The Project Gutenberg EBook of Kabale und Liebe by Friedrich (Johann Christoph Friedrich von ) Schiller Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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Friedrich Schiller Kabale und Liebe Ein buergerliches Trauerspiel. --------------------------------------------- Personen: Praesident von Walter, am Hof eines deutschen Fuersten. Ferdinand, sein Sohn, Major. Hofmarschall von Kalb. Lady Milford, Favoritin des Fuersten. Wurm, Haussecretaer des Praesidenten. Miller, Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten nennt, Kunstpfeifer. Dessen Frau. Luise, dessen Tochter. Sophie, Kammerjungfer der Lady. Ein Kammerdiener des Fuersten. Verschiedene Nebenpersonen. Erster Akt. Erste Scene. Zimmer beim Musikus. Miller steht eben vom Sessel auf und stellt sein Violoncell auf die Seite. An einem Tisch sitzt Frau Millerin noch im Nachtgewand und trinkt ihren Kaffee. Miller (schnell auf- und abgehend). Einmal fuer allemal! Der Handel wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei. Mein Haus wird verrufen. Der Praesident bekommt Wind, und kurz und gut, ich biete dem Junker aus. Frau. Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt--hast ihm deine Tochter nicht nachgeworfen. Miller. Hab' ihn nicht in mein Haus geschwatzt--hab' ihm 's Maedel nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon?--Ich war Herr im Haus. Ich haett' meine Tochter mehr coram nehmen sollen. Ich haett' dem Major besser auftrumpfen sollen--oder haett' gleich Alles Seiner Excellenz, dem Herrn Papa, stecken sollen. Der junge Baron bringt's mit einem Wischer hinaus, das muss ich wissen, und alles Wetter kommt ueber den Geiger. Frau (schluerft eine Tasse aus). Possen! Geschwaetz! Was kann ueber dich kommen? Wer kann dir was anhaben? Du gehst deiner Profession nach und raffst Scholaren zusammen, wo sie zu kriegen sind. Miller. Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Commerz auch herauskommen?--Nehmen kann er das Maedel nicht--Vom Nehmen ist gar die Rede nicht, und zu einer--dass Gott erbarm?--Guten Morgen!--Gott, wenn so ein Musje von sich da und dort, und dort und hier schon herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiss! was als? geloest hat, schmeckt's meinem guten Schlucker freilich, einmal auf suess Wasser zu graben. Gib du Acht! gib du Acht! und wenn du aus jedem Astloch ein Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache staendest, er wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen, dem Maedel Eins hinsetzen und fuehrt sich ab, und das Maedel ist verschimpfiert auf ihr Lebenlang, bleibt sitzen, oder hat's Handwerk verschmeckt, treibt's fort. (Die Hand vor der Stirn) Jesus Christus! Frau. Gott behuet' uns in Gnaden! Miller. Es hat sich zu behueten. Worauf kann so ein Windfuss wohl sonst sein Absehen richten?--Das Maedel ist schoen--schlank--fuehrt seinen netten Fuss. Unterm Dach mag's aussehen, wie's will. Darueber guckt man bei euch Weibsleuten weg, wenn's nur der liebe Gott parterre nicht hat fehlen lassen--Stoebert mein Springinsfeld erst noch dieses Kapital aus--he da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem Rodney, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun muessen alle Segel dran, und drauf los, und--ich verdenk's ihm gar nicht. Mensch ist Mensch. Das muss ich wissen. Frau. Solltest nur die wunderhuebsche Billeter auch lesen, die der gnaedige Herr an deine Tochter als schreiben thut. Guter Gott! da sieht man's ja sonnenklar, wie es ihm pur um ihre schoene Seele zu thun ist. Miller. Das ist die rechte Hoehe. Auf den Sack schlaegt man, den Esel meint man. Wer einen Gruss an das liebe Fleisch zu bestellen hat, darf nur das gute Herz Boten gehen lassen. Wie hab' ich's gemacht? Hat man's nur erst so weit im Reinen, dass die Gemuether topp machen, wutsch! nehmen die Koerper ein Exempel; das Gesind macht's der Herrschaft nach, und der silberne Mond ist am End nur der Kuppler gewesen. Frau. Sieh doch nur erst die praechtigen Buecher an, die der Herr Major ins Haus geschafft haben. Deine Tochter betet auch immer draus. Miller (pfeift). Hui da! Betet! Du hast den Witz davon. Die rohen Kraftbruehen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu hart.--Er muss sie erst in der hoellischen Pestilenzkueche der Belletristen kuenstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark. Da saugt mir das Maedel--weiss Gott, was als fuer?--ueberhimmlische Alfanzereien ein, das laeuft dann wie spanische Mucken ins Blut und wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt. Ins Feuer, sag' ich. Das Maedel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; ueber all dem Herumschwaenzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine Heimath nicht mehr, vergisst, schaemt sich, dass sein Vater Miller der Geiger ist, und verschlaegt mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn, der sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt haette--Nein! Gott verdamm mich! (Er springt auf, hitzig.) Gleich muss die Pastete auf den Herd, und dem Major--ja ja, dem Major will ich weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat. (Er will fort.) Frau. Sei artig, Miller. Wie manchen schoenen Groschen haben uns nur die Praesenter-Miller (kommt zurueck und bleibt vor ihr stehen). Das Blutgeld meiner Tochter?--Schier dich zum Satan, infame Kupplerin! --Eh will ich mit meiner Geig' auf den Bettel herumziehen und das Concert um was Warmes geben--eh will ich mein Violoncello zerschlagen und Mist im Sonanzboden fuehren, eh ich mir's schmecken lass' von dem Geld, das mein einziges Kind mit Seel' und Seligkeit abverdient. --Stell den vermaledeiten Kaffee ein und das Tobackschnupfen, so brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu Markt zu treiben. Ich hab mich satt gefressen und immer ein gutes Hemd auf dem Leib gehabt, eh so ein vertrackter Tausendsasa in meine Stube geschmeckt hat. Frau. Nur nicht gleich mit der Thuer ins Haus! Wie du doch den Augenblick in Feuer und Flammen stehst! Ich sprech ja nur, man muess' den Herrn Major nicht disguschthueren, weil Sie des Praesidenten Sohn sind. Miller. Da liegt der Haas im Pfeffer. Darum, just eben darum muss die Sach noch heut auseinander. Der Praesident muss es mir Dank wissen, wenn er ein rechtschaffener Vater ist. Du wirst mir meinen rothen plueschenen Rock ausbuersten, und ich werde mich bei Seiner Excellenz anmelden lassen. Ich werde sprechen zu seiner Excellenz: Dero Herr Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine Tochter zu kostbar, und damit basta!--Ich heisse Miller. Zweite Scene. Secretaer Wurm. Die Vorigen. Frau. Ah guten Morgen, Herr Sekertare! Hat man auch einmal wieder das Vergnuegen von Ihnen? Wurm. Meinerseits, meinerseits, Frau Base! Wo eine Cavaliersgnade einspricht, kommt mein buergerliches Vergnuegen in gar keine Rechnung. Frau. Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors von Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Blaesier; doch verachten wir darum Niemand. Miller (verdriesslich). Dem Herrn einen Sessel, Frau. Wollen's ablegen, Herr Landsmann? Wurm (legt Hut und Stock weg, setzt sich). Nun! nun! und wie befindet sich denn meine Zukuenftige--oder Gewesene?--Ich will doch nicht hoffen--kriegt man sie nicht zu sehen--Mamsell Luisen? Frau. Danken der Nachfrage, Herr Sekertare. Aber meine Tochter ist doch gar nicht hochmuethig. Miller (aergerlich, stoesst sie mit dem Ellenbogen). Weib! Frau. Bedauern's nur, dass sie die Ehre nicht haben kann vom Herrn Sekertare. Sie ist eben in der Mess, meine Tochter. Wurm. Das freut mich, freut mich. Ich werd' mal eine fromme, christliche Frau an ihr haben. Frau (laechelt dumm-vornehm). Ja--aber, Herr Sekertare-Miller (in sichtbarer Verlegenheit, kneipt sie in die Ohren). Weib! Frau. Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann--mit allem Vergnuegen, Herr Sekertare-Wurm (macht falsche Augen). Sonst irgendwo! Schoenen Dank! Schoenen Dank!--Hem! hem! hem! Frau. Aber--wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden haben-Miller (voll Zorn seine Frau vor den Hintern stossend). Weib! Frau. Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind mag man doch auch nicht vor seinem Glueck sein. (Baeurisch-stolz.) Sie werden mich ja doch wohl merken, Herr Sekertare? Wurm (rueckt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an Manschetten und Jabot). Merken? Nicht doch--O ja--Wie meinen Sie denn? Frau. Nu--nu--ich daechte nur--ich meine, (hustet) weil eben halt der liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnaedigen Madam will haben-Wurm (faehrt vom Stuhl). Was sagen Sie da? Was? Miller. Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Secretarius! Das Weib ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnaedige Madam herkommen? Was fuer ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwaetze? Frau. Schmaehl du, so lang du willst. Was ich weiss, weiss ich--und was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt. Miller (aufgebracht, springt nach der Geige). Willst du dein Maul halten? Willst du das Violoncell am Hirnkasten wissen?--Was kannst du wissen? Was kann er gesagt haben?--Kehren sich an das Geklatsch nicht, Herr Vetter--Marsch du, in deine Kueche!--Werden mich doch nicht fuer des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, dass ich oben aus woll' mit dem Maedel? Werden doch das nicht von mir denken, Herr Secretarius? Wurm. Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen und meine Ansprueche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben. Ich habe ein Amt, das seinen guten Haushaelter naehren kann; der Praesident ist mir gewogen; an Empfehlungen kann's nicht fehlen, wenn ich mich hoeher poussieren will. Sie sehen, dass meine Absichten auf Mamsell Luisen ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel herumgeholt-Frau. Herr Sekertare Wurm! Mehr Respect, wenn man bitten darf-Miller. Halt du dein Maul, sag' ich--Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter! Es bleibt beim Alten. Was ich Ihnen verwichenen Herbst zum Bescheid gab, bring' ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie ihr an--wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie gluecklich mit Ihnen wird. Schuettelt sie den Kopf--noch besser--in Gottes Namen wollt' ich sagen--so stecken Sie den Korb ein und trinken eine Bouteille mit dem Vater--Das Maedel muss mit Ihnen leben--ich nicht.--Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen?--Dass mich der boese Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret herumhetzt--dass ich's in jedem Glas Wein zu saufen--in jeder Suppe zu fressen kriege: Du bist der Spitzbube, der sein Kind ruiniert hat. Frau. Und kurz und gut--ich geb meinen Consenz absolut nicht; meine Tochter ist zu was Hohem gemuenzt, und ich lauf' in die Gerichte, wenn mein Mann sich beschwatzen laesst. Miller. Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul? Wurm (zu Millern). Ein vaeterlicher Rath vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller? Miller. Dass dich alle Hagel! 's Maedel muss Sie kennen. Was ich alter Knasterbart an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen fuers junge naschhafte Maedel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein Mann fuers Orchester sind--aber eine Weiberseel' ist auch fuer einen Kapellmeister zu spitzig.--Und dann von der Brust weg, Herr Vetter--ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl--fuer meinen Rath wuerden Sie sich zuletzt wenig bedanken. Ich rathe meiner Tochter zu Keinem--aber Sie missrath ich meiner Tochter, Herr Secretarius! Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater zu Hilfe ruft, trau' ich--erlauben Sie--keine hohle Haselnuss zu. Ist er was, so wird er sich schaemen, seine Talente durch diesen altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen--Hat er's Courage nicht, so ist er ein Hasenfuss, und fuer den sind keine Luisen gewachsen--Da! hinter dem Ruecken des Vaters muss er sein Gewerb an die Tochter bestellen. Machen muss er, dass das Maedel lieber Vater und Mutter zum Teufel wuenscht, als ihn fahren laesst,--oder selber kommt, dem Vater zu Fuessen sich wirft und sich um Gotteswillen den schwarzen gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet--Das nenn' ich einen Kerl! das heisst lieben!--und wer's bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll--auf seinem Gaensekiel reiten. Wurm (greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus). Obligation, Herr Miller! Miller (geht ihm langsam nach). Fuer was? fuer was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Secretarius! (Zurueckkommend.) Nichts hoert er, und hin zieht er--Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federfuchser zu Gesichte krieg'. Ein confiscierter widriger Kerl, als haett' ihn irgend ein Schleichhaendler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert--Die kleinen tueckischen Mausaugen--die Haare brandroth--das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur fuer purem Gift ueber das verhunzte Stueck Arbeit meinen Schlingel da angefasst und in irgend eine Ecke geworfen haette--Nein! eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir--Gott verzeih mir's-Frau (spuckt aus, giftig). Der Hund!--aber man wird dir's Maul sauber halten! Miller. Du aber auch mit deinem pestilenzialischen Junker--Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht--Bist doch nie dummer, als wenn du um Gotteswillen gescheidt sein solltest. Was hat das Getraetsch von einer gnaedigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte! Dem muss man so was an die Nase heften, wenn's morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll. Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Haeusern herumriechen, ueber Keller und Koch raesonnieren, und springt einem ein nasenweises Wort uebers Maul--Bumbs! haben's Fuerst und Maetress und Praesident, und du hast das siedende Donnerwetter am Halse. Dritte Scene. Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand. Vorige. Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und drueckt ihm die Hand). Guten Morgen, lieber Vater. Miller (warm). Brav, meine Luise--Freut mich, dass du so fleissig an deinen Schoepfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten. Luise. O! ich bin eine schwere Suenderin, Vater--War er da, Mutter? Frau. Wer, mein Kind? Luise. Ah! ich vergass, dass es noch ausser ihm Menschen gibt--Mein Kopf ist so wueste--Er war nicht da? Walter? Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise haette den Namen in der Kirche gelassen? Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn, Vater--fuehle das Messer, das Er in mein Gewissen stoesst; aber es kommt zu spaet.--Ich hab' keine Andacht mehr, Vater--der Himmel und Ferdinand reissen an meiner blutenden Seele, und ich fuerchte--ich fuerchte--(Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn ueber dem Gemaelde vernachlaessigen, findet sich ja der Kuenstler am feinsten gelobt.--Wenn meine Freude ueber sein Meisterstueck mich ihn selbst uebersehen macht, Vater, muss das Gott nicht ergoetzen? Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen. Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist?--Die vornehmen Fraeulein, die ihn sehen--ihn hoeren--ich bin ein schlechtes, vergessenes Maedchen. (Erschrickt an dem Wort und stuerzt ihrem Vater zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig--an ihn denken--das kostet ja nichts. Dies Bischen Leben--duerft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lueftchen, sein Gesicht abzukuehlen;--dies Bluemchen Jugend--waer' es ein Veilchen, und er traete drauf, und es duerfte bescheiden unter ihm sterben!--Damit genuegte mir, Vater! Wenn die Muecke in ihren Strahlen sich sonnt--kann sie das strafen, die stolze majestaetische Sonne? Miller (beugt sich geruehrt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das Gesicht). Hoere, Luise--das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gaeb' es hin, haettest du den Major nie gesehen. Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was?--Nein, er meint es anders, der gute Vater. Er wird nicht wissen, dass Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah--(rascher) und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Athem lispelte: er ist's!--und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekraeftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals--o damals ging in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefuehle schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Fruehling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, dass sie niemals so schoen war. Ich wusste von keinem Gott mehr, und doch hatt' ich ihn nie so geliebt. Miller (tritt auf sie zu, drueckt sie wider seine Brust). Luise--theures--herrliches Kind--nimm meinen alten muerben Kopf--nimm Alles--Alles!--den Major--Gott ist mein Zeuge--ich kann dir ihn nimmer geben. (Er geht ab.) Luise. Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser karge Thautropfen Zeit--schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wolluestig auf. Ich entsag' ihm fuer dieses Leben. Dann, Mutter--dann wenn die Schranken des Unterschieds einstuerzen--wenn von uns abspringen all die verhassten Huelsen des Standes--Menschen nur Menschen sind--Ich bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so oft gesagt, dass der Schmuck und die praechtigen Titel wohlfeil werden, wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann reich sein. Dort rechnet man Thraenen fuer Triumphe und schoene Gedanken fuer Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, Mutter--Was haette er dann noch vor seinem Maedchen voraus? Frau (faehrt in die Hoehe). Luise! der Major! Er springt ueber die Planke. Wo verberg' ich mich doch? Luise (faengt an zu zittern). Bleib Sie doch, Mutter! Frau. Mein Gott! Wie seh' ich aus; ich muss mich ja schaemen. Ich darf mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen. (Ab.) Vierte Scene. Ferdinand von Walter. Luise. (Er fliegt auf sie zu--sie sinkt entfaerbt und matt auf einen Sessel--er bleibt vor ihr stehn--sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an. Pause.) Ferdinand. Du bist blass, Luise? Luise (steht auf und faellt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts! Du bist ja da. Es ist vorueber. Ferdinand (ihr Hand nehmend und zum Munde fuehrend). Und liebt mich meine Luise noch? Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das deine noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es auch sein--Du bist's nicht. Luise. Doch, doch, mein Geliebter. Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du bist's nicht. Ich schau durch deine Seele, wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Zeigt auf seinen Ring.) Hier wirft sich kein Blaeschen auf, das ich nicht merkte--kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte. Was hast du? Geschwind! Weiss ich nur diesen Spiegel helle, so laeuft keine Wolke ueber die Welt. Was bekuemmert dich? Luise (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmuth). Ferdinand! Ferdinand! Dass du doch wuesstest, wie schoen in dieser Sprache das buergerliche Maedchen sich ausnimmt-Ferdinand. Was ist das? (Befremdet.) Maedchen! Hoere! wie kommst du auf das?--Du bist meine Luise. Wer sagt dir, dass du noch etwas sein solltest? Siehst du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muss. Waerest du ganz nur Liebe fuer mich, wann haettest du Zeit gehabt, eine Vergleichung zu machen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine Vernunft in einen Blick--in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe?--Schaeme dich! Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem Juengling gestohlen. Luise (fasst seine Hand, indem sie den Kopf schuettelt). Du willst mich einschlaefern, Ferdinand--willst meine Augen von diesem Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiss stuerzen muss. Ich seh' in die Zukunft--die Stimme des Ruhms--deine Entwuerfe--dein Vater--mein Nichts. (Erschrickt und laesst ploetzlich seine Hand fahren.) Ferdinand! Ein Dolch ueber dir und mir!--Man trennt uns! Ferdinand. Trennt uns! (Er springt auf.) Woher bringst du diese Ahnung, Luise? Trennt uns?--Wer kann den Bund zweier Herzen loesen, oder die Toene eines Accords auseinander reissen?--Ich bin ein Edelmann--Lass doch sehen, ob mein Adelbrief aelter ist, als der Riss zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen gueltiger, als die Handschrift des Himmels in Luisens Augen: dieses Weib ist fuer diesen Mann?--Ich bin des Praesidenten Sohn. Eben darum. Wer, als die Liebe, kann mir die Flueche versuessen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird? Luise. O wie sehr fuercht' ich ihn--diesen Vater! Ferdinand. Ich fuerchte nichts--nichts--als die Grenzen deiner Liebe. Lass auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie fuer Treppen nehmen und drueber hin in Luisens Arme fliegen. Die Stuerme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Luise nur reizender machen.--Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe. Ich selbst--ich will ueber dir wachen, wie der Zauberdrach ueber unterirdischem Golde--Mir vertraue dich! Du brauchst keinen Engel mehr--Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen--empfangen fuer dich jede Wunde--auffassen fuer dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude--dir ihn bringen in die Schale der Liebe. (Sie zaertlich umfassend.) An diesem Arm soll meine Luise durchs Leben huepfen; schoener, als er dich von sich liess, soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehn, dass nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte-Luise (drueckt ihn von sich, in grosser Bewegung). Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! --Wuesstest du--Lass mich--du weisst nicht, dass deine Hoffnungen mein Herz wie Furien anfallen. (Will fort.) Ferdinand (haelt sie auf). Luise? Wie! Was! Welche Anwandlung? Luise. Ich hatte diese Traeume vergessen und war gluecklich--Jetzt! jetzt! von heut an--der Friede meines Lebens ist aus--Wilde Wuensche--ich weiss es--werden in meinem Busen rasen.--Geh--Gott vergebe dir's--Du hast den Feuerbrand in mein junges, friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer geloescht werden. (Sie stuerzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach.) Fuenfte Scene. Saal beim Praesidenten. Der Praesident, ein Ordenskreuz um den Hals, einen Stern an der Seite, und Secretaer Wurm treten auf. Praesident. Ein ernsthaftes Attachement! Mein Sohn?--Nein, Wurm, das macht Er mich nimmermehr glauben. Wurm. Ihro Excellenz haben die Gnade, mir den Beweis zu befehlen. Praesident. Dass er der Buergercanaille den Hof macht--Flatterieen sagt--auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert--das sind lauter Sachen, die ich moeglich finde--verzeihlich finde--aber--und noch gar die Tochter eines Musikus, sagt Er? Wurm. Musikmeister Millers Tochter. Praesident. Huebsch--Zwar das versteht sich. Wurm (lebhaft). Das schoenste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu viel gesagt, neben den ersten Schoenheiten des Hofes noch Figur machen wuerde. Praesident (lacht). Er sagt mir, Wurm--Er habe ein Aug auf das Ding--das find' ich. Aber sieht Er, mein lieber Wurm--dass mein Sohn Gefuehl fuer das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, dass ihn die Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen. Das Maedchen ist schoen, sagt Er; das gefaellt mir an meinem Sohn, dass er Geschmack hat. Spiegelt er der Naerrin solide Absichten vor? Noch besser--so seh' ich, dass er Witz genug hat, in seinen Beutel zu luegen. Er kann Praesident werden. Setzt er es noch dazu durch? Herrlich! das zeigt mir an, dass er Glueck hat.--Schliesst sich die Farce mit einem gesunden Enkel--unvergleichlich! so trink' ich auf die guten Aspecten meines Stammbaums eine Bouteille Malaga mehr und bezahle die Scortationsstrafe fuer seine Dirne. Wurm. Alles, was ich wuensche, Ihr' Excellenz, ist, dass Sie nicht noethig haben moechten, diese Bouteille zu Ihrer Zerstreuung zu trinken. Praesident (ernsthaft). Wurm, besinn' Er sich, dass ich, wenn ich einmal glaube, hartnaeckig glaube; rase, wenn ich zuerne--Ich will einen Spass daraus machen, dass Er mich aufhetzen wollte. Dass Er sich seinen Nebenbuhler gern vom Hals geschafft haette, glaub' ich Ihm herzlich gern. Da Er meinen Sohn bei dem Maedchen auszustechen Muehe haben moechte, soll Ihm der Vater zur Fliegenklatsche dienen, das find' ich wieder begreiflich--und dass er einen so herrlichen Ansatz zum Schelmen hat, entzueckt mich sogar--Nur, mein lieber Wurm, muss Er mich nicht mit prellen wollen.--Nur, versteht Er mich, muss Er den Pfiff nicht bis zum Einbruch in meine Grundsaetze treiben. Wurm. Ihro Excellenz verzeihen. Wenn auch wirklich--wie Sie argwohnen--die Eifersucht hier im Spiel sein sollte, so waere sie es wenigstens nur mit den Augen und nicht mit der Zunge. Praesident. Und ich daechte, sie bliebe ganz weg. Dummer Teufel, was verschlaegt es denn Ihm, ob Er die Karolin frisch aus der Muenze oder vom Bankier bekommt. Troest' Er sich mit dem hiesigen Adel--wissentlich oder nicht--bei uns wird selten eine Mariage geschlossen, wo nicht wenigstens ein halb Dutzend der Gaeste--oder der Aufwaerter--das Paradies des Braeutigams geometrisch ermessen kann. Wurm (verbeugt sich). Ich mache hier gern den Buergersmann, gnaediger Herr. Praesident. Ueberdies kann Er mit Naechstem die Freude haben, seinem Nebenbuhler den Spott auf die schoenste Art heimzugeben. Eben jetzt liegt der Anschlag im Kabinet, dass, auf die Ankunft der neuen Herzogin, Lady Milford zum Schein den Abschied erhalten und, den Betrug vollkommen zu machen, eine Verbindung eingehen soll. Er weiss, Wurm, wie sehr sich mein Ansehen auf den Einfluss der Lady stuetzt--wie ueberhaupt meine maechtigsten Springfedern in die Wallungen des Fuersten hineinspielen. Der Herzog sucht eine Partie fuer die Milford. Ein Anderer kann sich melden--den Kauf schliessen, mit der Dame das Vertrauen des Fuersten anreissen, sich ihm unentbehrlich machen--Damit nun der Fuerst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die Milford heirathen--Ist Ihm das helle? Wurm. Dass mich die Augen beissen--Wenigstens bewies der Praesident hier, dass der Vater nur ein Anfaenger gegen ihn ist. Wenn der Major Ihnen eben so den gehorsamen Sohn zeigt, als Sie ihm den zaertlichen Vater, so duerfte Ihre Anforderung mit Protest zurueckkommen. Praesident. Zum Glueck war mir noch nie fuer die Ausfuehrung eines Entwurfes bang, wo ich mich mit einem: es soll so sein! einstellen konnte.--Aber seh' Er nun, Wurm, das hat uns wieder auf den vorigen Punkt geleitet. Ich kuendige meinem Sohn noch diesen Vormittag seine Vermaehlung an. Das Gesicht, das er mir zeigen wird, soll Seinen Argwohn entweder rechtfertigen oder ganz widerlegen. Wurm. Gnaediger Herr, ich bitte sehr um Vergebung. Das finstre Gesicht, das er Ihnen ganz zuverlaessig zeigt, laesst sich eben so gut auf die Rechnung der Braut schreiben, die Sie ihm zufuehren, als derjenigen, die Sie ihm nehmen. Ich ersuche Sie um eine schaerfere Probe. Waehlen Sie ihm die untadelichste Partie im Lande, und sagt er Ja, so lassen Sie den Secretaer Wurm drei Jahre Kugeln schleifen. Praesident (heisst die Lippen). Teufel! Wurm. Es ist nicht anders! Die Mutter--die Dummheit selbst--hat mir in der Einfalt zu viel geplaudert. Praesident (geht auf und nieder, presst seinen Zorn zurueck). Gut! Diesen Morgen noch. Wurm. Nur vergessen Ew. Excellenz nicht, dass der Major--der Sohn meines Herrn ist! Praesident. Er soll geschont werden, Wurm. Wurm. Und dass der Dienst, Ihnen von einer unwillkommenen Schwiegertochter zu helfen-Praesident. Den Gegendienst werth ist, Ihm zu einer Frau zu helfen?--Auch das, Wurm! Wurm (bueckt sich vergnuegt). Ewig der Ihrige, gnaediger Herr! (Er will gehen.) Praesident. Was ich Ihm vorhin vertraut habe, Wurm! (Drohend.) Wenn Er plaudert-Wurm (lacht). So zeigen Ihr' Excellenz meine falschen Handschriften auf. (er geht ab.) Praesident. Zwar bist du mir gewiss! Ich halte dich an deiner eigenen Schurkerei, wie den Schroeter am Faden. Ein Kammerdiener (tritt herein). Hofmarschall von Kalb-Praesident. Kommt wie gerufen.--Er soll mir angenehm sein. (Kammerdiener geht.) Sechste Scene. Hofmarschall von Kalb in einem reichen, aber geschmacklosen Hofkleid, mit Kammerherrnschluesseln, zwei Uhren und einem Degen, Chapeaubas und frisiert à la Hérisson. Er fliegt mit grossem Gekreisch auf den Praesidenten zu und breitet einen Bisamgeruch ueber das ganze Parterre. Praesident. Hofmarschall (ihn umarmend). Ah guten Morgen, mein Bester! Wie geruht? wie geschlafen?--Sie verzeihen doch, dass ich so spaet das Vergnuegen habe--dringende Geschaefte--der Kuechenzettel--Visitenbillets--das Arrangement der Partieen auf die heutige Schlittenfahrt--Ah--und dann musst' ich ja auch bei dem Lever zugegen sein und Seiner Durchleucht das Wetter verkuendigen. Praesident. Ja, Marschall, da haben Sie freilich nicht abkommen koennen. Hofmarschall. Oben drein hat mich ein Schelm von Schneider noch sitzen lassen. Praesident. Und doch fix und fertig? Hofmarschall. Das ist noch nicht Alles.--Ein Malheur jagt heut das andere. Hoeren Sie nur! Praesident (zerstreut). Ist das moeglich? Hofmarschall. Hoeren Sie nur! Ich steige kaum aus dem Wagen, so werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, dass mir--ich bitte Sie!--der Gassenkoth ueber und ueber an die Beinkleider spritzt. Was anzufangen? Setzen Sie sich um Gotteswillen in meine Lage, Baron! Da stand ich. Spaet war es. Eine Tagreise ist es--und in dem Aufzug vor Seine Durchleucht! Gott der Gerechte!--Was faellt mir bei? Ich fingiere eine Ohnmacht. Man bringt mich ueber Hals und Kopf in die Kutsche. Ich in voller Carrière nach Haus--wechsle die Kleider--fahre zurueck--Was sagen Sie?--und bin noch der erste in der Antichambre--Was denken Sie?-Praesident. Ein herrliches Impromptu des menschlichen Witzes--Doch das beiseite, Kalb--Sie sprachen also schon mit dem Herzog? Hofmarschall (wichtig). Zwanzig Minuten und eine halbe. Praesident. Das gesteh' ich!--und wissen wir also ohne Zweifel eine wichtige Neuigkeit? Hofmarschall (ernsthaft, nach einigem Stillschweigen). Seine Durchleucht haben heute einen Merde d'Oye Biber an. Praesident. Man denke!--Nein, Marschall, so hab' ich doch eine bessere Zeitung fuer Sie--Dass Lady Milford Majorin von Walter wird, ist Ihnen gewiss etwas Neues? Hofmarschall. Denken Sie!--Und das ist schon richtig gemacht? Praesident. Unterschrieben, Marschall--und Sie verbinden mich, wenn Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch praeparieren und den Entschluss meiner Ferdinands in der ganzen Residenz bekannt machen. Hofmarschall (entzueckt). O mit tausend Freuden, mein Bester!--Was kann mir erwuenschter kommen?--Ich fliege sogleich--(Umarmt ihn.) Leben Sie wohl--in drei Viertelstunden weiss es die ganze Stadt. (Huepft hinaus.) Praesident (lacht dem Marschall nach). Man sage noch, dass diese Geschoepfe in der Welt zu nichts taugen--Nun muss ja mein Ferdinand wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen. (Klingelt--Wurm kommt.) Mein Sohn soll hereinkommen. (Wurm geht ab, der Praesident auf und nieder, gedankenvoll.) Siebente Scene. Ferdinand. Praesident. Wurm, welcher gleich abgeht. Ferdinand. Sie haben befohlen, gnaediger Herr Vater-Praesident. Leider muss ich das, wenn ich meines Sohns einmal froh werden will--Lass Er uns allein, Wurm!--Ferdinand, ich beobachte dich schon eine Zeitlang und finde die offene rasche Jugend nicht mehr, die mich sonst so entzueckt hat. Ein seltsamer Gram bruetet auf deinem Gesicht. Du fliehst mich--du fliehst deine Zirkel--Pfui!--Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausschweifungen vor einer einzigen Grille. Ueberlass diese mir, lieber Sohn! Mich lass an deinem Glueck arbeiten und denke auf nichts, als in meine Entwuerfe zu spielen.--Komm! umarme mich, Ferdinand! Ferdinand. Sie sind heute sehr gnaedig, mein Vater. Praesident. Heute, du Schalk--und dieses Heute noch mit der herben Grimasse? (Ernsthaft.) Ferdinand!--Wem zu lieb hab' ich die gefaehrliche Bahn zum Herzen des Fuersten betreten? Wem zu lieb bin ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen?--Hoere, Ferdinand!--Ich spreche mit meinem Sohn--Wem hab' ich durch die Hinwegraeumung meines Vorgaengers Platz gemacht--eine Geschichte, die desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfaeltiger ich das Messer der Welt verberge! Hoere! sage mir, Ferdinand! Wem that ich Dies alles? Ferdinand (tritt mit Schrecken zurueck). Doch mir nicht, mein Vater? Doch auf mich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht fallen? Beim allmaechtigen Gott! es ist besser, gar nicht geboren zu sein, als dieser Missethat zur Ausrede dienen! Praesident. Was war das? Was? Doch ich will es dem Romanenkopfe zu gut halten!--Ferdinand!--ich will mich nicht erhitzen, vorlauter Knabe--Lohnst du mir also fuer meine schlaflosen Naechte? Also fuer meine rastlose Sorge? Also fuer den ewigen Scorpion meines Gewissens?--Auf mich faellt die Last der Verantwortung--auf mich der Fluch, der Donner des Richters--Du empfaengst dein Glueck von der zweiten Hand--das Verbrechen klebt nicht am Erbe. Ferdinand (streckt die rechte Hand gen Himmel). Feierlich entsag' ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert. Praesident. Hoere, junger Mensch, bringe mich nicht auf!--Wenn es nach deinem Kopf ginge, du kroechest dein Lebenlang im Staube. Ferdinand. O, immer noch besser, Vater, als ich kroech' um den Thron herum. Praesident (verbeisst seinen Zorn). Hum!--Zwingen muss man dich, dein Glueck zu erkennen. Wo zehn Andre mit aller Anstrengung nicht hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du bist im zwoelften Jahre Faehndrich. Im zwanzigsten Major. Ich hab' es durchgesetzt beim Fuersten. Du wirst die Uniform ausziehen und in das Ministerium eintreten. Der Fuerst sprach vom Geheimenrath--Gesandtschaften--ausserordentlichen Gnaden. Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir!--Die ebene Strasse zunaechst nach dem Throne--zum Throne selbst, wenn anders die Gewalt so viel werth ist, als ihr Zeichen--das begeistert dich nicht? Ferdinand. Weil meine Begriffe von Groesse und Glueck nicht ganz die Ihrigen sind--Ihre Glueckseligkeit macht sich nur selten anders, als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwuenschung sind die traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belaechelt. --Thraenen, Flueche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran diese gepriesenen Gluecklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln--Mein Ideal von Glueck zieht sich genuegsamer in mich selbst zurueck. In meinem Herzen liegen alle meine Wuensche begraben.-Praesident. Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreissig Jahren die erste Vorlesung wieder!--Schade nur, dass mein fuenfzigjaehriger Kopf zu zaeh fuer das Lernen ist!--Doch--dies seltne Talent nicht einrosten zu lassen, will ich dir Jemand an die Seite geben, bei dem du dich in dieser buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exercieren kannst.--Du wirst dich entschliessen--noch heute entschliessen--eine Frau zu nehmen. Ferdinand (tritt bestuerzt zurueck). Mein Vater? Praesident. Ohne Complimente.--Ich habe der Lady Milford in deinem Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen, dahin zu gehen und ihr zu sagen, dass du ihr Braeutigam bist! Ferdinand. Der Milford, mein Vater? Praesident. Wenn sie dir bekannt ist-Ferdinand (ausser Fassung). Welcher Schandsaeule im Herzogthum ist sie das nicht!--Aber ich bin wohl laecherlich, lieber Vater, dass ich Ihre Laune fuer Ernst aufnehme? Wuerden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen, der eine privilegierte Buhlerin heirathete? Praesident. Noch mehr! Ich wuerde selbst um sie werben, wenn sie einen Fuenfziger moechte--Wuerdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn sein wollen? Ferdinand. Nein! So wahr Gott lebt! Praesident. Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit wegen vergebe-Ferdinand. Ich bitte Sie, Vater! Lassen Sie mich nicht laenger in einer Vermuthung, wo es mir unertraeglich wird, mich Ihren Sohn zu nennen. Praesident. Junge, bist du toll? Welcher Mensch von Vernunft wuerde nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem dritten Orte zu wechseln? Ferdinand. Sie werden mir zum Raethsel, mein Vater. Distinction nennen Sie es--Distinction, da mit dem Fuersten zu theilen, wo er auch unter den Menschen hinunterkriecht? Praesident (schlaegt ein Gelaechter auf). Ferdinand. Sie koennen lachen--und ich will ueber das hinweggehen, Vater. Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen Koerper zum Mitgift bekommt? Mit welchem Gesicht vor die Welt? Vor den Fuersten? Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen wuerde? Praesident. Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge? Ferdinand. Ich beschwoere Sie bei Himmel und Erde! Vater, Sie koennen durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so gluecklich nicht werden, als Sie ihn ungluecklich machen. Ich gebe Ihnen mein Leben, wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Groesse zu opfern. --Meine Ehre, Vater--wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein leichtfertiges Schelmenstueck, mir das Leben zu geben, und ich muss den Vater wie den Kuppler verfluchen. Praesident (freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft). Brav, lieber Sohn. Jetzt seh' ich, dass du ein ganzer Kerl bist und der besten Frau im Herzogthum wuerdig. Sie soll dir werden--noch diesen Mittag wirst du dich mit der Graefin von Ostheim verloben. Ferdinand (aufs Neue betreten). Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz zu zerschmettern? Praesident (einen lauernden Blick auf ihn werfend). Wo doch hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird? Ferdinand. Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim koennte jeden Andern zum Gluecklichsten machen. (Vor sich in hoechster Verwirrung.) Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz liess, zerreisst seine Guete. Praesident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (stuerzt auf ihn zu und kuesst ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze Empfindung--Vater! meinen heissesten Dank fuer Ihre herzliche Meinung--Ihre Wahl ist untadelhaft--aber--ich kann--ich darf--bedauern Sie mich--ich kann die Graefin nicht lieben! Praesident (tritt einen Schritt zurueck). Holla! Jetzt hab' ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler--Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady verbot?--Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du verabscheutest?-Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann faehrt er auf und will fortrennen). Praesident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist? (Der Major kehrt zurueck.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der Fuerst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig.--Wenn du mich zum Luegner machst, Junge--vor dem Fuersten--der Lady--der Stadt--dem Hof mich zum Luegner machst--Hoere, Junge--oder wenn ich hinter gewisse Historien komme?--Halt! Holla! Was blaest so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus? Ferdinand (schneeblass und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiss nichts, mein Vater! Praesident (einen fuerchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es was ist--und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese Widersetzlichkeit stammt--Ha, Junge! der blosse Verdacht schon bringt mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade faengt an! Du wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist--Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogthum. Lass doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.) Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! (Er geht ab.) Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betaeubung). Ist er weg? War das eines Vaters Stimme?--Ja! ich will zu ihr--will hin--will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten--Nichtswuerdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst--Im Angesicht des versammelten Adels, des Militaers und des Volks--Umguerte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands--Ich verwerfe dich--ein deutscher Juengling! (Er eilt hinaus.) Zweiter Akt. Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha, zur linken ein Fluegel. Erste Scene. Lady in einem freien, aber reizenden Negligé, die Haare noch unfrisiert, sitzt vor dem Fluegel und phantasiert; Sophie, die Kammerjungfer, kommt von dem Fenster. Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachtparade ist aus--aber ich sehe noch keinen Walter. Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal macht). Ich weiss nicht, wie ich mich heute finde, Sophie--Ich bin noch nie so gewesen--Also du sahst ihn gar nicht?--Freilich wohl--Es wird ihm nicht eilen--Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner Brust--Geh, Sophie--Man soll mir den wildesten Renner herausfuehren, der im Marstall ist. Ich muss ins Freie--Menschen sehen und blauen Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum. Sophie. Wenn Sie sich unpaesslich fuehlen, Milady--berufen Sie Assemblee hier zusammen. Lassen Sie den Herzog hier Tafel halten, oder die l'Hombretische vor Ihren Sopha setzen. Mir sollte der Fuerst und sein ganzer Hof zu Gebote stehen und eine Grille im Kopfe surren? Lady (wirft sich in den Sopha). Ich bitte, verschone mich! Ich gebe dir einen Demant fuer jede Stunde, wo ich sie mir vom Hals schaffen kann! Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren?--Das sind schlechte, erbaermliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein warmes herzliches Wort entwischt, Mund und Nasen aufreissen, als saehen sie eine Geist--Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich leichter als mein Filet regiere!--Was fang' ich mit Leuten an, deren Seelen so gleich als ihre Sackuhren gehen? Kann ich eine Freude dran finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus weiss, was sie mir antworten werden? Oder Worte mit ihnen zu wechseln, wenn sie das Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein?--Weg mit ihnen! Es ist verdriesslich, ein Ross zu reiten, das nicht auch in den Zuegel beisst. (Sie tritt zum Fenster.) Sophie. Aber den Fuersten werden Sie doch ausnehmen, Lady? Den schoensten Mann--den feurigsten Liebhaber--den witzigsten Kopf in seinem ganzen Lande! Lady (kommt zurueck). Denn es ist sein Land--und nur ein Fuerstenthum, Sophie, kann meinem Geschmack zur ertraeglichen Ausrede dienen--Du sagst, man beneide mich. Armes Ding! Beklagen soll man mich vielmehr! Unter Allen, die an den Bruesten der Majestaet trinken, kommt die Favoritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem grossen und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet--Wahr ist's, er kann mit dem Talisman seiner Groesse jeden Gelust meines Herzens, wie ein Feenschloss, aus der Erde rufen.--Er setzt den Saft von zwei Indien auf die Tafel--ruft Paradiese aus Wildnissen--laesst die Quellen seines Landes in stolzen Boegen gen Himmel springen, oder das Mark seiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen--Aber kann er auch seinem Herzen befehlen, gegen ein grosses, feuriges Herz gross und feurig zu schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges schoenes Gefuehl exequieren?--Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne; und was helfen mich tausend bessre Empfindungen, wo ich nur Wallungen loeschen darf? Sophie (blickt sie verwundernd an). Wie lang ist es denn aber, dass ich Ihnen diene, Milady? Lady. Weil du erst heute mit mir bekannt wirst?--Es ist wahr, liebe Sophie--ich habe dem Fuersten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe ich frei behalten--ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes noch werth ist--ueber welches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch ueber den Spiegel ging--Trau' es mir zu, meine Liebe, dass ich es laengst gegen diesen armseligen Fuersten behauptet haette, wenn ich es nur von meinem Ehrgeiz erhalten koennte, einer Dame am Hof den Rang vor mir einzuraeumen. Sophie. Und dieses Herz unterwarf sich dem Ehrgeiz so gern? Lady (lebhaft). Als wenn es sich nicht schon geraecht haette?--Nicht jetzt noch raechte?--Sophie! (Bedeutend, indem sie die Hand auf Sophiens Achsel fallen laesst.) Wir Frauenzimmer koennen nur zwischen Herrschen und Dienen waehlen, aber die hoechste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die groessere Wonne versagt wird, Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben. Sophie. Eine Wahrheit, Milady, die ich von Ihnen zuletzt hoeren wollte! Lady. Und warum, meine Sophie? Sieht man es denn dieser kindischen Fuehrung des Scepters nicht an, dass wir nur fuer das Gaengelband taugen? Sahst du es denn diesem launischen Flattersinn nicht an--diesen wilden Ergoetzungen nicht an, dass sie nur wildere Wuensche in meiner Brust ueberlaermen sollten? Sophie (tritt erstaunt zurueck). Lady! Lady (lebhafter). Befriedige diese! Gib mir den Mann, den ich jetzt denke--den ich anbete--sterben, Sophie, oder besitzen muss. (Schmelzend.) Lass mich aus seinem Mund es vernehmen, dass Thraenen der Liebe schoener glaenzen in unsern Augen, als die Brillanten in unserm Haar, (feurig) und ich werfe dem Fuersten sein Herz und sein Fuerstenthum vor die Fuesse, fliehe mit diesem Mann, fliehe in die entlegenste Wueste der Welt-Sophie (blickt sie erschrocken an). Himmel! Was machen Sie? Wie wird Ihnen, Lady? Lady (bestuerzt). Du entfaerbst dich?--Hab' ich vielleicht etwas zu viel gesagt? O so lass mich deine Zunge mit meinem Zutrauen binden--hoere noch mehr--hoere Alles-Sophie (schaut sich aengstlich um). Ich fuerchte, Milady--ich fuerchte--ich brauch' es nicht mehr zu hoeren. Lady. Die Verbindung mit dem Major--Du und die Welt stehen im Wahn, sie sei eine Hof-Kabale--Sophie--erroethe nicht--schaeme dich meiner nicht--sie ist das Werk--meiner Liebe! Sophie. Bei Gott! Was mir ahnete! Lady. Sie liessen sich beschwatzen, Sophie--der schwache Fuerst--der hofschlaue Walter--der alberne Marschall--Jeder von ihnen wird darauf schwoeren, dass diese Heirath das unfehlbarste Mittel sei, mich dem Herzog zu retten, unser Band um so fester zu knuepfen!--Ja! es auf ewig zu trennen! auf ewig diese schaendlichen Ketten zu brechen! --Belogene Luegner! Von einem schwachen Weib ueberlistet! Ihr selbst fuehrt mir jetzt meinen Geliebten zu! Das war es ja nur, was ich wollte--Hab' ich ihn einmal--hab' ich ihn--o dann auf immer gute Nacht, abscheuliche Herrlichkeit- Zweite Scene. Ein alter Kammerdiener des Fuersten, der ein Schmuckkaestchen traegt. Die Vorigen. Kammerdiener. Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen so eben erst aus Venedig. Lady (hat das Kaestchen geoeffnet und faehrt erschrocken zurueck). Mensch! was bezahlt dein Herzog fuer diese Steine? Kammerdiener (mit finsterm Gesicht). Sie kosten ihn keinen Heller! Lady. Was? Bist du rasend? Nichts?--und (indem sie einen Schritt von ihm wegtritt) du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest--Nichts kosten ihn diese unermesslich kostbaren Steine? Kammerdiener. Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort--die bezahlen Alles. Lady (setzt den Schmuck ploetzlich nieder und geht rasch durch den Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener). Mann! Was ist dir? Ich glaube, du weinst? Kammerdiener (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder zitternd). Edelsteine, wie diese da--ich hab' auch ein paar Soehne drunter. Lady (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend). Doch keinen gezwungenen? Kammerdiener (lacht fuerchterlich). O Gott!--Nein--lauter Freiwillige! Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie theuer der Fuerst das Joch Menschen verkaufe. --Aber unser gnaedigster Landesherr liess alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschiessen. Wir hoerten die Buechsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! nach Amerika!-Lady (faellt mit Entsetzen in den Sopha). Gott! Gott!--Und ich hoerte nichts? Und ich merkte nichts? Kammerdiener. Ja, gnaedige Frau--Warum musstet ihr denn mit unserm Herrn gerad' auf die Baerenhatz reiten, als man den Laermen zum Aufbruch schlug?--Die Herrlichkeit haettet ihr doch nicht versaeumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkuendigten, es ist Zeit, und heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wuethende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajonetten zu spiessen, und wie man Braeutigam und Braut mit Saebelhieben auseinander riss, und wir Graubaerte verzweiflungsvoll da standen und den Burschen auch zuletzt die Kruecken noch nachwarfen in die neue Welt--Oh, und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte beten hoeren-Lady (steht auf, heftig bewegt). Weg mit diesen Steinen--sie blitzen Hoellenflammen in mein Herz. (Sanfter zum Kammerdiener.) Maessige dich, armer alter Mann. Sie werden wieder kommen. Sie werden ihr Vaterland wieder sehen. Kammerdiener (warm und voll). Das weiss der Himmel! Das werden sie! --Noch am Stadtthor drehten sie sich um und schrieen: "Gott mit euch, Weib und Kinder!--Es leb' unser Landesvater--Am juengsten Gericht sind wir wieder da!"-Lady (mit starkem Schritt auf und nieder gehend). Abscheulich! Fuerchterlich!--Mich beredet man, ich habe sie alle getrocknet, die Thraenen des Landes--Schrecklich, schrecklich gehen mir die Augen auf--Geb du--Sag deinem Herrn--Ich werd' ihm persoenlich danken! (Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm ihre Geldboerse in den Hut.) Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest-Kammerdiener (wirft sie veraechtlich auf den Tisch zurueck). Legt's zu dem Uebrigen. (Er geht ab.) Lady (sieht ihm erstaunt nach). Sophie, spring ihm nach, frag' ihn um seinen Namen! Er soll seine Soehne wieder haben. (Sophie ab. Lady nachdenkend auf und nieder. Pause. Zu Sophien, die wieder kommt.) Ging nicht juengst ein Geruecht, dass das Feuer eine Stadt an der Grenze verwuestet und bei vierhundert Familien an den Bettelstab gebracht habe? (Sie klingelt.) Sophie. Wie kommen Sie auf das? Allerdings ist es so, und die mehresten dieser Ungluecklichen dienen jetzt ihren Glaeubigern als Sklaven, oder verderben in den Schachten der fuerstlichen Silberbergwerke. Bedienter (kommt). Was befehlen Milady? Lady (gibt ihm den Schmuck). Dass das ohne Verzug in die Landschaft gebracht werde!--Man soll es sogleich zu Geld machen, befehl' ich, und den Gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand ruiniert hat. Sophie. Milady, bedenken Sie, dass Sie die hoechste Ungnade wagen! Lady (mit Groesse). Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren tragen? (Sie winkt dem Bedienten; dieser geht.) Oder willst du, dass ich unter dem schrecklichen Geschirr solcher Thraenen zu Boden sinke?--Geh, Sophie--Es ist besser, falsche Juwelen im Haar und das Bewusstsein dieser That im Herzen zu haben! Sophie. Aber Juwelen wie diese! Haetten Sie nicht Ihre schlechtern nehmen koennen? Nein, wahrlich, Milady! es ist Ihnen nicht zu vergeben. Lady. Naerrisches Maedchen! Dafuer werden in einem Augenblick mehr Brillanten und Perlen fuer mich fallen, als zehn Koenige in ihren Diademen getragen, und schoenere-Bedienter (kommt zurueck). Major von Walter-Sophie (springt auf die Lady zu). Gott! Sie verblassen-Lady. Der erste Mann, der mir Schrecken macht--Sophie--Jetzt sei unpaesslich, Eduard--Halt--Ist er aufgeraeumt? Lacht er? Was spricht er? O, Sophie! Nicht wahr, ich sehe haesslich aus? Sophie. Ich bitte Sie, Lady-Bedienter. Befehlen Sie, dass ich ihn abweise? Lady (stotternd). Er soll mir willkommen sein. (Bedienter hinaus.) Sprich, Sophie--Was sag' ich ihm? Wie empfang' ich ihn?--Ich werde stumm sein.--Er wird meiner Schwaeche spotten--Er wird--o was ahnet mir--Du verlaessest mich, Sophie?--Bleib!--Doch nein! Gehe!--So bleib doch! (Der Major kommt durch das Vorzimmer.) Sophie. Sammeln Sie sich! Er ist schon da! Dritte Scene. Ferdinand von Walter. Die Vorigen. Ferdinand (mit einer kurzen Verbeugung). Wenn ich Sie worin unterbreche, gnaedige Frau-Lady (unter merkbarem Herzklopfen). In nichts, Herr Major, das mir wichtiger waere. Ferdinand. Ich komme auf Befehl meines Vaters-Lady. Ich bin seine Schuldnerin. Ferdinand. Und soll Ihnen melden, dass wir uns heirathen--So weit der Auftrag meines Vaters. Lady (entfaerbt sich und zittert). Nicht Ihres eigenen Herzens? Ferdinand. Minister und Kuppler pflegen das niemals zu fragen. Lady (mit einer Beaengstigung, dass ihr die Worte versagen). Und Sie selbst haetten sonst nichts beizusetzen? Ferdinand (mit einem Blick auf die Mamsell). Noch sehr viel, Milady! Lady (gibt Sophien einen Wink, diese entfernt sich). Darf ich Ihnen diesen Sopha anbieten? Ferdinand. Ich werde kurz sein, Milady! Lady. Nun? Ferdinand. Ich bin ein Mann von Ehre. Lady. Den ich zu schaetzen weiss. Ferdinand. Cavalier. Lady. Kein bessrer im Herzogthum. Ferdinand. Und Officier. Lady (schmeichelhaft). Sie beruehren hier Vorzuege, die auch Andere mit Ihnen gemein haben. Warum verschweigen Sie groessere, worin Sie einzig sind? Ferdinand (frostig). Hier brauch' ich sie nicht. Lady (mit immer steigender Angst). Aber fuer was muss ich diesen Vorbericht nehmen? Ferdinand (langsam und mit Nachdruck). Fuer den Einwurf der Ehre, wenn Sie Lust haben sollten, meine Hand zu erzwingen. Lady (auffahrend). Was ist das, Herr Major? Ferdinand (gelassen). Die Sprache meines Herzens--meines Wappens--und dieses Degens. Lady. Diesen Degen gab Ihnen der Fuerst. Ferdinand. Der Staat gab mir ihn durch die Hand des Fuersten--mein Herz Gott--mein Wappen ein halbes Jahrtausend. Lady. Der Name des Herzogs-Ferdinand (hitzig). Kann der Herzog Gesetze der Menschheit verdrehen, oder Handlungen muenzen wie seine Dreier?--Er selbst ist nicht ueber die Ehre erhaben, aber er kann ihren Mund mit seinem Golde verstopfen. Er kann den Hermelin ueber seine Schande herwerfen. Ich bitte mir aus, davon nichts mehr, Milady.--Es ist nicht mehr die Rede von weggeworfenen Aussichten und Ahnen--oder von dieser Degenquaste--oder von der Meinung der Welt. Ich bin bereit, Dies alles mit Fuessen zu treten, sobald Sie mich nur ueberzeugt haben werden, dass der Preis nicht schlimmer noch als das Opfer ist. Lady (schmerzhaft von ihm weggehend). Herr Major! das hab' ich nicht verdient. Ferdinand (ergreift ihre Hand). Vergeben Sie. Wir reden hier ohne Zeugen. Der Umstand, der Sie und mich--heute und nie mehr--zusammenfuehrt, berechtigt mich, zwingt mich, Ihnen mein geheimstes Gefuehl nicht zurueck zu halten.--Es will mir nicht zu Kopfe, Milady, dass eine Dame von so viel Schoenheit und Geist--Eigenschaften, die ein Mann schaetzen wuerde--sich an einen Fuersten sollte wegwerfen koennen, der nur das Geschlecht an ihr zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schaemte, vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten. Lady (schaut ihm gross ins Gesicht). Reden Sie ganz aus! Ferdinand. Sie nennen sich eine Brittin. Erlauben Sie mir--ich kann es nicht glauben, dass Sie eine Brittin sind. Die freigeborne Tochter des freiesten Volks unter dem Himmel--das auch zu stolz ist, fremder Tugend zu raeuchern--kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen. Es ist nicht moeglich, dass Sie eine Brittin sind,--oder das Herz dieser Brittin muss um so viel kleiner sein, als groesser und kuehner Britanniens Adern schlagen. Lady. Sind Sie zu Ende? Ferdinand. Man koennte antworten, es ist weibliche Eitelkeit--Leidenschaft--Temperament--Hang zum Vergnuegen. Schon oefters ueberlebte Tugend die Ehre. Schon Manche, die mit Schande in diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit sich ausgesoehnt und das haessliche Handwerk durch einen schoenen Gebrauch geadelt--Aber woher denn jetzt diese ungeheure Pressung des Landes, die vorher nie so gewesen?--Das war im Namen des Herzogthums. --Ich bin zu Ende. Lady (mit Sanftmuth und Hoheit). Es ist das Erstemal, Walter, dass solche Reden an mich gewagt werden, und Sie sind der einzige Mensch, dem ich darauf antworte--Dass Sie meine Hand verwerfen, darum schaetz' ich Sie. Dass Sie meine Hand laestern, vergebe ich Ihnen. Dass es Ihr Ernst ist, glaube ich Ihnen nicht. Wer sich herausnimmt, Beleidigungen dieser Art einer Dame zu sagen, die nicht mehr als eine Nacht braucht, ihn ganz zu verderben, muss dieser Dame eine grosse Seele zutrauen, oder--von Sinnen sein--Dass Sie den Ruin des Landes auf meine Brust waelzen, vergebe Ihnen Gott der Allmaechtige, der Sie und mich und den Fuersten einst gegen einander stellt.--Aber Sie haben die Englaenderin in mir aufgefordert, und auf Vorwuerfe dieser Art muss mein Vaterland Antwort haben. Ferdinand (auf seinen Degen gestuetzt). Ich bin begierig. Lady. Hoeren Sie also, was ich, ausser Ihnen, noch Niemand vertraute, noch jemals einem Menschen vertrauen will.--Ich bin nicht die Abenteurerin, Walter, fuer die Sie mich halten. Ich koennte gross thun und sagen: ich bin fuerstlichen Geblueths--aus des ungluecklichen Thomas Norfolks Geschlechte, der fuer die schottische Maria ein Opfer ward. --Mein Vater, des Koenigs oberster Kaemmerer, wurde bezichtigt, in verraetherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet.--Alle unsre Gueter fielen der Krone zu. Wir selbst wurden des Landes verwiesen. Meine Mutter starb am Tage der Hinrichtung. Ich--ein vierzehnjaehriges Maedchen--flohe nach Deutschland mit meiner Waerterin--einem Kaestchen Juwelen--und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte. Ferdinand (wird nachdenkend und heftet waermere Blicke auf die Lady). Lady (faehrt fort mit immer zunehmender Ruehrung). Krank--ohne Namen--ohne Schutz und Vermoegen--eine auslaendische Waise, kam ich nach Hamburg. Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen Franzoesisch--ein wenig Filet und den Fluegel--desto besser verstund ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die Schmeicheleien der Grossen Ihres Geschlechts aufzunehmen.--Sechs Jahre waren schon hingeweint.--Und die letzte Schmucknadel flog dahin--Meine Waerterin starb--und jetzt fuehrte mein Schicksal Ihren Herzog nach Hamburg. Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wasser oder mein Leiden das Tiefste waere?--Der Herzog sah mich, verfolgte mich, fand meinen Aufenthalt,--lag zu meinen Fuessen und schwur, dass er mich liebe. (Sie haelt in grossen Bewegungen inne, dann faehrt sie fort mit weinender Stimme.) Alle Bilder meiner gluecklichen Kindheit wachten jetzt wieder mit verfuehrendem Schimmer auf--Schwarz wie das Grab graute mich eine trostlose Zukunft an--Mein Herz brannte nach einem Herzen--Ich sank an das seinige. (Von ihm wegstuerzend.). Jetzt verdammen Sie mich! Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und haelt sie zurueck). Lady! o Himmel! Was hoer' ich? Was that ich?--Schrecklich enthuellt sich mein Frevel mir. Sie koennen mir nicht mehr vergeben. Lady (kommt zurueck und hat sich zu sammeln gesucht). Hoeren Sie weiter. Der Fuerst ueberraschte zwar meine wehrlose Jugend--aber das Blut der Norfolk empoerte sich in mir: Du, eine geborene Fuerstin, Emilie, rief es, und jetzt eines Fuersten Concubine?--Stolz und Schicksal kaempften in meiner Brust, als der Fuerst mich hieher brachte und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand!--Die Wollust der Grossen dieser Welt ist die nimmersatte Hyaene, die sich mit Heisshunger Opfer sucht.--Fuerchterlich hatte sie schon in diesem Lande gewuethet--hatte Braut und Braeutigam zertrennt--hatte selbst der Ehen goettliches Band zerrissen--hier das stille Glueck einer Familie geschleift--dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest aufgeschlossen, und sterbende Schuelerinnen schaeumten den Namen ihres Lehrers unter Fluechen und Zuckungen aus--Ich stellte mich zwischen das Lamm und den Tiger, nahm einen fuerstlichen Eid von ihm in einer Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung musste aufhoeren. Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal). Nichts mehr, Milady! Nicht weiter! Lady. Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pariserinnen taendelten mit dem furchtbaren Scepter, und das Volk blutete unter ihren Launen--Sie alle erlebten ihren Tag. Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette, als sie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zuegel ab, der wolluestig in meiner Umarmung erschlappte--dein Vaterland, Walter, fuehlte zum erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen. (Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.) O dass der Mann, von dem ich allein nicht verkannt sein moechte, mich jetzt zwingen muss, gross zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu versengen!--Walter, ich habe Kerker gesprengt--habe Todesurtheile zerrissen und manche entsetzliche Ewigkeit auf Galeeren verkuerzt. In unheilbare Wunden hab' ich doch wenigstens stillenden Balsam gegossen--maechtige Frevler in Staub gelegt und die verlorene Sache der Unschuld oft noch mit einer buhlerischen Thraene gerettet--Ha, Juengling, wie suess war mir das! Wie stolz konnte mein Herz jede Anklage meiner fuerstlichen Geburt widerlegen!--Und jetzt kommt der Mann, der allein mir Das alles belohnen sollte--der Mann, den mein erschoepftes Schicksal vielleicht zum Ersatz meiner vorigen Leiden schuf--der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon umfasse-Ferdinand (faellt ihr ins Wort, durch und durch erschuettert). Zu viel! zu viel! Das ist wieder die Abrede, Lady. Sie sollten sich von Anklagen reinigen und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen Sie--ich beschwoere Sie--schonen Sie meines Herzens, das Beschaemung und wuethende Reue zerreissen-Lady (haelt seine Hand fest). Jetzt oder nimmermehr! Lange genug hielt die Heldin Stand--das Gewicht dieser Thraenen musst du noch fuehlen. (Im zaertlichsten Ton.) Hoere, Walter--wenn eine Unglueckliche--unwiderstehlich, allmaechtig an dich gezogen--sich an dich presst mit einem Busen voll gluehender, unerschoepflicher Liebe--Walter!--und du jetzt noch das kalte Wort Ehre sprichst--wenn diese Unglueckliche--niedergedrueckt vom Gefuehl ihrer Schande--des Lasters ueberdruessig--heldenmaessig emporgehoben vom Rufe der Tugend--sich so--in deine Arme wirft (sie umfasst ihn, beschwoerend und feierlich)--durch dich gerettet--durch dich dem Himmel wieder geschenkt sein will, oder (das Gesicht von ihm abgewandt, mit hohler bebender Stimme) deinem Bild zu entfliehen, dem fuerchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere Tiefen des Lasters wieder hinuntertaumelt-Ferdinand (von ihr losreissend, in der schrecklichsten Bedraengniss). Nein, beim grossen Gott! ich kann das nicht aushalten--Lady, ich muss--Himmel und Erde liegen auf mir--ich muss Ihnen ein Gestaendniss thun, Lady! Lady (von ihm wegfliehend). Jetzt nicht! Jetzt nicht, bei Allem, was heilig ist--in diesem entsetzlichen Augenblick nicht, wo mein zerrissenes Herz an tausend Dolchstichen blutet--Sei's Tod oder Leben--ich darf es nicht--ich will es nicht hoeren! Ferdinand. Doch, doch, beste Lady! Sie muessen es. Was ich Ihnen jetzt sagen werde, wird meine Strafbarkeit mindern und eine warme Abbitte des Vergangenen sein--Ich habe mich in Ihnen betrogen, Milady. Ich erwartete--ich wuenschte, Sie meiner Verachtung wuerdig zu finden. Fest entschlossen, Sie zu beleidigen und Ihren Hass zu verdienen, kam ich her--Gluecklich wir Beide, wenn mein Vorsatz gelungen waere! (Er schweigt eine Weile, darauf leise und schuechterner.) Ich liebe, Milady--liebe ein buergerliches Maedchen--Luise Millerin, eines Musikus Tochter. (Lady wendet sich bleich von ihm weg, er faehrt lebhafter fort.) Ich weiss, worein ich mich stuerze; aber wenn auch Klugheit die Leidenschaft schweigen heisst, so redet die Pflicht desto lauter--Ich bin der Schuldige. Ich zuerst zerriss ihrer Unschuld goldenen Frieden--wiegte ihr Herz mit vermessenen Hoffnungen und gab es verraetherisch der wilden Leidenschaft Preis--Sie werden mich an Stand--an Geburt--an die Grundsaetze meines Vaters erinnern--aber ich liebe.--Meine Hoffnung steigt um so hoeher, je tiefer die Natur mit Convenienzen zerfallen ist.--Mein Entschluss und das Vorurtheil!--Wir wollen sehen, ob die Mode oder die Menschheit auf dem Platz bleiben wird. (Lady hat sich unterdess bis an das aeusserste Ende des Zimmers zurueckgezogen und haelt das Gesicht mit beiden Haenden bedeckt. Er folgt ihr dahin.) Sie wollten mir etwas sagen, Milady? Lady (im Ausdruck des heftigsten Leidens). Nichts, Herr von Walter! Nichts, als dass Sie sich und mich und noch eine Dritte zu Grund richten. Ferdinand. Noch eine Dritte? Lady. Wir koennen mit einander nicht gluecklich w. Wir muessen doch der Voreiligkeit Ihres Vaters zum Opfer werden. Nimmermehr werd' ich das Herz eines Mannes haben, der mir seine Hand nur gezwungen gab. Ferdinand. Gezwungen? Lady? gezwungen gab? und also doch gab? Koennen Sie eine Hand ohne Herz erzwingen? Sie einem Maedchen den Mann entwenden, der die ganze Welt dieses Maedchens ist? Sie einen Mann von dem Maedchen reissen, das die ganze Welt dieses Mannes ist? Sie, Milady--vor einem Augenblick die bewundernswuerdige Britten?--Sie koennen das? Lady. Weil ich es muss. (Mit Ernst und Staerke.) Meine Leidenschaft, Walter, weicht meiner Zaertlichkeit fuer Sie. Meine Ehre kann's nicht mehr--Unsre Verbindung ist das Gespraech des ganzen Landes. Alle Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt. Die Beschimpfung ist unausloeschlich, wenn ein Unterthan des Fuersten mich ausschlaegt. Rechten Sie mit Ihrem Vater. Wehren Sie sich, so gut Sie koennen.--Ich lass' alle Minen springen. (Sie geht schnell ab. Der Major bleibt in sprachloser Erstarrung stehen. Pause. Dann stuerzt er fort durch die Fluegelthuere.) Vierte Scene. Zimmer beim Musikanten. Miller. Frau Millerin. Luise treten auf. Miller (hastig ins Zimmer). Ich hab's ja zuvor gesagt! Luise (sprengt ihn aengstlich an). Was, Vater? was? Miller (rennt wie toll auf und nieder). Meinen Staatsrock her--hurtig--ich muss ihm zuvorkommen--und ein weisses Manschettenhemd! --Das hab' ich mir gleich eingebildet! Luise. Um Gotteswillen! Was? Millerin. Was gibt's denn? was ist's denn? Miller (wirft seine Perruecke ins Zimmer). Nur gleich zum Friseur das! --Was es gibt? (Vor den Spiegel gesprungen.) Und mein Bart ist auch wieder fingerslang--Was es gibt?--Was wird's geben, du Rabenaas?--Der Teufel ist los, und dich soll das Wetter schlagen! Frau. Da sehe man! Ueber mich muss gleich alles kommen. Miller. Ueber dich? Ja, blaues Donnermaul! und ueber wen anders? Heute frueh mit deinem diabolischen Junker--Hab ich's nicht im Moment gesagt?--Der Wurm hat geplaudert. Frau. Ah was! Wie kannst du das wissen? Miller. Wie kann ich das wissen?--Da!--unter der Hausthuere spukt ein Kerl des Ministers und fragt nach dem Geiger. Luise. Ich bin des Todes! Miller. Du aber auch mit deinen Vergissmeinnicht-Augen! (Lacht voller Bosheit.) Das hat seine Richtigkeit, wem der Teufel ein Ei in die Wirthschaft gelegt hat, dem wird eine huebsche Tochter geboren--Jetzt hab' ich's blank. Frau. Woher weisst du denn, dass es der Luise gilt?--Du kannst dem Herzog recommendiert worden sein. Er kann dich ins Orchester verlangen. Miller (springt nach seinem Rohr). Dass dich der Schwefelregen von Sodom!--Orchester!--Ja, wo du Kupplerin den Discant wirst heulen und mein blauer Hinterer den Conterbass vorstellen! (Wirft sich in seinen Stuhl.) Gott im Himmel! Luise (setzt sich todtenbleich nieder). Mutter! Vater! Warum wird mir auf einmal so bange? Miller (springt wieder vom Stuhl auf). Aber soll mir der Dintenkleckser einmal in den Schuss laufen?--Soll er mir laufen? Es sei in dieser oder in jener Welt--Wenn ich ihm nicht Leib und Seele breiweich zusammendresche, alle zehen Gebote und alle sieben Bitten im Vaterunser, und alle Buecher Mosis und der Propheten aufs Leder schreibe, dass man die blauen Flecken bei der Auferstehung der Todten noch sehen soll-Frau. Ja! fluch du und poltre du! Das wird jetzt den Teufel bannen! Hilf, heiliger Herregott! Wo hinaus nun? Wie werden wir Rath schaffen? Was nun anfangen? Vater Miller, so rede doch! (Sie laeuft heulend durchs Zimmer.) Miller. Auf der Stell zum Minister will ich. Ich zuerst will mein Maul aufthun--ich selbst will es angeben. Du hast es vor mir gewusst. Du haettest mir einen Wink geben koennen. Das Maedel haett' sich noch weisen lassen. Es waere noch Zeit gewesen--aber nein!--Da hat sich was makeln lassen; da hat sich was fischen lassen! Da hast du noch Holz obendrein zugetragen!--Jetzt sorg' auch fuer deinen Kuppelpelz. Friss aus, was du einbrocktest! Ich nehme meine Tochter in Arm, und marsch mit ihr ueber die Grenze! Fuenfte Scene. Ferdinand von Walter stuerzt erschrocken und ausser Athem ins Zimmer. Die Vorigen. Ferdinand. War mein Vater da? Luise (faehrt mit Schrecken auf). Sein Vater! Allmaechtiger Gott! Frau (zugleich; schlaegt die Haende zusammen). Der Praesident! Es ist aus mit uns! Miller (zugleich; lacht voller Bosheit). Gottlob! Gottlob! da haben wir ja die Bescherung! Ferdinand (eilt auf Luisen zu und drueckt sie stark in die Arme). Mein bist du, und waerfen Hoell' und Himmel sich zwischen uns! Luise. Mein Tod ist gewiss--Rede weiter--Du sprachst einen schrecklichen Namen aus--Dein Vater? Ferdinand. Nichts. Nichts. Es ist ueberstanden. Ich hab' dich ja wieder. Du hast mich ja wieder. O, lass mich Athem schoepfen an dieser Brust! Es war eine schreckliche Stunde. Luise. Welche? Du toedtest mich? Ferdinand (tritt zurueck und schaut sie bedeutend an). Eine Stunde, Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gewalt sich warf--wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblasste--wo meine Luise aufhoerte, ihrem Ferdinand Alles zu sein-Luise (sinkt mit verhuelltem Gesicht auf den Sessel nieder). Ferdinand (geht schnell auf sie zu, bleibt sprachlos mit starrem Blick vor ihr stehen, dann verlaesst er sie ploetzlich, in grosser Bewegung). Nein! Nimmermehr! Unmoeglich, Lady! Zu viel verlangt! Ich kann dir diese Unschuld nicht opfern--Nein, beim unendlichen Gott! ich kann meinen Eid nicht verletzen, der mich laut wie des Himmels Donner aus diesem brechenden Auge mahnt--Lady, blick hieher--hieher, du Rabenvater--Ich soll diesen Engel wuergen! Die Hoelle soll ich in diesen himmlischen Busen schuetten? (Mit Entschluss auf sie zueilend.) Ich will sie fuehren vor des Weltrichters Thron, und ob meine Liebe Verbrechen ist, soll der Ewige sagen. (Er fasst sie bei der Hand und hebt sie vom Sessel.) Fasse Muth, meine Theuerste!--Du hast gewonnen! Als Sieger komm' ich aus dem gefaehrlichsten Kampf zurueck. Luise. Nein! Nein! Verhehle mir nichts. Sprich es aus, das entsetzliche Urtheil. Deinen Vater nanntest du? Du nanntest die Lady?--Schauer des Todes ergreifen mich--Man sagt, sie wird heirathen. Ferdinand (stuerzt betaeubt zu Luisens Fuessen nieder). Mich, Unglueckselige! Luise (nach einer Pause, mit stillem bebenden Ton und schrecklicher Ruhe). Nun--was erschreck' ich denn? Der alte Mann dort hat mir's ja oft gesagt--ich hab' es ihm nie glauben wollen. (Pause, dann wirft sie sich Millern laut weinend in die Arme.). Vater, hier ist deine Tochter wieder--Verzeihung, Vater!--Dein Kind kann ja nicht dafuer, dass dieser Traum so schoen war, und--so fuerchterlich jetzt das Erwachen-Miller. Luise! Luise!--O Gott, sie ist von sich--Meine Tochter, mein armes Kind--Fluch ueber den Verfuehrer!--Fluch ueber das Weib, das ihm kuppelte! Frau (wirft sich jammernd auf Luisen). Verdien' ich diesen Fluch, meine Tochter? Vergeb's Ihnen Gott, Baron!--Was hat dieses Lamm gethan, dass Sie es wuergen? Ferdinand (springt an ihr auf, voll Entschlossenheit). Aber ich will seine Kabalen durchbohren--durchreissen will ich alle diese eisernen Ketten des Vorurtheils--Frei wie ein Mann will ich waehlen, dass diese Insektenseelen am Riesenwerk meiner Liebe hinaufschwindeln! (Er will fort.) Frau (eilt ihm nach, haengt sich an ihn). Der Praesident wird hieher kommen--Er wird unser Kind misshandeln--Er wird uns misshandeln--Herr von Walter, und Sie verlassen uns? Miller (lacht wuethend). Verlaesst uns! Freilich! Warum nicht?--Sie gab ihm ja Alles hin! (Mit der einen Hand den Major, mit der andern Luisen fassend.) Geduld, Herr! der Weg aus meinem Hause geht nur ueber diese da--Erwarte erst deinen Vater! wenn du kein Bube bist--Erzaehl' es ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betrueger, oder, bei Gott! (Ihm seine Tochter zuschleudernd, wild und heftig.) Du sollst mir zuvor diesen wimmernden Wurm zertreten, den Liebe zu dir so zu Schanden richtete! Ferdinand (kommt zurueck und geht auf und ab in tiefen Gedanken). Zwar die Gewalt des Praesident ist gross--Vaterrecht ist ein weites Wort--der Frevel selbst kann sich in seinen Falten verstecken, er kann es weit damit treiben--weit!--Doch aufs Aeusserste treibt's nur die Liebe--Hier, Luise! Deine Hand ist die meinige! (Er fasst diese heftig.) So wahr mich Gott im letzten Hauch nicht verlassen soll! --der Augenblick, der diese zwei Haende trennt, zerreisst auch den Faden zwischen mir und der Schoepfung! Luise. Mir wird bange! Blick' weg! Deine Lippen beben! Dein Auge rollt fuerchterlich-Ferdinand. Nein, Luise! Zittre nicht! Es ist nicht Wahnsinn, was aus mir redet. Es ist das koestliche Geschenk des Himmels, Entschluss in dem geltenden Augenblick, wo die gepresste Brust nur durch etwas Unerhoertes sich Luft macht--Ich liebe dich, Luise--Du sollst mir bleiben, Luise--Jetzt zu meinem Vater! (Er eilt schnell fort und rennt--gegen den Praesident.) Sechste Scene. Der Praesident mit einem Gefolge von Bedienten. Vorige. Praesident (im Hereintreten). Da ist er schon. Alle (erschrocken). Ferdinand (weicht einige Schritte zurueck). Im Hause der Unschuld. Praesident. Wo der Sohn Gehorsam gegen den Vater lernt? Ferdinand. Lassen Sie und das-Praesident (unterbricht ihn, zu Millern). Er ist der Vater? Miller. Stadtmusikant Miller. Praesident (zur Frau). Sie die Mutter? Frau. Ach ja, die Mutter! Ferdinand (zu Millern). Vater, bring Er die Tochter weg--sie droht eine Ohnmacht. Praesident. Ueberfluessige Sorgfalt! Ich will sie anstreichen. (Zu Luisen.) Wie lang kennt Sie den Sohn des Praesidenten? Luise. Diesem habe ich nie nachgefragt. Ferdinand von Walter besucht mich seit dem November. Ferdinand. Betet sie an. Praesident. Erhielt sie Versicherungen? Ferdinand. Vor wenig Augenblicken die feierlichste im Angesicht Gottes. Praesident (zornig zu seinem Sohn). Zur Beichte deiner Thorheit wird man dir schon das Zeichen geben. (Zu Luisen.) Ich warte auf Antwort. Luise. Er schwur mir Liebe. Ferdinand. Und wird sie halten. Praesident. Muss ich befehlen, dass du schweigst?--Nahm Sie den Schwur an? Luise (zaertlich). Ich erwiederte ihn. Ferdinand (mit fester Stimme). Der Bund ist geschlossen. Praesident. Ich werde das Echo hinaus werfen lassen. (Boshaft zu Luisen.) Aber er bezahlte Sie doch jederzeit baar? Luise (aufmerksam). Diese Frage verstehe ich nicht ganz. Praesident (mit beissendem Lachen). Nicht? Nun! ich meine nur--Jedes Handwerk hat, wie man sagt, einen goldenen Boden--auch Sie, hoff' ich, wird Ihre Gunst nicht verschenkt haben--oder war's Ihr vielleicht mit dem blossen Verschluss gedient? Wie? Ferdinand (faehrt wie rasend auf). Hoelle! was war das? Luise (zum Major mit Wuerde und Unwillen). Herr von Walter, jetzt sind Sie frei. Ferdinand. Vater! Ehrfurcht befiehlt die Tugend auch im Bettlerkleid. Praesident (lacht lauter). Eine lustige Zumuthung! Der Vater soll die Hure des Sohns respectieren. Luise (stuerzt nieder). O Himmel und Erde! Ferdinand (mit Luisen zu gleicher Zeit, indem er den Degen nach dem Praesidenten zueckt, den er aber schnell wieder sinken laesst). Vater! Sie hatten einmal ein Leben an mich zu fordern--Es ist bezahlt. (Den Degen einsteckend.) Der Schuldbrief der kindlichen Pflicht liegt zerrissen da-Miller (der bis jetzt furchtsam auf der Seite gestanden, tritt hervor in Bewegung, wechselweis vor Wuth mit den Zaehnen knirschend und vor Angst damit klappernd): Euer Excellenz--Das Kind ist des Vaters Arbeit--Halten zu Gnaden--Wer das Kind eine Maehre schilt, schlaegt den Vater ans Ohr, und Ohrfeig um Ohrfeig--Das ist so Tax bei uns--Halten zu Gnaden. Frau. Hilf, Herr und Heiland!--Jetzt bricht auch der Alte los--ueber unserm Kopf wird das Wetter zusammenschlagen. Praesident (der es nur halb gehoert hat). Regt sich der Kuppler auch?--Wir sprechen uns gleich, Kuppler. Miller. Halten zu Gnaden. Ich heisse Miller, wenn Sie ein Adagio hoeren wollen--mit Buhlschaften dien' ich nicht. So lang der Hof da noch Vorrath hat, kommt die Lieferung nicht an uns Buergersleut'. Halten zu Gnaden. Frau. Um des Himmels willen, Mann! Du bringst Weib und Kind um. Ferdinand. Sie spielen hier eine Rolle, mein Vater, wobei Sie sich wenigstens die Zeugen haetten ersparen koennen. Miller (kommt ihm naeher, herzhafter). Deutsch und verstaendlich. Halten zu Gnaden. Euer Excellenz schalten und walten im Land. Das ist meine Stube. Mein devotestes Compliment, wenn ich dermaleins ein pro memoria bringe, aber den ungehobelten Gast werf' ich zur Thuer hinaus--Halten zu Gnaden. Praesident (vor Wuth blass). Was?--Was ist das? (Tritt naeher.) Miller (zieht sich sachte zurueck). Das war nur so meine Meinung, Herr--Halten zu Gnaden. Praesident (in Flammen). Ha, Spitzbube! Ins Zuchthaus spricht dich deine vermessene Meinung--Fort! Man soll Gerichtsdiener holen. (Einige vom Gefolge gehen ab; der Praesident rennt voll Wuth durch das Zimmer.) Vater ins Zuchthaus--an den Pranger Mutter und Metze von Tochter!--Die Gerechtigkeit soll meiner Wuth ihre Arme borgen. Fuer diesen Schimpf muss ich schreckliche Genugthuung haben--Ein solches Gesindel sollte meine Plane zerschlagen und ungestraft Vater und Sohn aneinander hetzen?--Ha, Verflucht! Ich will meinen Hass an eurem Untergang saettigen, die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will ich meiner brennenden Rache opfern. Ferdinand (tritt gelassen und standhaft unter sie hin). O nicht doch! Seit ausser Furcht! Ich bin zugegen. (Zum Praesidenten mit Unterwuerfigkeit.) Keine Uebereilung, mein Vater! Wenn Sie sich selbst lieben, keine Gewaltthaetigkeit!--Es gibt eine Gegend in meinem Herzen, worin das Wort Vater noch nie gehoert worden ist--Dringen Sie nicht bis in diese. Praesident. Nichtswuerdiger! Schweig! Reize meinen Grimm nicht noch mehr! Miller (kommt aus einer dumpfen Betaeubung zu sich selbst). Schau du nach deinem Kinde, Frau. Ich laufe zum Herzog--Der Leibschneider--das hat mir Gott eingeblasen!--der Leibschneider lernt die Floete bei mir. Es kann mir nicht fehlen beim Herzog. (Er will gehen.) Praesident. Beim Herzog, sagst du?--Hast du vergessen, dass ich die Schwelle bin, worueber du springen oder den Hals brechen musst?--Beim Herzog, du Dummkopf?--Versuch' es, wenn du, lebendig todt, eine Thurmhoehe tief, unter dem Boden im Kerker liegst, wo die Nacht mit der Hoelle liebaeugelt und Schall und Licht wieder umkehren. Rassle dann mit deinen Ketten und wimmre: Mir ist zu viel geschehen. Siebente Scene. Gerichtsdiener. Die Vorigen. Ferdinand (eilt auf Luisen zu, die ihm halb todt in die Arme faellt). Luise! Hilfe! Rettung! Der Schrecken ueberwaeltigt sie! Miller (ergreift sein spanisches Rohr, setzt den Hut auf und macht sich zum Angriff gefasst). Frau (wirft sich auf die Kniee vor dem Praesident). Praesident (zu den Gerichtsdienern, seinen Orden entbloessend). Legt Hand an, im Namen des Herzogs--Weg von der Metze, Junge--Ohnmaechtig oder nicht--wenn sie nur erst das eiserne Halsband um hat, wird man sie schon mit Steinwuerfen aufwecken. Frau. Erbarmung, Ihro Excellenz! Erbarmung! Erbarmung! Miller (reisst seine Frau in die Hoehe). Knie vor Gott! alte Heulhure, und nicht vor--Schelmen, weil ich ja doch schon ins Zuchthaus muss. Praesident (beisst die Lippen). Du kannst dich verrechnen, Bube. Es stehen noch Galgen leer! (Zu den Gerichtsdienern.) Muss ich es noch einmal sagen? Gerichtsdiener (dringen auf Luisen ein). Ferdinand (springt an ihr auf und stellt sich vor sie, grimmig). Wer will was? (Er zieht den Degen sammt der Scheide und wehrt sich mit dem Gefaess.) Wag' es, sie anzuruehren, wer nicht auch die Hirnschale an die Gerichte vermiethet hat. (Zum Praesident.) Schonen Sie Ihrer selbst! Treiben Sie mich nicht weiter, mein Vater. Praesident (drohend zu den Gerichtsdienern). Wenn euch euer Brod lieb ist, Memmen-Gerichtsdiener (greifen Luisen wieder an). Ferdinand. Tod und alle Teufel! Ich sage: Zurueck!--Noch einmal! Haben Sie Erbarmen mit sich selbst. Treiben Sie mich nicht aufs Aeusserste, Vater. Praesident (aufgebracht zu den Gerichtsdienern). Ist das euer Diensteifer, Schurken? Gerichtsdiener (greifen hitziger an). Ferdinand. Wenn es denn sein muss (indem er den Degen zieht und einige von denselben verwundet), so verzeih mir, Gerechtigkeit! Praesident (voll Zorn). Ich will doch sehen, ob auch ich diesen Degen fuehle. (Er fasst Luisen selbst, zerrt sie in die Hoehe und uebergibt sie einem Gerichtsknecht.) Ferdinand (lacht erbittert). Vater, Vater! Sie machen hier ein beissendes Pasquill auf die Gottheit, die sich so uebel auf ihre Leute verstund und aus vollkommenen Henkersknechten schlechte Minister machte. Praesident (zu den Uebrigen). Fort mit ihr! Ferdinand. Vater, sie soll an den Pranger stehen, aber mit dem Major, des Praesidenten Sohn--Bestehen Sie noch darauf? Praesident. Desto possierlicher wird das Spektakel--Fort! Ferdinand. Vater, ich werfe meinen Officiersdegen auf das Maedchen. --Bestehen Sie noch darauf? Praesident. Das Porte-Epée ist an deiner Seite des Prangerstehens gewohnt worden--Fort! Fort! Ihr wisst meinen Willen. Ferdinand (drueckt einen Gerichtsdiener weg, fasst Luisen an einem Arm, mit dem andern zueckt er den Degen auf sie). Vater! Eh Sie meine Gemahlin beschimpfen, durchstoss' ich sie--Bestehen Sie noch darauf? Praesident. Thu' es, wenn deine Klinge noch spitzig ist. Ferdinand (laesst Luisen fahren und blickt fuerchterlich zum Himmel). Du, Allmaechtiger, bist Zeuge! Kein menschliches Mittel liess ich unversucht--ich muss zu einem teuflischen schreiten--Ihr fuehrt sie zum Pranger fort, unterdessen (dem Praesidenten ins Ohr rufend) erzaehl' ich der Residenz eine Geschichte, wie man Praesident wird. (Ab.) Praesident (wie vom Blitz geruehrt). Was ist das?--Ferdinand--Lasst sie ledig! (Er eilt dem Major nach.) Dritter Akt. Saal beim Praesidenten. Erste Scene. Der Praesident und Sekretaer Wurm kommen. Praesident. Der Streich war verwuenscht. Wurm. Wie ich befuerchtete, gnaediger Herr. Zwang erbittert die Schwaermer immer, aber bekehrt sie nie. Praesident. Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag gesetzt. Ich urtheilte so: Wenn das Maedchen beschimpft wird, muss er, als Officier, zuruecktreten. Wurm. Ganz vortrefflich. Aber zum Beschimpfen haett' es auch kommen sollen. Praesident. Und doch--wenn ich es jetzt mit kaltem Blut ueberdenke--Ich haette mich nicht sollen eintreiben lassen--Es war eine Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht haette. Wurm. Das denken Sie ja nicht. Der gereizten Leidenschaft ist keine Thorheit zu bunt. Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf zu Ihrer Regierung geschuettelt. Ich glaub's. Die Grundsaetze, die er aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Traeumereien von Seelengroesse und persoenlichem Adel an einem Hof, wo die groesste Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art, gross und klein zu sein! Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird seine Ambition in Bewegung setzen, als was gross ist und abenteuerlich. Praesident (verdriesslich). Aber was wird diese wohlweise Anmerkung an unserm Handel verbessern? Wurm. Wie wird Ew. Excellenz auf die Wunde hinweisen, und auch vielleicht auf den Verband. Einen solchen Charakter--erlauben Sie--haette man entweder nie zum Vertrauten, oder niemals zum Feind machen sollen. Er verabscheut das Mittel, wodurch Sie gestiegen sind. Vielleicht war es bis jetzt nur der Sohn, der die Zunge des Verraethers band. Geben Sie ihm Gelegenheit, jenen rechtmaessig abzuschuetteln; machen Sie ihn durch wiederholte Stuerme auf seine Leidenschaft glauben, dass Sie der zaertliche Vater nicht sind, so dringen die Pflichten des Patrioten bei ihm vor. Ja, schon allein die seltsame Phantasie, der Gerechtigkeit ein so merkwuerdiges Opfer zu bringen, koennte Reiz genug fuer ihn haben, selbst seinen Vater zu stuerzen. Praesident. Wurm--Wurm--Er fuehrt mich da vor einen entsetzlichen Abgrund. Wurm. Ich will Sie zurueckfuehren, gnaediger Herr. Darf ich freimuethig reden? Praesident (indem er sich niedersetzt). Wie ein Verdammter zum Mitverdammten. Wurm. Also verzeihen Sie--Sie haben, duenkt mich, der biegsamen Hofkunst den ganzen Praesidenten zu danken, warum vertrauen Sie ihr nicht auch den Vater an? Ich besinne mich, mit welcher Offenheit Sie Ihren Vorgaenger damals zu einer Partie Piquet beredeten und bei ihm die halbe Nacht mit freundschaftlichem Burgunder hinwegschwemmten, und das war doch die naemliche Nacht, wo die grosse Mine losgehen und den guten Mann in die Luft blasen sollte--Warum zeigten Sie Ihrem Sohne den Feind? Nimmermehr haette dieser erfahren sollen, dass ich um seine Liebesangelegenheit wisse. Sie haetten den Roman von Seiten des Maedchens unterhoehlt und das Herz Ihres Sohnes behalten. Sie haetten den klugen General gespielt, der den Feind nicht am Kern seiner Truppen fasst, sondern Spaltungen unter den Gliedern stiftet. Praesident. Wie war das zu machen? Wurm. Auf die einfachste Art--und die Karten sind noch nicht ganz vergeben. Unterdruecken Sie eine Zeit lang, dass Sie Vater sind. Messen Sie sich mit einer Leidenschaft nicht, die jeder Widerstand nur maechtiger machte--Ueberlassen Sie es mir, an ihrem eigenen Feuer den Wurm auszubrueten, der sie zerfrisst. Praesident. Ich bin begierig. Wurm. Ich muesste mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen, oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich, wie in der Liebe. Machen Sie ihm das Maedchen verdaechtig--Wahrscheinlich oder nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstoerende Gaehrung zu jagen. Praesident. Aber woher diesen Gran nehmen? Wurm. Da sind wir auf dem Punkt--vor allen Dingen, gnaediger Herr, erklaeren Sie sich mir, wie viel Sie bei der ferneren Weigerung des Majors auf dem Spiel haben--in welchem Grade es Ihnen wichtig ist, den Roman mit dem Buergermaedchen zu endigen und die Verbindung mit Lady Milford zu Stand zu bringen? Praesident. Kann Er noch fragen, Wurm?--Mein ganzer Einfluss ist in Gefahr, wenn die Partie mit der Lady zurueckgeht, und wenn ich den Major zwinge, mein Hals. Wurm (munter). Jetzt haben Sie die Gnade und hoeren--Den Herrn Major umspinnen wir mit List. Gegen das Maedchen nehmen wir Ihre ganze Gewalt zu Hilfe. Wir dictieren ihr ein Billetdoux an eine dritte Person in die Feder und spielen das mit guter Art dem Major in die Haende. Praesident. Toller Einfall! Als ob sie sich so geschwind hin bequemen wuerde, ihr eigenes Todesurtheil zu schreiben? Wurm. Sie muss, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen. Ich kenne das gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo toedtliche Seiten, durch welche wir ihre Gewissen bestuermen koennen--ihren Vater und den Major. Der letztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel; desto freier koennen wir mit dem Musikanten umspringen. Praesident. Als zum Exempel? Wurm. Nach Dem, was Ew. Excellenz mir von dem Auftritt in seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den Vater mit einem Halsprocess zu bedrohen. Die Person des Guenstlings und Siegelbewahrers ist gewissermassen der Schatten der Majestaet--Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen dieser--Wenigstens will ich den armen Schaecher mit diesem zusammengeflickten Kobold durch ein Nadeloehr jagen. Praesident. Doch--ernsthaft duerfte der Handel nicht werden. Wurm. Ganz und gar nicht--Nur in so weit, als es noethig ist, die Familie in die Klemme zu treiben--Wir setzen also in aller Stille den Musikus fest--Die Noth um so dringender zu machen, koennte man auch die Mutter mitnehmen,--sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger Festung, und machen den Brief der Tochter zur einzigen Bedingung seiner Befreiung. Praesident. Gut! Gut! Ich verstehe. Wurm. Sie liebt ihren Vater--bis zur Leidenschaft, moecht' ich sagen. Die Gefahr seines Lebens--seiner Freiheit zum Mindesten--die Vorwuerfe ihres Gewissens, den Anlass dazu gegeben zu haben--die Unmoeglichkeit, den Major zu besitzen--endlich die Betaeubung ihres Kopfs, die ich auf mich nehme--es kann nicht fehlen--sie muss in die Falle gehn. Praesident. Aber mein Sohn? Wird er nicht auf der Stelle Wind davon haben? Wurm. Das lassen Sie meine Sorge sein, gnaediger Herr--Vater und Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen koerperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheim zu halten und den Betrug zu bestaetigen. Praesident. Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf? Wurm. Nichts bei uns, gnaediger Herr! Bei dieser Menschenart Alles--Und sehen Sie nun, wie schoen wir Beide auf diese Manier zum Ziele kommen werden--Das Maedchen verliert die Liebe des Majors und den Ruf ihrer Tugend. Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf, und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art, erkennen sie's noch zuletzt fuer Erbarmung, wenn ich der Tochter durch meine Hand ihre Reputation wieder gebe. Praesident (lacht unter Kopfschuetteln). Ja, ich gebe mich dir ueberwunden, Schurke! Das Geweb' ist satanisch fein. Der Schueler uebertrifft seinen Meister--Nun ist die Frage, an wen das Billet muss gerichtet werden? Mit wem wir sie in Verdacht bringen muessen? Wurm. Nothwendig mit Jemand, der durch den Entschluss Ihres Sohnes Alles gewinnen oder Alles verlieren muss. Wurm (nach einigem Nachdenken). Ich weiss nur den Hofmarschall. Wurm (zuckt die Achseln). Mein Geschmack waer' es nun freilich nicht, wenn ich Luise Millerin hiesse. Praesident. Und warum nicht? Wunderlich! Eine blendende Garderobe--Eine Atmosphaere von Eau de mille fleurs und Bisam--und jedes alberne Wort eine Handvoll Ducaten--und alles Das sollte die Delicatesse einer buergerlichen Dirne nicht endlich bestechen koennen? O, guter Freund! so scrupuloes ist die Eifersucht nicht! Ich schicke zum Marschall. (Klingelt.) Wurm. Unterdessen, dass Ew. Excellenz dieses und die Gefangennehmung des Geigers besorgen, werd' ich hingehen und den bewussten Liebesbrief aufsetzen. Praesident (zum Schreibpult gehend). Den Er mir zum Durchlesen heraufbringt, sobald er zu Stand sein wird. (Wurm geht ab. Der Praesident setzt sich zu schreiben; ein Kammerdiener kommt; er steht auf und gibt ihm ein Papier.) Dieser Verhaftsbefehl muss ohne Aufschub in die Gerichte--ein Andrer von euch wird den Hofmarschall zu mir bitten. Kammerdiener. Der gnaedige Herr sind so eben hier angefahren. Praesident. Noch besser--aber die Anstalten sollen mit Vorsicht getroffen werden, sagt ihr, dass kein Aufstand erfolgt. Kammerdiener. Sehr wohl, Ihr' Excellenz! Praesident. Versteht ihr? Ganz in der Stille! Kammerdiener. Ganz gut, Ihr' Excellenz! (Ab.) Zweite Scene. Der Praesident und der Hofmarschall. Hofmarschall (eilfertig). Nur en passant, mein Bester!--Wie leben Sie? Wie befinden Sie sich?--Heute Abend ist grosse Opéra Dido--das sueperbeste Feuerwerk--eine ganze Stadt brennt zusammen--Sie sehen sie doch auch brennen? Was? Praesident. Ich habe Feuerwerk genug in meinem eigenen Hause, das meine ganze Herrlichkeit in die Luft nimmt--Sie kommen erwuenscht, lieber Marschall, mir in einer Sache zu rathen, thaetig zu helfen, die uns Beide poussiert, oder voellig zu Grund richtet. Setzen Sie sich. Hofmarschall. Machen Sie mir nicht Angst, mein Suesser. Praesident. Wie gesagt--poussiert, oder ganz zu Grund richtet. Sie wissen mein Project mit dem Major und der Lady. Sie begreifen auch, wie unentbehrlich es war, unser Beider Glueck zu fixieren. Es kann Alles zusammenfallen, Kalb. Mein Ferdinand will nicht. Hofmarschall. Will nicht--will nicht--ich hab's ja in der ganzen Stadt schon herumgesagt. Die Mariage ist in Jedermanns Munde. Praesident. Sie koennen vor der ganzen Stadt als Windmacher dastehen. Er liebt eine Andere. Hofmarschall. Sie scherzen. Ist das auch wohl ein Hindernis? Praesident. Bei dem Trotzkopf das unueberwindlichste. Hofmarschall. Er soll so wahnsinnig sein und sein Fortune von sich stossen? Was? Praesident. Fragen Sie ihn das und hoeren Sie, was er antwortet. Hofmarschall. Aber, mon Dieu! was kann er denn antworten? Praesident. Dass er der ganzen Welt das Verbrechen entdecken wolle, wodurch wir gestiegen sind--dass er unsere falschen Briefe und Quittungen angeben--dass er uns Beide ans Messer liefern wolle--das kann er antworten. Hofmarschall. Sind Sie von Sinnen? Praesident. Das hat er geantwortet. Das war er schon Willens, ins Werk zu richten--Davon hab' ich ihn kaum noch durch meine hoechste Erniedrigung abgebracht. Was wissen Sie hierauf zu sagen? Hofmarschall (mit einem Schafsgesicht). Mein Verstand steht still. Praesident. Das koennte noch hingehen. Aber zugleich hinterbringen mir meine Spionen, dass der Oberschenk von Bock auf dem Sprunge sei, um die Lady zu werben. Hofmarschall. Sie machen mich rasend. Wer sagen Sie? von Bock sagen Sie?--Wissen Sie denn auch, dass wir Todfeinde zusammen sind? Wissen Sie auch, warum wir es sind? Praesident. Das erste Wort, das ich hoere. Hofmarschall. Bester! Sie werden hoeren, und aus der Haut werden Sie fahren--Wenn Sie sich noch des Hofballs entsinnen--es geht jetzt ins einundzwanzigste Jahr--wissen Sie, worauf man den ersten Englischen tanzte, und dem Grafen von Meerschaum das heisse Wachs von einem Kronleuchter auf den Domino troepfelte--Ach Gott, das muessen Sie freilich noch wissen! Praesident. Wer koennte so was vergessen? Hofmarschall. Sehen Sie! da hatte Prinzessin Amalie in der Hitze des Tanzes ein Strumpfband verloren--Alles kommt, wie befreiflich ist, in Allarm--von Bock und ich--wir waren noch Kammerjunker--wir kriechen durch den ganzen Redoutensaal, das Strumpfband zu suchen--endlich erblick ich's--von Bock merkt's--von Bock darauf zu, reisst es mir aus den Haenden--ich bitte Sie!--bringt's der Prinzessin und schnappt mir gluecklich das Compliment weg--Was denken Sie? Praesident. Impertinent! Hofmarschall. Schnappt mir das Compliment weg--Ich meine in Ohnmacht zu sinken. Eine solche Malice ist gar nicht erlebt worden.--Endlich ermann' ich mich, naehere mich Ihrer Durchlaucht und spreche: Gnaedigste Frau! von Bock war so gluecklich, Hoechstdenenselben das Strumpfband zu ueberreichen, aber wer das Strumpfband zuerst erblickte, belohnt sich in der Stille und schweigt. Praesident. Bravo, Marschall! Bravissimo! Hofmarschall. Und schweigt--Aber ich werd's dem von Bock bis zum juengsten Gerichte noch nachtragen--der niedertraechtige, kriechende Schmeichler!--Und das war noch nicht genug--wie wir beide zugleich auf das Strumpfband zu Boden fallen, wischt mir von Bock an der rechten Frisur allen Puder weg, und ich bin ruiniert auf den ganzen Ball. Praesident. Das ist der Mann, der die Milford heirathen und die erste Person am Hof werden wird. Hofmarschall. Sie stossen mir ein Messer ins Herz. Wird? wird? Warum wird er? Wo ist die Nothwendigkeit? Praesident. Weil mein Ferdinand nicht will und sonst Keiner sich meldet. Hofmarschall. Aber wissen Sie denn gar kein einziges Mittel, den Major zum Entschluss zu bringen?--Sei's auch noch so bizarr, so verzweifelt!--Was in der Welt kann so widrig sein, das uns jetzt nicht willkommen waere, den verhassten von Bock auszustechen? Praesident. Ich weiss nur eines, und das bei Ihnen steht. Hofmarschall. Bei mir steht? Und das ist? Praesident. Den Major mit seiner Geliebten zu entzweien. Hofmarschall. Zu entzweien? Wie meinen Sie das?--Und wie mach' ich das? Praesident. Alles ist gewonnen, sobald wir ihm das Maedchen verdaechtig machen. Hofmarschall. Dass sie stehle, meinen Sie? Praesident. Ach nein doch! Wie glaubte er das?--dass sie es noch mit einem Andern habe. Hofmarschall. Dieser Andre? Praesident. Muessten Sie sein, Baron. Hofmarschall. Ich sein? Ich?--Ist sie von Adel? Praesident. Wozu das? Welcher Einfall!--Eines Musikanten Tochter. Hofmarschall. Buergerlich also? Das wird nicht angehen. Was? Praesident. Was wird nicht angehen? Narrenspossen! Wem unter der Sonne wird es einfallen, ein paar runde Wangen nach dem Stammbaum zu fragen? Hofmarschall. Aber bedenken Sie doch, ein Ehmann! Und meine Reputation bei Hofe. Praesident. Das ist was anders. Verzeihen Sie. Ich habe das noch nicht gewusst, dass Ihnen der Mann von unbescholtenen Sitten mehr ist, als der von Einfluss. Wollen wir abbrechen? Hofmarschall. Seien Sie klug, Baron. Es war ja nicht so verstanden. Praesident (frostig). Nein--nein! Sie haben vollkommen Recht. Ich bin es auch muede. Ich lasse den Karren stehen. Dem von Bock wuensch' ich Glueck zum Premierminister. Die Welt ist noch anderswo. Ich fordre meine Entlassung vom Herzog. Hofmarschall. Und ich?--Sie haben gut schwatzen, Sie! Sie sind ein Studierter! Aber ich,--mon Dieu!--was bin dann ich, wenn mich Seine Durchleucht entlassen? Praesident. Ein Bonmot von vorgestern. Die Mode vom vorigen Jahr. Hofmarschall. Ich beschwoere Sie, Theurer, Goldner!--Ersticken Sie diesen Gedanken! Ich will mir ja Alles gefallen lassen. Praesident. Wollen Sie Ihren Namen zu einem Rendez-vous hergeben, den Ihnen diese Millerin schriftlich vorschlagen soll? Hofmarschall. Im Namen Gottes! Ich will ihn hergeben. Praesident. Und den Brief irgendwo herausfallen lassen, wo er dem Major zu Gesicht kommen muss? Hofmarschall. Zum Exempel auf der Parade will ich ihn, als von ungefaehr, mit dem Schnupftuch heraus schleudern. Praesident. Und die Rolle ihres Liebhabers gegen den Major behaupten? Hofmarschall. Mort de ma vie! Ich will ihn schon waschen! Ich will dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden. Praesident. Nun geht's nach Wunsch. Der Brief muss noch heute geschrieben sein. Sie muessen vor Abend noch herkommen, ihn abzuholen und Ihre Rolle mit mir zu berichtigen. Hofmarschall. Sobald ich sechzehn Visiten werde gegeben haben, die von allerhoechster Importance sind. Verzeihen Sie also, wenn ich mich ohne Aufschub beurlaube. (Geht.) Praesident (klingelt). Ich zaehle auf Ihre Verschlagenheit, Marschall. Hofmarschall (ruft zurueck). Ah, mon Dieu!--Sie kennen mich ja. Dritte Scene. Der Praesident und Wurm. Wurm. Der Geiger und seine Frau sind gluecklich und ohne alles Geraeusch in Verhaft gebracht. Wollen Ew. Excellenz jetzt den Brief ueberlesen? Praesident (nachdem er gelesen). Herrlich! herrlich, Secretaer! Auch der Marschall hat angebissen!--Ein Gift wie das muesste die Gesundheit selbst in eiternden Aussatz verwandeln--Nun gleich mit den Vorschlaegen zum Vater, und dann warm zu der Tochter. (Gehen ab zu verschiedenen Seiten.) Vierte Scene. Zimmer in Millers Wohnung. Luise und Ferdinand. Luise. Ich bitte dich, hoere auf. Ich glaube an keine gluecklichen Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken. Ferdinand. So sind die meinigen gestiegen. Mein Vater ist aufgereizt; mein Vater wird alle Geschuetze gegen uns richten. Er wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen. Ich stehe nicht mehr fuer meine kindliche Pflicht. Wuth und Verzweiflung werden mir das schwarze Geheimniss seiner Mordthat erpressen. Der Sohn wird den Vater in die Haende des Henkers liefern--Es ist die hoechste Gefahr--und die hoechste Gefahr musste da sein, wenn meine Liebe den Riesensprung wagen sollte--Hoere, Luise--Ein Gedanke, gross und vermessen wie meine Leidenschaft, draengt sich vor meine Seele--Du, Luise, und ich und die Liebe!--liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes dazu? Luise. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblasse ueber Das, was du sagen willst. Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Forderung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und Alles verloren werden kann?--Wird dieses Aug nicht eben so schmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt, oder im baltischen Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt. Deine Fusstapfe in wilden, sandigten Wuesten mir interessanter, als das Muenster in meiner Heimath--Werden wir die Pracht der Staedte vermissen? Wo wir sein moegen, Luise, geht eine Sonne auf, eine unter--Schauspiele, neben welchen der ueppigste Schwung der Kuenste verblasst. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet die Nacht mit begeisterndem Schauern auf, der wechselnde Mond predigt uns Busse, und eine andaechtige Kirche von Sternen betet mit uns. Werden wir uns in Gespraechen der Liebe erschoepfen?--Ein Laecheln meiner Luise ist Stoff fuer Jahrhunderte, und der Traum des Lebens ist aus, bis ich diese Thraene ergruende. Luise. Und haettest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe? Ferdinand (sie umarmend). Deine Ruhe ist meine heiligste. Luise (sehr ernsthaft). So schweig und verlass mich--Ich habe einen Vater, der kein Vermoegen hat, als diese einzige Tochter--der morgen sechzig wird--der der Rache des Praesidenten gewiss ist.-Ferdinand (faellt rasch ein). Der uns begleiten wird. Darum keinen Einwurf mehr, Liebe. Ich gehe, mache meine Kostbarkeiten zu Geld, erhebe Summen auf meinen Vater. Es ist erlaubt, einen Raeuber zu pluendern, und sind seine Schaetze nicht Blutgeld des Vaterlands?--Schlag ein Uhr um Mitternacht wird ein Wagen hier anfahren. Ihr werft euch hinein. Wir fliehen. Luise. Und der Fluch deines Vaters uns nach?--ein Fluch, Unbesonnener, den auch Moerder nie ohne Erhoerung aussprechen, den die Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade haelt, der uns Fluechtlinge unbarmherzig wie ein Gespenst von Meer zu Meer jagen wuerde?--Nein, mein Geliebter! Wenn nur ein Frevel dich mir erhalten kann, so hab' ich noch Staerke, dich zu verlieren. Ferdinand (steht still und murmelt duester). Wirklich? Luise. Verlieren!--O, ohne Grenzen entsetzlich ist der Gedanke--graesslich genug, den unsterblichen Geist zu durchbohren und die gluehende Wange der Freude zu bleichen--Ferdinand! dich zu verlieren! Doch, man verliert ja nur, was man besessen hat, und dein Herz gehoert deinem Stande--Mein Anspruch war Kirchenraub, und schaudernd geb' ich ihn auf. Ferdinand (das Gesicht verzerrt und an der Unterlippe nagend). Gibst du ihn auf. Luise. Nein! Sieh mich an, lieber Walter. Nicht so bitter die Zaehne geknirscht. Komm! Lass mich jetzt deinen sterbenden Muth durch mein Beispiel beleben. Lass mich die Heldin dieses Augenblicks sein--einem Vater den entflohenen Sohn wieder schenken--einem Buendniss entsagen, das die Fugen der Buergerwelt auseinander treiben und die allgemeine ewige Ordnung zu Grund stuerzen wuerde--Ich bin die Verbrecherin--mit frechen, thoerigten Wuenschen hat sich mein Busen getragen--mein Unglueck ist meine Strafe, so lass mir doch jetzt die suesse, schmeichelnde Taeuschung, dass es mein Opfer war--Wirst du mir diese Wollust missgoennen? Ferdinand (hat in der Zerstreuung und Wuth eine Violine ergriffen und auf derselben zu spielen versucht--Jetzt zerreisst er die Saiten, zerschmettert das Instrument auf dem Boden und bricht in ein lautes Gelaechter aus). Luise. Walter! Gott im Himmel! Was soll das?--Ermanne dich! --Fassung verlangt diese Stunde--es ist eine trennende. Du hast ein Herz, lieber Walter. Ich kenne es.--Warm wie das Leben ist deine Liebe, und ohne Schranken wie das Unermessliche--Schenke sie einer Edeln und Wuerdigern--sie wird die Gluecklichste ihres Geschlechts nicht beneiden--(Thraenen unterdrueckend.) Mich sollst du nicht mehr sehn--Das eitle betrogene Maedchen verweine seinen Gram in einsamen Mauern, um seine Thraenen wird sich Niemand bekuemmern--Leer und erstorben ist meine Zukunft--Doch werd' ich noch je und je am verwelkten Strauss der Vergangenheit riechen. (Indem sie ihm mit abgewandtem Gesicht ihre zitternde Hand gibt.) Leben Sie wohl, Herr von Walter. Ferdinand (springt aus seiner Betaeubung auf). Ich entfliehe, Luise. Willst du mir wirklich nicht folgen? Luise (hat sich im Hintergrund des Zimmers niedergesetzt und haelt das Gesicht mit beiden Haenden bedeckt). Meine Pflicht heisst mich bleiben und dulden. Ferdinand. Schlange, du luegst. Dich fesselt was anders hier. Luise (im Ton des tiefsten inwendigen Leidens). Bleiben Sie bei dieser Vermuthung--sie macht vielleicht weniger elend. Ferdinand. Kalte Pflicht gegen feurige Liebe!--Und mich soll das Maerchen blenden? Ein Liebhaber fesselt dich, und Weh ueber dich und ihn, wenn mein Verdacht sich bestaetigt. (Geht schnell ab.) Fuenfte Scene. Luise allein.--(Sie bleibt noch eine Zeit lang ohne Bewegung und stumm in dem Sessel liegen, endlich steht sie auf, kommt vorwaerts und sieht furchtsam herum.) Wo meine Eltern bleiben?--Mein Vater versprach, in wenigen Minuten zurueck zu sein, und schon sind fuenf volle fuerchterliche Stunden vorueber--Wenn ihm ein Unfall--wie wird mir?--Warum geht mein Odem so aengstlich? (Jetzt tritt Wurm in das Zimmer und bleibt im Hintergrund stehen, ohne von ihr bemerkt zu werden.) Es ist nichts Wirkliches--Es ist nichts als das schaudernde Gaukelspiel des erhitzten Geblueths--Hat unsre Seele nur einmal Entsetzen genug in sich getrunken, so wird das Aug in jedem Winkel Gespenster sehn. Sechste Scene. Luise und Secretaer Wurm. Wurm (kommt naeher). Guten Abend, Jungfer. Luise. Gott! Wer spricht da? (Sie dreht sich um, wird den Secretaer gewahr und tritt erschrocken zurueck.) Schrecklich! Schrecklich! Meiner aengstlichen Ahnung eilt schon die unglueckseligste Erfuellung nach. (Zum Secretaer mit einem Blick voll Verachtung.) Suchen Sie etwa den Praesidenten? Er ist nicht mehr da. Wurm. Jungfer, ich suche Sie. Luise. So muss ich mich wundern, dass Sie nicht nach dem Marktplatz gingen. Wurm. Warum eben dahin? Luise. Ihre Braut von der Schaubuehne abzuholen. Wurm. Mamsell Millerin, Sie haben einen falschen Verdacht-Luise (unterdrueckt eine Antwort). Was steht Ihnen zu Diensten? Wurm. Ich komme, geschickt von Ihrem Vater. Luise (bestuerzt). Von meinem Vater?--Wieder ist mein Vater? Wurm. Wo er nicht gern ist. Luise. Um Gotteswillen! Geschwind! Mich befaellt eine ueble Ahnung--Wo ist mein Vater? Wurm. Im Thurm, wenn Sie es ja wissen wollen. Luise (mit einem Blick zum Himmel). Das noch! Das auch noch!--Im Thurm? Und warum im Thurm? Wurm. Auf Befehl des Herzogs. Luise. Des Herzogs? Wurm. Der die Verletzung der Majestaet in der Person seines Stellvertreters-Luise. Was? was? O ewige Allmacht! Wurm. Auffallend zu ahnden beschlossen hat. Luise. Das war noch uebrig! Das!--Freilich, freilich, mein Herz hatte noch ausser dem Major etwas Theures--das durfte nicht uebergangen werden--Verletzung der Majestaet--Himmlische Vorsicht! Rette! o rette meinen sinkenden Glauben!--Und Ferdinand? Wurm. Waehlt Lady Milford, oder Fluch und Enterbung. Luise. Entsetzliche Freiheit!--Und doch--doch ist er gluecklicher. Er hat keinen Vater zu verlieren. Zwar keinen haben, ist Verdammniss genug!--Mein Vater auf Verletzung der Majestaet--mein Geliebter die Lady oder Fluch und Enterbung--Wahrlich bewundernswerth! Eine vollkommene Bueberei ist auch eine Vollkommenheit--Vollkommenheit? Nein! dazu fehlt noch etwas--Wo ist meine Mutter? Wurm. Im Spinnhaus. Luise (mit schmerzvollem Laecheln). Jetzt ist es voellig!--Voellig, und jetzt waer' ich ja frei--Abgeschaelt von allen Pflichten--und Thraenen--und Freuden. Abgeschaelt von der Vorsicht. Ich brauch' sie ja nicht mehr--(Schreckliches Stillschweigen.) Haben Sie vielleicht noch eine Zeitung? Reden Sie immerhin. Jetzt kann ich Alles hoeren. Wurm. Was geschehen ist, wissen Sie. Luise. Also nicht, was noch kommen wird? (Wiederum Pause, worin sie den Secretaer von oben bis unten ansieht.) Armer Mensch! du treibst ein trauriges Handwerk, wobei du unmoeglich selig werden kannst. Unglueckliche machen, ist schon schrecklich genug, aber graesslich ist's, es ihnen verkuendigen--ihn vorzusingen, den Eulengesang, dabei stehn, wenn das blutende Herz am eisernen Schaft der Nothwendigkeit zittert und Christen an Gott zweifeln--Der Himmel bewahre mich! Und wuerde dir jeder Angsttropfe, den du fallen siehst, mit einer Tonne Golds aufgewogen--ich moechte nicht du sein--Was kann noch geschehen? Wurm. Ich weiss nicht. Luise. Sie wollen nicht wissen?--Diese lichtscheue Bothschaft fuerchtet das Geraeusch der Worte, aber in der Grabesstille Ihres Gesichts zeigt sich mir das Gespenst--Was ist noch uebrig?--Sie sagten vorhin, der Herzog wollte es auffallend ahnden? Was nennen Sie auffallend? Wurm. Fragen Sie nichts mehr. Luise. Hoere, Mensch! Du gingst beim Henker zur Schule. Wie verstuendest du sonst, das Eisen erst langsam bedaechtlich an den knirschenden Gelenken hinaufzufuehren und das zuckende Herz mit dem Streich der Erbarmung zu necken?--Welches Schicksal wartet auf meinen Vater? Es ist Tod in Dem, was du lachend sagst; wie mag Das aussehen, was du an dich haeltst? Sprich es aus. Lass mich sie auf einmal haben, die ganze zermalmende Ladung. Was wartet auf meinen Vater? Wurm. Ein Criminal-Process. Luise. Was ist aber das?--Ich bin ein unwissendes, unschuldiges Ding, verstehe mich wenig auf eure fuerchterlichen lateinischen Woerter. Was heisst Criminal-Process? Wurm. Gericht um Leben und Tod. Luise (standhaft). So dank' ich Ihnen! (Sie eilt schnell in ein Seitenzimmer.) Wurm (steht betroffen da). Wo will das hinaus! Sollte die Naerrin etwa?--Teufel! Sie wird doch nicht--Ich eile nach--ich muss fuer ihr Leben buergen. (Im Begriff, ihr zu folgen.) Luise (kommt zurueck, einen Mantel umgeworfen). Verzeihen Sie, Secretaer. Ich schliesse das Zimmer. Wurm. Und wohin denn so eilig? Luise. Zum Herzog. (Will fort.) Wurm. Was? Wo hin? (Er haelt sie erschrocken zurueck.) Luise. Zum Herzog. Hoeren Sie nicht? Zu eben dem Herzog, der meinen Vater auf Tod und Leben will richten lassen--Nein! nicht will--muss richten lassen, weil einige Boeswichter wollen; der zu dem ganzen Process der beleidigten Majestaet nichts hergibt, als eine Majestaet und seine fuerstliche Handschrift. Wurm (lacht ueberlaut). Zum Herzog! Luise. Ich weiss, worueber Sie lachen--aber ich will ja auch kein Erbarmen dort finden--Gott bewahre mich! nur Ekel--Ekel nur an meinem Geschrei. Man hat mir gesagt, dass die Grossen der Welt noch nicht belehrt sind, was Elend ist--nicht wollen belehrt sein. Ich will ihm sagen, was Elend ist--will es ihm vormalen in allen Verzerrungen des Todes, was Elend ist--will es ihm vorheulen in Mark und Bein zermalmenden Toenen, was Elend ist--und wenn ihm jetzt ueber der Beschreibung die Haare zu Berge fliegen, will ich ihm noch zum Schluss in die Ohren schrei'n, dass in der Sterbestunde auch die Lungen der Erdengoetter zu roecheln anfangen und das juengste Gericht Majestaeten und Bettler in dem naemlichen Siebe ruettelt. (Sie will gehen.) Wurm (boshaft freundlich). Gehen Sie, o gehen Sie ja. Sie koennen wahrlich nichts Kluegeres thun. Ich rathe es Ihnen, gehen Sie, und ich gebe Ihnen mein Wort, dass der Herzog willfahren wird. Luise (steht ploetzlich still). Wie sagen Sie?--Sie rathen mir selbst dazu? (Kommt schnell zurueck.) Hm! Was will ich denn? Etwas Abscheuliches muss es sein, weil dieser Mensch dazu rathet--Woher wissen Sie, dass der Fuerst mir willfahren wird? Wurm. Weil er es nicht wird umsonst thun duerfen. Luise. Nicht umsonst? Welchen Preis kann er auf eine Menschlichkeit setzen? Wurm. Die schoene Supplicantin ist Preises genug. Luise (bleibt erstarrt stehen, dann mit brechendem Laut). Allgerechter! Wurm. Und einen Vater werden Sie doch, will ich hoffen, um diese gnaedige Taxe nicht ueberfordert finden? Luise (auf und ab, ausser Fassung). Ja! ja! Es ist wahr! Sie sind verschanzt, eure Grossen--verschanzt vor der Wahrheit hinter ihre eigenen Laster, wie hinter Schwerter der Cherubim--Helfe dir der Allmaechtige, Vater! Deine Tochter kann fuer dich sterben, aber nicht suendigen. Wurm. Das mag ihm wohl eine Neuigkeit sein, dem armen verlassenen Mann--"Meine Luise," sagte er mir, "hat mich zu Boden geworfen. Meine Luise wird mich auch aufrichten."--Ich eile, Mamsell, ihm die Antwort zu bringen. (Stellt sich, als ob er ginge.) Luise (eilt ihm nach, haelt ihn zurueck). Bleiben Sie! bleiben Sie! Geduld! Wie flink dieser Satan ist, wenn es gilt, Menschen rasend zu machen!--Ich hab' ihn niedergeworfen. Ich muss ihn aufrichten. Reden Sie! Rathen Sie! Was kann ich? was muss ich thun? Wurm. Es ist nur ein Mittel. Luise. Dieses einzige Mittel? Wurm. Auch Ihr Vater wuenscht-Luise. Auch mein Vater?--Was ist das fuer ein Mittel? Wurm. Es ist Ihnen leicht. Luise. Ich kenne nichts Schwereres, als die Schande. Wurm. Wenn Sie den Major wieder frei machen wollen. Luise. Von seiner Liebe? Spotten Sie meiner?--Das meiner Willkuer zu ueberlassen, wozu ich gezwungen ward? Wurm. So ist es nicht gemeint, liebe Jungfer. Der Major muss zuerst und freiwillig zuruecktreten. Luise. Er wird nicht. Wurm. So scheint es. Wuerde man denn wohl seine Zuflucht zu Ihnen nehmen, wenn nicht Sie allein dazu helfen koennten? Luise. Kann ich ihn zwingen, dass er mich hassen muss? Wurm. Wir wollen versuchen. Setzen Sie sich. Luise (betreten). Mensch! Was bruetest du? Wurm. Setzen Sie sich. Schreiben Sie! Hier ist Feder, Papier und Dinte. Luise (setzt sich in hoechster Beunruhigung). Was soll ich schreiben? An wen soll ich schreiben? Wurm. An den Henker Ihres Vaters. Luise. Ha! du verstehst dich darauf, Seelen auf die Folter zu schrauben. (Ergreift die Feder.) Wurm (dictiert). "Gnaediger Herr"-Luise (schreibt mit zitternder Hand). Wurm. "Schon drei unertraegliche Tage sind vorueber--sind vorueber--und wir sahen uns nicht" Luise (stutzt, legt die Feder weg). An wen ist der Brief? Wurm. An den Henker Ihres Vaters. Luise. O mein Gott! Wurm. "Halten Sie sich desswegen an den Major--an den Major--der mich den ganzen Tag wie ein Argus huetet" Luise (springt auf). Bueberei, wie noch keine erhoert worden! An wen ist der Brief? Wurm. An den Henker Ihres Vaters. Luise (die Haende ringend, auf und nieder). Nein! nein! nein! das ist tyrannisch, o Himmel! Strafe Menschen menschlich, wenn sie dich reizen, aber warum mich zwischen zwei Schrecknisse pressen? Warum zwischen Tod und Schande mich hin und her wiegen? Warum diesen blutsaugenden Teufel mir auf den Nacken setzen?--Macht, was ihr wollt. Ich schreibe das nimmermehr. Wurm (greift nach dem Hut). Wie Sie wollen, Mademoiselle! Das steht ganz in Ihrem Belieben. Luise. Belieben, sagen Sie? In meinem Belieben?--Geh, Barbar! Haenge einen Ungluecklichen ueber dem Abgrund der Hoelle aus, bitt' ihn um etwas, und laestre Gott, und frag' ihn, ob es ihm beliebe?--O du weisst allzu gut, dass unser Herz an natuerlichen Trieben so fest als an Ketten liegt--Nunmehr ist Alles gleich. Dictieren Sie weiter! Ich denke nichts mehr. Ich weiche der ueberlistenden Hoelle. (Sie setzt sich zum zweitenmal.) Wurm. "Den ganzen Tag wie ein Argus huetet"--Haben Sie das? Luise. Weiter! weiter! Wurm. "Wir haben gestern den Praesidenten im Haus gehabt. Es war possierlich zu sehen, wie der gute Major um meine Ehre sich wehrte"-Luise. O schoen, schoen! o herrlich!--Nur immer fort. Wurm. "Ich nahm meine Zuflucht zu einer Ohnmacht--zu einer Ohnmacht--dass ich nicht laut lachte" Luise. O Himmel! Wurm. "Aber bald wird mir meine Maske unertraeglich--unertraeglich--Wenn ich nur loskommen koennte"-Luise (haelt inne, steht auf, geht auf und nieder, den Kopf gesenkt, als suchte sie was auf dem Boden; dann setzt sie sich wiederum, schreibt weiter). "Loskommen koennte" Wurm. "Morgen hat er den Dienst--Passen Sie ab, wenn er von mir geht, und kommen an den bewussten Ort"--Haben Sie "bewussten?" Luise. Ich habe Alles! Wurm. "An den bewussten Ort zu Ihrer zaertlichen.... Luise" Luise. Nun fehlt die Adresse noch. Wurm. "An Herrn Hofmarschall von Kalb." Luise. Ewige Vorsicht! Ein Name, so fremd meinen Ohren, als meinem Herzen diese schaendlichen Zeilen. (Sie steht auf und betrachtet eine grosse Pause lang mit starrem Blick das Geschriebene, endlich reicht sie es dem Secretaer mit erschoepfter, hinsterbender Stimme.) Nehmen Sie, mein Herr. Es ist mein ehrlicher Name--es ist Ferdinand--es ist die ganze Wonne meines Lebens, was ich jetzt in Ihre Haende gebe--Ich bin eine Bettlerin. Wurm. O nein doch! Verzagen Sie nicht, liebe Mademoiselle. Ich habe herzliches Mitleid mit Ihnen. Vielleicht--wer weiss?--Ich koennte mich noch wohl ueber gewisse Dinge hinwegsetzen--Wahrlich! Bei Gott! Ich habe Mitleid mit Ihnen. Luise (blickt ihn starr und durchdringend an). Reden Sie nicht aus, mein Herr. Sie sind auf dem Wege, sich etwas Entsetzliches zu wuenschen. Wurm (im Begriff, ihre Hand zu kuessen). Gesetzt, es waere diese niedliche Hand--Wie so, liebe Jungfer? Luise (gross und schrecklich). Weil ich dich in der Brautnacht erdrosselte und mich dann mit Wollust aufs Rad flechten liesse. (Sie will gehen, kommt aber schnell zurueck.) Sind wir jetzt fertig, mein Herr? Darf die Taube nun fliegen? Wurm. Nur noch die Kleinigkeit, Jungfer. Die muessen mit mir und das Sacrament darauf nehmen, diesen Brief fuer einen freiwilligen zu erkennen. Luise. Gott! Gott! und du selbst musst das Siegel geben, die Werke der Hoelle zu verwahren? (Wurm zieht sie fort.) Vierter Akt. Erste Scene. Saal beim Praesidenten. Ferdinand von Walter, einen offenen Brief in der Hand, kommt stuermisch durch eine Thuere, durch eine andere ein Kammerdiener. Ferdinand. War kein Marschall da? Kammerdiener. Herr Major, der Herr Praesident fragt nach Ihnen. Ferdinand. Alle Donner! Ich frag', war kein Marschall da? Kammerdiener. Der gnaedige Herr sitzt oben am Pharotisch. Ferdinand. Der gnaedige Herr soll im Namen der ganzen Hoelle daher kommen. (Kammerdiener geht.) Zweite Scene. Ferdinand allein, den Brief durchfliegend, bald erstarrend, bald wuethend herumstuerzend. Es ist nicht moeglich! nicht moeglich! Diese himmlische Huelle versteckt kein so teuflisches Herz--Und doch! doch! Wenn alle Engel herunter stiegen, fuer ihre Unschuld buergten--wenn Himmel und Erde, wenn Schoepfung und Schoepfer zusammentraeten, fuer ihre Unschuld buergten--es ist ihre Hand--Ein unerhoerter, ungeheurer Betrug, wie die Menschheit noch keinen erlebte!--Das also war's, warum man sich so beharrlich der Flucht widersetzt!--Darum--o Gott! jetzt erwach' ich, jetzt enthuellt sich mir Alles!--Darum gab man seinen Anspruch auf meine Liebe mit so viel Heldenmuth auf, und bald, bald haette selbst mich die himmlische Schminke betrogen! (Er stuerzt rascher durchs Zimmer, dann steht er wieder nachdenkend still.) Mich so ganz zu ergruenden!--Jedes kuehne Gefuehl, jede leise schuechterne Bebung zu erwiedern, jede feurige Wallung--An der feinsten Unbeschreiblichkeit eines schwebenden Lauts meine Seele zu fassen--Mich zu berechnen in einer Thraene--Auf jeden gaehen Gipfel der Leidenschaft mich zu begleiten, mir zu begegnen vor jedem schwindelnden Absturz--Gott! Gott! und alles Das nichts als Grimasse?--Grimasse? O, wenn die Luege eine so haltbare Farbe hat, wie ging es zu, dass sich kein Teufel noch in das Himmelreich hineinlog? Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdeckte, mit welch ueberzeugender Taeuschung erblasste die Falsche da! Mit welch siegender Wuerde schlug sie den frechen Hohn meines Vaters zu Boden, und in eben dem Augenblick fuehlte das Weib sich doch schuldig!--Was? hielt sie nicht selbst die Feuerprobe der Wahrheit aus--die Heuchlerin sinkt in Ohnmacht. Welche Sprache wirst du jetzt fuehren, Empfindung? Auch Koketten sinken in Ohnmacht. Womit wirst du dich rechtfertigen, Unschuld?--Auch Metzen sinken in Ohnmacht. Sie weiss, was sie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele gesehen. Mein Herz trat beim Erroethen des ersten Kusses sichtbar in meine Augen--und sie empfand nichts? empfand vielleicht nur den Triumph ihrer Kunst?--Da mein gluecklicher Wahnsinn den ganzen Himmel in ihr zu umspannen waehnte, meine wildesten Wuensche schwiegen--vor meinem Gemueth stand kein Gedanke, als die Ewigkeit und das Maedchen--Gott! da empfand sie nichts? fuehlte nichts, als ihren Anschlag gelungen? nichts, als ihre Reize geschmeichelt? Tod und Rache! Nichts! als dass ich betrogen sei? Dritte Scene. Der Hofmarschall und Ferdinand. Hofmarschall (ins Zimmer trippelnd). Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester-Ferdinand (vor sich hinmurmelnd). Einem Schurken den Hals zu brechen. (Laut.) Marschall, dieser Brief muss Ihnen bei der Parade aus der Tasche gefallen sein--und ich (mit boshaftem Lachen) war zum Glueck noch der Finder. Hofmarschall. Sie? Ferdinand. Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der Allmacht aus. Hofmarschall. Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron. Ferdinand. Lesen Sie! Lesen Sie! (Von ihm weggehend.) Bin ich auch schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht lass' ich mich desto besser als Kuppler an. (Waehrend Jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen herunter.) Hofmarschall (wirft den Brief auf den Tisch und will sich davon machen). Verflucht! Ferdinand (fuehrt ihn am Arm zurueck). Geduld, lieber Marschall. Die Zeitungen duenken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben. (Hier zeigt er ihm die Pistolen.) Hofmarschall (tritt bestuerzt zurueck). Sie werden vernuenftig sein, Bester. Ferdinand (mit starker, schrecklicher Stimme). Mehr als zu viel, um einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! (Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch.) Nehmen Sie! Dieses Schnupftuch da fassen Sie!--Ich hab's von der Buhlerin. Hofmarschall. Ueber dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie? Ferdinand. Fass dieses End' an, sag' ich! sonst wirst du ja fehl schiessen, Memme!--Wie sie zittert, die Memme! Du solltest Gott danken, Memme, dass du zum ersten Mal etwas in deinen Hirnkasten kriegst. (Hofmarschall macht sich auf die Beine.) Sachte! dafuer wird gebeten sein. (Er ueberholt ihn und riegelt die Thuer.) Hofmarschall. Auf dem Zimmer, Baron? Ferdinand. Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall verlohnte?--Schatz, so knallt's desto lauter, und das ist ja doch wohl das erste Geraeusch, das du in der Welt machst--Schlag an! Hofmarschall (wischt sich die Stirn). Und Sie wollen Ihr kostbares Leben so aussetzen, junger, hoffnungsvoller Mann? Ferdinand. Schlag an, sag' ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu thun. Hofmarschall. Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster. Ferdinand. Du, Bursche? Was, du?--Der Nothnagel zu sein, wo die Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein Register zu fuehren ueber die Stuhlgaenge deines Herrn und der Miethgaul seines Witzes zu sein? Eben so gut, ich fuehre dich, wie irgend ein seltenes Murmelthier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten und mit deinen hoefischen Kuensten die ewige Verzweiflung belustigen. Hofmarschall. Was Sie befehlen, Herr! wie Sie belieben--Nur die Pistolen weg! Ferdinand. Wie er dasteht, der Schmerzenssohn!--Dasteht dem sechsten Schoepfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tuebinger Buchhaendler dem Allmaechtigen nachgedruckt haette!--Schade nur, ewig Schade fuer die Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schaedel wuchert. Diese einzige Unze haette dem Pavian noch vollends zum Menschen geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht--Und mit Diesem ihr Herz zu theilen?--Ungeheuer! Unverantwortlich!--Einem Kerl, mehr gemacht, von Suenden zu entwoehnen, als dazu anzureizen. Hofmarschall. O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig. Ferdinand. Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der Raupe schont, soll auch Diesem zu gute kommen. Man begegnet ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge Wirthschaft des Himmels, der auch mit Traebern und Bodensatz noch Creaturen speist; der dem Raben am Hochgericht und einem Hoefling im Schlamme der Majestaeten den Tisch deckt--Zuletzt erstaunt man noch ueber die grosse Polizei der Vorsicht, die auch in der Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des Gifts besoldet--Aber (indem seine Wuth sich erneuert) an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es (den Marschall fassend und unsanft herumschuettelnd) so, und so, und wieder so durcheinander quetschen. Hofmarschall (fuer sich hinseufzend). O mein Gott! Wer hier weg waere! Hundert Meilen von hier, im Bicêtre zu Paris, nur bei Diesem nicht! Ferdinand. Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! wenn du genossest, wo ich anbetete? (wuethender) Schwelgtest, wo ich einen Gott mich fuehlte. (Ploetzlich schweigt er, darauf fuerchterlich.) Dir waere besser, Bube, du floehest der Hoelle zu, als dass dir mein Zorn im Himmel begegnete!--Wie weit kamst du mit dem Maedchen? Bekenne! Hofmarschall. Lassen Sie mich los. Ich will Alles verrathen. Ferdinand. O! es muss reizender sein, mit diesem Maedchen zu buhlen, als mit andern noch so himmlisch zu schwaermen--Wollte sie ausschweifen, wollte sie, sie koennte den Werth der Seele herunterbringen und die Tugend mit der Wollust verfaelschen. (Dem Marschall die Pistole aufs Herz drueckend.) Wie weit kamst du mit ihr? Ich druecke ab, oder bekenne! Hofmarschall. Es ist nichts--ist ja Alles nichts. Haben Sie nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen. Ferdinand. Und daran mahnst du mich, Boesewicht?--Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne! Hofmarschall. Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja--so hoeren Sie doch nur--Ihr Vater--Ihr eigener, leiblicher Vater-Ferdinand (grimmiger). Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne! Hofmarschall. Sie rasen. Sie hoeren nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiss gar nichts von ihr. Ferdinand (zuruecktretend). Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weisst gar nichts von ihr?--Die Miller ist ist verloren um deinetwillen; die leugnest sie dreimal in einem Athem hinweg?--Fort, schlechter Kerl! (Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich und stoesst ihn aus dem Zimmer.) Fuer deines Gleichen ist kein Pulver erfunden! Vierte Scene. Ferdinand nach einem langen Stillschweigen, worin seine Zuege einen schrecklichen Gedanken entwickeln. Verloren! ja, Unglueckselige!--Ich bin es. Du bist es auch. Ja, bei dem grossen Gott! wenn ich verloren bin, bist du es auch! Richter der Welt! Fordre sie mir nicht ab! Das Maedchen ist mein. Ich trat dir deine ganze Welt fuer das Maedchen ab, habe Verzicht gethan auf deine ganze herrliche Schoepfung. Lass mir das Maedchen.--Richter der Welt! dort winseln Millionen Seelen nach dir--dorthin kehre das Auge deines Erbarmens--mich lass allein machen, Richter der Welt! (Indem er schrecklich die Haende faltet.) Sollte der reiche, vermoegende Schoepfer mit einer Seele geizen, die noch dazu die schlechteste seiner Schoepfung ist?--Das Maedchen ist mein! Ich einst ihr Gott, jetzt ihr Teufel! (Die Augen grass in einen Winkel geworfen.) Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammniss geflochten--Augen in Augen wurzelnd--Haare zu Berge stehend gegen Haare--auch unser hohles Wimmern in eins geschmolzen--und jetzt zu wiederholen meine Zaertlichkeiten und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwuere--Gott! Gott! die Vermaehlung ist fuerchterlich--aber ewig! (Er will schnell hinaus. Der Praesident tritt herein.) Fuenfte Scene. Der Praesident und Ferdinand. Ferdinand (zuruecktretend). O!--mein Vater! Praesident. Sehr gut, dass wir uns finden, mein Sohn. Ich komme, dir etwas Angenehmes zu verkuendigen, und etwas, lieber Sohn, das dich ganz gewiss ueberraschen wird. Wollen wir uns setzen? Ferdinand (sieht ihn lange Zeit starr an). Mein Vater! (Mit staerkerer Bewegung zu ihm gehend und seine Hand fassend.) Mein Vater! (Seine Hand kuessend, vor ihm niederfallend.) O mein Vater! Praesident. Was ist dir, mein Sohn? Steh auf. Deine Hand brennt und zittert. Ferdinand (mit wilder, feuriger Empfindung). Verzeihung fuer meinen Undank, mein Vater! Ich bin ein verworfener Mensch. Ich habe Ihre Guete misskannt! Sie meinten es mit mir so vaeterlich!--O! Sie hatten eine weissagende Seele--jetzt ist's zu spaet--Verzeihung! Verzeihung! Ihren Segen, mein Vater! Praesident (heuchelt eine schuldlose Miene). Steh auf, mein Sohn! Besinne dich, dass du mir Raethsel sprichst. Ferdinand. Diese Millerin, mein Vater--O, Sie kennen den Menschen--Ihre Wuth war damals so gerecht, so edel, so vaeterlich warm--nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges--diese Millerin! Praesident. Martre mich nicht, mein Sohn. Ich verfluche meine Haerte! Ich bin gekommen, dir abzubitten. Ferdinand. Abbitten an mir! Verfluchen an mir!--Ihre Missbilligung war Weisheit. Ihre Haerte war himmlisches Mitleid--Diese Millerin, Vater-Praesident. Ist ein edles, ein liebes Maedchen.--Ich widerrufe meinen uebereilten Verdacht. Sie hat meine Achtung erworben. Ferdinand (springt erschuettert auf). Was? auch Sie?--Vater! auch Sie?--und nicht wahr, mein Vater, ein Geschoepf wie die Unschuld?--Und es ist so menschlich, dieses Maedchen zu lieben? Praesident. Sage so: es ist Verbrechen, sie nicht zu lieben. Ferdinand. Unerhoert! Ungeheuer!--Und Sie schauen ja doch sonst die Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses! --Heuchelei ohne Beispiel--Diese Millerin, Vater-Praesident. Ist es werth, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend fuer Ahnen und ihre Schoenheit fuer Gold. Meine Grundsaetze weichen deiner Liebe--Sie sei dein! Ferdinand (stuerzt fuerchterlich aus dem Zimmer). Das fehlte noch! --Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.) Praesident (ihm nachgehend). Bleib! Bleib! Wohin stuermst du? (Ab.) Sechste Scene. Ein praechtiger Saal bei der Lady. Lady und Sophie treten herein. Lady. Also sahst du sie? Wird sie kommen? Sophie. Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand und wollte sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden. Lady. Sage mir nichts von ihr--Stille--wie eine Verbrecherin zittre ich, die Glueckliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich harmonisch fuehlt--Und wie nahm sie sich bei der Einladung? Sophie. Sie schien bestuerzt, wurde nachdenkend, sah mich mit grossen Augen an und schwieg. Ich hatt mich schon auf ihre Ausfluechte vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz ueberraschte, zur Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten wollte. Lady (sehr unruhig). Lass mich, Sophie. Beklage mich. Ich muss erroethen, wenn sie nur das gewoehnliche Weib ist, und wenn sie mehr ist, verzagen. Sophie. Aber, Milady--das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu empfangen. Erinnern Sie sich, wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt, Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muss die stolze Pracht Ihres Anblicks erheben. Lady (zerstreut). Was schwatzt die Naerrin da? Sophie (boshaft). Oder ist es vielleicht Zufall, dass eben heute die kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, dass eben heute der reichste Stoff Sie bekleiden muss--dass Ihre Antichambre von Heiducken und Pagen wimmelt und das Buergermaedchen im fuerstlichen Saal Ihres Palastes erwartet wird? Lady (auf und ab voll Erbitterung). Verwuenscht! Unertraeglich! Dass Weiber fuer Weiberschwaechen solche Luchsaugen haben!--Aber wie tief, wie tief muss ich schon gesunken sein, dass eine solche Creatur mich ergruendet! Ein Kammerdiener (tritt auf). Mamsell Millerin-Lady (zu Sophien). Hinweg, du! Entferne dich! (Drohend, da diese noch zaudert.) Hinweg! Ich befehl' es! (Sophie geht ab, Lady macht einen Gang durch den Saal.) Gut! Recht gut, dass ich in Wallung kam! Ich bin, wie ich wuenschte! (Zum Kammerdiener.) Die Mamsell mag hereintreten. (Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sopha und nimmt eine vornehm-nachlaessige Lage an.) Siebente Scene. Luise Millerin tritt schuechtern herein und bleibt in einer grossen Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Ruecken zugewandt und betracht sie eine Zeit lang aufmerksam in dem gegenueber stehenden Spiegel. (Nach einer Pause.) Luise. Gnaedige Frau, ich erwarte Ihre Befehle. Lady (dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopfe, fremd und zurueckgezogen). Aha! Ist Sie hier?--Ohne Zweifel die Mamsell--eine gewisse--wie nennt man Sie doch? Luise (etwas empfindlich). Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter. Lady. Recht! Recht! ich entsinne mich--die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. (Nach einer Pause vor sich.) Seht interessant, und doch keine Schoenheit--(Laut zu Luisen.) Treten Sie naeher, mein Kind. (Wieder vor sich.) Augen, die sich im Weinen uebten--Wie lieb' ich sie, diese Augen! (Wiederum laut.) Nur naeher--Nur ganz nah--Gutes Kind, ich glaube, du fuerchtest mich? Luise (gross, mit entschiedenem Ton). Nein, Milady. Ich verachte das Urtheil der Menge. Lady (vor sich). Sieh doch! und diesen Trotzkopf hat sie von ihm. (Laut.) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben und sonst auch zu leben wissen--Nun ja. Ich will's glauben--auch naehm' ich die ganze Welt nicht, einen so warmen Fuersprecher Luegen zu strafen. Luise. Doch kenn' ich Niemand, Milady, der sich Muehe gaebe, mir eine Patronin zu suchen. Lady (geschraubt). Muehe um die Clientin oder Patronin? Luise. Das ist mir zu hoch, gnaedige Frau. Lady. Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuthen laesst! Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf? Luise. Sechzehn gewesen. Lady (steht rasch auf). Nun ist's heraus! Sechzehn Jahre! Der erste Puls dieser Leidenschaft!--Auf dem unberuehrten Clavier der erste einweihende Silberton--Nichts ist verfuehrender--Setz dich, ich bin dir gut, liebes Maedchen--Und auch er liebt zum ersten Mal--Was Wunder, wenn sich die Strahlen eines Morgenroths finden? (Sehr freundlich und ihre Hand ergreifend.) Es bleibt dabei, ich will dein Glueck machen, Liebe--Nichts, nichts als die suesse, fruehe verfliegende Traeumerei. (Luisen auf die Wange klopfend.) Meine Sophie heirathet. Du sollst ihre Stelle haben--Sechzehn Jahr! Es kann nicht von Dauer sein. Luise (kuesst ihr ehrerbietig die Hand). Ich danke fuer diese Gnade, Milady, als wenn ich sie annehmen duerfte. Lady (in Entruestung zurueckfallend). Man sehe die grosse Dame!--Sonst wissen sich Jungfern Ihrer Herkunft noch gluecklich, wenn sie Herrschaften finden--Wo will denn Sie hinaus, meine Kostbare? Sind diese Finger zur Arbeit zu niedlich? Ist es Ihr Bischen Gesicht, worauf Sie so trotzig thut? Luise. Mein Gesicht, gnaedige Frau, gehoert mir so wenig, als meine Herkunft. Lady. Oder glaubt Sie vielleicht, das werde nimmer ein Ende nehmen?--Armes Geschoepf, wer dir das in den Kopf setzte--mag er sein, wer er will--er hat euch Beide zum Besten gehabt. Diese Wangen sind nicht im Feuer vergoldet. Was dir dein Spiegel fuer massiv und ewig verkauft, ist nur ein duenner, angeflogener Goldschaum, der deinem Anbeter ueber kurz oder lang in der Hand bleiben muss--Was werden wir dann machen? Luise. Den Anbeter bedauern, Milady, der einen Demant kaufte, weil er in Gold schien gefasst zu sein. Lady (ohne darauf achten zu wollen). Ein Maedchen von Ihren Jahren hat immer zween Spiegel zugleich, den wahren und ihren Bewunderer--die gefaellige Geschmeidigkeit des letztern macht die rauhe Offenherzigkeit des erstern wieder gut. Der eine ruegt eine haessliche Blatternarbe. Weit gefehlt, sagt der andere, es ist ein Gruebchen der Grazien. Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch dieser gesagt hat, huepft von einem zum andern, bis ihr zuletzt die Aussagen beider verwechselt--Warum begaffen Sie mich so? Luise. Verzeihen Sie, gnaedige Frau--Ich war so eben im Begriff, diesen praechtig blitzenden Rubin zu beweinen, der es nicht wissen muss, dass seine Besitzerin so scharf wider Eitelkeit eifert. Lady (erroethend). Keinen Seitensprung, Lose!--Wenn es nicht die Promessen Ihrer Gestalt sind, was in der Welt koennte Sie abhalten, einen Stand zu erwaehlen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich Ihrer buergerlichen Vorurtheile entledigen kann? Luise. Auch meiner buergerlichen Unschuld, Milady? Lady. Laeppischer Einwurf! Der ausgelassenste Bube ist zu verzagt, uns etwas Beschimpfendes zuzumuthen, wenn wir ihm nicht selbst ermunternd entgegen gehn. Zeige Sie, wer Sie ist. Gebe Sie sich Ehre und Wuerde, und ich sage Ihrer Jugend fuer alle Versuchung gut. Luise. Erlauben Sie, gnaedige Frau, dass ich mich unterstehe, daran zu zweifeln. Die Palaeste gewisser Damen sind oft die Freistaetten der frechsten Ergoetzlichkeit. Wer sollte der Tochter des armen Geigers den Heldenmuth zutrauen, den Heldenmuth, mitten in die Pest sich zu werfen und doch dabei vor der Vergiftung zu schaudern? Wer sollte sich traeumen lassen, dass Lady Milford ihrem Gewissen einen ewigen Skorpion halte, dass sie Geldsummen aufwende, um den Vortheil zu haben, jeden Augenblick schamroth zu werden?--Ich bin offenherzig, gnaedige Frau--Wuerde Sie mein Anblick ergoetzen, wenn Sie einem Vergnuegen entgegen gingen? Wuerden Sie ihn ertragen, wenn Sie zurueckkaemen?--O besser, besser, Sie lassen Himmelsstriche uns trennen--Sie lassen Meere zwischen uns fliessen!--Sehen Sie sich wohl fuer, Milady--Stunden der Nuechternheit, Augenblicke der Erschoepfung koennten sich melden--Schlangen der Reue koennten Ihren Busen anfallen, und nun--welche Folter fuer Sie, im Gesicht Ihres Dienstmaedchens die heitre Ruhe zu lesen, womit die Unschuld ein reines Herz zu belohnen pflegt. (Sie tritt einen Schritt zurueck.) Noch einmal, gnaedige Frau. Ich bitte sehr um Vergebung. Lady (in grosser innrer Bewegung herumgehend). Unertraeglich, dass sie mir das sagt! Unertraeglicher, dass sie Recht hat! (Zu Luisen tretend und ihr starr in die Augen sehend.) Maedchen, du wirst mich nicht ueberlisten. So warm sprechen Meinungen nicht. Hinter diesen Maximen lauert ein feurigeres Interessen, das dir meine Dienste besonders abscheulich malt--das dein Gespraech so erhitzte--das ich (drohend) entdecken muss. Luise (gelassen und edel). Und wenn Sie es nun entdeckten? Und wenn Ihr veraechtlicher Fersenstoss den beleidigten Wurm aufweckte, dem sein Schoepfer gegen Misshandlung noch einen Stachel gab?--Ich fuerchte Ihre Rache nicht, Lady--Die arme Suenderin auf dem beruechtigten Henkerstuhl lacht zum Weltuntergang. Mein Elend ist so hoch gestiegen, dass selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr vergroessern kann. (Nach einer Pause sehr ernsthaft.) Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reissen. Ich will sie nicht zergliedern, diese verdaechtige Gnade. Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte, mich fuer die Thoerin zu halten, die ueber ihre Herkunft erroethet? Was sie berechtigen konnte, sich zur Schoepferin meines Gluecks aufzuwerfen, ehe sie noch wusste, ob ich mein Glueck auch von ihren Haenden empfangen wollte?--Ich hatte meinen ewigen Anspruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich hatte dem Glueck seine Uebereilung vergeben--Warum mahnen Sie mich aufs Neu an dieselbe?--Wenn selbst die Gottheit dem Blick der Erschaffenen ihre Strahlen verbirgt, dass nicht ihr oberster Seraph vor seiner Verfinsterung zurueckschaure--warum wollen Menschen so grausam-barmherzig sein?--Wie kommt es, Milady, dass Ihr gepriesenes Glueck das Elend so gern um Neid und Bewunderung anbettelt?--Hat Ihre Wonne die Verzweiflung so noethig zur Folie?--O lieber! so goennen Sie mir doch eine Blindheit, die mich allein noch mit meinem barbarischen Loos versoehnt--Fuehlt sich doch das Insekt in einem Tropfen Wassers so selig, als waer' es ein Himmelreich, so froh und so selig, bis man ihm von einem Weltmeer erzaehlt, worin Flotten und Wallfische spielen!--Aber gluecklich wollen Sie mich ja wissen? (Nach einer Pause ploetzlich zur Lady hintretend und mit Ueberraschung fragend:) Sind Sie gluecklich, Milady? (Diese verlaesst sie schnell und betroffen, Luise folgt ihr und haelt ihr die Hand vor den Busen.) Hat dieses Herz auch die lachende Gestalt Ihres Standes? Und wenn wir jetzt Brust gegen Brust und Schicksal gegen Schicksal auswechseln sollten--und wenn ich in kindlicher Unschuld--und wenn ich auf Ihr Gewissen--und wenn ich als meine Mutter Sie fragte--wuerden Sie mir wohl zu dem Tausche rathen? Lady (heftig bewegt in den Sopha sich werfend). Unerhoert! Unbegreiflich! Nein, Maedchen! Nein! Diese Groesse hast du nicht auf die Welt gebracht, und fuer einen Vater ist sie zu jugendlich. Luege mir nicht. Ich hoere einen andern Lehrer-Luise (fein und scharf ihr in die Augen sehend). Es sollte mich doch wundern, Milady, wenn Sie jetzt erst auf diesen Lehrer fielen, und doch vorhin schon eine Condition fuer mich wussten. Lady (springt auf). Es ist nicht auszuhalten!--Ja denn! weil ich dir doch nicht entwischen kann. Ich kenn' ihn--weiss Alles--weiss mehr, als ich wissen mag. (Ploetzlich haelt sie inne, darauf mit einer Heftigkeit, die nach und nach bis beinahe zum Toben steigt.) Aber wag' es, Unglueckliche--wag' es, ihn jetzt noch zu lieben oder von ihm geliebt zu werden--Was sage ich?--Wag' es, an ihn zu denken oder einer von seinen Gedanken zu sein--Ich bin maechtig, Unglueckliche--fuerchterlich--so wahr Gott lebt! Du bist verloren! Luise (standhaft). Ohne Rettung, Milady, sobald Sie ihn zwingen, dass er Sie lieben muss. Lady. Ich verstehe dich--aber er soll mich nicht lieben. Ich will ueber diese schimpfliche Leidenschaft siegen, mein Herz unterdruecken und das deinige zermalmen--Felsen und Abgruende will ich zwischen euch werfen; eine Furie will ich mitten durch euren Himmel gehen; mein Name soll eure Kuesse, wie ein Gespenst Verbrecher, auseinander scheuchen; deine junge bluehende Gestalt unter seiner Umarmung welk, wie eine Mumie, zusammenfallen--Ich kann nicht mit ihm gluecklich werden--aber du sollst es auch nicht werden--Wisse das, Elende! Seligkeit zerstoeren ist auch Seligkeit. Luise. Eine Seligkeit, um die man Sie schon gebracht hat, Milady. Laestern Sie Ihr eigenes Herz nicht. Sie sind nicht faehig, Das auszuueben, was Sie so drohend auf mich herabschwoeren. Sie sind nicht faehig, ein Geschoepf zu quaelen, das Ihnen nichts zu Leide gethan, als dass es empfunden hat wie Sie--Aber ich liebe Sie um dieser Wallung willen, Milady. Luise (die sich jetzt gefasst hat). Wo bin ich? Wo war ich? Was hab' ich merken lassen? Wen hab' ich's merken lassen?--O Luise, edle, grosse, goettliche Seele! Vergib's einer Rasenden--Ich will dir kein Haar kraenken, mein Kind. Wuensche! Fordre! Ich will dich auf den Haenden tragen, deine Freundin, deine Schwester will ich sein--Du bist arm--Sieh! (Einige Brillanten herunternehmend.) Ich will diesen Schmuck verkaufen--meine Garderobe, Pferd und Wagen verkaufen--Dein sei Alles, aber entsag' ihm! Luise (tritt zurueck voll Befremdung). Spottet sie einer Verzweifelnden, oder sollte sie an der barbarischen That im Ernst keinen Antheil gehabt haben?--Ha! So koennt' ich mir ja noch den Schein einer Heldin geben und meine Ohnmacht zu einem Verdienst aufputzen. (Sie steht eine Weile gedankenvoll, dann tritt sie naeher zur Lady, fasst ihre Hand und sieht sie starr und bedeutend an.) Nehmen Sie ihn denn hin, Milady!--Freiwillig tret' ich Ihnen ab den Mann, den man mit Haken der Hoelle von meinem blutenden Herzen riss. --Vielleicht wissen Sie es selbst nicht, Milady, aber Sie haben den Himmel zweier Liebenden geschleift, von einander gezerrt zwei Herzen, die Gott aneinander band; zerschmettert ein Geschoepf, das ihm nahe ging wie Sie, das er zur Freude schuf wie Sie, das ihn gepriesen hat wie Sie, und ihn nun nimmermehr preisen wird--Lady! ins Ohr des Allwissenden schreit auch der letzte Krampf des zertretenen Wurms--Es wird ihm nicht gleichgueltig sein, wenn man Seelen in seinen Haenden mordet! Jetzt ist er Ihnen! Jetzt, Milady, nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in seine Arme! Reissen Sie ihn zum Altar--Nur vergessen Sie nicht, dass zwischen Ihren Brautkuss das Gespenst einer Selbstmoerderin stuerzen wird--Gott wird barmherzig sein--Ich kann mir nicht anders helfen! (Sie stuerzt hinaus.) Achte Scene. Lady allein, steht erschuettert und ausser sich, den starren Blick nach der Thuere gerichtet, durch welche die Millerin weggeeilt; endlich erwacht sie aus ihrer Betaeubung. Wie war das? Wie geschah mir? Was sprach die Unglueckliche?--Noch, o Himmel! noch zerreissen sie meine Ohren, die fuerchterlichen, mich verdammenden Worte: nehmen Sie ihn hin!--Wen, Unglueckselige? das Geschenk deines Sterberoechelns--das schauervolle Vermaechtniss deiner Verzweiflung? Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken--so ploetzlich von allen Thronen meines Stolzes herabgestuerzt, dass ich heisshungrig erwarte, was einer Bettlerin Grossmuth aus ihrem letzten Todeskampfe mir zuwerfen wird?--Nehmen Sie ihn hin! und das spricht sie mit einem Tone, begleitet sie mit einem Blick--Ha! Emilie! bist du darum ueber die Grenzen deines Geschlechts weggeschritten? Musstest du darum um den praechtigen Namen des grossen brittischen Weibes buhlen, dass das prahlende Gebaeude deiner Ehre neben der hoeheren Tugend einer verwahrlosten Buergerdirne versinken soll?--Nein, stolze Unglueckliche! nein!--Beschaemen laesst sich Emilie Milford--doch beschimpfen nie! Auch ich habe Kraft, zu entsagen. (Mit majestaetischen Schritten auf und nieder.) Verkrieche dich jetzt, weiches, leidendes Weib!--Fahret hin, suesse, goldene Bilder der Liebe--Grossmuth allein sei jetzt meine Fuehrerin!--Dieses liebende Paar ist verloren, oder Milford muss ihren Anspruch vertilgen und im Herzen des Fuersten erloeschen! (Nach einer Pause, lebhaft.) Es ist geschehen!--Gehoben das furchtbare Hinderniss--zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem Herzog, gerissen aus meinem Busen diese wuethende Liebe!--In deine Arme werf' ich mich, Tugend!--Nimm sie auf, deine reuige Tochter Emilie!--Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht, so gehoben mich fuehle!--Gross, wie eine fallende Sonne, will ich heut vom Gipfel meiner Hoheit heruntersinken, meine Herrlichkeit sterbe mit meiner Liebe, und nichts als mein Herz begleite mich in diese stolze Verweisung. (Entschlossen zum Schreibpult gehend.) Jetzt gleich muss es geschehen--jetzt auf der Stelle, ehe die Reize des lieben Juenglings den blutigen Kampf meines Herzens erneuern. (Sie setzt sich nieder und faengt an zu schreiben.) Neunte Scene. Lady. Ein Kammerdiener. Sophie, hernach der Hofmarschall, zuletzt Bedienter. Kammerdiener. Hofmarschall von Kalb stehen im Vorzimmer mit einem Auftrag vom Herzog. Lady (in der Hitze des Schreibens.) Auftaumeln wird sie, die fuerstliche Drahtpuppe! Freilich! Der Einfall ist auch drollig genug, so eine durchlauchtigte Hirnschale auseinander zu treiben!--Seine Hofschranzen werden wirbeln--Das ganze Land wird in Gaehrung kommen. Kammerdiener und Sophie. Der Hofmarschall, Milady-Lady (dreht sich um). Wer? Was?--Desto besser! Diese Sorte von Geschoepfen ist zum Sacktragen auf der Welt. Er soll mir willkommen sein. Kammerdiener (geht ab). Sophie (aengstlich naeher kommend). Wenn ich nicht fuerchten muesste, Milady, es waere Vermessenheit (Lady schreibt hitzig fort.) Die Millerin stuerzte ausser sich durch den Vorsaal--Sie gluehen--Sie sprechen mit sich selbst. (Lady schreibt immer fort.) Ich erschrecke--Was muss geschehen sein? Hofmarschall (tritt herein, macht dem Ruecken der Lady tausend Verbeugungen; da sie ihn nicht bemerkt, kommt er naeher, stellt sich hinter ihren Sessel, sucht den Zipfel ihres Kleides wegzukriegen und drueckt einen Kuss darauf, mit furchtsamem Lispeln). Serenissimus-Lady (indem sie Sand streut und das Geschriebene durchfliegt). Er wird mir schwarzen Undank zur Last legen--Ich war eine verlassene. Er hat mich aus dem Elend gezogen--Aus dem Elend?--Abscheulicher Tausch! --Zerreisse deine Rechnung, Verfuehrer! Meine ewige Schamroethe bezahlt sie mit Wucher. Hofmarschall (nachdem er die Lady vergeblich von allen Seiten umgangen hat). Milady scheinen etwas distrait zu sein--Ich werde mir wohl selbst die Kuehnheit erlauben muessen. (Sehr laut.) Serenissimus schicken mich, Milady zu fragen, ob diesen Abend Vauxhall sein werde oder deutsche Komoedie? Lady (lachend aufstehend). Eines von beiden, mein Engel--Unterdessen bringen Sie Ihrem Herzog diese Karte zum Dessert! (Gegen Sophie.). Du, Sophie, befiehlst, dass man anspannen soll, und rufst meine ganze Garderobe in diesem Saal zusammen-Sophie (geht ab voll Bestuerzung). O Himmel! Was ahnet mir? Was wird das noch werden? Hofmarschall. Sie sind echauffiert, meine Gnaedige? Lady. Um so weniger wird hier gelogen sein--Hurrah, Herr Hofmarschall! Es wird eine Stelle vacant. Gut Wetter fuer Kuppler! (Das der Marschall einen zweifelhaften Blick auf den Zettel wirft.) Lesen Sie, lesen Sie!--Es ist mein Wille, dass der Inhalt nicht unter vier Augen bleibe. Hofmarschall (liest, unterdessen sammeln sich die Bedienten der Lady im Hintergrund): "Gnaedigster Herr! Ein Vertrag, den Sie so leichtsinnig brachen, kann mich nicht mehr binden. Die Glueckseligkeit Ihres Landes war die Bedingung meiner Liebe. Drei Jahre waehrte der Betrug. Die Binde faellt mir von den Augen. Ich verabscheue Gunstbezeugungen, die von den Thraenen der Unterthanen triefen.--Schenken Sie die Liebe, die ich Ihnen nicht mehr erwiedern kann, Ihrem weinenden Lande und lernen von einer brittischen Fuerstin Erbarmen gegen Ihr deutsches Volk. In einer Stunde bin ich ueber der Grenze. Johanna Norfolk." Alle Bedienten (murmeln bestuerzt durcheinander). Ueber der Grenze? Hofmarschall (legt die Karte erschrocken auf den Tisch). Behuete der Himmel, meine Beste und Gnaedige! Den Ueberbringer muesste der Hals eben so juecken, als der Schreiberin. Lady. Das ist deine Sorge, du Goldmann--Leider weiss ich es, dass du und deines Gleichen am Nachbeten Dessen, was Andre gethan haben, erwuergen!--Mein Rath waere, man backt den Zettel in eine Wildpretpastete, so faenden ihn Serenissimus auf dem Teller-Hofmarschall. Ciel! Diese Vermessenheit!--So erwaegen Sie doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace setzen, Lady! Lady (wendet sich zu der versammelten Dienerschaft und spricht das Folgende mit der innigsten Ruehrung). Ihr steht bestuerzt, guten Leute, erwartet angstvoll, wie sich das Raethsel entwickeln wird?--Kommt naeher, meine Lieben!--Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir oefter in die Augen, als ich die Boerse; euer Gehorsam war eure Leidenschaft, euer Stolz--meine Gnade!--Dass das Andenken eurer Treue zugleich das Gedaechtniss meiner Erniedrigung sein muss! Trauriges Schicksal, dass meine schwaerzesten Tage eure gluecklichen waren! (Mit Thraenen in den Augen.) Ich entlasse euch, meine Kinder--Lady Milford ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ihre Schuld abzutragen--Mein Schatzmeister stuerze meine Schatulle unter euch--Dieser Palast bleibt dem Herzog--Der Aermste von euch wird reicher von hinnen gehen, als seine Gebieterin. (Sie reicht ihre Haende hin, die alle nach einander mit Leidenschaft kuessen.) Ich verstehe euch, meine Guten--Lebt wohl! Lebt ewig wohl! (Fasst sich aus ihrer Beklemmung.) Ich hoere den Wagen vorfahren. (Sie reisst sich los, will hinaus, der Hofmarschall verrennt ihr den Weg.) Mann des Erbarmens, stehst du noch immer da? Hofmarschall (der diese ganze Zeit ueber mit einem Geistesbankerott auf den Zettel sah). Und dieses Billet soll ich Seiner Hochfuerstlichen Durchlaucht zu Hoechsteigenen Haenden geben? Lady. Mann des Erbarmens! zu Hoechsteigenen Haenden, und sollst melden zu Hoechsteigenen Ohren, weil ich nicht barfuss nach Loretto koenne, so werde ich um den Taglohn arbeiten, mich zu reinigen von dem Schimpf, ihn beherrscht zu haben. (Sie eilt ab. Alle Uebrigen gehen sehr bewegt auseinander.) Fuenfter Akt. Abend zwischen Licht im Zimmer beim Musikanten. Erste Scene. Luise sitzt stumm und ohne sich zu ruehren in dem finstersten Winkel des Zimmers, den Kopf auf den Arm gesunken. Nach einer grossen und tiefen Pause kommt Miller mit einer Handlaterne, leuchtet aengstlich im Zimmer herum, ohne Luisen zu bemerken, dann legt er den Hut auf den Tisch und setzt die Laterne nieder. Miller. Hier ist sie auch nicht. Hier wieder nicht--Durch alle Gassen bin ich gezogen, bei allen Bekannten bin ich gewesen, auf allen Thoren hab' ich gefragt--mein Kind hat man nirgends gesehen. (Nach einigem Stillschweigen.) Geduld, armer, ungluecklicher Vater! Warte ab, bis es Morgen wird. Vielleicht kommt deine Einzige dann ans Ufer geschwommen--Gott! Gott! Wenn ich mein Herz zu abgoettisch an diese Tochter hing?--Die Strafe ist hart. Himmlischer Vater, hart! Ich will nicht murren, himmlischer Vater, aber die Strafe ist hart! (Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.) Luise (spricht aus dem Winkel). Du thust recht, armer alter Mann! Lerne bei Zeit noch verlieren. Miller (springt auf). Bist du da, mein Kind? Bist du?--Aber warum denn so einsam und ohne Licht? Luise. Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz wird um mich herum, hab' ich meine besten Besuche. Miller. Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwaermt mit der Eule. Suenden und boese Geister scheuen das Licht. Luise. Auch die Ewigkeit, Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen redet. Miller. Kind! Kind! Was fuer Reden sind das? Luise (steht auf und kommt vorwaerts). Ich hab' einen harten Kampf gekaempft. Er weiss es, Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist entschieden. Vater, man pflegt unser Geschlecht zart und zerbrechlich zu nennen. Glaub' Er das nicht mehr. Vor einer Spinne schuetteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung druecken wir im Spass in die Arme. Dieses zur Nachricht, Vater. Seine Luise ist lustig. Miller. Hoere, Tochter! ich wollte du heultest. Du gefielst mir so besser. Luise. Wie ich ihn ueberlisten will, Vater! Wie ich den Tyrannen betruegen will!--Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kuehner--das hat er nicht gewusst, der Mann mit dem traurigen Stern--O, sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit dem Kopf zu thun haben; aber sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Boeswichter dumm--Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater, binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sacramente eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen--Will Er mir dies Billet besorgen, Vater? Will Er so gut sein? Miller. An wen, meine Tochter? Luise. Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben mit einander nicht Raum genug fuer einen einzigen Gedanken an ihn--Wenn haett' ich denn wohl an sonst Jemand schreiben sollen? Miller (unruhig). Hoere, Luise! Ich erbrechen den Brief. Luise. Wie Er will, Vater--aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur dem Auge der Liebe. Miller (liest). "Du bist verrathen, Ferdinand!--Ein Bubenstueck ohne Beispiel zerriss den Bund unsrer Herzen, aber ein schrecklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat ueberall seine Horcher gestellt. Doch, wenn du Muth hast, Geliebter,--ich weiss einen dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet und wohin ihm kein Horcher geht." (Miller haelt inne und sieht ihr ernsthaft ins Gesicht.) Luise. Warum sieht Er mich so an? Les' Er doch ganz aus, Vater. Miller. "Aber Muth genug musst du haben, eine finstre Strasse zu wandeln, wo dir nichts leuchtet, als deine Luise und Gott--Ganz zur Liebe musst du kommen, daheim lassen all deine Hoffnungen und all deine brausenden Wuensche; nichts kannst du brauchen, als dein Herz. Willst du--so brich auf, wenn die Glocke den zwoelften Streich thut auf dem Carmeliterthurm. Bangt dir--so durchstreiche das Wort stark vor deinem Geschlechte, denn ein Maedchen hat dich zu Schanden gemacht." (Miller legt das Billet nieder, schaut lange mit einem schmerzlichen, starren Blick vor sich hinaus, endlich kehrt er sich gegen sie und sagt mit leiser, gebrochener Stimme.) Und dieser dritte Ort, meine Tochter? Luise. Er kennt ihn nicht? Er kennt ihn wirklich nicht, Vater?--Sonderbar! Der Ort ist zum Finden gemalt. Ferdinand wird ihn finden. Miller. Hum! rede deutlicher. Luise. Ich weiss so eben kein liebliches Wort dafuer--Er muss nicht erschrecken, Vater, wenn ich Ihm ein haessliches nenne. Dieser Ort--O warum hat die Liebe nicht Namen erfunden! den schoensten haette sie diesem gegeben. Der dritte Ort, guter Vater--aber Er muss mich ausreden lassen--der dritte Ort ist das Grab. Miller (zu seinem Sessel hinwankend). O mein Gott! Luise (geht auf ihn zu und haelt ihn). Nicht doch, mein Vater! Das sind nur Schauer, die sich um das Wort herum lagern--Weg mit diesem, und es liegt ein Brautbette da, worueber der Morgen seinen goldenen Teppich breitet und die Fruehlinge ihre bunten Guirlanden streun. Nur ein heulender Suender konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein holder, niedlicher Knabe, bluehend, wie sie den Liebesgott malen, aber so tueckisch nicht--ein stiller, dienstbarer Genius, der der erschoepften Pilgerin Seele den Arm bietet ueber den Graben der Zeit, das Feenschloss der ewigen Herrlichkeit aufschliesst, freundlich nickt und verschwindet. Miller. Was hast du vor, meine Tochter?--Du willst eigenmaechtig Hand an dich legen. Luise. Nenn' Er es nicht so, mein Vater. Eine Gesellschaft raeumen, wo ich nicht wohl gelitten bin--an einen Ort vorausspringen, den ich nicht laenger missen kann--ist denn das Suende? Miller. Selbstmord ist die abscheulichste, mein Kind--die einzige, die man nicht mehr bereuen kann, weil Tod und Missethat zusammenfallen. Luise (bleibt erstarrt stehn). Entsetzlich!--Aber so rasch wird es doch nicht gehn. Ich will in den Fluss springen, Vater, und im Hinuntersinken Gott den Allmaechtigen um Erbarmen bitten. Miller. Das heisst, du willst den Diebstahl bereuen, sobald du das Gestohlene in Sicherheit weisst--Tochter! Tochter! Gib Acht, dass du Gottes nicht spottest, wenn du seiner am meisten vonnoethen hast. O! es ist weit, weit mit dir gekommen!--Du hast dein Gebet aufgegeben, und der Barmherzige zog seine Hand von dir. Luise. Ist lieben denn Frevel, mein Vater! Miller. Wenn du Gott liebst, wirst du nie bis zum Frevel lieben--Du hast mich tief gebeugt, meine Einzige! tief, tief, vielleicht zur Grube gebeugt.--Doch, ich will dir dein Herz nicht noch schwerer machen--Tochter, ich sprach vorhin etwas. Ich glaubte allein zu sein. Du hast mich behorcht; und warum sollt' ich's noch laenger geheim halten? Du warst mein Abgott. Hoere, Luise, wenn du noch Platz fuer das Gefuehl eines Vaters hast--Du warst mein Alles. Jetzt verthust du nichts mehr von deinem Eigenthum. Auch ich hab' Alles zu verlieren. Du siehst, mein Haar faengt an grau zu werden. Die Zeit meldet sich allgemach bei mir, wo uns Vaetern die Kapitale zu statten kommen, die wir im Herzen unsrer Kinder anlegten--Wirst du mich darum betruegen, Luise? Wirst du dich mit dem Hab' und Gut deines Vaters auf und davon machen? Luise (kuesst seine Hand mit der heftigsten Ruehrung). Nein, mein Vater. Ich gehe als Seine grosse Schuldnerin aus der Welt und werde in der Ewigkeit mit Wucher bezahlen. Miller. Gib Acht, ob du dich da nicht verrechnest, mein Kind? (Sehr ernst und feierlich.) Werden wir uns dort wohl noch finden?--Sieh! wie du blass wirst!--Meine Luise begreift es von selbst, dass ich sie in jener Welt nicht mehr wohl einholen kann, weil ich nicht so frueh dahin eile, wie sie. (Luise stuerzt ihm in den Arm, von Schauern ergriffen--Er drueckt sie mit Feuer an seine Brust und faehrt fort mit beschwoerender Stimme.) O Tochter! Tochter! gefallene, vielleicht schon verlorene Tochter! Beherzige das ernsthafte Vaterwort! Ich kann nicht ueber dich wachen. Ich kann dir die Messer nehmen, du kannst dich mit einer Stricknadel toedten. Vor Gift kann ich dich bewahren, du kannst dich mit einer Schnur Perlen erwuergen. --Luise--Luise--nur warnen kann ich dich noch--Willst du es darauf ankommen lassen, dass dein treuloses Gaukelbild auf der schrecklichen Bruecke zwischen Zeit und Ewigkeit von dir weiche? Willst du dich vor des Allwissenden Thron mit der Luege wagen: Deinetwegen, Schoepfer, bin ich da--wenn deine strafbaren Augen ihre sterbliche Puppe suchen?--Und wenn dieser zerbrechliche Gott deines Gehirns, jetzt Wurm wie du, zu den Fuessen deines Richters sich windet, deine gottlose Zuversicht in diesem schwankenden Augenblick Luegen straft und deine betrogenen Hoffnungen an die ewige Erbarmung verweist, die der Elende fuer sich selbst kaum erflehen kann--wie dann? (Nachdruecklicher, lauter.) Wie dann, Unglueckselige? (Er haelt sie fester, blickt sie eine Weile starr und durchdringend an, dann verlaesst er sie schnell.) Jetzt weiss ich nichts mehr--(mit aufgehobener Rechte) stehe dir, Gott Richter! fuer diese Seele nicht mehr. Thu, was du willst. Bring deinem schlanken Juengling ein Opfer, dass deine Teufel jauchzen und deine guten Engel zuruecktreten--Zieh hin! Lade alle deine Suenden auf, lade auch diese, die letzte, die entsetzlichste auf, und wenn die Last noch zu leicht ist, so mache mein Fluch das Gewicht vollkommen--Hier ist ein Messer--durchstich dein Herz und (indem er lautweinend fortstuerzen will) das Vaterherz! Luise (springt auf und eilt ihm nach). Halt! halt! O mein Vater! --dass die Zaertlichkeit noch barbarischer zwingt, als Tyrannenwuth! --Was soll ich? Ich kann nicht! Was muss ich thun? Miller. Wenn die Kuesse deines Majors heisser brennen als die Thraenen deines Vaters--stirb! Luise (nach einem qualvollen Kampf mit einiger Festigkeit). Vater! Hier ist meine Hand! Ich will--Gott! Gott! Was thu' ich? was will ich?--Vater, ich schwoere--wehe mir, wehe! Verbrecherin, wohin ich mich neige!--Vater, es sei!--Ferdinand--Gott sieht herab!--So zernicht' ich sein letztes Gedaechtniss. (Sie zerreisst ihren Brief.) Miller (stuerzt ihr freudetrunken an den Hals). Das ist meine Tochter! --Blick' auf! um einen Liebhaber bist du leichter, dafuer hast du einen gluecklichen Vater gemacht. (Unter Lachen und Weinen sie umarmend.) Kind! Kind! das ich den Tag meines Lebens nicht werth war! Gott weiss, wie ich schlechter Mann zu diesem Engel gekommen bin! --Mein Luise, mein Himmelreich!--O Gott! ich verstehe ja wenig vom Lieben, aber dass es eine Qual sein muss, aufzuhoeren--so was begreif' ich noch. Luise. Doch hinweg aus dieser Gegend, mein Vater--Weg von der Stadt, wo meine Gespielinnen meiner spotten und mein guter Name dahin ist auf immerdar--Weg, weg, weit weg von dem Ort, wo mich so viele Spuren der verlorenen Seligkeit anreden. Weg, wenn es moeglich ist-Miller. Wohin du nur willst, meine Tochter. Das Brod unsers Herrgotts waechst ueberall, und Ohren wird er auch meiner Geige bescheren. Ja! lass auch Alles dahingehn--Ich setze die Geschichte deines Grams auf die Laute, singe dann ein Lied von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr Herz zerriss--wir betteln mit der Ballade von Thuere zu Thuere, und das Almosen wird koestlich schmecken von den Haenden der Weinenden- Zweite Scene. Ferdinand zu den Vorigen. Luise (wird ihn zuerst gewahr und wirft sich Millern laut schreiend um den Hals). Gott! Da ist er! Ich bin verloren. Miller. Wo? Wer? Luise (zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Major und drueckt sich fester an ihren Vater). Er! er selbst--Seh' Er nur um sich, Vater--Mich zu ermorden, ist er da. Miller (erblickt ihn, faehrt zurueck.) Was? Sie hier, Baron? Ferdinand (kommt langsam naeher, bleibt Luisen gegenueber stehen und laesst den starren forschenden Blick auf ihr ruhen, nach einer Pause). Ueberraschtes Gewissen, habe Dank! Dein Bekenntniss ist schrecklich, aber schnell und gewiss, und erspart mir die Folterung.--Guten Abend, Miller. Miller. Aber um Gottes willen! Was wollen Sie, Baron? Was fuehrt Sie her? Was soll dieser Ueberfall? Ferdinand. Ich weiss eine Zeit, wo man den Tag in seine Secunden zerstueckte, wo Sehnsucht nach mir sich an die Gewichte der zoegernden Wanduhr hing und auf den Aderschlag lauerte, unter dem ich erscheinen sollte--Wie kommt's, dass ich jetzt ueberrasche? Miller. Gehen Sie, gehen Sie, Baron--Wenn noch ein Funke von Menschlichkeit in Ihrem Herzen zurueckblieb--wenn Sie Die nicht erwuergen wollen, die Sie zu lieben vorgeben, fliehen Sie, bleiben Sie keinen Augenblick laenger. Der Segen war fort aus meiner Huette, sobald Sie einen Fuss darein setzten. Sie haben das Elend unter mein Dach gerufen, wo sonst nur die Freude zu Hause war. Sind Sie noch nicht zufrieden? Wollen Sie auch in der Wunde noch wuehlen, die Ihre unglueckliche Bekanntschaft mit meinem einzigen Kinde schlug? Ferdinand. Wunderlicher Vater, jetzt komm' ich ja, deiner Tochter etwas Erfreuliches zu sagen. Miller. Neue Hoffnungen etwa zu einer neuen Verzweiflung?--Geh, Ungluecksbote! Dein Gesicht schimpft deine Waare. Ferdinand. Endlich ist es erschienen, das Ziel meiner Hoffnungen! Lady Milford, das furchtbarste Hindernis unsrer Liebe, floh diesen Augenblick aus dem Lande. Mein Vater billigt meine Wahl. Das Schicksal laesst nach, uns zu verfolgen. Unsere gluecklichen Sterne gehen auf--Ich bin jetzt da, mein gegebenes Wort einzuloesen und meine Braut zum Altar abzuholen. Miller. Hoerst du ihn, meine Tochter? Hoerst du ihn sein Gespoette mit deinen getaeuschten Hoffnungen treiben? O wahrlich, Baron! es steht dem Verfuehrer so schoen, an seinem Verbrechen seinen Witz noch zu kitzeln. Ferdinand. Du glaubst, ich scherze. Bei meiner Ehre nicht! Meine Aussage ist wahr, wie die Liebe meiner Luise, und heilig will ich sie halten, wie sie ihre Eide--Ich kenne nichts Heiligeres--Noch zweifelst du? noch kein freudiges Erroethen auf den Wangen meiner schoenen Gemahlin? Sonderbar! die Luege muss hier gangbare Muenze sein, wenn die Wahrheit so wenig Glauben findet. Ihr misstraut meinen Worten? So glaubt diesem schriftlichen Zeugniss. (Er wirft Luisen den Brief an den Marschall zu.) Luise (schlaegt ihn auseinander und sinkt leichenblass nieder). Miller (ohne das zu bemerken, zum Major). Was soll das bedeuten, Baron? Ich verstehe Sie nicht. Ferdinand (fuehrt ihn zu Luisen hin). Desto besser hat mich Diese verstanden. Miller (faellt an ihr nieder). O Gott! meine Tochter! Ferdinand. Bleich wie der Tod!--Jetzt erst gefaellt sie mir, deine Tochter! So schoen war sie nie, die fromme, rechtschaffene Tochter--Mit diesem Leichengesicht--Der Odem des Weltgerichts, der den Firniss von jeder Luege streift, hat jetzt die Schminke verblasen, womit die Tausendkuenstlerin auch die Engel des Lichts hintergangen hat--Es ist ihr schoenstes Gesicht! Es ist ihr erstes wahres Gesicht! Lass mich es kuessen. (Er will auf sie zugehen.) Miller. Zurueck! Weg! Greife nicht an das Vaterherz, Knabe! Vor deinen Liebkosungen konnt' ich sie nicht bewahren, aber ich kann es vor deinen Misshandlungen. Ferdinand. Was willst du, Graukopf? Mit dir hab' ich nichts zu schaffen. Menge dich ja nicht in ein Spiel, das so offenbar verloren ist--oder bist du auch vielleicht klueger, als ich dir zugetraut habe? Hast du die Weisheit deiner sechzig Jahre zu den Buhlschaften deiner Tochter geborgt und dies ehrwuerdige Haar mit dem Gewerb eines Kupplers geschaendet?--O! wenn das nicht ist, ungluecklicher alter Mann, lege dich nieder und stirb--Noch ist es Zeit. Noch kannst du in dem suessen Taumel entschlafen: ich war ein gluecklicher Vater!--Einen Augenblick spaeter, und du schleuderst die giftige Natter ihrer hoellischen Heimath zu, verfluchst das Geschenk und den Geber und faehrst mit der Gotteslaesterung in die Grube. (Zu Luisen.) Sprich, Unglueckselige! Schriebst du diesen Brief? Miller (warnend zu Luisen). Um Gottes Willen, Tochter! Vergiss nicht! Vergiss nicht! Luise. O dieser Brief, mein Vater-Ferdinand. Dass er in die unrechten Haende fiel?--Gepriesen sei mir der Zufall, er hat groessere Thaten gethan, als die kluegelnde Vernunft, und wird besser bestehn an jenem Tag, als der Witz aller Weisen--Zufall, sage ich?--O die Vorsehung ist dabei, wenn Sperlinge fallen, warum nicht, wo ein Teufel entlarvt werden soll?--Antwort will ich!--Schriebst du diesen Brief? Miller (seitwaerts zu ihr mit Beschwoerung). Standhaft! Standhaft, meine Tochter! Nur noch das einzige Ja, und Alles ist ueberwunden. Ferdinand. Lustig! lustig! Auch der Vater betrogen! Alles betrogen. Nun sieh, wie sie dasteht, die Schaendliche, und selbst ihre Zunge nun ihrer letzten Luege den Gehorsam aufkuendigt! Schwoere bei Gott, bei dem fuerchterlich wahren! Schriebst du diesen Brief? Luise (nach einem qualvollen Kampf, worin sie durch Blicke mit ihrem Vater gesprochen hat, fest und entscheidend). Ich schrieb ihn. Ferdinand (bleibe erschrocken stehen). Luise!--Nein! So wahr meine Seele lebt! du luegst--Auch die Unschuld bekennt sich auf der Folterbank zu Freveln, die sie nie beging--Ich fragte zu heftig--Nicht wahr, Luise--Du bekanntest nur, weil ich zu heftig fragte? Luise. Ich bekannte, was wahr ist. Ferdinand. Nein, sag' ich! nein! nein! Du schriebst nicht. Es ist deine Hand gar nicht--Und waere sie's, warum sollten Handschriften schwerer nachzumachen sein, als Herzen zu verderben? Rede mir wahr, Luise--Oder nein, nein, thu' es nicht, du koenntest Ja sagen, und ich waer' verloren--Eine Luege, Luise--ein Luege!--O wenn du jetzt eine wuesstest, mir hinwaerfest mit der offenen Engelmiene, nur mein Ohr, nur mein Aug ueberredetest, dieses Herz auch noch so abscheulich taeuschtest--O Luise! Alle Wahrheit moechte dann mit diesem Hauch aus der Schoepfung wandern und die gute Sache ihren starren Hals von nun an zu einem hoefischen Bueckling beugen! (Mit scheuem bebendem Ton.) Schriebst du diesen Brief? Luise. Bei Gott! bei dem fuerchterlich wahren! Ja! Ferdinand (nach einer Pause, im Ausdruck des tiefsten Schmerzes). Weib! Weib!--Das Gesicht, mit dem du jetzt vor mir stehst!--Theile mit diesem Gesicht Paradiese aus, du wirst selbst im Reich der Verdammniss keinen Kaeufer finden--Wusstest du, was du mir warst, Luise? Unmoeglich! Nein! Du wusstest nicht, dass du mir Alles warst! Alles! --Es ist ein armes veraechtliches Wort, aber die Ewigkeit hat Muehe, es zu umwandern; Weltsysteme vollenden ihre Bahnen darin--Alles! und so frevelhaft damit zu spielen--O, es ist schrecklich!-Luise. Sie haben mein Gestaendniss, Herr von Walter. Ich habe mich selbst verdammt. Gehen Sie nun! Verlassen Sie ein Haus, wo Sie so ungluecklich waren. Ferdinand. Gut! gut! Ich bin ja ruhig--ruhig, sagt man ja, ist auch der schaudernde Strich Landes, worueber die Pest ging--ich bin's. (Nach einigem Nachdenken.) Noch eine Bitte, Luise--die letzte! Mein Kopf brennt so fieberisch. Ich brauch Kuehlung--Willst du mir ein Glas Limonade zurecht machen? (Luise geht ab.) Dritte Scene. Ferdinand und Miller. (Beide gehen, ohne ein Wort zu reden, einige Pausen lang auf den entgegengesetzten Seiten des Zimmers auf und ab). Miller (bleibt endlich stehen und betrachtet den Major mit trauriger Miene). Lieber Baron, kann es Ihren Gram vielleicht mindern, wenn ich Ihnen gestehe, dass ich Sie herzlich bedaure! Ferdinand. Lass Er es gut sein, Miller. (Wieder einige Schritte.) Miller, ich weiss nur kaum noch, wie ich in Sein Haus kam--Was war die Veranlassung? Miller. Wie, Herr Major? Sie wollten ja Lection auf der Floete bei mir nehmen? Das wissen Sie nicht mehr? Ferdinand (rasch). Ich sah Seine Tochter! (Wiederum einige Pausen.) Er hat nicht Wort gehalten, Freund. Wir accordierten Ruhe fuer meine einsamen Stunden. Er betrog mich und verkaufte mir Skorpionen. (Da er Millers Bewegung sieht.) Nein, erschrick nur nicht, alter Mann. (Geruehrt an seinem Hals.) Du bist nicht schuldig. Miller (die Augen wischend). Das weiss der allwissende Gott! Ferdinand (aufs neue hin und her, in duestres Gruebeln versunken). Seltsam, o unbegreiflich seltsam spielt Gott mit uns. An duennen unmerkbaren Seilen haengen oft fuerchterliche Gewichte--Wuesste der Mensch, dass er an diesem Apfel den Tod essen sollte--Hum!--Wuesste er das? (Heftiger auf und nieder, dann Millers Hand mit starker Bewegung fassend.) Mann! Ich bezahle dir dein Bischen Floete zu theuer--und du gewinnst nicht einmal--auch du verlierst--verlierst vielleicht Alles. (Gepresst von ihm weggehend.) Unglueckseliges Floetenspiel, das mir nie haette einfallen sollen! Miller (sucht seine Ruehrung zu verbergen). Die Limonade bleibt auch gar zu lang aussen. Ich denke, ich sehe nach, wenn Sie mir's nicht fuer uebel nehmen-Ferdinand. Es eilt nicht, lieber Miller. (Vor sich hinmurmelnd.) Zumal fuer den Vater nicht--Bleib' Er nur--Was hatt' ich doch fragen wollen?--Ja!--Ist Luise Seine einzige Tochter? Sonst hat Er keine Kinder mehr? Miller (warm). Habe sonst keins mehr, Baron--wuensch' mir auch keins mehr. Das Maedel ist just so recht, mein ganzes Vaterherz einzustecken--hab' meine ganze Baarschaft von Liebe an der Tochter schon zugesetzt. Ferdinand (heftig erschuettert). Ha!--Seh' Er doch lieber nach dem Trank, guter Miller. (Miller ab.) Vierte Scene. Ferdinand allein. Das einzige Kind!--Fuehlst du das, Moerder? Das einzige! Moerder! hoerst du, das einzige?--Und der Mann hat auf der grossen Welt Gottes nichts, als sein Instrument und das einzige--Du willst's ihm rauben? Rauben?--rauben den letzten Nothpfenning einem Bettler? Die Kruecke zerbrochen vor die Fuesse werfen dem Lahmen? Wie? Hab' ich auch Brust fuer das?--Und wenn er nun heimeilt und nicht erwarten kann, die ganze Summe seiner Freuden vom Gesicht dieser Tochter herunter zu zaehlen, und hereintritt und sie da liegt, die Blume--welk--todt--zertreten, muthwillig, die letzte, einzige, unueberschwaengliche Hoffnung--Ha, und er dasteht vor ihr, und dasteht und ihm die ganze Natur den lebendigen Odem anhaelt, und sein erstarrter Blick die entvoelkerte Unendlichkeit fruchtlos durchwandert, Gott sucht, und Gott nicht mehr finden kann und leerer zurueckkommt--Gott! Gott! Aber auch mein Vater hat diesen einzigen Sohn--den einzigen Sohn, doch nicht den einzigen Reichthum--(Nach einer Pause.) Doch wie? Was verliert er denn? Das Maedchen, dem die heiligsten Gefuehle der Liebe nur Puppen waren, wird es den Vater gluecklich machen koennen?--Es wird nicht, es wird nicht! Und ich verdiene noch Dank, dass ich die Natter zertrete, ehe sie auch noch den Vater verwundet. Fuenfte Scene. Miller, der zurueckkommt, und Ferdinand. Miller. Gleich sollen Sie bedient sein, Baron! Draussen sitzt das arme Ding und will sich zu Tod weinen. Sie wird Ihnen mit der Limonade auch Thraenen zu trinken geben. Ferdinand. Und wohl, wenn's nur Thraenen waeren!--Weil wir vorhin von der Musik sprachen, Miller--(Eine Boerse ziehend.) Ich bin noch Sein Schuldner. Miller. Wie? Was? Gehen Sie mir, Baron! Wofuer halten Sie mich? Das steht ja in guter Hand, thun Sie mir doch den Schimpf nicht an, und sind wir ja, will's Gott, nicht das letzte Mal bei einander. Ferdinand. Wer kann das wissen? Nehm' Er nur. Es ist fuer Leben und Sterben. Miller (lachend). O desswegen, Baron! Auf den Fall, denk' ich, kann man's wagen bei Ihnen. Ferdinand. Man wagte wirklich--Hat Er nie gehoert, dass Juenglinge gefallen sind--Maedchen und Juenglinge, die Kinder der Hoffnung, die Luftschloesser betrogener Vaeter--Was Wurm und Alter nicht thun, kann oft ein Donnerschlag ausrichten--Auch Seine Luise ist nicht unsterblich. Miller. Ich hab' sie von Gott. Ferdinand. Hoer' Er--Ich sag' Ihm, sie ist nicht unsterblich. Diese Tochter ist Sein Augapfel. Er hat sich mit Herz und Seel' an diese Tochter gehaengt. Sei Er vorsichtig, Miller. Nur ein verzweifelter Spieler setzt Alles auf einen einzigen Wurf. Einen Waghals nennt man den Kaufmann, der auf ein Schiff sein ganzes Vermoegen ladet--Hoer' Er, denk' Er der Warnung nach--Aber warum nimmt Er Sein Geld nicht? Miller. Was, Herr? die ganze allmaechtige Boerse? Wohin denken Eure Gnaden? Ferdinand. Auf meine Schuldigkeit--Da! (Er wirft den Beutel auf den Tisch, dass Goldstuecke herausfallen.) Ich kann den Quark nicht eine Ewigkeit so halten. Miller (bestuerzt). Was beim grossen Gott? Der klang nicht wie Silbergeld! (Er tritt zum Tisch und ruft mit Entsetzen.) Wie, um aller Himmel willen, Baron? Baron? Wie sind Sie? Was treiben Sie, Baron? Das nenn' ich mir Zerstreuung! (Mit zusammengeschlagenen Haenden.) Hier liegt ja--oder bin ich verhext,--oder--Gott verdamm mich! Da greif' ich ja das baare, gelbe, leibhaftige Gottesgold--Nein, Satanas! Du sollst mich nicht daran kriegen! Ferdinand. Hat Er Alten oder Neuen getrunken, Miller? Miller (grob). Donner und Wetter! Da schauen Sie nur hin!--Gold! Ferdinand. Und was weiter? Miller. Ins Henkers Namen--ich sage--ich bitte Sie um Gottes Christi willen--Gold! Ferdinand. Das ist nun freilich etwas Merkwuerdiges. Miller (nach einigem Stillschweigen zu ihm gehend, mit Empfindung). Gnaediger Herr, ich bin ein schlichter, gerader Mann, wenn Sie mich etwa zu einem Bubenstueck anspannen wollen--denn so viel Geld laesst sich, weisst Gott, nicht mit etwas Gutem verdienen. Ferdinand (bewegt). Sei Er ganz getrost, lieber Miller. Das Geld hat Er laengst verdient, und Gott bewahre mich, dass ich mich mit Seinem guten Gewissen dafuer bezahlt machen sollte. Miller (wie ein Halbnarr in die Hoehe springend). Mein also! mein! Mit des guten Gottes Wissen und Willen, mein! (Nach der Thuer laufend, schreiend.) Weib! Tochter! Victoria! Herbei! (Zurueckkommend.) Aber du lieber Himmel! Wie komm' ich denn so auf einmal zu dem ganzen grausamen Reichthum? Wie verdien' ich ihn? lohn' ich ihn? Heh? Ferdinand. Nicht mit Seinen Musikstunden, Miller.--Mit dem Geld hier bezahl' ich Ihm, (von Schauern ergriffen haelt er inn) bezahl' ich Ihm (nach einer Pause mit Wehmuth) den drei Monat langen gluecklichen Traum von Seiner Tochter. Miller (fasst seine Hand, die er stark drueckt). Gnaediger Herr! Waeren Sie ein schlechter, geringer Buergersmann--(rasch) und mein Maedel liebte Sie nicht--erstechen wollt' ich's, das Maedel! (Wieder beim Geld, darauf niedergeschlagen.) Aber da hab' ich ja nun Alles und Sie nichts, und da werd' ich nun das ganze Gaudium wieder herausblechen muessen? Heh? Ferdinand. Lass Er sich das nicht anfechten, Freund--Ich reise ab, und in dem Land, wo ich mich zu setzen gedenke, gelten die Stempel nicht. Miller (unterdessen mit unverwandten Augen auf das Gold hingeheftet, voll Entzueckung). Bleibt's also mein? Bleibt's?--Aber das thut mir nur leid, dass Sie verreisen--Und wart, was ich jetzt auftreten will! Wie ich die Backen jetzt vollnehmen will! (Er setzt den Hut auf und schiesst durch das Zimmer.) Und auf den Markt will ich und meine Musikstunden geben und Numero fuenfe Dreikoenig rauchen, und wenn ich wieder auf dem Dreibatzenplatz sitze, soll mich der Teufel holen. (Will fort.) Ferdinand. Bleib' Er! Schweig' Er! und streich' Er sein Geld ein! (Nachdruecklich.) Nur diesen Abend noch schweig' Er und geb' Er, mir zu Gefallen, von nun an keine Musikstunden mehr. Miller (noch hitziger und ihn hart an der Weste fassend, voll inniger Freude). Und, Herr! meine Tochter! (Ihn werden loslassend.) Geld macht den Mann nicht--Geld nicht--Ich habe Kartoffeln gegessen oder ein wildes Huhn; satt ist satt, und dieser Rock da ist ewig gut, wenn Gottes liebe Sonne nicht durch den Aermel scheint--Fuer mich ist das Plunder--Aber dem Maedel soll der Segen bekommen; was ich ihr nur an den Augen absehen kann, soll sie haben-Ferdinand (faellt rasch ein). Stille, o stille-Miller (immer feuriger). Und soll mir Franzoesisch lernen aus dem Fundament und Menuet-Tanzen und Singen, dass man's in den Zeitungen lesen soll; und eine Haube soll sie tragen, wie die Hofrathstoechter, und einen Kidebarri, wie sie's heissen, und von der Geigerstochter soll man reden auf vier Meilen weit-Ferdinand (ergreift seine Hand mit der schrecklichsten Bewegung). Nichts mehr! Nichts mehr! Um Gotteswillen, schweig' Er still! Nur noch heute schweig' Er still! Das sei der einzige Dank, den ich von Ihm fordre. Sechste Scene. Luise mit der Limonade, und die Vorigen. Luise (mit rotgeweinten Augen und zitternder Stimme, indem sie dem Major das Glas auf einem Teller bringt). Sie befehlen, wenn sie nicht stark genug ist. Ferdinand (nimmt das Glas, setzt es nieder und dreht sich rasch gegen Millern). O beinahe haett' ich das vergessen!--Darf ich Ihn um etwas bitten, lieber Miller? Will Er mir einen kleinen Gefallen thun? Miller. Tausend fuer einen! Was befehlen-Ferdinand. Man wird mich bei der Tafel erwarten. Zum Unglueck hab' ich eine sehr boese Laune. Es ist mir ganz unmoeglich, unter Menschen zu gehn--Will Er einen Gang thun zu meinem Vater und mich entschuldigen? Luise (erschrickt und faellt schnell ein). Den Gang kann ja ich thun. Miller. Zum Praesidenten? Ferdinand. Nicht zu ihm selbst. Er uebergibt Seinen Auftrag in der Garderobe einem Kammerdiener--Zu Seiner Legitimation ist hier meine Uhr--Ich bin noch da, wenn Er wieder kommt.--Er wartet auf Antwort. Luise (sehr aengstlich). Kann denn ich das nicht auch besorgen? Ferdinand (zu Millern, der eben fort will). Halt, und noch etwas! Hier ist ein Brief an meinen Vater, der diesen Abend an mich eingeschlossen kam--Vielleicht dringende Geschaefte--Es geht in einer Bestellung hin-Miller. Schon gut, Baron! Luise (haengt sich an ihn, in der entsetzlichsten Bangigkeit). Aber, mein Vater, Dies alles koennt' ich ja recht gut besorgen. Miller. Du bist allein, und es ist finstre Nacht, meine Tochter. (Ab.) Ferdinand. Leuchte deinem Vater, Luise! (Waehrend dem, dass sie Millern mit dem Licht begleitet, tritt er zum Tisch und wirft Gift in ein Glas Limonade.) Ja, sie soll dran! Sie soll! Die obern Maechte nicken mir ihr schreckliches Ja herunter, die Rache des Himmels unterschreibt, ihr guter Engel laesst sie fahren- Siebente Scene. Ferdinand und Luise. Sie kommt langsam mit dem Lichte zurueck, setzt es nieder und stellt sich auf die entgegengesetzte Seite vom Major, das Gesicht auf den Boden geschlagen und nur zuweilen furchtsam und verstohlen nach ihm hinueberschielend. Er steht auf der andern Seite und sieht starr vor sich hinaus. (Grosses Stillschweigen, das diesen Auftritt ankuendigen muss.) Luise. Wollen Sie mich accompagnieren, Herr von Walter, so mach' ich einen Gang auf dem Fortepiano. (Sie oeffnet den Pantalon.) (Ferdinand gibt keine Antwort. Pause.) Luise. Sie sind mir auch noch Revanche auf dem Schachbrett schuldig. Wollen wir eine Partie, Herr von Walter? (Eine neue Pause.) Luise. Herr von Walter, die Brieftasche, die ich Ihnen einmal zu sticken versprochen--ich habe sie angefangen--Wollen Sie das Dessin nicht besehen? (Wieder eine Pause.) Luise. Ich bin sehr elend! Ferdinand (in der bisherigen Stellung). Das koennte wahr sein. Luise. Meine Schuld ist es nicht, Herr von Walter, dass Sie so schlecht unterhalten werden. Ferdinand (lacht beleidigend vor sich hin). Denn was kannst du fuer meine bloede Bescheidenheit? Luise. Ich hab' es ja wohl gewusst, dass wir jetzt nicht zusammen taugen. Ich erschrak auch gleich, ich bekenne es, als Sie meinen Vater verschickten--Herr von Walter, ich vermuthe, dieser Augenblick wird uns Beiden gleich unertraeglich sein--Wenn Sie mir's erlauben wollen, so geh' ich und bitte einige von meinen Bekannten her. Ferdinand. O ja doch, das thu'. Ich will auch gleich gehn und von den meinigen bitten. Luise (sieht ihn stutzend an). Herr von Walter? Ferdinand (sehr haemisch). Bei meiner Ehre! der gescheidteste Einfall, den ein Mensch in dieser Lage nur haben kann. Wir machen aus diesem verdriesslichen Duett eine Lustbarkeit und raechen uns mit Hilfe gewisser Galanterieen an den Grillen der Liebe. Luise. Sie sind aufgeraeumt, Herr von Walter. Ferdinand. Ganz ausserordentlich, um die Knaben auf dem Markt hinter mir her zu jagen! Nein! In Wahrheit, Luise! dein Beispiel bekehrt mich--du sollst meine Lehrerin sein. Thoren sind's, die von ewiger Liebe schwatzen. Ewiges Einerlei widersteht, Veraenderung nur ist das Salz des Vergnuegens--Topp, Luise! Ich bin dabei--Wir huepfen von Roman zu Roman, waelzen uns von Schlamme zu Schlamm--Du dahin--ich dorthin--vielleicht, dass meine verlorene Ruhe sich in einem Bordell wieder finden laesst--Vielleicht, dass wir dann nach dem lustigen Wettlauf, zwei modernde Gerippe, mit der angenehmsten Ueberraschung von der Welt zum zweiten Mal aufeinander stossen, dass wir uns da an dem gemeinschaftlichen Familienzug, den kein Kind dieser Mutter verleugnet, wie in Komoedien wieder erkennen, dass Ekel und Scham noch eine Harmonie veranstalten, die der zaertlichsten Liebe unmoeglich gewesen ist. Luise. O Juengling! Juengling! Ungluecklich bist du schon; willst du es auch noch verdienen? Ferdinand (ergrimmt durch die Zaehne murmelnd). Ungluecklich bin ich? Wer hat dir das gesagt? Weib, du bist zu schlecht, und selbst zu empfinden--womit kannst du eines Andern Empfindungen waegen?--Ungluecklich, sagte sie?--Ha! dieses Wort koennte meine Wuth aus dem Grabe rufen! Ungluecklich musst' ich werden, das wusste sie. Tod und Verdammniss! das wusste sie und hat mich dennoch verrathen--Siehe, Schlange! das war der einzige Fleck der Vergebung--Deine Aussage bricht dir den Hals--Bis jetzt konnt' ich deinen Frevel mit deiner Einfalt beschoenigen, in meiner Verachtung waerst du beinahe meiner Rache entsprungen. (Indem er hastig das Glas ergreift.) Also leichtsinnig warst du nicht--dumm warst du nicht--du warst nur ein Teufel. (Er trinkt.) Die Limonade ist matt wie deine Seele--Versuche! Luise. O Himmel! Nicht umsonst hab' ich diesen Auftritt gefuerchtet. Ferdinand (gebieterisch). Versuche! Luise (nimmt das Glas etwas unwillig und trinkt). Ferdinand (wendet sich, sobald sie das Glas an den Mund setzt, mit einer ploetzlichen Erblassung weg und eilt nach dem hintersten Winkel des Zimmers). Luise. Die Limonade ist gut. Ferdinand (ohne sich umzukehren, von Schauer geschuettelt). Wohl bekomm's! Luise (nachdem sie es niedergesetzt). O wenn Sie wuessten, Walter, wie ungeheuer Sie meine Seele beleidigen. Ferdinand. Hum! Luise. Es wird eine Zeit kommen, Walter-Ferdinand (wieder vorwaerts kommend). O! mit der Zeit waeren wir fertig. Luise. Wo der heutige Abend schwer auf Ihr Herz fallen duerfte-Ferdinand (faengt an staerker zu gehen und beunruhigter zu werden, indem er Schaerpe und Degen von sich wirft). Gute Nacht, Herrendienst! Luise. Mein Gott! Wie wird Ihnen? Ferdinand. Heiss und enge--Will mir's bequemer machen. Luise Trinken Sie! Trinken Sie! Der Trank wird Sie kuehlen. Ferdinand. Das wird er auch ganz gewiss--Die Metze ist gutherzig; doch, das sind alle! Luise (mit dem vollen Ausdruck der Liebe ihm in die Arme eilend). Das deiner Luise, Ferdinand? Ferdinand (drueckt sie von sich). Fort! Fort! Diese sanften schmelzenden Augen weg! Ich erliege. Komm in deiner ungeheuern Furchtbarkeit, Schlange! spring an mir auf, Wurm!--Krame vor mir deine graesslichen Knoten aus, baeume deine Wirbel zum Himmel!--so abscheulich, als dich jemals der Abgrund sah--nur keinen Engel mehr--nur jetzt keinen Engel mehr--Es ist zu spaet--Ich muss dich zertreten, wie eine Natter, oder verzweifeln--Erbarme dich! Luise. O! dass es so weit kommen musste! Ferdinand (sie von der Seite betrachtend). Dieses schoene Werk des himmlischen Bildners--Wer kann das glauben?--Wer sollte das glauben? (Ihre Hand fassend und emporhaltend.) Ich will dich nicht zur Rede stellen, Gott Schoepfer--Aber warum denn dein Gift in so schoenen Gefaessen?--Kann das Laster in diesem milden Himmelstrich fortkommen?--O, es ist seltsam. Luise. Das anzuhoeren und schweigen zu muessen! Ferdinand. Und die suesse melodische Stimme--Wie kann so viel Wohlklang kommen aus zerrissenen Saiten? (Mit trunkenem Aug auf ihrem Anblick verweilend.) Alles so schoen--so voll Ebenmass--so goettlich vollkommen!--Ueberall das Werk seiner himmlischen Schaeferstunde! Bei Gott! als waere die grosse Welt nur entstanden, den Schoepfer fuer dieses Meisterstueck in Laune zu setzen!--Und nur in der Seele sollte Gott sich vergriffen haben? ist es moeglich, dass diese empoerende Missgeburt in die Natur ohne Tadel kam? (Indem er sie schnell verlaesst.) Oder sah er einen Engel unter dem Meissel hervorgehen und half diesem Irrthum in der Eile mit einem desto schlechteren Herzen ab? Luise. O des frevelhaften Eigensinns! Ehe er sich eine Uebereilung gestaende, greift er lieber den Himmel an. Ferdinand (stuerzt ihr heftig weinend an den Hals). Noch einmal, Luise!--Noch einmal wie am Tag unsers ersten Kusses, da du Ferdinand stammeltest und das erste Du auf deine brennenden Lippen trat--O eine Saat unendlicher, unaussprechlicher Freuden schien in dem Augenblick wie in der Knospe zu liegen--Da lag die Ewigkeit wie ein schoener Maitag vor unsern Augen; goldne Jahrtausende huepften, wie Braeute, vor unsrer Seele vorbei--Da war ich der Glueckliche!--O Luise! Luise! Luise! Warum hat du mir das gethan? Luise. Weinen Sie, weinen Sie, Walter. Ihre Wehmuth wird gerechter gegen mich sein, als Ihre Entruestung. Ferdinand. Du betruegst dich. Das sind ihre Thraenen nicht--Nicht jener warme, wolluestige Thau, der in die Wunde der Seele balsamisch fliesst und das starre Rad der Empfindung wieder in Gang bringt. Es sind einzelne--kalte Tropfen--das schauerliche ewige Lebewohl meiner Liebe. (Furchtbar feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf sinken laesst.) Thraenen um deine Seele, Luise--Thraenen um die Gottheit, die ihres unendlichen Wohlwollens hier verfehlte, die so muthwillig um das herrlichste ihrer Werke kommt--O mich daeucht, die ganze Schoepfung sollte den Flor anlegen und ueber das Beispiel betreten sein, das in ihrer Mitte geschieht--Es ist was Gemeines, dass Menschen fallen und Paradiese verloren werden; aber wenn die Pest unter Engel wuethet, so rufe man Trauer aus durch die ganze Natur. Luise. Treiben Sie mich nicht aufs Aeusserste, Walter. Ich habe Seelenstaerke, so gut wie Eine--aber sie muss auf eine menschliche Probe kommen. Walter, das Wort noch und dann geschieden--Ein entsetzliches Schicksal hat die Sprache unsrer Herzen verwirrt. Duerft' ich den Mund aufthun, Walter, ich koennte dir Dinge sagen--ich koennte--aber das harte Verhaengniss band meine Zunge wie meine Liebe, und dulden muss ich's, wenn du mich wie eine gemeine Metze misshandelst. Ferdinand. Fuehlst du dich wohl, Luise? Luise. Wozu diese Frage? Ferdinand. Sonst sollte mir's leid um dich thun, wenn du mit einer Luege von hinnen muesstest. Luise. Ich beschwoere Sie, Walter-Ferdinand (unter heftigen Bewegungen). Nein! nein! Zu satanisch waere diese Rache! Nein! Gott bewahre mich! In jene Welt hinaus will ich's nicht treiben--Luise! Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen. Luise. Fragen Sie, was Sie wollen. Ich antworte nichts mehr. (Sie setzt sich nieder.) Ferdinand (ernster). Sorge fuer deine unsterbliche Seele, Luise! --Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen. Luise. Ich antworte nichts mehr. Ferdinand (faellt in fuerchterlicher Bewegung vor ihr nieder). Luise! Hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch ausbrennt--stehst du--vor Gott! Luise (faehrt erschrocken in die Hoehe). Jesus! Was ist das?--und mir wird sehr uebel. (Sie sinkt auf den Sessel zurueck.) Ferdinand. Schon?--Ueber euch Weiber und das ewige Raethsel! Die zaertliche Nerve haelt Freveln fest, die die Menschheit an ihren Wurzeln zernagen; ein elender Gran Arsenik wirft sie um-Luise. Gift! Gift! O mein Herrgott! Ferdinand. So fuerchte ich. Deine Limonade war in der Hoelle gewuerzt. Du hast sie dem Tod zugetrunken. Luise. Sterben! Sterben! Gott Allbarmherziger! Gift in der Limonade und sterben!--O meiner Seele erbarme dich, Gott der Erbarmer! Ferdinand. Das ist die Hauptsache. Ich bitt' ihn auch darum. Luise. Und meine Mutter--mein Vater--Heiland der Welt! Mein armer, verlorener Vater! Ist keine Rettung mehr? Mein junges Leben, und keine Rettung! Und muss ich jetzt schon dahin? Ferdinand. Keine Rettung, musst jetzt schon dahin--aber sei ruhig. Wir machen die Reise zusammen. Luise. Ferdinand, auch du! Gift, Ferdinand! Von dir! O Gott, vergiss es ihm--Gott der Gnade, nimm die Suende von ihm-Ferdinand. Sieh du nach deinen Rechnungen--Ich fuerchte, sie stehen uebel. Luise. Ferdinand! Ferdinand!--O--Nun kann ich nicht mehr schweigen--Der Tod--der Tod hebt alle Eide auf--Ferdinand!--Himmel und Erde hat nichts Unglueckseligeres als dich!--Ich sterbe unschuldig, Ferdinand. Ferdinand (erschrocken). Was sagt sie da?--Eine Luege pflegt man doch sonst nicht auf diese Reise zu nehmen? Luise. Ich luege nicht--luege nicht--hab' nur einmal gelogen mein Lebenlang--Huh! wie das eiskalt durch meine Adern schauert--als ich den Brief schrieb an den Hofmarschall-Ferdinand. Ha! Dieser Brief! --Gottlob! Jetzt hab' ich all meine Mannheit wieder. Luise (ihre Zunge wird schwerer, ihre Finger fangen an gichterisch zu zucken). Dieser Brief--Fasse dich, ein entsetzliches Wort zu hoeren--Meine Hand schrieb, was mein Herz verdammte--dein Vater hat ihn dictiert. Ferdinand (starr und einer Bildsaeule gleich, in langer todter Pause hingewurzelt, faellt endlich wie von einem Donnerschlag nieder). Luise. O des klaeglichen Missverstands--Ferdinand--man zwang mich--vergib--deine Luise haette den Tod vorgezogen--aber mein Vater--die Gefahr--sie machten es listig. Ferdinand (schrecklich emporgeworfen). Gelobet sei Gott! noch spuer' und das Gift nicht. (Er reisst den Degen heraus.) Luise (von Schwaeche zu Schwaeche sinkend). Weh! Was beginnst du? Es ist dein Vater-Ferdinand (im Ausdruck der unbaendigsten Wuth). Moerder und Moerdervater!--Mit muss er, dass der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen rase. (Will hinaus.) Luise. Sterbend vergab mein Erloeser--Heil ueber dich und ihn (Sie stirbt.) Ferdinand (kehrt schnell um, wird ihre letzte sterbende Bewegung gewahr und faellt in Schmerz aufgeloest vor der Todten nieder). Halt! Halt! Entspringe mir nicht, Engel des Himmels! (Er fasst ihre Hand an und laesst sie schnell wie fallen.) Kalt, kalt und feucht! Ihre Seele ist dahin. (Er springt wieder auf.) Gott meiner Luise! Gnade! Gnade dem verruchtesten der Moerder! Es war ihr letztes Gebet!--Wie reizend und schoen auch ihr Leichnam! Der geruehrte Wuerger ging schonend ueber diese freundlichen Wangen hin--Diese Sanftmuth war keine Larve, sie hat auch dem Tod Stand gehalten. (Nach einer Pause.) Aber wie? Warum fuehl' ich nichts? Will die Kraft meiner Jugend mich retten? Undankbare Muehe! Das ist meine Meinung nicht. (Er greift nach dem Glase.) Letzte Scene. Ferdinand. Der Praesident. Wurm und Bediente, welche alle voll Schrecken ins Zimmer stuerzen, darauf Miller mit Volk und Gerichtsdienern, welche sich im Hintergrund sammeln. Praesident (den Brief in der Hand). Sohn, was ist das?--Ich will doch nimmermehr glauben-Ferdinand (wirft ihm das Glas vor die Fuesse). So sieh, Moerder! Praesident (taumelt hinter sich. Alle erstarren. Eine schreckhafte Pause.) Mein Sohn, warum hast du mir das gethan? Ferdinand (ohne ihn anzusehen). O ja freilich! Ich haette den Staatsmann erst hoeren sollen, ob der Streich auch zu seinen Karten passe?--Fein und bewundernswerth, ich gesteh's, war die Finte, den Bund unsrer Herzen zu zerreissen durch Eifersucht--Die Rechnung hatte ein Meister gemacht, aber Schade nur, dass die zuernende Liebe dem Draht nicht so gehorsam blieb wie deine hoelzerne Puppe. Praesident (sucht mit verdrehten Augen im ganzen Kreise herum). Ist hier Niemand, der um einen trostlosen Vater weint? Miller (hinter der Scene rufend). Lasst mich hinein! Um Gottes willen! Lasst mich! Ferdinand. Das Maedchen ist eine Heilige--fuer sie muss ein Anderer rechten. (Er oeffnet Millern die Thuere, der mit Volk und Gerichtsdienern hineinstuerzt.) Miller (in der fuerchterlichsten Angst). Mein Kind! Mein Kind! --Gift--Gift, schreit man, sei hier genommen worden--Meine Tochter! Wo bist du? Ferdinand (fuehrt ihn zwischen den Praesident und Luisens Leiche). Ich bin unschuldig--Danke Diesem hier. Miller (faellt an ihr zu Boden). O Jesus! Ferdinand. In wenig Worten, Vater--Sie fangen an mir kostbar zu werden--Ich bin buebisch um mein Leben bestohlen, bestohlen durch Sie. Wie ich mit Gott stehe, zittre ich--doch ein Boesewicht bin ich niemals gewesen. Mein ewiges Loos falle, wie es will--auf Sie fall' es nicht--Aber ich hab' einen Mord begangen, (mit furchtbar erhobener Stimme) einen Mord, den du mir nicht zumuthen wirst, allein vor den Richter der Welt hinzuschleppen. Feierlich waelz' ich dir hier die groesste, graesslichste Haelfte zu; wie du damit zurecht kommen magst, siehe du selber. (Ihn zu Luisen hinfuehrend.) Hier, Barbar! Weide dich an der entsetzlichen Frucht deines Witzes, auf dieses Gesicht ist mit Verzerrungen dein Name geschrieben, und die Wuergengel werden ihn lesen--Eine Gestalt wie diese ziehe den Vorhang von deinem Bette, wenn du schlaefst, und gebe dir ihre eiskalte Hand--Eine Gestalt wie diese stehe vor deiner Seele, wenn du stirbst, und draenge dein letztes Gebet weg--Eine Gestalt wie diese stehe auf deinem Grabe, wenn du auferstehst--und neben Gott, wenn er dich richtet. (Er wird ohnmaechtig. Bediente halten ihn.) Praesident (eine schreckliche Bewegung des Arms gegen den Himmel). Von mir nicht, von mir nicht, Richter der Welt, fordre diese Seelen, von Diesem! (Er geht auf Wurm zu.) Wurm (auffahrend). Von mir? Praesident. Verfluchter, von dir! Von dir, Satan!--Du, du gabst den Schlangenrath--Ueber dich die Verantwortung--ich wasche die Haende. Wurm. Ueber mich? (Er faengt graesslich an zu lachen.) Lustig! Lustig! So weiss ich doch nun auch, auf was Art sich die Teufel danken.--Ueber mich, dummer Boesewicht? War es mein Sohn? War ich dein Gebieter?--Ueber mich die Verantwortung? Ha! bei diesem Anblick, der alles Mark in meinen Gebeinen erkaeltet! Ueber mich soll sie kommen!--Jetzt will ich verloren sein, aber du sollst es mit mir sein--Auf! Auf! Ruft Mord durch die Gassen! Weckt die Justiz auf! Gerichtsdiener, bindet mich! Fuehrt mich von hinnen! Ich will Geheimnisse aufdecken, dass Denen, die sie hoeren, die Haut schauern soll. (Will gehen.) Praesident (haelt ihn). Du wirst doch nicht, Rasender? Wurm (klopft ihn auf die Schulter). Ich werde, Kamerad! Ich werde! --Rasend bin ich, das ist wahr--das ist dein Werk--so will ich auch jetzt handeln wie ein Rasender--Arm in Arm mit dir zum Blutgeruest! Arm in Arm mit dir zur Hoelle! Es soll mich kitzeln, Bube, mit dir verdammt zu sein! (Er wird abgefuehrt.) Miller (der die ganze Zeit ueber, den Kopf in Luisens Schooss gesunken, in stummem Schmerz gelegen hat, steht schnell auf und wirft dem Major die Boerse vor die Fuesse). Giftmischer! Behalt dein verfluchtes Gold! --wolltest du mir mein Kind damit abkaufen? (Er stuerzt aus dem Zimmer.) Ferdinand (mit brechender Stimme). Geht ihm nach! Er verzweifelt--Das Geld hier soll man ihm retten--Es ist meine fuerchterliche Erkenntlichkeit. Luise!--Luise!--Ich komme--Lebt wohl--Lasst mich an diesem Altar verscheiden-Praesident (aus einer dumpfen Betaeubung zu seinem Sohn). Sohn Ferdinand! Soll kein Blick mehr auf einen zerschmetterten Vater fallen? (Der Major wird neben Luisen niedergelassen.) Ferdinand. Gott dem Erbarmenden gehoert dieser letzte. Praesident (in der schrecklichsten Qual vor ihm niederfallend). Geschoepf und Schoepfer verlassen mich--Soll kein Blick mehr zu meiner letzten Erquickung fallen? Ferdinand (reicht ihm seine sterbende Hand). Praesident (steht schnell auf). Er vergab mir! (Zu den Andern.) Jetzt euer Gefangener! (Er geht ab, Gerichtsdiener folgen ihm, der Vorhang faellt.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Kabale und Liebe, von Friedrich Schiller. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, KABALE UND LIEBE *** This file should be named 7kbll10.txt or 7kbll10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7kbll11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7kbll10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. 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Here is the briefest record of our progress (* means estimated): eBooks Year Month 1 1971 July 10 1991 January 100 1994 January 1000 1997 August 1500 1998 October 2000 1999 December 2500 2000 December 3000 2001 November 4000 2001 October/November 6000 2002 December* 9000 2003 November* 10000 2004 January* The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. We need your donations more than ever! 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In answer to various questions we have received on this: We are constantly working on finishing the paperwork to legally request donations in all 50 states. If your state is not listed and you would like to know if we have added it since the list you have, just ask. While we cannot solicit donations from people in states where we are not yet registered, we know of no prohibition against accepting donations from donors in these states who approach us with an offer to donate. International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made deductible, and don't have the staff to handle it even if there are ways. Donations by check or money order may be sent to: Project Gutenberg Literary Archive Foundation PMB 113 1739 University Ave. Oxford, MS 38655-4109 Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment method other than by check or money order. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN [Employee Identification Number] 64-622154. Donations are tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund-raising will begin in the additional states. We need your donations more than ever! You can get up to date donation information online at: http://www.gutenberg.net/donation.html *** If you can't reach Project Gutenberg, you can always email directly to: Michael S. Hart Prof. Hart will answer or forward your message. We would prefer to send you information by email. **The Legal Small Print** (Three Pages) ***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START*** Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers. They tell us you might sue us if there is something wrong with your copy of this eBook, even if you got it for free from someone other than us, and even if what's wrong is not our fault. So, among other things, this "Small Print!" statement disclaims most of our liability to you. It also tells you how you may distribute copies of this eBook if you want to. *BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm eBook, you indicate that you understand, agree to and accept this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive a refund of the money (if any) you paid for this eBook by sending a request within 30 days of receiving it to the person you got it from. If you received this eBook on a physical medium (such as a disk), you must return it with your request. ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks, is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart through the Project Gutenberg Association (the "Project"). Among other things, this means that no one owns a United States copyright on or for this work, so the Project (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth below, apply if you wish to copy and distribute this eBook under the "PROJECT GUTENBERG" trademark. Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market any commercial products without permission. To create these eBooks, the Project expends considerable efforts to identify, transcribe and proofread public domain works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any medium they may be on may contain "Defects". 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