnacht oder vielmehr frueh, als es mehr gegen den Morgen ging, von einer Hochzeit aus dem Kirchdorf Lancken geritten. Sie waren Nachbarn, die in einem Dorfe wohnten, und ritten des Weges miteinander nach Hause. Als sie nun aus einem Walde kamen, sahen sie an einem kleinen Busche auf dem Felde ein grosses Feuer, das bald wie ein gluehender Herd voll Kohlen glimmte, bald wieder in hellen Flammen aufloderte. Sie hielten still und verwunderten sich, was das sein moege, und meinten endlich, es seien wohl Hirten und Schaefer, die es gegen die Nachtkaelte angezuendet haetten. Da fiel ihnen aber wieder ein, dass es am Schlusse Novembers war, und dass in dieser Jahreszeit keine Hirten und Schaefer im Felde zu sein pflegen. Da sprach der juengste von den dreien, ein frecher Gesell: "Nachbarn, hoert! Da brennt unser Glueck! Und seid still und lasset uns hinreiten und jeden seine Taschen mit Kohlen fuellen; dann haben wir fuer all unser Leben genug und koennen den Grafen fragen, was er fuer sein Schloss haben will." Der aelteste aber sprach: "Behuete Gott, dass ich in dieser spaeten Zeit aus dem Wege reiten sollte! Ich kenne den Reiter zu gut, der da ruft: Hoho! Hallo! Halt den Mittelweg!" Der zweite hatte auch keine Lust. Der juengste aber ritt hin, und was sein Pferd auch schnob und sich wehrte und baeumte, er brachte es an das Feuer, sprang ab und fuellte sich die Taschen mit Kohlen. Die andern beiden hatte die Angst ergriffen, und sie waren im sausenden Galopp davongejagt, und er liess sie auch ausreissen und holte sie dicht vor Vilmnitz wieder ein. Sie ritten nun noch ein Stuendchen miteinander und kamen schweigend in ihrem Dorfe an, und keiner konnte ein Wort sprechen. Die Pferde waren aber schneeweiss von Schaum, so hatten sie sich abgelaufen und abgeaengstigt. Dem Bauer war auch ungefaehr so zumute gewesen, als habe der Feind ihn schon beim Schopf erfasst gehabt. Es brach der helle, lichte Morgen an, als sie zu Hause kamen. Sie wollten nun sehen, was jener gefangen habe, denn seine Taschen hingen ihm schwer genug hinab, so schwer, als seien sie voll der gewichtigsten Dukaten. Er langte hinein, aber au weh! er brachte nichts als tote Maeuse an den Tag. Die andern beiden Bauern lachten und sprachen: "Da hast du deine ganze Teufelsbescherung! Die war der Angst wahrhaftig nicht wert!" Vor den Maeusen aber schauderten sie zusammen, versprachen ihrem Gesellen jedoch, keinem Menschen ein Sterbenswort von dem Abenteuer zu sagen. Man haette denken sollen, dieser Bauer mit den toten Maeusen habe nun fuer immer genug gehabt; aber er hat noch weiter gegruebelt ueber den Haufen brennender Kohlen und bei sich gesprochen: "Haettest du nur ein paar Koernlein Salz in der Tasche gehabt und geschwind auf die Kohlen streuen koennen, so haette der Schatz wohl oben bleiben muessen und nicht weggleiten koennen." Und er hat die naechste Nacht wieder ausreiten muessen mit grossem Schauder und Grauen, aber er hat es doch nicht lassen koennen; denn die Begier nach Geld war maechtiger als die Furcht. Und er hat es wieder brennen sehen genau an der gestrigen Stelle; bei Tage aber war da nichts zu sehen, sondern sie war grasgruen. Und er ist hingeritten und hat das Salz hineingestreuet und seine Taschen voll Kohlen gerafft, und so ist er im sausenden Galopp nach Hause gejagt und hat sich gehuetet, dass er einen Laut von sich gegeben noch jemand begegnet ist; denn dann ist es nicht richtig. Aber er hat doch nichts als Kohlen in der Tasche gehabt und ein paar Schillinge, die von den Kohlen geschwaerzt waren. Da hat er sich koeniglich gefreut, als sei dies der Anfang des Glueckes und das Handgeld, das die Geister ihm gegeben haben. Er mochte aber die paar losen Schillinge von ungefaehr in der Tasche gehabt haben, als er ausritt. Und die Schillinge haben dem armen Mann, der sonst ein fleissiger, ordentlicher Bauer war, keine Rast noch Ruhe mehr gelassen; jede Nacht, die Gott werden liess, hat er ausreiten muessen und seine besten Pferde dabei tot geritten. Man hat es aber nicht gemerkt, dass er Schaetze gefunden hat, sondern seine Wirtschaft hat von Jahr zu Jahr abgenommen, und endlich ist er auf einer Nachtfahrt gar einmal verschwunden. Und man hat von ihm und von seinem Pferde nie etwas wieder gesehen; seinen Hut aber haben die Leute in dem Schmachter See gefunden. Da muss der boese Feind ihn als Irrlicht hineingelockt haben; denn er braucht solche Kuenste gegen die, welche sich mit ihm einlassen und ihn suchen. Kater Martinchen Auf der Halbinsel Wittow auf Ruegen ist ein Dorf, das heisst Putgarten, nicht weit von dem beruehmten Vorgebirge Arkona, wo der alte heidnische Goetze Swantewit weiland seinen Tempel gehabt und sein wuestes Wesen getrieben hat. In diesem Dorfe Putgarten lebte eine reiche Baeuerin, die hiess Trine Pipers. Sie war jung Witwe geworden und hatte keine Kinder, wollte auch nicht wieder freien, obgleich viele Freier um sie warben, denn sie war ein sehr schoenes und frisches Weib. Das konnten die Leute nicht recht begreifen, zumal da sie sonst immer lustig und munter war und bei keinem Tanze und Gelage fehlte. Denn das musste man sagen, einen aufgeraeumteren Menschen gab es nicht als diese Baeuerin, und kein Haus hatte so viel Lustigkeit als das ihrige. Alle hohen Feste hatte es Tanz und Spiel bei ihr; die Fasten wurden von Anfang bis zu Ende durchgehalten und mit Schmaeusen, Spielen und Taenzen gefeiert, Pfingsten und am Johannistage ward unter gruenen Lauben getanzt, und am Martinstage setzte keine Baeuerin so viele gebratene Gaense auf, und wenn sie ihr Korn eingebracht, wenn sie Ochsen oder Schweine geschlachtet oder Wurst gemacht hatte, musste die ganze Nachbarschaft sich mit freuen und mit ihr schmausen. Kurz, diese Baeuerin lebte so praechtig, dass kaum eine Edelmannsfrau besser leben konnte. In ihrem Hause war alles nett und tuechtig und fast ueber das Vermoegen einer Baeuerin zierlich. Ebenso lustig und tuechtig sah es auf ihrem Hofe und in ihren Staellen aus. Ihre Pferde glaenzten immer wie die Aale, und man haette sie Sommer und Winter als Spiegel gebrauchen koennen; ihre Kuehe waren die schoensten und gedeihlichsten im ganzen Dorfe und hatten immer volle Euter; ihre Huehner legten zweimal des Tages, und von ihren Gaenseeiern war nie eines schier, sondern jedes gab ein Junges. Weil ihr Haus lustig und sie freigebig war, so hatte sie auch immer die schoensten und flinksten Knechte und Dirnen auf ganz Wittow. So lebte Trine manches Jahr, und kein Mensch konnte begreifen, wie sie als Baeuerin das Leben so halten und durchsetzen konnte, und viele hatten schon gesagt: "Nun, die wird auch bald vor den Tueren herumschleichen und schnurren gehen." Aber sie focht und schnurrte nicht herum, sondern blieb die reiche und lustige Trine Pipers nach wie vor. Andere, die dies lustige Leben so mit ansahen, meinten, es gehe nicht mit natuerlichen Dingen zu; sie habe Umgang und Gemeinschaft mit boesen Geistern, und die bringen es ihr alles ins Haus und geben ihrem Vieh und ihren Fruechten so wunderbaren Segen und Gedeihen--als wenn Gott nicht der beste und einzige Segenbringer und Segensprecher waere. Viele wollten bei naechtlicher Weile einen Drachen gesehen haben, der wie ein langer feuriger Schwanz auf ihr Haus herabgeschossen sei; das sei ihr heimlicher Buhler, der haenge ihr den Wiem voll Schinken und Mettwuerste, fuelle ihr die Kisten und Kasten mit Silber und Gold und stehe mit am Butterfasse und helfe buttern und gehe mit in den Stall und helfe melken. Andere, noch boshafter, sagten, sie selbst sei eine Hexe und koenne sich unsichtbar machen: so schleiche sie den Nachbarn in die Haeuser, stehle aus Keller und Speisekammer, nehme den Huehnern die Eier aus den Nestern, melke die Kuehe und rupfe den Schafen die Wolle und den Gaensen die Dunen aus. Darum sei sie so glatt und glau und koenne soviele Wohlleben ausrichten und ein Leben fuehren, als wenn es alle Tage Sonntag waere. Das bemerkten einige Nachbarsleute noch und schuettelten die Koepfe dabei, dass Trine eine leidige Freundlichkeit habe, womit sie wohl hexen koenne, und dass sie Kindern nie in die Augen sehe, wieviel sie auch sonst mit ihnen schmeichle und kose; denn sie habe als Hexe kein Kind in ihren Augen, und es tue ihr sehr wehe, wenn sie den unschuldigen Kindern, die noch nichts verbrochen haben, in ihre reinen Augen schauen muesse. So lief allerlei Geschwaetz unter den Leuten rund, und sie fluesterten und munkelten viel ueber Trine Pipers; aber sie konnten ihr doch nichts anhaben und beweisen. Sie tat all ihr Werk tuechtig vor den Leuten, war redlich in Handel und Wandel, ging fleissig zur Kirche und gab Priester und Kuester willig und freundlich das Ihrige und hatte immer eine offene Tasche und einen offenen Brotkorb fuer die Armen, wenn sie an ihre Tuere kamen. Auch gingen die, welche ihr die Ehre so hinter ihrem Ruecken zerwuschen, recht gern zu ihren Festen und Taenzen und schmeichelten und heuchelten ihr. Trine Pipers hatte auf diese Weise wohl zwanzig Jahre ihre Wirtschaft gefuehrt, und alles war ihr immer nach Wunsch geraten. Da bekam sie einen bunten Kater ins Haus, und bald ging im Dorfe und in der Nachbarschaft das Gerede: der sei es, das sei der Gewaltige, nun sei es endlich zum Vorschein gekommen, und auch ein Kind koenne es sehen, der trage ihr all das Glueck zu. Denn leider sind die meisten Menschen so, dass sie meinen, es muesse mit einem Menschen was Heimliches oder Ungeheures sein, wenn er die Narrenkappe des Lebens nicht gerade so traegt wie sie, und wenn er die Schellen daran nicht ebenso klingen laesst. Ein bunter Kater ward in Trines Hause gesehen, und kein Mensch wusste, wo der Kater hergekommen war. Trine laechelte und machte einen Scherz, wenn man sie fragte, und sagte es nicht. Einigen hatte sie wohl gesagt, sie habe einen Bruder, der sei Schiffer in Stockholm, der habe ihr den schoenen Kater einmal aus Lissabon mitgebracht; aber das glaubten sie nicht. Der Kater war gross, bunt und schoen, grau mit gelben Streifen ueber dem Ruecken und hatte einen weissen Fleck am linken Vorderfuss. Da schrien die alten Weiber: "Da sehen wir's ja, da haben wir's! Einen dreifarbigen Kater? Wer hat in seinem Leben gesehen oder gehoert, dass es Kater mit drei Farben gibt?" Trine liebte den Kater sehr und sass manche Stunde mit ihm allein und spielte mit ihm, der mit wohlgefaelligem Brummen seinen Kopf an ihr streichelte und gegen alles, war ihr zu nah kam, ausprustete und aufpfuchsete: die arme Trine ward aelter, die arme Trine hatte keine Kinder, sie musste was zu spielen haben. So sass sie nun manche Stunde, wo sie sich sonst draussen in ihrer Wirtschaft tummelte, still in der Stube und spielte mit ihrem Martinichen; denn so rief sie den Kater. Martinichen und Mieskater Martinichen klang es in der Stube, Martinichen klang es auf der Flur, Martinichen auf der Treppe und auf dem Boden. Keinen Tritt und Schritt tat sie, Martinichen war immer dabei, und von dem Vorratsboden und aus der Speisekammer brachte er immer seine Bescherung mit im Munde. Kurz, der bunte Kater Martinichen aus Lissabon war ihre Puppe und ihr Spielzeug; er stand mit ihr auf und ging mit ihr zu Bette, ja sie ging nicht in die Nachbarschaft, dass sie ihr Martinichen nicht unterm Arm trug; Martinichen leckte von ihrem Teller und lappte aus ihrem Napf, er war der Liebling, er durfte alles, keiner durfte ihm was tun: Hunde wurden herausgejagt, die ihn beissen wollten, ein Knecht ward verabschiedet, weil er ihn Murrkater und Brummkater, Speckfresser und Mausedieb genannt hatte. Dies gab Geschichten und Luegen und Maerchen im ganzen Dorfe, bald im ganzen Kirchspiele, dann im ganzen Laendchen: Trine hiess eine Hexe, die einen wundersamen Kater habe, mit dem es nicht richtig sei, und vor dem man sich hueten muesse. Das sei ein Kater, einen solchen zweiten werde man in der ganzen Welt umsonst suchen; den ganzen Tag tue er nichts als fressen und sich hinstrecken und sonnen oder auf Trines Knien herumwaelzen, des Nachts liege er auf ihrem Bette bis an den lichten Morgen, und doch finde der Knecht, wenn er morgens fruehe zur ersten Fuetterung in den Pferdestall gehe, immer zwei grosse Haufen toter Ratten und Maeuse vor der Haustuere aufgetuermt. Was moege das wohl fuer ein Kater sein, der fuer diesen feisten und glatten Faulenzer die Arbeit tue? Dies Gerede und Gemunkel hatte sich freilich erst draussen herumgetrieben; dann kam es auch in Trinens Haus und zu Trinens Leuten, und ihnen fing an, bei ihr ungeheuer zu werden. Wenn sie mit schmeichelnder Stimme Mieskaterchen! Mies--Mieskaterchen! Martinichen! Misichen--Martinichen! rief und den knurrenden und spinnenden Kater auf den Schoss nahm und ihm den Ruecken streichelte, und er sich dann vor Vergnuegen kruemmte und an ihr strich und brummte, und ihm die gruenen, umnebelten Augen im Kopfe funkelten, dann guckten die Leute die beiden Spieler mit grossen Augen an und waeren um alles in der Welt mit ihnen nicht lange in der Stube geblieben. Trine hatte sonst immer die tuechtigsten und schoensten Leute gehabt, aber die konnten es jetzt in ihrem Hause nicht aushalten; sie zogen weg, und sie konnte zuletzt nichts als Hack und Mack in ihren Dienst bekommen, und auch die blieben nicht lange, und fast jeden Monat hatte sie frische Leute. Alle Welt glaubte nun einmal, Trine sei eine Hexe, und keiner wollte mit ihr zu tun haben. Auch war es mit der alten Gastlichkeit und Froehlichkeit des Hauses vorbei und mit den Schmaeusen und Taenzen, denn keiner wollte kommen; und Trine musste mit ihrem Mieskater Martinichen einsam sitzen und ihre Bratgaense und Wuerste allein verzehren. Aber ach, du arme Trine Pipers, die du sonst so froh und froehlich gewesen warst und alle gern erfreut hattest, wie ging es dir auf deinen alten Tagen? Nicht allein keine Gesellen und Gesellinnen und Nachbarn und Nachbarinnen kamen mehr, sich des Segens zu freuen, den Gott dir gegeben hatte, und sich mit dir zu erlustigen, sondern in wenigen Jahren verging auch das, wovon du dich haettest erlustigen koennen. Die Leute kopfschuettelten und fluesterten zwar, der Kater sei es, der sei bisher der unsichtbare Bringer und Zutraeger gewesen und habe Scheunen, Kornboeden, Keller, Speisekammern, Milcheimer und Butterfaesser und Geldkatzen und Sparbuechsen gefuellt; aber nun war ja dieser Wundertaeter und Hexenmeister da, warum ging es denn nicht noch gedeihlicher als vorher? Warum ging vielmehr Trinens Wirtschaft von Tage zu Tage mehr zurueck? Die arme Trine hatte Knechte und Maegde, wie sie kaum ein Bettlerkrug willig beherbergt haette, recht was man Kruecken und Ofenstecken nennt; ihre sonst so glatten Pferde magerten ab und verreckten an Rotz und Wurm; ihre Schweine und Kuehe hatten Laeuse und gaben keine Milch mehr; ihre Schafe und Gaense wurden Drehkoepfe, als haetten sie geheime Wissenschaft studiert; ihre Huehner und Enten legten keine Eier und brueteten nicht mehr; ihr Feld trug Disteln und Dornen fuer Korn und Weizen. Kurz, Trine geriet in zwei Jahren in die bitterste Armut: Pferde waren weg, Kuehe waren weg, Schweine ausgestorben, Schafe geschlachtet, Tauben und Huehner vom Marder aufgefressen, der Hund an der Kette verhungert--kein Hahn kraehte mehr auf ihrer Haustuere, kein Bettler seufzte mehr sein Gebet davor. Und Trine sass allein und verlassen mit gelben, gefurchten und gerunzelten Wangen und von Traenen und Jammer triefenden Augen und schneeweissen Haaren in der frierenden Ecke ihres leeren Zimmers und hielt ihren magern und in der Asche verbrannten Kater auf dem Schosse und weinte jaemmerlich ueber den kargen Brocken, die man ihr von fern zuwarf; denn keiner mochte ihr gern nah kommen. So hat man sie eines Morgens gefunden tot auf dem Boden ihres Stuebchens hingestreckt und ihren treuen Mieskater Martinichen tot auf ihr liegend. Die Leute haben mit Grauen davon erzaehlt. Und die sonst so reiche Trine, die der Kirche und Geistlichkeit immer so gern gab, als sie noch was zu geben hatte, ist begraben, wie man Bettler begraebt, ohne Sang und Klang, ohne Glocken und Gefolge; kein Nachbar hat sie zum Kirchhof begleiten wollen, kein Verwandter ist ihrer Leiche gefolgt, sie hatte ihnen ja nichts nachgelassen. O kalte Welt, wie kalt wirst du denen im Alter, die dann nichts haben, womit sie sich die Fuesse zudecken koennen, und ach, auch die irdischen Maengel, die man mit schaerferen Augen an den Alten betrachtet! Als Trine nun tot war, erzaehlen die Leute, ist sie immer als Hexe umgegangen und geht bis diesen Tag als Hexe um in der Gestalt einer alten, grauen Katze, die man daran kennt, dass sie Augen hat, die wie brennende Kohlen leuchten, und dass sie ganz entsetzlich laut spruehet und prustet, wenn man sie jagt. Sie wird noch alle Mitternaechte auf der Stelle gesehen, wo ehedem Trinens Haus war, und heult dort erbaermlich; im Winter aber, wann in den Scheunen und auf den Daechern die wuetigen Katzenhochzeiten sind, ist sie immer voran auf der hoellischen Jagd und fuehrt das ganze Getuemmel und miaulet und winselt auf das allerscheusslichste. Diese Stimme verstehen die Leute in Putgarten so wohl, dass alt und jung gleich rufet: "Hoert! Da ist wieder die alte Trine!" So ist es Trine Pipers gegangen, und so geht es vielen Menschen bis diesen Tag. Sie ist eine arme, elendige Bettlerfrau geworden und hat ihren christlichen, guten Namen verloren, weil sie den bunten Kater Martinichen lieber gehabt hat als Menschen. Denn wenn sie auch keine Hexe gewesen ist, so haben die Nachbarn und Nachbarinnen es doch geglaubt, weil sie sich in ihrer unnatuerlichen und haesslichen Liebe zu der unverstaendigen Kreatur so in des Katers Gemuet und Gebaerden hineingestohlen und hineinvertieft hatte, dass sie Menschen nicht mehr so suchte und liebte wie sonst. Sie mag zuletzt auch mit Katzenfreundlichkeit geblinzelt und mit Katzenaugen geschielt und mit allerlei Katzenmaennchen sich gekruemmt und gewunden haben, so dass kein Mensch und kein Vieh und also auch kein Glueck es laenger bei ihr hat aushalten koennen und sie zuletzt mit ihrem Mieskater Martinichen ganz allein geblieben und so im groessten Elende umgekommen ist. Thrin Wulfen Nicht weit von Schoritz, zwischen Schoritz und Puddemin, an dem Wege, wo man von Garz nach dem Zudar faehrt, lag einst ein kleines Dorf, das hiess Guenz, worin ein paar Bauern wohnten, die nach Schoritz zu Hofe dienten. Die sind aber ganz zerstoert mit Haeusern und mit Gaerten, so dass man dort keine Spur mehr sieht, dass jemals Menschen dort gewohnt haben. In diesem Dorfe Guenz wohnte ein Bauer, der hiess Jochen Wulf, der hatte eine Frau, und die hiess Thrin; das war eine arge Hexe, von deren losen Kuensten und boesen Streichen die Leute noch heute zu erzaehlen wissen. Dass sie aber eine Hexe war, konnte man ihr anmerken an ihrer ausserordentlichen Freundlichkeit und Leidigkeit, woraus List und Schelmerei oft hervorlaechelten, und an den schoenen und leckeren Sachen, die sie immer bei sich trug, und womit sie die Hunde und kleinen Kinder an sich lockte. Davor hat den Leuten auch gegraut, dass ihr, wohin sie immer gekommen, die Katzen von selbst auf den Schoss gesprungen sind, was diese Tiere, die eben keine Menschenfreunde sind, sonst nimmer mit Fremden tun. Denn durch die Kinder und durch Leckereien, die sie den Kindern geben, und durch Saelbchen und Kraeuterchen, womit sie bei Kinderkrankheiten immer gleich zur Hand sind, draengen sich die alten Hexen in alle Haeuser, und Hunde und Katzen duerfen sie nicht zu Feinden haben, weil ihre Arbeit meistens des Nachts ist, wo die andern Christenmenschen schlafen. Doch merkten die Leute ihr und ihrem Manne ihr heimliches und verbotenes Handwerk dadurch an, dass sie sehr reich wurden, und dass der Bauer Wulf dreimal soviel Korn und Weizen verkaufen konnte wie seine Nachbarn, und dass seine Pferde und Kuehe, wenn er sie im Fruehling ins Gras trieb, so glatt und fett waren wie die Aale, und als ob sie aus dem Teige gewaelzt waeren. Auch sagten alle Leute, sie habe einen Drachen, und den haben sie des Nachts oft auf ihr Dach herabschiessen sehen, wo er ihr Raub und Schaetze von andern zutrug. Das ist auch gewiss, und viele Leute haben es erzaehlt, die bei naechtlicher Weile bei Guenz vorbeigegangen sind, dass es dann auf dem Wege oft geknarrt und geseufzt hat, wie die Raeder an schwerbeladenen Waegen knarren und seufzen. Da haben die Leute sich umgesehen oder sind aus dem Wege gesprungen, damit sie nicht uebergefahren wuerden; sie haben aber weder Pferde noch Wagen gesehen, und es ist ihnen ein entsetzliches Grauen angekommen. Das ist aber auch der alte, heimliche Drache gewesen, der den Nachbarn die Garben gestohlen und sie in des Wulfs Scheunen hat einfahren lassen. Dass die Thrine Wulfen eine arge Wetterhexe war, hat man am meisten auf der Weide und Brache an dem jungen Vieh sehen koennen. Wenn sie einmal unter eine Herde kam, gleich streckte ein Kalb alle viere von sich und hatte den Frosch, oder ein paar Dutzend junge Gaenschen machten nicht zum Vergnuegen den Drehhals, oder einige Laemmer und Jaehrlinge wurden Kopfhaenger und Kopfschuettler, oder eine Schar Saeue tanzte den Dreher. Sie gebaerdete sich bei solchem Anblick, als tue es ihr sehr leid (die alten Hexen aber koennen es nicht lassen, junges, freudiges Vieh zu behexen, und wenn es ihr eigenes waere), und sie sagte den Hirten oder Nachbarn, sie habe und wisse manche heilsame Mittel gegen solche Uebel; sie sollen nur zu ihr kommen und sich eine Salbe holen und die kranken Tierchen damit bestreichen, gleich werde es dann besser mit ihnen werden. Das haben einige getan, und wirklich hat es stracks geholfen, aber den meisten hat gegraut, ueber ihre Schwelle zu treten, und da hat das liebe Vieh denn dran gemusst. Alle aber haben sich zugefluestert, Thrin Wulfen habe sie behext und ihnen den Schabernack angetan. So zum Beispiel hatte sie eine Frau, welche sich mit ihr erzuernt und sie eine alte Wetterhexe gescholten hatte, in ihrem eignen Hause festgezaubert, dass sie nicht ueber die Schwelle zu gehen wagte und alle Tueren und Fenster dicht versperrt hielt. Denn sie glaubte, sie sei in eine Erbse verwandelt, und jeder Vogel, der vorueberflog, war ihr so fuerchterlich, dass sie bei seinem Anblick schrie, als fliege ihr Tod heran, ja dass sie bei dem Ton eines Gefieders aus der Luft schon in Ohnmacht fiel und mit Haenden und Fuessen zappelte; fuer die Enten, Huehner und Tauben aber in ihrem Hofe war der juengste Tag gekommen, und sie hatten ihnen allen sogleich beim Beginn ihrer Krankheit die Haelse umdrehen lassen. Auch hatte die alte Boesewichtin es dem Mann dieser Frau angetan, dass er wie ein kindischer und besoffener Narr tanzen musste, sobald er einen Ziegenbock springen sah. Und dies ist allen Leuten laecherlich und aergerlich anzusehen gewesen, und das aergste dabei ist noch gewesen, dass die Einfaeltigen vor dem Mann eine Art Grauen bekommen haben, als sei er auch von der Ziegenbocksgesellschaft und von den Blocksbergfahrern; die Klugen aber haben wohl gewusst, von wem diese Bocksspruenge herruehrten, doch keiner hat es ihr beweisen koennen. Und man kann wohl denken, wie die alte Bosheit in sich gelacht hat, dass der unschuldige Mann fuer ihren Gesellen gehalten worden ist. Ihr Vieh war immer das fetteste und mutigste in der ganzen Dorfherde, und man konnte an vielen Zeichen sehen, dass der Teufel sein Spiel damit hatte; denn fast nie ist ein Stueck davon krank worden, und sie hat ihnen solche Kraft und Staerke angezaubert, dass von ihren kleinsten Kaelbern die groessten Ochsen sich stossen liessen, und dass ihre Ferkel die wuetendsten Eber aus dem Felde schlugen. Auch haben die Leute sie in mancherlei Verwandlungen umherlaufen und herumfliegen gesehen, aber niemand hat sich unterstanden, sie anzupacken oder ihr etwas zu tun; auch haben sie die allerwunderlichsten bunten Hunde und Katzen und sogar Fuechse und Wiesel bei Tage und bei Nacht um ihren Hof laufen gesehen, aber keiner hat sie angetastet; sie wussten wohl, aus wessen Stall dieses gefaehrliche Vieh war. Von Elstern und Kraehen aber huepften immer ganze Scharen auf ihrem Hofe und ihren Daechern, und von ihrem einzigen Hausgiebel uhuheten des Nachts mehr Eulen, denn von allen Haeusern und Daechern in Swantow und Puddemin zusammen. So ist sie in der Nachbarschaft viel herumgestrichen und herumgeflogen auf Schelmstuecke und Diebsschliche, und es ist ihr lange genug gluecklich gegangen. Der Pastor zum Zudar, der Herr Manthey hiess, hat die meiste Not mit ihr gehabt, und auch wohl deswegen, weil er dem Boesen selbst den Krueckstock reichte, womit er ihn ueberholen konnte, da er mehr ins Buch der vier Koenige guckte als in Bibel und Evangelienbuch. Einmal ist Thrin Wulfen zu seiner Frau gekommen und hat ihr eine Stiege Eier gebracht, und sie und die Frau Pastorin haben einander viel erzaehlt und sind sehr herzig und heimlich miteinander geworden, so dass die Frau Pastorin endlich die Thrin, als sie Ade gesagt, umhalst hat. Da ist ihr aber geschehen, dass sie vor Schrecken ohnmaechtig worden und wie tot hingefallen ist. Denn was hat sie gesehen? Vor ihren sehenden Augen und unter ihren greifenden Haenden ist die Thrin ploetzlich eine rote Fuechsin geworden und hat ihr mit den Vordertatzen die Wangen gestreichelt und mit der Schnauze das Gesicht geleckt und dabei recht fuerchterlich greinig und freundlich ausgesehen. Das hat die Pastorin spaeter vielen Leuten erzaehlt; wie es aber weiter geworden, hat sie nicht gewusst; denn als sie wieder zur Besinnung gekommen, war die Thrin weg und auch keine Spur von ihr und der roten Fuechsin mehr da als der Geruch der fuechsischen Kuesse in ihrem Gesichte und ein paar leichte rote Streifen, womit sie sie bei der umhalsenden Liebkosung gekratzt hatte. Zuerst hat die Frau Manthey die Geschichte aus Furcht verschwiegen und erst nach Verlauf von Jahren erzaehlt. Auch Pastor Manthey ist inne geworden, dass er gegen die losen und leichten Kuenste der Thrin sich nicht mit der gehoerigen geistlichen Ruestung gewaffnet hatte, und dass sie an ihn durfte; er hat bemerkt, dass ihm ein Dieb an seine Schinken und Wuerste kam, und das ist auch die Thrin gewesen. Denn wie manche Nacht ist sie als Katze in Wiemen und Keller und Speisekammern geschlichen und hat sich eine Wurst, eine Spickgans oder ein Stueck Schinken nach Hause getragen! Endlich war es ruchbar geworden, dass man oft eine unbekannte graue Katze durchs Dorf laufen gesehen und dass auch andern Leuten auf eine aehnliche, unbegreifliche Weise manches abhanden gekommen war. Da lauerte der Pastor des Abends und in der Fruehe oft genug auf mit einem geladnen Gewehr; aber nimmer hat er den schleichenden Dieb erwischen koennen. Endlich aber ist ihm die Katze mal in dem Garten in den Wurf gekommen, als er Sperlinge schiessen wollte, und er hat ihr unverzagt aufs Leder gebrannt und sie mit humpelndem Fuss ueber den Zaun springen und jaemmerlich miauen gehoert. Der Schaefer aber, der hinter dem Garten eben mit den Schafen vorbeitrieb, als der Mantheysche Schuss fiel, hat erzaehlt, es sei neben ihm ein altes Weib ueber den Weg hingehinkt, die habe jaemmerlich gewinselt und geheult, und sie habe ihm geklagt, des Kruegers grosser Hund habe ihr den Fuss blutig gebissen. So sei sie ueber die Zudarsche und Schoritzer Heide fortgehumpelt, und man habe ihr Gewinsel noch lange aus der Ferne hoeren koennen. Und das war wirklich die Thrin aus Guenz gewesen; der Pastor hatte ihr das linke Bein durchschossen. Dieser geistliche Schuss gab einen grossen Glueckswandel. Thrin lag wohl ein Vierteljahr elend im Bette; dann sah man sie wieder, aber sie humpelte mit einem lahmen Beine und erzaehlte den Leuten, sie sei beim Aepfelschuetteln vom Baum gefallen und habe sich dabei das Bein verrenkt. Nun ging es ihr aber schlimm. Weil sie nicht mehr so flink auf den Fuessen war als sonst, so konnte sie, wann die Begier zu hexen mit ploetzlicher Luesternheit in ihr aufstieg, nicht mehr geschwind zu andern oder zu Fremden kommen, sondern musste ihr Eigenes behexen. Da ward denn fast taeglich irgend etwas verdreht, gelaehmt oder umgebracht. Bei Tauben, Huehnern und Gaensen fing es an, und mit dem grossen Vieh hoerte es auf. Und wieviel der alte Jochen Wulf sie auch pruegelte, das half alles nichts; die Hexenlust ist ein unausloeschlicher und unbezwinglicher Trieb. Als also alles Federvieh verdorben oder erwuergt war, da ist die Kunst ueber die Ferkel und Laemmer hergefahren, darauf an die Kaelber und Schafe, endlich an die Kuehe und Pferde. Der Bauer hat nun immer wieder neues Vieh kaufen muessen, und in solcher Weise ist in ein paar Jahren der Reichtum vergangen und das ungerechte Teufelsgut zerronnen. Ja, ihr eignes, einziges Kind hat sie zum Krueppel hexen muessen; und der alte Wulf ist aus Angst, dass ihm zuletzt aehnliches widerfahren moege, in die weite Welt gegangen und ist auf immer ein verschollener Name geblieben. Einige erzaehlen aber, die Thrin habe ihn verwandelt und habe wegen seiner Suende die Macht dazu gehabt, weil der alte Schelm um ihre Hexerei gewusst und die Fruechte davon gehehlt und mitgenossen habe; und so muesse er nun als ein greulicher Werwolf rundlaufen und die alten Weiber und Kinder erschrecken. Die Thrin aber sei nach der Flucht des Wulf als eine arme Bettlerin aus der Wehr geworfen und habe zuletzt in Puddemin gewohnt, sei aber zuzeiten immer noch hin und wieder als eine lahme Katze oder Fuechsin umgegangen oder habe als eine lahme Elster auf Baeumen und Daechern herumgehuepft; endlich aber sei sie vor das Gewehr eines Freischuetzen geraten, wodurch die Katzengestalt fuer immer festgemacht worden. So haben viele Leute sie oefter als eine wilde, graue Katze an dem Guenzer Teiche sitzen gesehen, auch als kein Haus mehr dastand; auch haben andere es dort um die Mitternacht haeufig miauen und prusten und pfuchsen gehoert, dass ihnen vor Grauen die Haare zu Berge standen. De Kroeger van Poseritz Im Lande Ruegen nich wiet van de Olde Faehr etwa eene Mil vam Sunde is een Karkdoerp, dat het Poseritz. Da wahnde mal een riker Smitt, un de hedd ook eenen swarten Pudel, de kunn afsuennerlichste Kuenste. Dat Deerd was to sinen Kuensten so klook und haselierig, datt de Smitt, de mit siner Smed eenen Krog helt, dat Hus juemmer vull Lued hedd. De Pudel was so god, as hedde de Mann alle Dag Poppenspill edder eene heele Bande Kumoediganten im Huse hett. Dat gaff schoene Penning un klung hell in den Buedel herin; aewerst o weh! wo hett et toletzt foer de arme Seel klungen! De Kroeger wurd een riker Mann doer sinen Pudel, denn alle Luede droegen ein dat Geld to un wullen den Pudel sine Kuenste spelen sehn. Se seggen, de Pudel wahnde nich egentlich bi dem Smitt. Denn des Dags hett man em da nich sehn; man in der Schummering kam he un bleef bet in deepste Nacht. He was aewerst een van de hoellischen Schatzwaechters ut den Bargen bi Gustow, worunner de olden Heiden mit ehren Schaetzen begrawen liggen. Un da muesst he des Dags unner der Erd liggen un um de Middnacht as Waechter herumwedeln. Un he mag dem Kroeger woll jeden Awend een paar Dukaten in den Poten mitbroecht hebben. Denn de Kroeger wurd in weinigen Jahren een steenriker Mann un buwede sick sinen Krog torecht as de Poseritzer Propost un Eddelmann un koefde sick eenen Morgen Land aewer den annern. Aewerst wo leep ditt lustige Spill toletzt henut? So rueckt alle voerbadene Lust der Minschenkinder to Anfang as Liljen un Rosen; aewerst ehr Ende het Gestank. De swarte Nachtwaechter bleef weg un kam nich mehr in't Hus. Un de Smitt was aengstlich un verstuert, un de Gaeste fragden nah dem Hund. Denn sede de Smitt: "Man muett mi den Hund stahlen hebben edder ook hett en Deef en doodslagen un ingrawen." Doch was dem armen Kerl nich woll um't Hart, un he sach gar nuesterbleek un bedroewt ut, so datt de Luede nich begripen kunnen, wo een vernuenftig Minsch sick aewer een unvernuenftig Deerd so graemen kuenn, un allerlei bunt Gerede drut entstund. So weren een paar Weken voerleden, un eenen Suendagawend, as de Kroeger mit veelen Gaesten uem den Disch satt un Karten spelde, huerden se wat doer de Luft susen un gegen dat Finster slan, un en duechte, dat was een swarter Pudel. Un allen kam een grausamer Gruwel an, un se muegten nich upkieken gegen dat Finster. As se sick aewerst wedder een beten besunnen hedden, sproken se lang daraewer; de Kroeger aewerst satt still achter dem Awen un let den Kopp haengen. Un se foppten sick toletzt unner eenanner, wer woll dat Hart hedd, herut to gahn un to sehn, wat da were. Un een Snider nam sick de rechte Sniderkrauwagie un begehrde eenen Gesellen, de dat Aventuer mit em wagen wull. Un et fund sick eener to em, un se gingen in den Garden, wo dat Finster herutging, un sueh, da lag een dooder, swarter Pudel, den de Snidergesell recht god kennde. Un se meenden nu all, man hedde dat dem Smitt tom Schabernack dhan, wiel de Pudel em as een gueldnes Hohn was, un een Fiend un Schelm hedde den dooden Hund so gegen dat Finster smeten. Un se groewen een Loch an dem Tun und leden den Pudel darin und sett'ten sick darup wedder tom Spill dal. Aewerst de Smitt satt achter dem Awen un sede keen Starwenswurt un was sehr trurig. Un as se wedder van besten Kuensten de Karten flegen leten un uttrumfden, fung dat buten wedder an to susen un to brusen, un Kling! sede dat Finster, un de Pudel flog aewer den Disch un foell in de Stuw dal, un de meisten Gaeste, de uem den Disch seten, foellen voer Schreck van den Baenken un kruezden un segneden sick. De tappre Snidergesell, de een Hart hedd groeter as sin Natelknoop, nam den Pudel un smet en tom Finster herut; un de Gaeste nehmen ehre Hoed van der Wand un makten sick up de Beenen. Un knapp was eene halwe Stund vorgahn, da sede dat wedder Kling! un de Pudel foell to'm tweeten Mal in de Stuw. Da lag he bi dem bedroewten Wirt bet an den hellen, lichten Morgen, denn de arme Minsch bleew alleen sitten, un Fru un Kinder un Gesellen weren to Bedd gahn. As aewerst de Suenn upging, was de Pudel weg, un keen Minsch wuesst, wo he stawen un flagen was. He hedd aewerst eenen grausamern Gestank as dat schaendlichste Aas nah sick laten. Un up desuelwige Wis is dat Greuel dueslingto alle Nacht doercht Finster edder doerch de Doeren, ja doercht Dack un de Waend flagen; un hulpen keene Breder un Rigel, un ick gloew, he hedd sinen Weg doerch Stal un Demantsteen braken. Se gingen hen un begroewen den Hund mit grotem Staate; se brukten Segen un Bespreken aewer siner Gruft--alles umsues: he kam juemmer wedder. De arme Smitt grep to un makte sick eene annere Stuw torecht, he tog ut bawen herup in een Stuewken unner de Auken, he meende sick to voersteken; aewerst de Pudel hedd em eene to fine Naes, juemmer flog he herin, wo de Smitt was. Nu ging dat natuerlich to, dat Krog un Smede bald leddig un voerlaten stunden, un datt de Smitt mit Wif un Kindern un mit dem aasigen, stinkenden Pudel eensam un alleen sitten un truren muesste. Wat dheed de arme Mann toletzt? He ging to un voerkoefde alles, Smed und Krog un Acker un Garden, un tog van Poseritz weg. Un dem Mann, de dat Hus van em koeft hedd, let de Pudel ook keene Ruh, un he kunn nich eher ruhig slapen voer all dem Gesuse un Gebruse und dem Guensen und Krassen, dat et des Nachts bedref, bet he dat Hus afbraken un an eener annern Stell weder upbuwt hedd. Don week de Duewel van em, aewerst van dem armen Smitt week he nich. Disse hedd de Lade vull Dukaten un wull een Eddelmann warden und koefde sick eenen schoenen Hoff, de Ueselitz het. Aewerst wat Eddelmann un Dukaten! Dat ging all to End mit em. De Pudel tog mit em in sin Eddelmannshus un husierde so arg, dat keen Knecht edder Magd bi dem jungen Eddelmann bedarwen kunn. Tolest satt de arme Smitt mit Fru un Kindern un mit all sinem Rikdom heel voerlaten da. Un as de Boes em lang nog aengstigt hedd up Erden, hett he em in eener Nacht den Gnadenstot gewen. Et was eene schoene, stille Sommernacht, keen Blitz un keene Luechting to sehn, keen Lueftken, dat im Rohr spelde, da hebben de Nawers, de uem Ueselitz wahnen, ploetzlich een gewaltiges Fuer upstigen sehn, un in eener halwen Stund is alles, alles, Hus un Hoff un Minschen un Veh un de Smitt mit den Sinigen un mit sinem Duewelsgolde to Stoff un Asch voerbrennt west und hett man nuemmer keene Spur van em sehn. Aewerst een Mann ut Mellnitz, de tom Loeschen tolopen was, hett eenen swarten Pudel sehn, de mit greulich gloenigen Oogen doer den Garden un Busch wegstrek un noch lang graeselich huelde. So huelt de Satan voer Froiden, wenn he arme Seelen voerslingen kann. De Bruegg bi Slemmin Ick muett bi disser Gelegenheit ook noch voertellen van der Bruegg in dem Slemminer Holt, wo de Weg nah Zornow utloept. Da geit dat gar wunnerlich to; wo menniger stolter Rueter hett sick dar den Sand vam Pels schueddeln muesst! Denn jede Kreatur weet daruem un wahrschuwt, datt et da nich richtig is. As ick een Jung van viertein, foeftein Jahren was, hoedd ick de Koi bi dem Hollaender to Slemmin un drew oft int Holt, un wenn ick ook dem wilden Jaeger sine Hund hett hedd, keen Kalf hedd ick achter de Suenn aewer de Bruegg kregen. Daruem steit da heruem ook juemmer dat schoenste un laengste Gras, denn dat Veh muesst den Verstand verlaren hebben, dat da mit egnem Willen graesen gahn wull, un ick gloew, keen dummer Dreihhals van Schaap edder Goos wuerd da een Halmken anruehren. Un wer des Nachts aewer de Bruegg foehren edder riden muett, o Herre Jemerus! wat kost't dat oft voer Kuenst un Sprueng! Un wo snuwen de Perd un zittern un daddern un baewern voer Angst, datt se aewer de behexte Bruegg schaelen, un scheten up der Bruegg in de Knee un laten den schumigen Sweet vam Liwe drueppeln, as hedden se een paar Mil im Galopp lopen, edder as wenn se in de Luechting van Kanonen springen schullen. De Minsch alleen wett nicks davon, wenn se em't nich voertellt hebben edder wenn he nich in der Nacht kuemmt un de Ulen und Kraihen in so dickem Swark uem de Duewelsbruegg flegen. Un ditt is de Geschicht van der Bruegg: In Zornow was eene smucke Dern, eenes Schepers Dochter, de hedd sick dreimal voerjumfert un jedesmal ehr Kind uembroecht, un de drei Kinder in dem Graben bi der Bruegg in de Erd steken. Aewerst achter dem druedden Kinde is de Satansundhad utkamen, un se hebben de Dern nahmen un se in eenen Sack dhan un bi der Bruegg in dem Graben voersoept, un hebben de Lik van der armen Suennersche bi ehren Kindekens ingraben. Aewerst wat kuenn tueschen dissen Voerdrag wesen? Un't is darnah eene dulle un wilde Wirtschaft worden, datt den Lueden de Haar to Barg stahn suent, so hebben sich de flegenden un klagenden Geisterken van den Kindekens foehlen un vernehmen laten. Un wer in dem Holte wat to dhon hett, dem will ick nich raden, datt he sick lang nah Suennenunnergang edder voer Suennenupgang da betrappeln lett. Dat piept un fluestert un wispert un tutet un huelt da denn de ganze Nacht doerch, as wenn Katten Hochtid hollen edder luette Kinder quarren, un Ulengequiek un Kraihengeschrei klingt juemmer datueschen. Denn in eener hollen Eek aewer der Bruegg sitt Dag und Nacht eene olde Ul, un dat is de arme Schepersdochter, de in disser Welt keene Rauh findt. Un des Nachts muett se juemmer hen un her flegen van Boom to Boom un van Twig to Twig un schreien un quiken, datt eenem de Haar up dem Kopp susen, un drei junge Ulen uhuen un flegen juemmer achter ehr her, un dat suent de drei Kinder, de se vermordt hett. Aewerst tueschen twelw un een da geit et erst recht lustig, un Gott gnade dem, de denn aewer de Bruegg muett. Denn hett sick dat ganze Ulenrik tosam voergadert, un se maken eene Musik in der Luft, wornah dat ganze duewelsche Heer in der ersten Mainacht danzen kuenn, un een hungriger Wulf mit gloenigem Rachen steit an der Eck un hoelt eene Bassviol tueschen den Beenen un speelt lustig up, un Voess un Katers un Marten, Ilken un Wesel un anner deefsches Nachtgesindel danzt dato. Ick hew't nich sehn, aewerst de Smitt in Slemmin hett't sehn. De is mal darunner geraden, un he was aewen nich up Gottes Strat, denn he hedd de Aex up'm Nacken un wull sick eene junge Eek hauen. Den hebben se terreten und terzust--hast du mir nicht gesehen--un so is he to Huse kamen ganz terkrasst un verbaast, un sine Oldsche hett em drei Weken eene Kindersupp kaken muesst: so hedden de Satansgesellen den armen Schelm afaengstigt. Dat is aewerst wiss un wahr, wat ick van den Koien un Perden voertelld hew, un keen ordentlich un christlich Deerd un Vagel, de van Gott weet, geit in de Eek edder sett't sick da heruem. Ick hew all min Dag keenen Vagel in ehren Twigen singen edder zirpen huert, Ulen un Hawks un Kraihen, Rawen und Hesters un anner dergliken Duewelsgeraet dat sueht man woll darup sitten. Mit der Bruegg is't aewen so; keen ehrlicher Vagel sitt up ehren Poesten edder Gelaender, nich eenmal eener van den lustigen un naeswisen Vaegeln, as de Meesk, de Quaekstart edder Steenbicker, de suenst so nuelich un flink suent alles Holt, wat se man sehn, to besitten un to befladdern. Denn ook de allergeringsten un luettesten Deerdeken weten een beten van Gott, un et weiht en ook een beten Wind to, wo wat Gewaltigs un Greulichs geschehn ist, un gruweln sick davoer." Schipper Gau un sin Puk Ji hewt woll oftermals huert, wo veele Hexerei un Toewerei mit Katten, Zegenboecken, Heimken un Schorfpoggen drewen ward un wo de olde Fiend sick darachter steckt un den armen verbiesterden Minschen in de Hoell herin spelt. Aewerst dat gifft so veelerlei Toewerei, datt et nich to denken noch uttospreken is, un wer schullt't gloewen, datt de Duewel listig nog is, in Mueggen un Kaewer ja in den allerminsten Worm sick herintomaken, wenn de voerblendte Minsch nah sinen Dingen luestern is un nah dem Duestern un Voerborgnen snappt? Denn wer haengen will, seggt dat Sprickwurt, de kan woll doer eenen Spennenfaden to Doode kamen. As ick in miner Jugend in minen Wanderjahren ut minem Vaterlande Holsteen nah Rotterdam up Arbeit kamen was, hew ick mennige snurrige Ding davon sehn un huert; denn de Schippers hebben veelen sodhanen Awerglowen un mennigerhand heemliche Kuenste. Ick mag't aewerst nich all nahseggen; doch will ick ju eens voertellen, wat hier bi uns eenem Mann ut Barth edder vam Dars in Prerow begegnet is un wovon alle Luede to seggen wuessten, as ick noch een junger Gesell was. In Barth lewde een Schipper Hinrich Gau, dat was de gluecklichste un voerwegenste Schipper in der ganzen Ostsee, dem ook alles to Faden leep. He unnerstund sick, wat keen anner Schipper doerfte, un se seden, he kunn mit allen Winden segeln, un wenn he wull, ook wedder den Strom. Soveel was eenmal wiss, he wagde sick herut midden im Winter un in dem boesesten Unweder un kam juemmer mit ganzen Masten und heelen Segeln davon, wenn de annern Schipp terreten un terspleten in den Hawen lepen edder gar so deep voer Anker legen, datt keen Minschenoog se wedder to sehn kreeg. Mit dem Gau aewerst ging alles voerwaerts, as kuenn he den Wind ut'm Sack schuedden, grad as he'n brukte. So was he denn juemmer de erste up dem Platz un makte de besten Frachten und ward in wenigen Jahren een riker Mann, datt se en den riken Schipper edder den riken Gau noemden. Dat Ding hedd aewerst so sinen egnen Haken un um all dat Gausche Glueck un Geld muegt ick an dem Haken nich haengen, woran Gau fast was. Denn de Luede munkelden so wat van eenem blanken Kaewer edder eener groenen Pogg in eenem Glase; un dat was sin Puk, de em den Wind un dat Glueck makte, un de Matrosen wullen dat duewelsche Ding unnerwielen sehn hebben, wenn't stief weihde edder de Nacht gefaehrlich duester was, wo't as een luett winzig Juengiken in eener swarten Jacke eene rode Muetz up'm Kopp up dem Schipp heruemleep un alles nahsach, edder ook as een old gris Maenniken mit eener kritwitten Parueck up dem Kopp, dat am Stuerroder satt un in den Haewen keek un dem Schipp den Weg wisde. Un se voertellden ook, datt de Schipper sine blanken und groenen Duewelskamraten sehr praechtig plegde in eenem aparten Schrank in siner Koje, wo keen Minsch hensnuwen doerft, un datt he en da juemmer soeten Muschatwin un Rosinen un Figen hendrog. Denn de in der bittern un suren Hoelle wahnen, laten sick am lichtesten mit Zuckerbackels un Nuedlichkeiten locken un festholden, wenn man se to sinem Deenst anbinden will. Dat Glueck was up disse Wis un mennigen schoenen Dag mit dem Schipper Gau up der Fahrt west, un he voerstund sine Geisterkens to regieren, un se weren em up't Komando gehursam un willig. Aewerst toletzt voersach he sick eenmal, un de Duewel slippte em los, un drew sin boeses Spill so schrecklich, datt jeder sehn kunn, wat et was. Schipper Gau was mit eener riken Ladung ut England kamen un sin Schipp lag up dem Strom der Sundschen Rhede voer Anker. He was eenen Dag in de Stadt fahren, un Gott weet, wo't geschach--denn sues ging he den Dag weinigstens wohl dreimal an Burd--he was in een woist Gelag geraden un se hedden so deep in't Glas keken, datt Gau Schipp un Puk un de ganze Welt voergatt. So hedd unser Schipper twee utgeslagene Dage in Stralsund voerdrunken, un sine Dinger, de he hungern let, weren grimmig worden, hedden de Glaeser terbraken, worin se seten, un bloesen eenen Storm up, datt dat Schipp anfung mit allen Segeln to spelen un sick von allen Ankern losret. De Luede, de up der Bruegg un Lastadie stunden, vorwunderden sick--denn bi de Stadt weihde kum een Lueftken--wo dat Schipp rundkueselde as een Swin, dat to veelen Branwinsbarm sapen hett. Un et wurd een grot Geschrei, un veele Schippers lepen herbi un ook Schipper Gau. He kreeg flugs een paar von sinen Matrosen un eenige annere Waghaelse tohop, loeste sin Boot un leet de Remen knarren un reep: "Frisch Jongs! frisch! wenn ick an Burd kam, schaelen mine Kerls voll wedder to Loch, se kennen min Komando woll." Un Gau kam richtig an dat Schipp, dat sick juemmer runduem kueselde, as wenn't in eenem Strudel stack. Alle annern Schipp ruehrden sick nich, as wenn foer se keene Luft weihde, un was een heel moj Waeder. Aewerst de kecke Gau hedd sick dittmal to veel voermeten; sine Buerschchen, de weegn des langen Hungers to grimmig weren, leten sick van em weder locken noch hissen; se makten juemmer gewaltigern Storm un dullere Arbeit un kueselden toletzt so arg, datt Schipp mit Mann un Mus to Grund gingen. To der Tid ging mennig Gerede mank de Schippers hen un her, un veelen is woll bang worden; aewerst ick gloew, et gifft noch van der Art, de ehre luetten Duewelkens in Schachteln un Glaesern mit an Burd nehmen. De witte Fru to Loebnitz In Loebnitz ging de Red, datt eene witte Fru bi nachtslapender Tid rundging. Ehr Gang was van der Bleke aewer dat Steg, dat achter dem Backhuse up der Beek liggt, doerch dat Backhus uem den Schaapstall un uem de grote Schuen, un denn gar langsam doer den Boomgarden un Blomengarden, wo se oft still stund un sick bueckte, as wenn se Aeppel upsammelde edder Blomen plueckte. Van da ging se toletzt in dat Hus, wo se uem Klock een meist ut dem Keller unner der Trepp herupsteeg mit eenem Licht in der Hand, waran blage Fuenkschen stoeweden un dat hell upgnisterde. So is se oft sehn uem de Gespensterstund; un ook mine selige Moder sede, se hedd se mal schemern sehn. Se plag juemmer an der Trepp stilltostahn un sick wunnerlich uemtokiken ook woll de Husdoer to befoehlen, ob se slaten were; denn ging se langsam un potentatisch de Trepp herup un steg to Baenen unner de Oken to den Katten un loeschte ehr Licht ut. Dat is enmal wiss, keen Minsch ging to der Tid gern up de Dele un up de Trepp; un dat was dat Besuennlichste, datt keen Hund da je to liggen edder to rasten plegde. Un oft is't schehn, datt Maege, de de Trepp mit Licht herupgingen edder des Nachts da wat to bestellen hedden, ploetzlich as foer dood henstoerteden un denn elendig krank wurden; un de hebben voertellt, de witte Fru wer en mit dem blagen gnistrigen Licht in den Weg treden un hedd se anpust't. Van disser witten Fru voertellde Johann Geese eenmal: "Mit der witten Fru, de to gewissen Tiden, am meisten im Harwst un Winter to Loebnitz uemgeiht, schall man sick woll in acht nehmen, un den Duewel nich im Aewermod voersoeken. Dat is een erzboeses Wif, un se geiht nich voergaews in der wilden Unruh rund un makt ehrlichen Lueden de Nacht gruwlich. Dat's woll hundert Jahr her un laenger, datt se to Loebnitz wuerklich lewde un regierde. Se was een rikes un voernehmes Eddelmannswif un se seggen, se kam ut Polen--so schoen un witt as de witte Dag, datt ehres Gliken van Schoenheit kum up der Welt west is. Aewerst se was eene leidige Hex un falsch un listig van Grund ut, un slimmer as Bollis im Winter; un de olde Fiend hedd ehr den letzten Bloodsdruppen voergiftet, datt ook nich een god Haar mehr an ehr was. Se was grausam hoffardig un lichtfardig, solang se jung un schoen was, un schall ehren olden Mann mit Gift voergewen hebben. As et aewerst mit ehr gegen dat Older ging un se een, drei Stieg Jahr up dem Puckel hedd, da voerlet se de lustige Duewel, de im Blood sitt, aewergaff se sinem slimmsten Broder, dem hungrigen un kattigen Gitzduewel, dem Duewel, de nich slapen kann, dem rechten Negendoeder der Seelen, as de Herr Pastor seggt. Nu wurd dat olde Wif eene slimme Minschenschinnerin un Luedplagerin un kratzte ut dem Blood und Sweet der armen Luede Gold in Hupen tosam un voergrof't an veelen Stellen. Un as se endlich van disser Welt weg muesst, is't ehr tor Straf sett't, datt se up desuelwige Wis, as se annern keene Rauh un Rast guennt hett, ook im Grawe noch keene Rauh finden schull. Daruem muett se nu uemgahn in der doistern Nacht, wenn alle frame Kreaturen un christlichen Minschen slapen, un de hungrigen Wuelw und Voess un Marten un Ilken un anner sodhan Tueg alleen up den Beenen suent. Denn muett se herut in Hagel un Snei un Wind un Regen in dem witten Doodenhemd mit dem gefaehrlichen Licht in der Hand. Un wiel se im Keller un in der Bleke dat meiste Geld vorgrawen hett, daruem muett se dar am meisten uemlopen. De Herr hett woll de Loecher sehn, de de Schatzgroewers dissen Winter up der Bleke upwoehlt hebben? Aewerst de dummen Narren! da ward keen Minsch wat finden. Denn je slimmer de Minsch ist, de Geld in der Erd voergroeft, desto groetere Macht hett de Boes aewer den Schatz un desto deeper kann he en to sick heruntertrecken. Un wer seggt uns, wo veele dausend Faden deep he ehre Geldkasten in de Erd herunnerslaken hett? Dat is ook wahr un is doer veele Teken bewist, datt dueslike vordammte Seelen, de im Graw keene Rauh hebben, van Gott brukt warden de Slimmen in Tucht to holden. Denn wer in voerbadner Tid as Sliker edder Deef heruemlurt un wat soecht, wo he nicks voerlaren hett, un dem witten Wiwe in den Wurf kuemmt, mit dem doerft se affahren, as't ehr gefoellt, wenn he nich noch tor rechten Tid een himmlisch Gewehr ergrippt, as een Evangelienbook edder een Gebet, dem Gott anmarkt, datt et nich tom Spass ut der Kehle geiht. Dat hett sick voer een twintig Jahr begewen. Da was in Langenhanshagen een Snider, de het Jakobs un was as een Toewerer un Deef voerropen, de des Nachts selden in sinem Bedd sleep. Den funden se eenes Morgens to Loebnitz an der Eek achter dem Backhus, wo de Steg aewer de Beek geiht. O je! wo bummelde de grote Kramsvagel! un wo frisch weihede dat Sniderhoiken im Wind! He was mit eener frischen groenen Wide upknueppt. Sine Fruendschaft sede woll, datt he sick woll suelwst een Leed andhan hedd; aewerst wi weten dat beter: sine Uphengersche lewt noch." De Prester un de Duewel Starkow hett juemmer deege Presters hett, de as unser Pastor Scheer den Minschen woll an't Hart to kamen un den Duewel, wenn he sick nich gar to sehr inwoertelt hett, uttodriwen voerstunden. Un wet de Herr, wo dat herkuemmt? In olden Tiden, as de Heiden hier utdrewen un Gotts Wurt un dat bloodige Kruetz predigt wurden, was disse Gegend hier uem Starkow Redbass un Loebnitz nicks as Holt, Heid un Morast, wo hier un dar een Mann in sinem Huesken wahnde. Da kam ook een Pastor un de nuee Kark schull buwt warden; aewerst der Luede was wenig un dat Weinige ook noch arm. De Pastor is een sehr gottsfuerchtig Mann west un klok dabi un hett veel hen un her sunnen, up wat Wis he Gotts Wark vollbringen un sinem hilligen Wurt eene Stad bereiden kuenn. Un da is em de Duewel infollen, de olde Schalk un Seelenfaenger, de sick oft bi em infund, wenn he sine stille Bedstund in sinem Kamerken helt. Denn he kennde en woll, wenn he sick as eene swarte Fleg up sine Bibel settede un darup heruemwipperde. Denn de Stank blef nah, wenn de Fleg wegflog. Un de kloke Herr hett den Duewel mit List dran kregen un bedragen, un Satan hett sweeten muesst, datt em de hoellschen Druppen aewer de Naes lepen. Un in drei Dagen hett de Kark fix und fardig da stahn, as de Herr se noch sueht, un is eene van den oeldesten in Pamerland, un ehr Baumeister hett se nich mit inwihen helpen doerft. Aewerst dat muett man em laten, so slimm de olde Fiend is, he hett eene grote Daegd, un dat is de Daegd der Geduld un Arbeitsamkeit, datt he sick nicks voerdreten lett, wat to sinem Geschaeft huert--un datt kuenn een Christenminsch sick ook woll van dem Doiwel leeren laten. Wo sehr de kloke Prester en ook vexirrt un narrt hedd, he makte een fruendlich Gesicht dato, un kam juemmer wedder un frog sinen Kunden, ob he em noch nich in wat denen kuenn un ob he nich noch eene kleene Arbeit foer en hedd. De Prester oewerst fuerchte sick voer dem Schelm, datt he en doch beluren muegte, un wull nicks mehr mit em to dhon hebben. Nu was da een Doerp, dat nah Starkow in de Kark ging; dat lag achter dem Holt heel nah, un de Pastor muesst oft dahinriden. Aewerst so nah dat Doerp ook lag, was't wegen Unwegsamkeit doch een Dreiviertelwegs. Denn he muesst eenen wieden Weg maken aewer Oldenhagen un uem den groten Wald heruem, wiel in dem Holt een deeper Morast was, wo man alleen im Sommer aewer kunn. Da foell dem Pastor eenes Dages in, ob he sinen Werkmeister nich wedder bruken un dran kriegen schull. Un as de Duewel eenmal wedderkam, slot he den Handel af mit em un besprack sick mit dem Boesen: He schull em in drei Dagen den Weg doer't Holt un eenen Damm aewer den Morast maken, un he wulle mit Lif und Seel sin wesen, wenn he en betrappelde, datt he man eenen Strohhalm breet ut sinem Voerbeet ging. De Prester satt awerst in sinem Garden unner eenem Boom un las de Predigt aewer, de he den naechsten Suenndag holden wull; un sin Swur was: "Duewel, wenn du in drei Dagen den Weg un Damm doer dat Holt to der Horst fardigkrigst, so schast du mine Seel nehmen, wo du se findst, wenn ick nich mehr up dissen minen Voerbeet stah." Un de Duewel schmunzelde in sinem Sinn un dachte: Den Vagel hest du fangen; denn wo will de dumme Prester dat woll anfangen, datt ick'n nich mal uter sinem Voerbeet treffen schall? Dat Lewen is lang un de Gedanken suent kort un ehr Beten van Faden ritt licht af. Un he ging lustig weg un makte sick an de Arbeit, haude Eeken af un makte Brueggen un slepte Steene un karde Sand, un ehr drei Dag uem weren, stund de grade Weg da un lag de schoene Damm fardig, so schoen un glatt, datt een Koennig mit Lust draewerfahren kunn. Un he kam to dem Prester un sede: "De Weg un de Damm suent makt." Un he lurde em nu up, wo he en faten un begigeln kuenn. Un kum vergingen een paar Dag, so nam de Prester sinen Stock in de Hand un ging den Weg nah Redbas herut, sick sine Brewe un Zeitungen van der Post to halen. Un as he kum an de Bruegg kamen was, wo de Sched is tueschen de Redbasser un Starkower Feldmark, wipps, hast du mir nicht gesehn, was de olde Grising da in sinem roden scharlaken Tressenrock un mit sinem Hahnenfoot, wippelde as een Hester uem dat kranke Kueken, uem den Prester heruem, un stellde sick achter em up den Weg, datt he em nich wedder toruegg lopen kuenn. Un he gruesste en up sine doewelsche Wise gar fruendlich un reep: "Willkamen, Presting! Nu muesst du mal mit mi kamen un tosehn, wo't sick in der Hoell lewt un ob du se denen Buren richtig utleggt hest. Wo steiht et? Hest du din Fell brav insmeert, datt et in der Hitt nich springt?" Un as de Duewel disse spoetsche Red dhan hedd, makte he sick an den Prester un wull en packen; aewerst he kunn nich! Denn em kam een Gruwel un Grusen an, as wenn he mit sinen Klauen in kold Is tastet hedd. Un de Prester lachte mit grotem Vergnoegen, blos em ut siner Pip den Tabaksrook in de Naes un sede: "Holt, Duewel! da is noch een Sticken voer, datt du nich herin kannst. Markst du, datt ick up minen Voerbeet stah? Un damit du Schlangenschelm et begrippst un in dinen Duewelsknaken zitterst un baewerst, so kumm her un seh!" Un de Prester tog eenen Staewel ut un wieste dem Duewel, datt he drei, vier Blaeder ut dem Evangelienbook in sine Socken inneiht hedd. Un de hedd he ook in sinen Staeweln hett, as he im Garden den Eid swur un sinen Handel aewer den Weg doer't Holt afslot. Un de rode Duewel wurd voer Grimm blass un bleek as de Kalk an der Wand un schaemde sick un voerzagde an dem Prester, un neihde ut, as wenn em Fuer unner den Salen brennde, un hett sick sin Leder nich mehr bi em sehn laten. Un de Prester hett as een gottselig Mann lewt, un is so storwen, un de Kark steiht bet dissen huetigen Dag, un de Damm liggt noch un fuehrt den Namen sines Baumeisters, het de Duewelsdamm; aewerst nahgrad wer't woll noedig, datt man den Duewel eenmal wedder dran krege tom Utbetern; denn he hett voerdammt veele Loecher. Un wenn man ditt so bedenkt un de olden Geschichten huert, so mag man sick woll wundern, datt de Presters nu tor Tiden so weinig kaenen un den Duewel nich mehr am Strick hebben. Se segen, de olde Herr van der Finsternis un Duesternis is dood un lewt nich mehr, aewerst se kaenen't nich bewiesen un ick gloewt nich; denn he reckt sine Tatzen noch oft nog hervoer. Un wahrhaftig leider Gotts! an dem Duewel fehlt et nich, man de rechte Glow fehlt un de rechte Leewe, de rechte fuerige himmlische Leewe, de de ganze vullgeproppte gloenige Hoell un alle Millionen Duewels mit eenanner utbrennen un in Asch voerwandeln kann. Un daruem voerseggt en dat Hart, et mit em uptonehmen. De Olden voerstunden't beter un wuessten den Spruch mit der Dhad uttoleggen: West klok as de Slangen un eenfoldig as de Duwen. To der Tid, as de Duewel Karken und Kloester buwen muesst, gaff't gottskloke Luede; nu aewerst suent se duewelsklok un negenklok un aewer all der Klokheit is de Voernunft dumm worden, wo se de goden un slimmen Geister mit eenem Blick underscheiden un den Engels und Duewels in Christo begripen un den Lueden utdueden kunnen. Se soeken den leewen Gott in der Welt, wo he is un ook nich is, un nich in der Bibel, wo en jeder finden kann, dem Negenklokheit de Oogen nich voerglastert hett. Weer he so saeker un wiss up der Landstrat to finden, so were de leewe Heiland jo uemsues vam Himmel herunnerkamen, sin duerbares Blood am Kruetz foer uns to voergeten. De Wewer un de Steen De Herr hett woll dat steenerne Kruetz sehn, dat am Wege steiht, wo man van der Loebnitzer Maehl nach Redbas geiht. Da lag voer dissem een Steen, de was in twee Stuecken tersprungen. Den hebben se wegnahmen, as de Fuerst Hessenstein de praechtige Redbasser Bruegg buwen let; un dat is schad, denn de Steen hedd wat in sick, un't was eene Geschicht mit em, woran sick Mennigeen spegeln un wobi jeder Wandersmann, de voerbiging, sine goden Gedanken hebben kun; un he was recht een Wahrnagel foer de Deewe un foer alle falschen Nachtslikers. Nu he aewerst weg is, ward et woll to swind voergaeten sin, un wer weet, wo lang dat Kruetz noch steiht, denn nu is de Tid da, wo se alles umkehren un dat Olde voerachten. Voer langen langen Tiden, lang voer Minschengedenken, wahnde in Redebas een Wewer, dat was een groter Schelm. He wewerde aewerst nich veel--denn sin Wewstohl stund juemmer still--aewerst he grep to eener Kunst, wodoer man een lustig Lewen holden un swind rik warden kann; un de Duewel hedd to sinem Gespinst den Inslag makt, un nu mag de arme Stacker tosehn, wo he dat Netz utrawweln will, dat he sick suelwst wewt hett. Des Nachts, wenn de ehrlichen Luede slapen, was min Wewer juemmer flink mit sinen Gesellen up den Beenen, un fette Swin un Goes, de de Bur den annern Morgen tohauen wull, un Schinken un Mettwurst un mennig swarer Immenrump un blanker Schepel Weiten kam int Hus, un nuems wusste, up wat foer eenem Wege. Dat aewerst wuessten alle Luede im Doerp, datt de Wewer ful was as de Oss uem Wihnachten un datt he fedder lewde as de Schult un Voerwalter. Un se munkelden woll unner sick, he were een Deef un Roewer un stuend' ook mit dem olden Draken im Voerbund, de em alles todroege; aewerst bewiesen kunn em't keener. Nu begaff sick't eenes Dages, datt unser Meister Urian mit sinem Gesellen dem Loebnitzer Moeller eene Nacht in de Maehl brok, un datt jeder sinen Sack Weiten furtdrog. Glik drup kam de Moeller mit sinem Burschen, un se funden de Maehl apen un den Weiten weg un lepen up den Wegen herut, ob se nuems gewahr warden kuennen. Un se kemen ook up den Redbasser Weg un packten unsern Wewer, de mit sinem Weiten up eenem groten Steen satt; de Gesell aewerst was wiet voerut. De Moeller un de Maehlenbursch nehmen nu unsern Wewer tueschen sich un pruegelden en deeg af, un darup muesst he sinen Weiten wedder upsacken un mit gewaltigem Pusten un Staenen nah Loebnitz bet an dat Moellerhus dregen. Da hoelden se en fest, denn se meenden ganz saeker; datt he de Weitendeef were. Un den annern Voermiddag was groter Gerichtsdag to Loebnitz. Un de Wewer hoelt sick stif und loegnede alles, un lede sware Klag up den Moeller un den Maehlenburschen, datt se en as eenen Deef festholden, up der Landstrat slagen un em sinen egnen Weiten afnahmen hedden. "Denn"--schreide he--"ditt is min Sack (he hedd aewerst sinen egnen Sack mit sinem Namenteken mitnahmen un den Weiten darin schueddet) un de Weiten darin is min Weiten, den ick mi gistern Awend van dem Buren to Holthof koefft hew. Un wenn ji't nich gloewen willt, so schickt hen un latet den Buren halen un fragen, un wenn he seggt, datt ick den Weiten van em nich koefft hew, will ick nu un ewig een Schelm heten." Un se schickten nah'm Holthof, un de Bur sede ut, as de Wewer beduert hedd; denn he stack ook mit drin un was een Afflegger un Deewshehler. Un nu wuesste de Richter keenen annern Rat, he hoelt den Wewer woll foer eenen Deef, aewerst he kunn em't nich up't Lif seggen, un daruem muesst he en tom Swur laten. Un he nam den Moeller un den Maehlenburschen un den Waewer, un se gingen mit eenanner to dem Steen un dem Kruetz up der Heid am Wege, wo de Moeller en packt hedd, un da voermahnde he den Wewer noch eenmal, Gott de Ehre to laten, wenn he suendigt hedd, un leewer sine Suend to bekennen un de Straf to liden, as eenen falschen Eid to dhon un ewig in der Hoell to braden. "Denn"--sede he un sach den Schelm dabi sehr ernsthaftig an--"disse Steen wat woll tuegen gegen di, wenn du falsch swerst, un disse Durnbuesche warden de Koepp aewer di tohop stecken un Weh und Zeter aewer di schreien." De Wewer aewerst let sick nicks anfechten, he makte sin Hart fast un verschot keene Min un schwur frisch weg, datt he unschuldig were an des Moellers Doer un Weiten, un sprack mit frecher luder Stimm: "Lat dissen Steen in Stuecken springen, un wenn et een muntlos Kindeken weet, datt ick de Deef buen, lat et oogenblicklich dat Wurt gewinnen." Un da gingen se van dem Steen weder nach Loebnitz toruegg, un de Spruch was: De Moeller un de Maehlenbursch muessten dem Wewer Afbidde dhon un foer den Schimp un de Slaege hundertfoeftig Daler betalen und alle Kosten stahn. Dat hedden se noch to ehrem Schaden; de Wewer aewerst strek dat Geld in un lachte in sin Fuestken, nam sinen Weitensack up den Puckel un plegde sick eenen goden Dag van dem Roof un van dem gluecklichen Geldfang. Nu was't to spad em totoropen: "Holl up! Holl up!" he was to dicht van den Doiwelsstricken bestrickt, un kunn nich mehr herut; sin Wagen was loslaten, un lep stoertlings bargaf. He dref dat lichte Handwark noch een paar Jahr un wurd een Perddeef un Stratroewer un Moerder un strek an Galgen un Strick oft hart voerbi. Toletzt aewerst wurde he in Rostock fast mit mehrern siner Gesellen, un da kam et ut, datt he voer drei Jahren in Kenz een Hus anstaken hedd, worin eene olde Frau un drei Kinder voerbrennt weren. De arme Suender wurd nu utlewert nah Redebas, wo he to Hus was, un sin Urtel wurd spraken: He schull an dem Pal voerbrennt warden. As he hier satt, dachten se in Loebnitz un Redbas wedder an den Weitensack un wo he sick an dem Steen up der Heid losswaren hedd. Un de Koenigliche Amtmann un de Schult leten dat Holt, worup he verbrennen schull, dahenfuehren un richteden em an dem Steen sinen letzten fuerigen Stol up. Un da hett sick begewen, as he in der heeten Qual satt un sinen letzten Lewensschrei van sick gaf, datt et unner dem brennenden Holte klungen hett, as wenn een Kind weent. Un alle Minschen, de dabistunden, hebben sick voerwundert un voerfiert aewer de Kinderstimm, un een old Wif hett seggt: "Da hett mal eene Mordhand een Kind in de Erd scharrt, un dat ruehrt sick nu in siner Gruft." Aewerst de Maehlenbursch van voermals, de nu Moeller in Karnin was un dabistund, reep ganz lude, datt alle Lued et huerden: "Ne! keene arme Suendersche hett ehr Kind da in de Erd voergraben, da hett de Schelm up dat Evangelienbook sin falsch Wurt ingraben, un dat muett, damit de Wahrheit an den Dag kuemmt, unner der Erd herutschreien: 'Wewer, du hest Gott belagen.' Un nu will'n wi sehn, wo't mit dem Steen utsueht." Un de Moeller voertellde de ganze Geschicht van dem Weitensack un wat de Richter bi dem Steen seggt hed un wo sehr he den Wewer up sine ewige Seligkeit voermahnt hedd, un up wat Wise un mit wat foer Wurden de Wewer sick darup voerswaren hedd. Un de Luede voerstaunden sick un keener kunn een Wurt spreken voer Schrecken. Un as de arme Suender voerbrennt was un nicks as Asch un Knaken aewrig weren, da trat de Moeller to dem Steen un rakte mit dem Stock de Asch weg van dem Steen, un sueh! de Steen was terborsten un in twee Stuecken zersprungen. Un alle Luede seden: "Seht! dat is Gotts Finger", un gingen in Furcht un Zittern to Hus. Aewerst ob van allen den, de dabistunden, ook nich eener mal stahlen hett, dafoer will ick nich godstahn; denn so ward et woll in disser Welt bliwen, so lang se steiht. Die alte Burg bei Loebnitz Nahe bei Loebnitz ueber gruenen Wiesen, wodurch sich das Fluesschen Barth hinschlaengelt, gruent ein kleiner Eichenwald mit einem durchrinnenden Baechlein und den schoensten und dichtesten Haselbueschen, welche sich fast jeden Herbst unter dem braunen Schmuck ihrer Fruechte beugen. An der Suedseite des Waeldchens liegt eine Ziegelei, und am noerdlichsten Ende erhebt sich eine Burghoehe, deren Umwallung ringsum eine Senkung umgibt, in welcher die elegischen und zauberischen Straeuche Kreuzdorn und Hagedorn, Hollunder und Alf-Ranke, Nessel und Nachtschatten sich festgesiedelt hatten und dem Andringer das Aufsteigen fast schwer machten; auch hatten die Fuechse sich den Wall und sein altes Gemaeuer zu ihren unterirdischen Wohnungen durchminiert. Dieser alten Burg gegenueber erhob jenseits am rechten Ufer des Flusses unweit Wobbelkow ein stattliches Huenengrab sein gruenbemoostes Haupt, von dessen Gipfel man die Stadt Barth mit ihren roten Daechern und in der Landschaft umher ein halbes Dutzend Kirchtuerme und ein halbes Hundert Hoefe und Doerfer ueberschauen konnte. Dieses Eichwaeldchen ward nach den Truemmern jener Burg gewoehnlich nur zur alten Burg genannt. Hier hatte sich nun ein Abenteuer begeben, welches durch alle Muende und Maeuler der Menschen die Runde machte: Eine junge, huebsche Dirne, welche die Kuehe des Zieglers im Busche huetete, war ploetzlich verschwunden oder entlaufen, und da geschah es, dass die Stimmen der Sage sich wieder aufweckten, die oft verschollen ihre Zeit traeumt und schlaeft und dann mit doppelter Lebendigkeit wieder in die Ohren der Menschen toent. Und in folgender Weise war die Erzaehlung des Gaertners Christian Benzin: "Herr, sie sagen so was von der Dirne des Zieglers, die vor vierzehn Tagen am hellen scheinenden Mittag verschwunden und nicht wiedergekommen ist. Die Leute munkeln, und des alten Schweden Sturbergs Jungen aus Wobbelkow, die einem Kalbe nachgelaufen, haben es gesehen: Ein Matrose in bunter, rotgestreifter Jacke ist mit ihr am Saum des Waldes spazierengegangen und hat einen Blumenstrauss in der Hand gehabt, und sie glauben, der habe sie weggelockt und mit sich auf sein Schiff genommen. O du Herr Jemine! Das Schiff, worauf die Dirne faehrt! Soviel ist wahr, den Buntjack werden die Sturbergsjungen wohl spazieren gesehen haben, aber meiner Sir so weit, als die dummen Leute sich einbilden, ist sie nicht unter Segel gegangen. Ich weiss wohl, wo sie sitzt, und Jochen Eigen, den sie immer den Edelmann schelten, weiss es wohl noch besser, aber der schaemt sich und sagt's nicht und verraet nichts von seinen Hausheimlichkeiten, als wenn er mal ein wenig zu tief ins Glas geguckt hat." Und bei diesen Worten machte der Gaertner Christian eine gar absonderliche und verwunderliche Miene. "Nun, Benzin, nur her mit Euren Geschichten! Jetzt, hoffe ich, wird's einmal wohl ans Licht kommen, warum Ihr bei dem Namen alte Burg immer so wunderliche Reden und Gebaerden braucht. Hier muss es irgendwo stecken, dass Ihr auf der Jagd nie in diesen Busch hinein wollt und mit leichten, diebischen Katzentritten an seinem Rande umherschleicht oder Euch in gehoeriger Entfernung Eure Stelle anweisen lasst. Darum habt ihr, als die schoenen Mamsellen aus Barth juengst dahin Nuesse pfluecken gingen und noch andere huebsche junge Frauen mitgehen wollten, so wunderliche Gesichter geschnitten und sie in den Loebnitzer Wald auf den Kamp zu laufen verlockt, wo man unter den Pfriemenbueschen wohl Hasen und Fuechse aufjagen, aber keine Nuesse schuetteln kann. Es muss was Besonderes mit diesem Busche sein. Und nun heraus damit! Ich lasse Euch diesmal nicht los." "Ja, Herr, dies ist Euch ein Busch! hier liesse sich viel erzaehlen, und wer eine huebsche Frau und schoene Tochter hat, der lasse andere Weiber in diesen Busch Nuesse pfluecken gehen. Ich sage nur soviel: wie manche huebsche Jungfer wuerde ihr Herzleid zu erzaehlen haben, wenn sie sich nicht schaemte! Ich erinnere mich noch, mein Vater hat mir's erzaehlt,--es sind wohl ein paar Stiege Jahre her--da waren ein paar schoene Jungfern aus Barth gekommen Nuesse zu pfluecken, und sie sind hier im Waeldchen verschwunden. Man hat die Verschwundenen tage- und wochenlang gesucht, wie man Stecknadeln sucht, bei Sonnenlicht und Laternenlicht, aber keine Spur von ihnen gefunden, kein Mensch hat sie wiedergesehen. Mein Vater sagt, es sei grosse Wehklage und Trauer um sie gewesen--denn es waren Kinder ehrsamer und reicher Leute--und zuletzt in Kentz und Starkow und in allen Kirchen umher mit den Glocken um sie gelaeutet, als haette ein Wolf oder Baer sie gefressen. Aber deren gibt's hier nicht; ich weiss wohl, wer der Wolf ist. Und doch hat sich's wunderlich genug offenbart: sie waren nicht von wilden Tieren aufgefressen, sondern nach acht bis zehn Jahren von Vergessenheit und Verschollenheit sind sie mit einemmal noch ganz frisch und blank wieder unter den Lebendigen aufgetreten und haben sich nichts merken lassen. Aber die Leute haben doch eine Art Grauel vor ihnen angewandelt und haben ihrer Jungferschaft nicht recht getraut, und die armen huebschen Maedchen haben zuletzt als alte Jungfern sterben muessen. Und nun will ich erzaehlen, was Jochen Eigen mir erzaehlt hat, der diese Geschichten am besten weiss; aber er wird sich hueten sie dem Herrn zu erzaehlen. Und dann wird der Herr verstehen, warum ich huebsche junge Frauen und Maedchen nicht so leichtfertig in den Wald laufen lassen will, und warum ich neulich krank ward, als ich die Nacht bei dem Fuchsbau am Burgwall, wo sie gegraben hatten, Schildwache stehen und die jungen Fuechse, wenn sie etwa heraus wollten, zuruecktreiben sollte. Vor langen, langen Jahren war Jochen Eigens Urgrossvater*, ein praechtiger, stolzer Edelmann, so praechtig und steinreich, dass er den Zaum seines Pferdes mit Juwelen besetzte und in einem goldnen Steigbuegel sass. Dieser hatte im Lande Ruegen und auch hier im Pommerlande viele schoene Hoefe, Waelder und Bauern, so viele, dass man sie nicht zaehlen konnte--ein praechtiger, stolzer Mensch, der mit sechsen vom Bock fuhr, einen Laeufer vor sich herlaufen und seine Pferde in langen Straengen springen liess. Aber es war ein wilder, verwegner Mensch, der nichts von Gottes Wort und Wegen wissen wollte, ein toller Jaeger und Reiter und ein greulicher Weiberjaeger, der wie der Falk auf die Tauben, auf die schoenen Dirnen lauerte. Diesem Eigen hat in jenen alten Zeiten auch Loebnitz und Diwitz und Wobbelkow gehoert, und hier bei Loebnitz hat er im Walde ein praechtiges Burgschloss gehabt mit vielen Tuermen und Fenstern, wo er manche schoene Nacht durchschwaermt und durchtrunken und mit seinen lustigen Gesellen bei Wein und Weibern bankettiert hat. Und dort auf dem hohen Huenengrabe an dem andern Ufer, dort am Wege zwischen Redebas und Wobbelkow, hat er sich ein praechtiges, aus eitel gehauenen demantenen Steinen gebautes Lustschloss hingestellt. Da ist er oft hingaloppiert und hat dort gesessen und mit einem Kieker auf die Landstrassen umher ausgeschaut, ob seine wilden Lauscher und Raeuber, die er ausgeschickt hatte, schoene Weiber einzufangen, nicht irgendwo mit Beute heransprengten. Diese armen Gefangenen haben sie dann bei naechtlicher Weile, wo andere gute Christenleute schlafen, auf die Burg im Walde geschleppt und dort versteckt, dass weder Hund noch Hahn danach gekraeht hat. So hat der boese Mensch sein wildes, verruchtes Wesen viele lange Jahre getrieben, und Gott hat ihm manchen Tag die Zuegel schiessen lassen. Das lag aber in seinem Blute, und Jochen, dem der Edelmann lange vergangen sein sollte, dessen Grossvater schon ein armer Weber gewesen--der Herr glaubt nicht, was die alten Leute von dem zu erzaehlen wissen, wie grausam der in seinen jungen Jahren auf die huebschen Dirnen gejagt hat. Er will sich's nun nur nicht mehr merken lassen, aber diese luesternen Edelmannsnuecken hat er noch genug in sich. Endlich aber ist doch des alten wilden Jaegers Tag gekommen, es ist Krieg geworden, und Pest und Hunger und Moskowiterzeit und Kalmueckenzeit, ich weiss den Namen nicht recht, aber eine grausame boese Zeit ist gekommen, und da ist jener Boesewicht auch von seinem Jammer gefasst worden: seine Schloesser und Haeuser verbrannt, seine Scheunen und Speicher ausgeleert, sein Vieh weggetrieben. Da hat er sich zuletzt hier in die Burg bergen und verstecken und knapp leben lernen muessen wie andere arme Leute. Da ist seine Rechnung bei dem hoechsten und obersten Rechenmeister uebervoll gewesen, und er hat ihn mit seinem Blitz geschlagen und sein praechtiges Suendenhaus angezuendet, und er und seine Weiber sind alle zu weissen Aschen verbrannt, und von der ganzen Herrlichkeit, wo sonst Geigen und Trompeten klangen und Tag und Nacht bankettiert ward, liegen noch kaum ein paar Steine da, und nun sind die Fuechse und Marder und Eulen die einzigen Nachtmusikanten. ---------------------------- * Die Eigen sind allerdings ein altes adliges Geschlecht in der Insel Ruegen gewesen, aber jetzt laengst verloschen und verschollen. Moeglich, dass Jochen Eigen, welchen sie gern den Edelmann schalten, aus jenem Geschlechte war. Ich habe weder Lust noch Veranlassung gehabt seinem Ursprunge diplomatisch nachzuforschen. Bei diesen Geschichten dringt sich uebrigens wieder die bekannte Erfahrung auf, dass Bauern und Dienstleute in Erinnerung mancher Unbill und Ungerechtigkeiten, die ihnen von schlimmen Edelleuten widerfahren sind, indem sie der freundlichen Herren darueber vergessen, eine Freude und Ergoetzung erleben, wenn sie sich maerchenhaft erzaehlen, wie das Unglueck oder gar der Gottseibeiuns irgendeinem boesen verruchten Geschlechte das Garaus gemacht habe. ---------------------------- Der Herr weiss wohl die alte Eiche, die dicht an der Burg steht, ein besonderes altes Gewaechs, welchem der Blitz auch vor einigen Jahren die eine Haelfte abgespaltet hat. Da spielt jetzt eine gar wunderliche Musikantengesellschaft drauf. Wenn man nur achtgibt und aufmerkt, dass auch kein Voegelchen im Walde schwirrt und zirpt, um den Baum ist's nimmer still. Spatzen und Zeisige und Meisen flattern und schreien da bei Tage in solcher Menge, dass man sein eigen Wort nicht hoeren kann, und des Nachts--o herrje!--machen die Eulen und Kraehen und Raben ihren Gesang, dass einem die Haare zu Berge stehen. Sie sagen auch, dass die Fuechse dann aus ihren Loechern kommen und mitheulen, und dass die Schlangen, deren unten am Bache so viele sind, dann einen Ringeltanz halten; aber ich habe es nicht gesehen. Das ist aber einmal wahr, dass man die Pferde, die in ihren Nuestern von Gespenstern und anderm Teufelszeug eine Witterung haben, an dieser Seite des Waldes selbst bei Tage kaum grasen sieht. Der Herr hat auch wohl den schwarzen Storch gesehen, der nicht weit von der Burg auf einer abgestumpften Buche horstet. Hier um Loebnitz, Redebas und Divitz, wo die Barthwiesen und Baeche so viele Nattern, Schlangen und Froesche ziehen, hat's der Stoerche auf allen Daechern und Scheunen die Menge, aber nirgends sieht man einen schwarzen Storch als hier. Zuweilen sollen Jahre sein, so er ganz ausbleibt, schon seit Menschengedenken hat man davon gesprochen, aber er erscheint zu seiner Zeit immer wieder. Dieser schwarze Storch ist hier der Feldhauptmann des ganzen Vogelgefieders. Viele Leute sagen, er sei der alte Edelmann selbst oder auch ein Sohn von ihm, den er mit einer Mohrenprinzessin gezeugt haben soll, die er dem Sultan im Mohrenlande abgekauft hatte. Denn Zauberer, Hexenmeister, Mohren und solches wanschaffene Teufelsgesindel, das keinen ordentlichen Vater und Mutter vorzeigen kann, wippsen hier des Nachts umher, und diese haben die vielen Fusstritte ausgetreten, die zu dem Wall hinlaufen; denn die Menschen hueten sich wohl, um dieses Revier Fusssteige zu machen. Dieses Gesindel wohnt bis auf den heutigen Tag in unterirdischen Saelen, die noch viele hundert Schuh tief unter den Fuechsen liegen, und mancher hat es deswegen tief unter dem Wall heraus oft so wunderlich sausen und klingen gehoert, mit ganz anderer Gewalt und andern Toenen, als Fuechse und Marder in ihren Loechern machen koennen. Mit diesem schwarzen Storch ist es ein gar absonderliches Ding. Das wissen alle Bauern und Hirten zu erzaehlen, er hat auf den Wiesen ein dreimal groesseres Jagdrevier als irgendeiner der bunten Stoerche, und keiner von diesen kommt ihm in sein Verbiet; ja sie fliegen gleich davon, als wenn sie den Teufel saehen, sobald sie ihn nur von fern erblicken. Des Nachmittags gegen den Abend, wenn die Sonne ins Gold zu gehen anfaengt, sieht man ihn zwischen der Burg und dem Huenengrabe immer hin und her fliegen, auch sitzt er dann oft auf diesem Huegel und schaut gegen die Stadt Barth hinueber, woraus er in seinen Tagen vielleicht manche huebsche Dirne verlockt hat. So muss er nun nach Gottes Spruch und Urteil viele Jahrtausende in Vogelgestalt herumfliegen--denn wer wird ihn zu erloesen kommen?--und statt seiner frueheren Leckerbissen mit der schlechten Speise der Froesche und Schlangen, die jeder Mensch anspeit und ausspeit, vorlieb nehmen, und in seinem schwarzen Rock zeigen, dass er ein Schelm und Boesewicht von Natur ist. Aber es ist sonst doch noch etwas anderes dabei, und das ist eben das Greuliche, der Matros in der bunten Jacke. Ich weiss nicht, ob es ein Matros ist, in welcher Gestalt ihn viele wollen gesehen haben, oder ein huebscher flinker Jaegerbursch, aber die bunte Jacke gehoert einmal dazu. Und keiner versteht, wie dieser Buntjack und der Schwarzrock, der Storch, zugleich da sein koennen, und was diese Vermaskierung bedeutet, aber ein buntes Teufelsspiel ist es sicherlich, und hat manche arme Seele um Ehre und Glueck gebracht. Denn wenn so ein glatter Geelschnabel und Gruenling von einer huebschen jungen Dirne oder ein anderes schoenes Weibsbild hier im Walde Blumen lesen oder Nuesse pfluecken geht und ihre Gedanken nicht in acht nimmt, dass sie nicht ganz auf Gottes Wegen bleiben--ich meine, wenn sie etwas zu junges und zu Lustiges denkt oder mit verbotenen Goetzenbildern des Herzens spielt, wie unser Herr Pastor Scheer sagt, auf der Stelle stellt sich der schoengestreifte Buntjack ein und macht vor ihr seine Kratzfuesse. Er macht sich gar leidig und freundlich heran, reicht Blumenstraeusschen, erbietet sich als Diener die Nussbeutel zu tragen, und spielt so mit tausend Bluecklingen und Heuchlingen und Schmeichlingen um die Weibsen herum, dass die armen Begigelten und Behexten nicht wissen, wie ihnen geschieht, und nimmer gewahr werden koennen, welch ein Hahnenfuessler er ist. Auch kommt er wohl immer ganz wie von ungefaehr als ein feiner, bloeder Juengling, als ein huebscher, unschuldiger Knab', irgendein buntes Voeglein auf der Hand tragend und sprechend: 'Sie sucht Blumen, schoene Jungfer, Sie will Nuesse pfluecken--o komm Sie mit mir! Ich weiss wo schoenste Blumen stehen, wo braune Nuesse in Menge haengen.' Und so lockt er sie fort, und fuehrt sie durch Blumen und Nuesse immer tiefer in den Wald, und lockt sie endlich auf den Burgwall--'O da ist eine ganz praechtige Aussicht, schoene Jungfer', ruft er, 'da kann Sie die schoene Welt mal weit umher ueberschauen.' Da oben liegt aber ein kleiner roter runder Stein wie zu einem Sitz zurechtgemacht mit einem immergruenen Plaetzchen daherum, da hat der Schelm Blumen und Nuesse hingestreut, und wohl rosenrote Aepfel und Pflaumen, und heisst sie sich setzen und sich des Blicks ueber die weite Landschaft freuen. Aber siehe! Wie sie herantreten und den Stein beruehren, tut sich das gruene Plaetzchen auf, und Buntjack und Jungfer und Nuesse und Blumen--alles sinkt ploetzlich tief in die Erde hinab, in die unterirdischen Saele, aus welchen es oft so wunderlich herausklingt--und die armen versunkenen Dirnen kommen nimmer wieder, oder einige kommen auch wohl nach Jahren wieder an das Licht und unter die Menschen, aber sie schaemen sich zu sagen, wo sie so lange gewesen sind und was ihnen widerfahren ist. O wie manche huebsche Jungfer, die mit dem lustigen Buntjack Blumen und Nuesse pfluecken ging, hat hier den Blumenkranz ihrer Unschuld verloren. Ich sage soviel, meine Frau liesse ich fuer alle Schaetze der Welt nicht in diesen Busch gehen. Die Jungen, die des Nachts auf den Wiesen die Pferde hueten, erzaehlen viel von dem Eulen- und Kraehengeschrei, aber zuweilen haben sie auch ein Wimmern und Winseln wie tief aus der Erde heraus gehoert, und dann haben sie den schwarzen Storch gesehen sich in der Luft ueber dem Walde mit den Fluegeln wiegend und klatschend, als sei ihm das eine Freude. Aber ich weiss nicht, ob man alles so glauben soll, aber gewiss boeses Spiel ist dahinter, wiewohl man glauben soll, dass Gott solches Spiel nicht zulaesst bei denen, die mit den rechten Gedanken und mit frommen Bibelspruechen in der Brust versehen sind, und wenn sie sich auch unter lauter Teufelsgesindel im duestersten Walde und in einsamster Wueste verirrt haetten." Der Rabenstein Es gibt viele absonderliche und wunderseltsame Geschichten und Dinge in der Natur, von welchen kein Mensch begreift, wie sie sich begeben und zusammenhaengen, und sind doch da. Und wenn die Menschen sie erzaehlen hoeren, erstaunen sie und erschrecken, aber wissen koennen sie sie nicht. So ist es auch mit dem Rabenstein, wovon viele erzaehlen, aber keiner etwas Gewisses weiss; dass es aber Rabensteine gibt, das weiss man wohl. Ihr habt auch wohl von Diebslichtern gehoert. Die sind fast eben wie der Rabenstein und wie andere unsichtbare Diebslaternen. Es ist aber greulich zu erzaehlen, wie Diebslichter gewonnen werden. Sie sind die Finger von ungeborenen und unschuldigen Kindlein; denn die Finger von schon geborenen und getauften Kindern kann man dazu nicht gebrauchen. Und was fuer ungeborene Kindlein sind das? Und wie muss man die Lichter gewinnen? Wenn eine Diebin oder Moerderin sich selbst erhaengt oder ersaeuft hat oder gehaengt oder gekoepft worden ist und ein Kind in ihrem Leibe traegt, dann musst du hingehen um die Mitternacht, auf des Teufels Strassen, und nicht auf Gottes Strassen, mit Beschwoerungen und Zaubereien, und nicht mit Gebet und Segen, und musst ein Beil oder Messer nehmen, das von Henkershaenden gebraucht ist, und damit den Bauch der armen Suenderin oeffnen, das Kind herausnehmen und seine Finger abschneiden und zu dir stecken. Aber solches muss durchaus um die Mitternacht vollbracht werden und in vollkommenster Einsamkeit und Schweigsamkeit, so dass auch kein leisester Laut, ja kein ach! und kein Seufzer ueber die Lippen des Suchenden gehen darf. So gewinnst du Lichter, die, wenn du willst, brennen, und, wie kurz sie auch sind, doch nimmer ausbrennen, sondern immer gleich lang bleiben. Diese Zauberlichter haben die sonderliche Natur und Eigenschaft, dass sie augenblicklich brennen, wie und wo ihr diebischer Inhaber nur denkt oder wuenscht, dass sie brennen sollen, und ebenso geschwind als sein Wunsch und Gedanke erloeschen. Durch ihre Hilfe kann er in der dichtesten finstersten Nacht, wenn und wo er will, alles sehen; sie leuchten aber nur fuer ihn und fuer keinen andern, und er selbst bleibt unsichtbar, wenn sie auch alles andere hell machen. Dabei sitzt noch die Greulichkeit in ihnen, dass sie eine geheime Gewalt ueber den Schlaf haben und dass in den Zimmern, wo sie angezuendet werden, der Schlafende so fest schnarcht, dass man zehn Donnerbuechsen ueber seinem Kopf losknallen koennte und er doch nicht erwachte. Denke, wie lustig sich da stehlen und nehmen laesst! Auf diese Weise werden die Diebslichter gewonnen und gebraucht, aber anders der Rabenstein und nicht so greulich, wiewohl auch ein vom Satan und von seinen Geluesten verblendetes und verhaertetes Herz dazu gehoert, sich den Rabenstein in die Tasche zu schaffen. Dies ist aber der Rabenstein, und auf folgende Weise wird er gewonnen: Die Raben, Kraehen, Adler und andre solche Voegel, welche scharfe Schnaebel und Klauen haben und von Gott auf den Raub angewiesen sind, sagen die Leute, werden sehr alt und leben wohl zweihundert und dreihundert Jahre, also viel laenger als die aeltesten Menschen. Wenn nun ein Rabenpaar hundert Winter miteinander gelebt und geheckt hat, dann legt es erst den Rabenstein, und, wie sie sagen, alle zehn Winter einen neuen Stein. Dieser Rabenstein soll nach der Sage aus den Augen der Diebe herauswachsen, welche die Raben am Galgen ausgehackt haben; und das muessen die Raben an vielen hundert Dieben getan haben, ehe sie einen solchen Wunderstein legen koennen. Er ist von der Groesse einer Waelschen Nuss oder eines Rabeneies, ganz rund und glatt und feuerrot wie ein Karfunkelstein, und die Raben legen ihn in der letzten Nacht des Hornungs: denn noch im Winter legen sie ihre Eier und im ersten Fruehling, wann es noch reift und friert, haben sie schon befiederte Jungen. Es hat aber dieser grausige Wunderstein zwei Eigenschaften; die erste, dass er in der Nacht leuchtet wie eine Sonne und alles umher hell, seinen Traeger aber unsichtbar macht, so dass sich herrlich mit ihm stehlen laesst: die zweite, dass er zu Galgen und Rad hinlockt. Wer einen Rabenstein suchen und fangen will, der muss in die hohen Forsten suchen gehen, wo die grossen, himmelhohen Baeume stehen; denn auf den schlanksten und schiersten Fichten, Eschen und Buchen, welche der gewandteste Matrose nicht leicht erklettern kann, baut der kluge Vogel Rabe sein Nest. Da muss er lauschen und lugen, wo er Rabentoene aus hoher Luft klingen hoeren und Rabennester entdecken mag, und zwar an solchen Tagen, wo Schnee gefallen ist; denn dann kann er allein die rechten Nester finden. Er mag naemlich alle Nester ruhig sitzen lassen, unter deren Baeumen Schnee liegt, denn in solchen ist kein Rabenstein. Der Rabenstein naemlich ist so warm von oben, dass es unter seinem Neste nimmer friert noch taut und dass der Schnee in der Minute vergeht, in welcher er faellt. Aber wer dies auch weiss, kann doch wohl hundert Jahre in allen Waeldern und unter allen Baeumen herumlaufen und sich die Augen aus dem Kopfe gucken, und findet doch das Nest mit dem Rabenstein nicht. Denn das Glueck oder gottlob leider der Teufel laesst sich nicht immer so leicht greifen, als die einfaeltigen Leute sich einbilden. Denn ueberhaupt sind wenige Raben in der Welt, und von diesen wenigen wie wenige werden hundert Jahre alt oder gar zweihundert und dreihundert! Weil strenge Winter, wilde Buben, Jaeger und maechtigere Raubvoegel die meisten in der Jugend verderben--und ferner, wie schwer auch sind die Rabennester zu finden, da der Rabe nur einen Klang oder Ton macht, wenn er in hoher Luft fliegt oder auf dem Aase sitzt oder im Neste angegriffen wird, sonst aber der verschwiegenste und einsamste aller Voegel ist! Hat nun auch einer einmal einen solchen Baum gefunden, so will es noch ein rechtes Loewenherz, ja Satansherz dazu, den Rabenstein aus dem Neste herunterzuholen. Denn hoert, wie das geschehen muss: Wer den Rabenstein haben will, der muss in der letzten Nacht des besagten Hornungs in den Wald gehen, wo der Baum mit dem hoffnungsvollen Neste steht. Er muss ganz einsam und allein kommen, und auch keine Menschenseele muss wissen, wohin und wofuer er ausgegangen ist; und auch keinen Laut, nicht einmal ein Hustchen oder ein Seufzerlein darf er von sich geben. Auf die Glocke der Zeit muss er achtgeben und genau um die Mitternachtstunde zur Stelle sein; denn nur in der Gespensterstunde, zwischen zwoelf und eins in der Nacht, laesst der Stein sich gewinnen. Dann muss er sich so splitterfasernackt entkleiden, wie Adam weiland im Unschuldkleide der Natur im Garten Eden gestanden ist; und in diesem Naturkleide muss er nun den Stamm hinaufklettern und zitternd und bebend im Sinn behalten, dass er keinen Ton vernehmen lassen darf; denn alsbald ihm auch nur der leiseste Laut entfuehre, wuerde er gleich des Todes sein. Aber nun merkt euch hierbei wieder des Teufels List. Wenn er den armen gierigen Kletterer bis oben zur Spitze hinaufgelockt hat, wo das heillose Nest sitzt, dann darf er nicht hineinschauen und sich den leuchtenden Stein aussuchen, sondern er muss sich nun noch dreimal um den Stamm herumschwingen, die Augen zutun, und blind hineingreifen, und was sein Finger zuerst beruehrt, das muss er behalten. So hat sich's oft begeben, dass manche mit einem faulen Ei heruntergekommen sind und fuer alle Angst, Arbeit und Schmerzen nur Spott gehabt haben. Es bringen es ueberhaupt wohl wenige zustande mit dem Rabenstein, unter Hunderten, die ihn begehren, wohl kaum einer. Denn alles ist dabei halsbrechend und ungeheuer. Den meisten vergeht gewiss schon die Lust, wenn es um die kalte tote Mitternacht an das Auskleiden gehen soll, und sie nehmen in der Angst die Flucht, und haben dann gewiss das Geschwirr und Gesurr des hoellischen Nachtgesindels im Nacken hinter sich. Auf diese Weise hat mancher freche und verwegene Bursch Schuh und Stiefeln, Rock und Hut verloren und den Leuten hinterher von Dieben und Raeubern erzaehlt, die ihn so bis aufs Hemd ausgezogen haben; die guten Leute haetten diese Raeuber und Kleider und Schuh aber unter dem Rabennest finden koennen. Viele erfrieren und ermatten auch, indem sie den Stamm kaum halb hinaufgeklettert sind, oder koennen es vor Schmerz nicht laenger aushalten, denn es geht dabei wohl an ein ehrliches Schinden der Knie, Schenkel und Arme, und so muessen sie endlich mit Schimpf zurueckkriechen oder fallen auch wohl gar jaemmerlich herunter. Das bleibt aber wahr, wenn sie auch oben bis zur aeussersten Spitze und zum Neste gelangt sind, dann wird's erst recht teuflisch und gefaehrlich. Nun in der Mattigkeit und Angst den vollen Verstand behalten und den Ton so bezwingen, dass auch kein Laut aus der Brust dringt, die Augen zutun, sich dabei dreimal um den Stamm schwingen, und dann mit der Hand ins Nest fahren und den letzten Gluecksgriff tun--das ist wahrhaftig nicht jedermanns Ding. Dabei stuerzen noch die meisten herunter und brechen den Hals, besonders wenn es ihnen zu maechtig wird und sie doch stoehnen oder murmeln. Dann ist es um sie getan. Sowie auch nur der leiseste Laut fast nur atmet, geschweige klingt, ist sogleich ein ganzes Heer da, das mit zu dem Satansgaukelspiel gehoert. Viele hunderttausend Raben fuellen ploetzlich mit ihrem Gekraechze die Luft und umflattern den armen Suender, und fallen mit Fluegeln, Klauen und Schnaebeln so dicht auf ihn, dass er herunter muss, er mag wollen oder nicht. Da geht's denn zuletzt an den Sturz und an ein Hals- und Beinbrechen--denn waere der Kletterer ein Loewe von Mut und Staerke, er muss herunter--und mit den Augen und einem bisschen von Wangen und Nase nimmt die Gesellschaft gleich fuerlieb. Dies sind die Geschichten, wovon man so oft hoert, die man auch oft in Zeitungen liest, wo auf die vermeinten Moerder gelauscht und gefahndet werden soll: ein junger Jaegerbursch oder Handwerksbursch sei nackt und zerrissen und zerfleischt im Walde gefunden, von Raeubern ausgepluendert und erschlagen oder von zuckenden Baeren und Woelfen zerrissen. Er hat sein mitternaechtliches Wagstueck mit dem schwarzen Federvolke so bezahlen muessen, und die Raeuber, Moerder und reissenden Tiere haben weder Knueppel und Pistolen noch Zaehne und Tatzen gefuehrt. Und nun will ich auch eine Geschichte erzaehlen von einem, der den Rabenstein besessen hat, und was er ausgerichtet und wie es mit ihm geendet hat. Vor langer langer Zeit lebte zu Boldewitz auf Ruegen ein reicher und vornehmer Herr, der vieler Kaiser und Koenige und Potentaten in schweren Faellen Kriegsobrister gewesen war, der hiess Herr Friedrich von Rotermund. Dieser brachte aus der Tuerkei oder aus der Tartarei, kurz, aus den Heidenlaendern, wo sie Weiber kaufen, wie bei uns die Pferde, ein wunderschoenes Weib mit, von welcher kein Mensch wusste, ob sie eine Heidin oder Christin war. Sie war aber nicht sein eheliches Weib, sondern seine Kebsin. Mit dieser zeugte er ein Feierabendskind, und das war ein Knabe und hiess auch Friedrich. Es war aber kein Friedrich, sondern ein rechter Kriegerich; denn der Krieg und die Wildheit steckte darin, und er war von keinem Schulmeister noch Zuechtiger zu baendigen, sondern ging durch wie ein kosakisches oder tartarisches Pferd. Er war aber schoen wie Sonnenschein und stark wie Eichbaeume und bei all seiner Wildheit den Menschen ueber die Massen angenehm und gefaellig; so dass jeder den Buben gern hatte. Nach seines Vaters Tode, als er fuenfzehn Jahre alt war und nun einem aelteren Bruder gehorchen sollte, welcher der Sohn der echten Ehefrau des alten Rotermund war, ertrug er die strengere Zucht nicht, sondern entlief und kam nach der Insel Hiddensee, und ging von da zu Schiffe in alle Welt hinaus und ward ein gewaltiger Matros. Als er sich das muntre Seeleben ein halbes Dutzend Jahre versucht hatte, ist er einmal wieder nach Stralsund gekommen und von da zu Hause nach Bergen in Ruegen, wo seine Mutter wohnte. Und seine Mutter und andere Freunde haben ihn dort beredet, er solle auf dem Lande bleiben, welchem Gott feste Balken untergelegt hat, und das unstaete und unsichere Meer verlassen. Und er ist zu einem Foerster in die Lehre gegangen, dass er das froehliche und lustige Weidwerk lernte, und bald ein flinker und huebscher Jaegerbursch geworden, vor welchem die Weiber und Maedchen in den Tueren und Fenstern stillstanden und ausschauten und freundlich nickten und gruessten, wenn er vorueberging; denn er ist wohl einer der schoensten und reisigsten Menschen gewesen, die man weit und breit sehen konnte. Hier hat er nun aber, wie es oft bei den Weidmaennern geschieht, mancherlei verbotene Kuenste gelernt, ist ein Freischuetz geworden, und hat sich den Rabenstein geholt. Dies war dem mutigen Matrosen nur ein Spiel gewesen, welchem im wildesten Sturm nimmer ein Mast zu hoch noch zu glatt gewesen, dass er ihn nicht erklettert und von seiner Spitz dem heulenden Meer froehlich in den offenen Todesrachen geschaut haette. Fritz Rotermund--so nannten ihn die Leute--hat sich nun von seinem Funde des Rabensteins nichts merken lassen, sondern seinen karfunklischen Diebsschluessel gar lustig gebraucht; doch weil er von Natur sehr gutherzig und freundlich war, hat er keine sehr greuliche Taten getan, sondern solche, welche die leichtsinnige Jugend oft nur lustige Streiche nennt. Weil er mit seinem Stein unsichtbar in alle Haeuser und Kammern gehen konnte, so hat er freilich die lustige Gabe genutzt, aber nie keinem ehrlichen oder armen Menschen nur einen Heller genommen; sondern wo er einen boesen, ungerechten Herrn wusste, der auf seinen Schaetzen lag, die er aus dem Schweiss und Blut seiner geplagten Untertanen zusammengepresst hatte, oder einen Filz und Wucherer, der unersaettlich die letzte Habe der Kleinen und Geringen im Volk verschlang, da hat er fleissig eingesprochen und ihre Kisten und Beutel etwas leichter und schlaffer gemacht. Das ist aber besonders an ihm gewesen, dass er von solcher Diebsbeute fast nie etwas fuer sich behalten, sondern es fast alles hingetragen hat, wo er arme und notleidende Alte und hungrige und verlassene Kindlein gewusst hat. Da ist er naechtlich und mitternaechtlich, wo alle Augen der tiefste Schlaf geschlossen hielt, in die Haeuser geschlichen und hat die silbernen oder goldenen Gaben auf Tische, Betten und Wiegen hingeschuettet; dass die Leute, wenn sie erwachten, erstaunten und die Haende zusammenfalteten und beteten. Denn sie konnten nicht meinen, dass eine unsichtbare Diebshand die wohltaetige Verteilerin gewesen sei, sondern mussten glauben, es sei von oben gekommen und ein Englein vom Himmel habe es ihnen ins Haus getragen. Und so ist in den Staedten und Doerfern, welche der Foerster Fritz besuchte, mancherlei Gerede entstanden zugleich von verwegenen Dieben und von wohltaetigen Engeln, wie denn Gottes Reich und Satans Reich und die Gespraeche darueber hier auf Erden immer mitsammen sind. Aber noch viele andre Schalkstreiche hat der lose Fritz veruebt, der leicht wie der Wind allenthalben aus und ein schluepfen konnte; und was wuerden die Tueren und Fenster, wenn sie Mund haetten, von ihm nicht alles zu erzaehlen wissen! Doch das darf ich nicht alles erzaehlen, weil es sich hier nicht schickt; und auch die andern Possenstreiche alle koennte ich nimmer auserzaehlen, die er zu Weihnachten und Fastnacht und bei Hochzeiten, Taenzen und Mummereien als der unvermummte und doch unsichtbare Gast gespielt hat. Eine Not aber hat Fritz bald in dem Rabenstein gefuehlt, die eine schwere Not war und die als eine Teufelsplage der verbotenen Kunst anhaengt. Weil naemlich der Rabenstein aus Galgenvoegeln und Galgenaugen geboren wird, so hat er einen heimlichen und unueberwindlichen Trieb zu Galgen und Rad in sich, eine Witterung, die seinen Traeger und Besitzer treibt, dass er mit dabei sein muss, wenn es an solchen hohen Stellen etwas zu tun gibt. Wenn daher auf der Insel in einem Hochgericht und an einem Galgen einer gekoepft oder gehaengt werden sollte, so trieb's ihn mit Teufelsgewalt und wie auf Windesfluegeln hin; er musste mit dabei sein, und sollte er drei, vier Meilen in zwei Stunden laufen, dass dem Atemlosen die Zunge aus dem Halse hing. Das war aber noch viel schlimmer und grausiger, dass er die Geburtstage und Jahrestage der gerichteten armen Suender mitfeiern musste. An dem Jahrestage der Hinrichtung naemlich versammelten sich die Geister der Gerichteten, damit sie ihren naechtlichen Totentanz um die Hochgerichte halten; und diesen Tanz begehen sie um die grausige Mitternacht, und da muessen alle die mitfeiern und mittanzen, welche den Rabenstein haben. So musste denn auch Fritz manche liebe Nacht, wo er gern anderswo geweilt oder geschlafen haette, im Hagel und Schnee, im Sturm und Donnerwetter hinaus in das wilde Weite und ueber Heiden und Felder, gleich einem Kain, zu Galgen und Hochgericht fortlaufen und den schaurigen Tanz mittanzen, bis ihm oft der Atem schier auszugehen anfing; denn seine Mittaenzer und Mittaenzerinnen huepften begreiflicherweise auf den allerleichtesten Fuessen einher. Und die Leute konnten ihm die Reise zu einem solchen naechtlichen Ball wohl anmerken, und dass ihm irgend was Unrechtes widerfahren war--denn er sah acht, vierzehn Tage nachher noch bleich und krank aus--er aber schuettelte alle fremde Bemerkungen und Fragen leicht von sich ab, machte irgendeinen Scherz oder Wind darueber und sagte: "Ei was! Ihr Siebenschlaefer, die ihr euch jeden Abend zu regelmaessiger Zeit auf eurem weichen Pfuehl hinstreckt, koennt euch wohl rosige Wangen und dicke Baeuchlein anschnarchen; aber mit dem Jaeger ist es gar anders bestellt, der muss viel ein naechtlicher Gesell sein: Fuechse, Marder, Ottern und anderes Wild, das euch die warmen Pelze liefert, faengt und belauert man nicht beim Sonnenschein. Man stoesst da auch wohl zuweilen auf etwas, das nichts taugt, aber das schuettelt ein tapfrer Jaeger auch wieder ab, und die tuechtigen und geheimen Jaegerkuenste zu lernen und die tapfern Jaegergeschichten zu bestehen, dazu gebricht euch das Herz." So hatte Fritz Rotermund es manches liebes Jahr getrieben und hatte wohl frisch und lustig gelebt und fuer Taenze und Gelage und Spiel und schoene Maedchen immer Geld in der Tasche; aber reich war er nicht geworden, denn volle Taschen konnte er nicht leiden. Er war bisher mit seinem gruenen Rock zufrieden gewesen und immer noch ein Jaegersmann geblieben; da begab sich aber von ungeschicht etwas, das den wilden Jaeger zu einem zahmen Edelmann machen sollte, und das war dieses: Im Kriege, zur Zeit des Koenigs Karolus*, waren bei der Stadt Bergen zwei Juden gehaengt, die man als Pferdediebe ertappt hatte. Sie hatten dort schon ein Jahr an dem Galgen gebaumelt, als Fritz Rotermund zur Jahresfeier heraus musste, um zu lernen, wie auf hebraeisch um Galgen und Rad getanzt wird. Und da hat er einen recht geschwinden davidischen Reigen tanzen gelernt, denn die juedischen Geister hatten sich in einem so schnellen asiatischen Schwunge herumgedreht, dass er--was ihm noch nie begegnet war--ermattet in Schlaf hingesunken und erst erwacht war, als das Morgenrot den Ost schon zu hellen begann. Da, als er erschrocken aufsprang, begab es sich, dass der Wind ihm die lumpigen Rockzipfel des einen Galgenkrametvogels, unter dessen duerren Beinen er in Schlaf gefallen war, so heftig gegen die linke Backe wehte, dass das Blut darnach heraussprang. Der Fritz, als er den Backenstreich fuehlte und auf der darnach tastenden Hand Blut erblickte, rief halb schauderig, halb lachend aus: "Ei! ei! Mauschelchen! Du hast auch verdammt scharfe Knoepfe und willst deine Leute wohl an mir raechen, welchen ich in andern Geschaeften zuweilen auch wohl mitternaechtliche Besuche abzustatten pflege?" Und zugleich schaute er nach dem Rocke, und sah auch kein kleinstes Zeichen von einem Knopf, und das verwunderte und schauderte ihn noch mehr. Er ergriff daher den im Winde fliegenden Zipfel, damit er naeher untersuchte, ob irgend in den Falten ein Knopf verborgen stecke. Aber auch da fand sich nichts. Wohl aber fuehlte er etwas Hartes in den Ecken, und sah bald, dass diese mit tausend Faeden hin und her im Unterfutter so durchnaeht waren, als wenn sie bis zum Juengsten Tage halten sollten. Er griff nun frisch zu mit seinen Jaegerfaeusten und riss den ganzen Rockzipfel zu Fetzen auseinander, und was erblickte er? Ein paar funkelnde Edelsteine fielen vor ihm auf die Erde. ---------------------------- * In Schweden und in den damals schwedischen deutschen Ostseelanden ist dieser Koenig Karolus (Karl der Zwoelfte) gleich dem Iskander der Morgenlaender und unserm Friedrich Rotbart auf dem Kyffhaeuser wenige Jahrzehnte nach seinem Tode ein mythischer Name geworden. Alles laengstvergangne Ungeheure und Gewaltige reiht sich unter solche Namen; ob ein Jahrhundert oder einige Jahrtausende rueckwaerts oder vorwaerts gerechnet werden muessen, was kuemmert das das Volk, welches fuer das Poetische und Mythische eine wahrhaft goettliche Zeitrechnung hat, das heisst: nach dem gewoehnlichen Masse gemessen gar keine. ---------------------------- Er nahm sie auf und betrachtete sie an seinem Rabenstein und an dem hellen Morgenrot, und fand, dass diese gegen jene Steine nur wie blasses Wasser waren gegen das rote Feuer. Und hoch sprang er in die Luft empor und rief: "Nun, dies ist der erste Galgentanz, der etwas anderes als Schauder und Greuel gebracht hat", und so trollte er sich davon. Als er aber nach einer halben Stunde Galgen und Furcht weit hinter sich hatte und die Sonne schon am klaren Himmel stehen sah, da holte er die Steine wieder aus der Tasche und beschaute sie genauer, und wusste bald, was sie wert waren. Denn auf seinen vielen und weiten Seereisen hatte er viele Weltwunder und Meerwunder gesehen, und war auch gewesen, wo die schoenen gruenlockigen Seejungfern so zauberisch singen, dass die Schiffer den Matrosen, damit sie nicht zu ihnen in die Tiefe springen, die Ohren voll Teer giessen und mit Wachs zukleben muessen, und war auch an das Land gekommen, wo die Diamanten und Rubinen am Strande im Sande liegen, wie bei uns die Kieselsteine, hatte aber keine aufsammeln und mitnehmen duerfen wegen der greulichen Drachen und Greifen, die sie bewachen. Er lief nun froehlich zu Hause, holte sein Pferd aus dem Stall, sattelte es, und sagte auf acht Tage Ade, und so trabte er auf die Alte Faehre zu, und von da ging's auf Hamburg oder Berlin, wo er die kostbaren Judendiamanten wieder an Juden verkaufte und mit grossen Saecken voll Dukaten, wohl ueber ein paar Tonnen Goldes, nach wenigen Tagen heimkam. Nun hatte Fritz Geld in Huelle und Fuelle, und mit dem Gelde kamen ihm auch vornehme und ernsthafte Gedanken, ja ganz neue Gedanken, wie er sie noch in seinem Leben nicht gehabt hatte. Er ging hin und ward ein Edelmann, und kaufte seinem Bruder Boldevitz ab, wo sein Vater gewohnt hatte und wo er geboren war, und kaufte auch Unruh und auch mehrere andere schoene Gueter, die da herumliegen. Und der Jaeger Fritz fuhr nun mit Vieren und mit Sechsen und mit langen Straengen, und hatte Diener und Jaeger hinter sich auf dem Bock stehen und Laeufer mit silbernen Staeben vor sich herlaufen, und hiess Herr Fritz von Rotermund, wie sein Vater in seinen Tagen geheissen hatte. Und nun nahm er sich auch ein schoenes adliges Fraeulein zur Frau und zeugte Soehne und Toechter, und lebte und gebaerdete sich wie ein anderer Herr. Er blieb aber so freundlich und gebaeurisch mit den Menschen und war so mild gegen seine Leute und so mitleidig gegen die Armen, dass alle verwundert sagten: Der wilde und leichtfertige Fritz ist ja ein Mensch und dazu noch ein Christenmensch geworden. Und das war nicht bloss eitler Schein, sondern es war ihm herzlicher Ernst. Als Fritz so grosses Gut erworben hatte und ein Edelmann geworden war, da schien auch wirklich ein neuer Geist in ihn gefahren zu sein, ein besserer Geist, der sonst so selten mit dem geschwinden und ploetzlichen Reichtum ins Haus zu kommen pflegt. Er verabscheute von nun an seinen Rabenstein und seine mitternaechtlichen Diebsschliche, liebte auch seine alten Schalkstreiche nicht mehr, sondern wollte sich wirklich von Herzen umwenden und bekehren und wieder ein Mensch Gottes werden, hielt sich daher hinfort zu andern guten Christen und zu Kirche und Abendmahl, und lebte mit Frau und Kindern und mit Freunden und Nachbarn und mit allen Menschen so, dass alle ihn lieb und wert hielten und seiner Jugend und Jugendstreiche gern vergassen. Wie er nun aber wirklich christlich und menschlich zu sein und zu leben strebte, so hatte er doch noch einen plagenden Wurm, um welchen er und sein Gott allein wussten, und dieser schlimme Wurm war sein Rabenstein. Was der arme Mann um diesen ausgestanden und gelitten hat, das ist gar nicht zu beschreiben. Er fuehlte naemlich, sowie er sich wieder zum Christentum und zum Glauben seiner Kindheit zurueckgewendet hatte, dass der Rabenstein nichts Geheures war, sondern eine boese teuflische Gaukelei, und haette ihn sogleich von sich werfen moegen in den tiefsten See oder in die verborgenste Erde vergraben oder in dem gewaltigsten Feuer verbrennen, damit nimmer eine Menschenhand ihn wiederfaende und mit seinem hoellischen Glanze Unheil stiftete. Aber! aber! Wie ist es dir ergangen, armer Fritz Rotermund? Man wird des Rabensteins noch viel schwerer los, als man ihn gewinnt. Sowie Fritz den Rabenstein von sich werfen, wie er ihn der verschlingenden See, dem verzehrenden Feuer ueberliefern wollte, wich der tueckische Stein kaum eine Sekunde von ihm, und flog ihm immer wieder in die Hand zurueck, die ihn mit aller Gewalt von sich geschleudert hatte, oder in die Tasche, woraus er genommen war. Da hat nun Fritz, der jetzt wahrhaftig nicht der muntre und froehliche Fritz heissen konnte, es nach und nach mit allen Elementen versucht, ob etwa eines den Stein lieber annaehme als das andre; aber der fuerchterliche Stein ist der unverlierbare und unzerstoerbare geblieben. Er hat es ausser diesen ungluecklichen Proben am eifrigsten und unablaessigsten mit dem allerbesten Element versucht, mit Andacht und Gebet; und wie viel er da gerungen hat, wie viel und oft er um die stille Mitternacht in seiner Kammer und im einsamen Walde und an heiliger Staette auf den Knien gelegen und seinen Gott und Heiland um Barmherzigkeit gefleht hat, dass er ihn von dem Boesen erloesen wolle, das weiss auch Gott allein. Immer noch hat er die blutigen Gerichtstage mithalten und die mitternaechtlichen Galgentaenze noch mittanzen muessen, und jetzt mit entsetzlichem Grausen und Schaudern, weil der Christ wusste, was es war. So hat er wohl zwanzig Jahre gelebt in seinem neuen Stande, aeusserlich der freundliche, christliche Mensch, der milde und barmherzige Herr, innerlich der Gepeinigte und Gemarterte. Er hat aber nicht abgelassen und ist nicht muede geworden in Demut und Gebet, und hat dies alles mit gebeugtem Herzen getragen als ein armer Suender, den Gott fuer seinen leichtfertigen Uebermut und seine heidnische Frechheit strafen und durch das, was ihm nun eine so grimme Pein geworden, vielleicht erretten wolle. Endlich ist der Tag dieser Errettung und Begnadigung gekommen, aber auf eine grauenvolle Weise. Fritz ward eine Nacht zu einem Galgenfest getrieben nach Putbus, wo an dem Wege, auf dem man nach Kasnevitz faehrt, etwa eine halbe Stunde vom Schlosse, auf einem oeden Heidehuegel, noch heute die Truemmer eines Galgens stehen. Dort fand er bei seiner Ankunft das greuliche Nachtgesindel schon in dem greulichen Tanze rundfliegen, und zugleich mit ihm ritt von der andern Seite her als Mittaenzer ein Mann auf, der noch mit lebendigem Fleisch umkleidet war wie er und maechtig zu Rosse sass und einen blanken Saebel in der Rechten schwang, als forderte er jemand heraus. Und gewiss, er forderte heraus, denn der Fritz fuehlte bei seinem Anblick den heissesten Grimm in sich entbrennen, und musste sein Schwert ziehen und gegen ihn anlaufen, der, als er Fritzen zu Fuss anrennen sah, von seinem Rappen heruntersprang. Fritz erkannte ihn alsbald als den verrufenen alten Erzboesewicht, der am aeussersten Ende der Insel auf Jasmund hauste und von dem die Leute sich viele greuliche und mordliche Geschichten erzaehlten. Sein Name war von Zuhmen. Der alte graue Schelm erschien aber auf diesem Tanzplatz, weil er vor ein paar Monaten einen Rabenstein gefunden hatte. Nun war er der zweite auf der Insel, der einen Rabenstein besass und zu dieser mitternaechtlichen Totenfeier hinaus musste. Denn das ist auch noch eine treibende Wut und ein unseliges Verhaengnis des entsetzlichen Steins, dass, wenn zwei sich begegnen, die den Rabenstein haben, sie auf Leben und Tod einen Kampf miteinander halten muessen. Und so trafen denn die zwei in blinder Wut aufeinander und kaempften den graesslichen Kampf, waehrend das leichte Heer seinen lustigen Reigen um sie tanzte und wirbelte; und wie die Schlaege ihrer Klingen sich verdoppelten, so verdoppelte sich in ihren Herzen auch der Grimm. Sie waren aber beide reisige Maenner und gewaltig an Faeusten und Gliedern und waren im ruestig frischen Alter ergraut. Und der Kampf dauerte solange der Tanz dauerte, und das Gras um den Galgen war von ihrem Blute rot gefaerbt; da, als es von dem Turm eins schallte, stuerzte, von einem letzten gewaltigen Streich getroffen, der alte Jasmunder Boesewicht als Leiche hin, Fritz aber entfloh mit Grausen und mit tiefen und blutenden Wunden, die seinen Weg hinter ihm roeteten. Er hatte sich aber auf des Feindes Rappen geschwungen, denn seine Fuesse haetten ihn nicht nach Hause zu tragen vermocht. Und als der Sommermorgen graute, ritt er matt und blutig ins Tor zu Boldevitz ein und hatte nicht Angst um sein Leben, sondern um seine arme Seele. Und er weckte alsbald seinen treuen Diener und hiess ihn geschwinde ein Pferd satteln und gen Gingst galoppieren, dass er ihm den dortigen Herrn Pfarrer holte. Denn er sprach zu ihm: "Ich war ausgeritten und bin in dem Walde bei Kubbelkow unter Raeuber geraten, und sieh! wie sie mich zerhauen haben und wie die Blutstroeme aus den tiefen Wunden an mir herabrinnen! Es wird in wenigen Stunden aus sein mit dem alten Fritz." Und der Diener flog wie der Wind auf seinem Pferde dahin, denn er liebte seinen guten Herrn ueber alles. Und der erschrockene Pfarrer in Gingst war nicht Saeumiger, denn er nannte Herrn Fritz Rotermund den besten Christen und den fleissigsten Kirchengaenger unter seinen eingepfarrten Edelleuten. Und anderhalb Stunden nach des Dieners Ausflug waren beide in Boldewitz und fanden den alten Herrn auf dem Lager blass und bleich wie den Tod und sein Weib und seine Kinder um ihn, welche ihm seine Wunden verbunden hatten. Er aber, als der Pastor hereingetreten ist, hat allen gewinkt herauszugehen, damit er mit dem geistlichen Herrn betete und sich zur Abfahrt bereitete. Und als sie beide allein geworden, hat er dem Pastor alles erzaehlt und gebeichtet und den Mann so bestuerzt, dass er kaum hat beten koennen. Bald aber hat der fromme Mann sich wieder genommen und hat die Bibel ergriffen und des todwunden Ritters Haende gefasst, und ueber ihm gebetet, dass der gnaedige Himmel sich des reuigen und zagenden Suenders erbarmen wolle. Und der Himmel hat sich gnaedig auf das Gebet herabgelassen, und Fritz hat mit lauter Stimme und sehnsuechtigem Herzen die Worte des geistlichen Herrn nachgesprochen. Und bald hat er sich zum erstenmal in vielen Jahren ganz getroestet gefuehlt und laut ausgerufen: "Gelobt und gepriesen sei Gott und Jesus Christus fuer diese Wunden!" Und der Pastor ist froehlich erstaunt ueber diesen Ausruf und ueber des Ritters erheitertes und erleuchtetes Angesicht, und bald noch viel mehr und viel froehlicher, als der Herr von oben das hoerbare und sichtbare Zeichen der Gnade gegeben. Denn kaum hatte Fritz diesen froehlichen Ruf des erloesten Herzens getan, als der unselige Karfunkelstein ploetzlich aus der Tasche des Edelmanns herausfuhr, wie ein leuchtender Blitz durch die Luft hinzischte, und dann wie eine springende Feuerkugel sich gegen den Ofen schnellte, und kling! Kling! in der Sekunde in Millionen Stuecke zerstob, wie ein Sandhaufen auseinanderweht, so dass man auch die Spur nicht von ihm sah. Und Fritz hat wieder freudig gerufen: "Mein Gott und mein Heiland, wie barmherzig bist du! Und sahet und hoertet Ihr wohl, Herr Pastor, wie der Teufel in nichts zerklungen und in Staub zerflogen ist?" Und er faltete in Inbrunst die Haende und dankte und betete; und der Pastor dankte und betete mit ihm und sprach: "So bist du gnaedig, barmherziger Gott und Erhalter und Behalter aller Dinge, und erloesest und erquickest den reuigen Suender!" Und unter den beiden war grosse Freude, und sie umhalsten sich in Wonne, wie sich die Engel im Himmel umhalsen, und Fritz sprach: "Mein Abschied ist nahe, und darum geht, Herr Pastor, und holet mir Weib und Kinder." Und der Pastor hat sie gebracht, und Fritz hat die Haende auf sie gelegt und sie zum letztenmal gekuesst und gesegnet, und ist dann augenblicklich mit Zuversicht und Freuden heimgegangen. Denn das Blut war aus seinen Adern gelaufen und die Luft an dem irdischen Leben aus seiner Seele. Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Kater Martinchen, von Ernst Moritz Arndt. End of the Project Gutenberg EBook of Kater Martinchen, by Ernst Moritz Arndt *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KATER MARTINCHEN *** This file should be named 7ktmc10.txt or 7ktmc10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7ktmc11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7ktmc10a.txt This text was produced for Project Gutenberg by Mike Pullen and Delphine Lettau. We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 7-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg2000.de erreichbar. Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. 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