The Project Gutenberg EBook of Immensee, by Theodor W. Storm Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: Immensee Author: Theodor W. Storm Release Date: October, 2004 [EBook #6651] [Yes, we are more than one year ahead of schedule] [This file was first posted on January 9, 2003] Edition: 10 Language: German Character set encoding: ASCII *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, IMMENSEE *** Delphine Lettau, Charles Franks, and the Online Distributed Proofreading Team. IMMENSEE VON THEODOR W. STORM VORREDE Wir befinden uns am Anfang einer neuen Aera, deren hauptsaechliches Kennzeichen hoffentlich eine allgemeine Annaeherung der Nationen unter einander sein wird. Immer mehr wird es als Notwendigkeit empfunden, dass wir uns gegenseitig besser kennen und verstehen lernen. Daraus ergiebt sich, dass das Erlernen der fremden Sprachen immer eine wichtigere Rolle spielen wird; denn soweit die Sprache, die Literatur und die Musik in Betracht kommen, kann man mit vollem Recht behaupten: fas est et ab hoste doceri. Also werden diejenigen, welche sich mit der Sprache irgend eines Nachbarvolkes vertraut machen wollen, oder ihre vor laengerer Zeit erworbenen Kenntnisse schon teilweise verlernt haben sollten, diese Ausgabe willkommen heissen, welche sie in den Stand setzen wird, derartigen Sprachstudien die Zeit zu widmen, ueber welche sie im Laufe des Tages fuer solche Zwecke verfuegen koennen, ohne auf grosse und schwere Woerterbuecher angewiesen zu sein. Die Wahl der Texte hat nicht nur ihr literarischer Wert beeinflusst, sondern auch die Nuetzlichkeit ihres Wortschatzes, und gleicherweise im Bezug auf die Uebersetzungen wurde es bezweckt, mit einem vornehmen Stil die moeglichste Worttreue zu vereinigen. EINLEITUNG THEODOR W. STORM, Dichter und Novellist (1817-1888), stammte aus Schleswig, liess sich 1842 als Advokat in seiner Vaterstadt Husum nieder, verlor aber 1853 als "Deutschgesinnter" sein Amt, und musste sich nach Deutschland wenden. Erst 1864 durfte er nach Husum zurueckkehren, wo er 1874 zum Oberamtsrichter befoerdert wurde. Schon 1843 machte er sich als Lyriker und Romantiker bekannt, nahm aber erst als Novellist eine hervorragende Stellung ein, und zwar als er 1852 mit der Erzaehlung Immensee aufs gluecklichste debuetierte. In der langen Reihe von phantasie- und gemuetsreichen Novellen, die darauf folgten, und deren Stoff meist aus dem laendlichen und buergerlichen Kleinleben seiner naechsten Umgebung entnommen ist, hat er nichts geschrieben, das diese anmutige Erzaehlung an Tiefe und Zartheit der Empfindung uebertrifft; und ist die deutsche Literatur an Novellendichtung ausserordentlich reich, so zaehlt doch Storm ueberhaupt noch heute unter den Meistern. DER ALTE An einem Spaetherbstnachmittage ging ein alter wohlgekleideter Mann langsam die Strasse hinab. Er schien von einem Spaziergange nach Hause zurueckzukehren, denn seine Schnallenschuhe, die einer voruebergegangenen Mode angehoerten, waren bestaeubt. Den langen Rohrstock mit goldenem Knopf trug er unter dem Arm; mit seinen dunklen Augen, in welche sich die ganze verlorene Jugend gerettet zu haben schien, und welche eigentuemlich von den schneeweissen Haaren abstachen, sah er ruhig umher oder in die Stadt hinab, welche im Abendsonnendufte vor ihm lag. Er schien fast ein Fremder, denn von den Voruebergehenden gruessten ihn nur wenige, obgleich mancher unwillkuerlich in diese ernsten Augen zu sehen gezwungen wurde. Endlich stand er vor einem hohen Giebelhause still, sah noch einmal in die Stadt hinaus und trat dann in die Hausdiele. Bei dem Schall der Tuerglocke wurde drinnen in der Stube von einem Guckfenster, welches nach der Diele hinausging, der gruene Vorhang weggeschoben und das Gesicht einer alten Frau dahinter sichtbar. Der Mann winkte ihr mit seinem Rohrstock. "Noch kein Licht!" sagte er in einem etwas suedlichen Akzent, und die Haushaelterin liess den Vorhang wieder fallen. Der Alte ging nun ueber die weite Hausdiele, durch einen Pesel, wo grosse eichene Schraenke mit Porzellanvasen an den Waenden standen; durch die gegenueberstehende Tuer trat er in einen kleinen Flur, von wo aus eine enge Treppe zu den obern Zimmern des Hinterhauses fuehrte. Er stieg sie langsam hinauf, schloss oben eine Tuer auf und trat dann in ein maessig grosses Zimmer. Hier war es heimlich und still; die eine Wand war fast mit Repositorien und Buecherschraenken bedeckt, an den andern hingen Bilder von Menschen und Gegenden; vor einem Tisch mit gruener Decke, auf dem einzelne aufgeschlagene Buecher umherlagen, stand ein schwerfaelliger Lehnstuhl mit rotem Samtkissen. Nachdem der Alte Hut und Stock in die Ecke gestellt hatte, setzte er sich in den Lehnstuhl und schien mit gefalteten Haenden von seinem Spaziergange auszuruhen. Wie er so sass, wurde es allmaehlich dunkler; endlich fiel ein Mondstrahl durch die Fensterscheiben auf die Gemaelde an der Wand, und wie der helle Streif langsam weiter rueckte, folgten die Augen des Mannes unwillkuerlich. Nun trat er ueber ein kleines Bild in schlichtem schwarzem Rahmen. "Elisabeth!" sagte der Alte leise; und wie er das Wort gesprochen, war die Zeit verwandelt: er war in seiner Jugend. * * * * * DIE KINDER Bald trat die anmutige Gestalt eines kleinen Maedchens zu ihm. Sie hiess Elisabeth und mochte fuenf Jahre zaehlen, er selbst war doppelt so alt. Um den Hals trug sie ein rotseidenes Tuechelchen; das liess ihr huebsch zu den braunen Augen. "Reinhard!" rief sie, "wir haben frei, frei! den ganzen Tag keine Schule, und morgen auch nicht." Reinhard stellte die Rechentafel, die er schon unterm Arm hatte, flink hinter die Haustuer, und dann liefen beide Kinder durchs Haus in den Garten und durch die Gartenpforte hinaus auf die Wiese. Die unverhofften Ferien kamen ihnen herrlich zustatten. Reinhard hatte hier mit Elisabeths Hilfe ein Haus aus Rasenstuecken aufgefuehrt; darin wollten sie die Sommerabende wohnen; aber es fehlte noch die Bank. Nun ging er gleich an die Arbeit; Naegel, Hammer und die noetigen Bretter waren schon bereit. Waehrend dessen ging Elisabeth an dem Wall entlang und sammelte den ringfoermigen Samen der wilden Malve in ihre Schuerze; davon wollte sie sich Ketten und Halsbaender machen; und als Reinhard endlich trotz manches krumm geschlagenen Nagels seine Bank dennoch zustande gebracht hatte und nun wieder in die Sonne hinaustrat, ging sie schon weit davon am andern Ende der Wiese. "Elisabeth!" rief er, "Elisabeth!" und da kam sie, und ihre Locken flogen. "Komm," sagte er, "nun ist unser Haus fertig. Du bist ja ganz heiss geworden; komm herein, wir wollen uns auf die neue Bank setzen. Ich erzaehl' dir etwas." Dann gingen sie beide hinein und setzten sich auf die neue Bank. Elisabeth nahm ihre Ringelchen aus der Schuerze und zog sie auf lange Bindfaeden; Reinhard fing an zu erzaehlen: "Es waren einmal drei Spinnfrauen--" [Fussnote: So faengt ein wohlbekanntes Maerchen von den Gebruedern Grimm an.] "Ach," sagte Elisabeth, "das weiss ich ja auswendig; du musst auch nicht immer dasselbe erzaehlen." Da musste Reinhard die Geschichte von den drei Spinnfrauen stecken lassen, und statt dessen erzaehlte er die Geschichte von dem armen Mann, der in die Loewengrube geworfen war. "Nun war es Nacht," sagte er, "weisst du? ganz finstere, und die Loewen schliefen. Mitunter aber gaehnten sie im Schlaf und reckten die roten Zungen aus; dann schauderte der Mann und meinte, dass der Morgen komme. Da warf es um ihn her auf einmal einen hellen Schein, und als er aufsah, stand ein Engel vor ihm. Der winkte ihm mit der Hand und ging dann gerade in die Felsen hinein." Elisabeth hatte aufmerksam zugehoert. "Ein Engel?" sagte sie: "Hatte er denn Fluegel?" "Es ist nur so eine Geschichte," antwortete Reinhard; "es gibt ja gar keine Engel." "O pfui, Reinhard!" sagte sie und sah ihm starr ins Gesicht. Als er sie aber finster anblickte, fragte sie ihn zweifelnd: "Warum sagen sie es denn immer? Mutter und Tante und auch in der Schule?" "Das weiss ich nicht," antwortete er. "Aber du," sagte Elisabeth, "gibt es denn auch keine Loewen?" "Loewen? Ob es Loewen gibt? In Indien; da spannen die Goetzenpriester sie vor den Wagen und fahren mit ihnen durch die Wueste. Wenn ich gross bin, will ich einmal selber hin. Da ist es viel tausendmal schoener als hier bei uns; da gibt es gar keinen Winter. Du musst auch mit mir. Willst du?" "Ja," sagte Elisabeth; "aber Mutter muss dann auch mit, und deine Mutter auch." "Nein," sagte Reinhard, "die sind dann zu alt, die koennen nicht mit." "Ich darf aber nicht allein." "Du sollst schon duerfen; du wirst dann wirklich meine Frau, und dann haben die andern dir nichts zu befehlen." "Aber meine Mutter wird weinen." "Wir kommen ja wieder," sagte Reinhard heftig; "sag es nur gerade heraus, willst du mit mir reisen? Sonst geh' ich allein, und dann komme ich nimmer wieder." Der Kleinen kam das Weinen nahe. "Mach nur nicht so boese Augen," sagte sie; "ich will ja mit nach Indien." Reinhard fasste sie mit ausgelassener Freude bei beiden Haenden und zog sie hinaus auf die Wiese. "Nach Indien, nach Indien!" sang er und schwenkte sich mit ihr im Kreise, dass ihr das rote Tuechelchen vom Halse flog. Dann aber liess er sie ploetzlich los und sagte ernst: "Es wird doch nichts daraus werden; du hast keine Courage." "Elisabeth! Reinhard!" rief es jetzt von der Gartenpforte. "Hier! Hier!" antworteten die Kinder und sprangen Hand in Hand nach Hause. * * * * * IM WALDE So lebten die Kinder zusammen; sie war ihm oft zu still, er war ihr oft zu heftig, aber sie liessen deshalb nicht von einander; fast alle Freistunden teilten sie: winters in den beschraenkten Zimmern ihrer Muetter, sommers in Busch und Feld. Als Elisabeth einmal in Reinhards Gegenwart von dem Schullehrer gescholten wurde, stiess er seine Tafel zornig auf den Tisch, um den Eifer des Mannes auf sich zu lenken. Es wurde nicht bemerkt. Aber Reinhard verlor alle Aufmerksamkeit an den geographischen Vortraegen; statt dessen verfasste er ein langes Gedicht; darin verglich er sich selbst mit einem jungen Adler, den Schulmeister mit einer grauen Kraehe, Elisabeth war die weisse Taube; der Adler gelobte an der grauen Kraehe Rache zu nehmen, sobald ihm die Fluegel gewachsen sein wuerden. Dem jungen Dichter standen die Traenen in den Augen; er kam sich sehr erhaben vor. Als er nach Hause gekommen war, wusste er sich einen kleinen Pergamentband mit vielen weissen Blaettern zu verschaffen; auf die ersten Seiten schrieb er mit sorgsamer Hand sein erstes Gedicht. Bald darauf kam er in eine andere Schule; hier schloss er manche neue Kameradschaft mit Knaben seines Alters, aber sein Verkehr mit Elisabeth wurde dadurch nicht gestoert. Von den Maerchen, welche er ihr sonst erzaehlt und wieder erzaehlt hatte, fing er jetzt an, die, welche ihr am besten gefallen hatten, aufzuschreiben; dabei wandelte ihn oft die Lust an, etwas von seinen eigenen Gedanken hineinzudichten; aber, er wusste nicht weshalb, er konnte immer nicht dazu gelangen. So schrieb er sie genau auf, wie er sie selber gehoert hatte. Dann gab er die Blaetter an Elisabeth, die sie in einem Schubfach ihrer Schatulle sorgfaeltig aufbewahrte; und es gewaehrte ihm eine anmutige Befriedigung, wenn er sie mitunter abends diese Geschichtchen in seiner Gegenwart aus den von ihm geschriebenen Heften ihrer Mutter vorlesen hoerte. Sieben Jahre waren vorueber. Reinhard sollte zu seiner weitern Ausbildung die Stadt verlassen. Elisabeth konnte sich nicht in den Gedanken finden, dass es nun eine Zeit ganz ohne Reinhard geben werde. Es freute sie, als er ihr eines Tages sagte, er werde, wie sonst, Maerchen fuer sie aufschreiben; er wolle sie ihr mit den Briefen an seine Mutter schicken; sie muesse ihm dann wieder schreiben, wie sie ihr gefallen haetten. Die Abreise rueckte heran; vorher aber kam noch mancher Reim in den Pergamentband. Das allein war fuer Elisabeth ein Geheimnis, obgleich sie die Veranlassung zu dem ganzen Buche und zu den meisten Liedern war, welche nach und nach fast die Haelfte der weissen Blaetter gefuellt hatten. Es war im Juni; Reinhard sollte am andern Tage reisen. Nun wollte man noch einmal einen festlichen Tag zusammen begehen. Dazu wurde eine Landpartie nach einer der nahe gelegenen Holzungen in groesserer Gesellschaft veranstaltet. Der stundenlange Weg bis an den Saum des Waldes wurde zu Wagen zurueckgelegt; dann nahm man die Proviantkoerbe herunter und marschierte weiter. Ein Tannengehoelz musste zuerst durchwandert werden; es war kuehl und daemmerig und der Boden ueberall mit feinen Nadeln bestreut. Nach halbstuendigem Wandern kam man aus dem Tannendunkel in eine frische Buchenwaldung; hier war alles licht und gruen; mitunter brach ein Sonnenstrahl durch die blaetterreichen Zweige; ein Eichkaetzchen sprang ueber ihren Koepfen von Ast zu Ast. Auf einem Platze, ueber welchem uralte Buchen mit ihren Kronen zu einem durchsichtigen Laubgewoelbe zusammenwuchsen, machte die Gesellschaft Halt. Elisabeths Mutter oeffnete einen der Koerbe; ein alter Herr warf sich zum Proviantmeister auf. "Alle um mich herum, ihr jungen Voegel!" rief er, "und merket genau, was ich euch zu sagen habe. Zum Fruehstueck erhaelt jetzt ein jeder von euch zwei trockene Wecken; die Butter ist zu Hause geblieben; die Zukost muss sich ein jeder selber suchen. Es stehen genug Erdbeeren im Walde, das heisst, fuer den, der sie zu finden weiss. Wer ungeschickt ist, muss sein Brot trocken essen; so geht es ueberall im Leben. Habt ihr meine Rede begriffen?" "Ja wohl!" riefen die Jungen. "Ja, seht," sagte der Alte, "sie ist aber noch nicht zu Ende. Wir Alten haben uns im Leben schon genug umhergetrieben; darum bleiben wir jetzt zu Haus, das heisst, hier unter diesen breiten Baeumen, und schaelen die Kartoffeln und machen Feuer und ruesten die Tafel, und wenn die Uhr zwoelf ist, so sollen auch die Eier gekocht werden. "Dafuer seid ihr uns von euren Erdbeeren die Haelfte schuldig, damit wir auch einen Nachtisch servieren koennen. Und nun geht nach Ost und West und seid ehrlich." Die Jungen machten allerlei schelmische Gesichter. "Halt!" rief der alte Herr noch einmal. "Das brauche ich euch wohl nicht zu sagen, wer keine findet, braucht auch keine abzuliefern; aber das schreibt euch wohl hinter eure feinen Ohren, von uns Alten bekommt er auch nichts. Und nun habt ihr fuer diesen Tag gute Lehren genug; wenn ihr nun noch Erdbeeren dazu habt, so werdet ihr fuer heute schon durchs Leben kommen." Die Jungen waren derselben Meinung und begannen sich paarweise auf die Fahrt zu machen. "Komm, Elisabeth," sagte Reinhard, "ich weiss einen Erdbeerenschlag; du sollst kein trockenes Brot essen." Elisabeth knuepfte die gruenen Baender ihres Strohhuts zusammen und hing ihn ueber den Arm. "So komm," sagte sie, "der Korb ist fertig." Dann gingen sie in den Wald hinein, tiefer und tiefer; durch feuchte Baumschatten, wo alles still war, nur unsichtbar ueber ihnen in den Lueften das Geschrei der Falken; dann wieder durch dichtes Gestruepp, so dicht, dass Reinhard vorangehen musste, um einen Pfad zu machen, hier einen Zweig zu knicken, dort eine Ranke beiseite zu biegen. Bald aber hoerte er hinter sich Elisabeth seinen Namen rufen. Er wandte sich um. "Reinhard!" rief sie, "warte doch, Reinhard!" Er konnte sie nicht gewahr werden; endlich sah er sie in einiger Entfernung mit den Straeuchern kaempfen; ihr feines Koepfchen schwamm nur kaum ueber den Spitzen der Farnkraeuter. Nun ging er noch einmal zurueck und fuehrte sie durch das Wirrnis der Kraeuter und Stauden auf einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwischen den einsamen Waldblumen flatterten. Reinhard strich ihr die feuchten Haare aus dem erhitzten Gesichtchen; dann wollte er ihr den Strohhut aufsetzen, und sie wollte es nicht leiden; aber dann bat er sie, und nun liess sie es doch geschehen. "Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren?" fragte sie endlich, indem sie stehen blieb und einen tiefen Atemzug tat. "Hier haben sie gestanden," sagte er, "aber die Kroeten sind uns zuvorgekommen oder die Marder oder vielleicht die Elfen." "Ja," sagte Elisabeth, "die Blaetter stehen noch da; aber sprich hier nicht von Elfen. Komm nur, ich bin noch gar nicht muede; wir wollen weiter suchen." Vor ihnen war ein kleiner Bach, jenseits wieder der Wald. Reinhard hob Elisabeth auf seine Arme und trug sie hinueber. Nach einer Weile traten sie aus dem schattigen Laube wieder in eine weite Lichtung hinaus. "Hier muessen Erdbeeren sein," sagte das Maedchen, "es duftet so suess. Sie gingen suchend durch den sonnigen Raum; aber sie fanden keine. "Nein," sagte Reinhard, "es ist nur der Duft des Heidekrautes." Himbeerbuesche und Huelsendorn standen ueberall durcheinander, ein starker Geruch von Heidekraeutern, welche abwechselnd mit kurzem Grase die freien Stellen des Bodens bedeckten, erfuellte die Luft. "Hier ist es einsam," sagte Elisabeth; "wo moegen die andern sein?" An den Rueckweg hatte Reinhard nicht gedacht. "Warte nur: woher kommt der Wind?" sagte er und hob seine Hand in die Hoehe. Aber es kam kein Wind. "Still," sagte Elisabeth, "mich duenkt, ich hoerte sie sprechen. Rufe einmal dahinunter." Reinhard rief durch die hohle Hand. "Kommt hierher!" "Hierher!" rief es zurueck. "Sie antworteten!" sagte Elisabeth und klatschte in die Haende. "Nein, es war nichts, es war nur der Widerhall." Elisabeth fasste Reinhards Hand. "Mir graut!" sagte sie. "Nein," sagte Reinhard, "das muss es nicht. Hier ist es praechtig. Setz dich dort in den Schatten zwischen die Kraeuter. Lass uns eine Weile ausruhen; wir finden die andern schon." Elisabeth setzte sich unter eine ueberhaengende Buche und lauschte aufmerksam nach allen Seiten; Reinhard sass einige Schritte davon auf einem Baumstumpf und sah schweigend nach ihr hinueber. Die Sonne stand gerade ueber ihnen; es war gluehende Mittagshitze; kleine goldglaenzende, stahlblaue Fliegen standen fluegelschwingend in der Luft; rings um sie her ein feines Schwirren und Summen, und manchmal hoerte man tief im Walde das Haemmern der Spechte und das Kreischen der andern Waldvoegel. "Horch," sagte Elisabeth, "es laeutet." "Wo?" fragte Reinhard. "Hinter uns. Hoerst du? Es ist Mittag." "Dann liegt hinter uns die Stadt, und wenn wir in dieser Richtung gerade durchgehen, so muessen wir die andern treffen." So traten sie ihren Rueckweg an; das Erdbeerensuchen hatten sie aufgegeben, denn Elisabeth war muede geworden. Endlich klang zwischen den Baeumen hindurch das Lachen der Gesellschaft; dann sahen sie auch ein weisses Tuch am Boden schimmern, das war die Tafel, und darauf standen Erdbeeren in Huelle und Fuelle. Der alte Herr hatte eine Serviette im Knopfloch und hielt den Jungen die Fortsetzung seiner moralischen Reden, waehrend er eifrig an einem Braten herumtranchierte. "Da sind die Nachzuegler," riefen die Jungen, als sie Reinhard und Elisabeth durch die Baeume kommen sahen. "Hierher!" rief der alte Herr, "Tuecher ausgeleert, Huete umgekehrt! Nun zeigt her, was ihr gefunden habt." "Hunger und Durst!" sagte Reinhard. "Wenn, das alles ist," erwiderte der Alte und hob ihnen die volle Schuessel entgegen, "so muesst ihr es auch behalten. Ihr kennt die Abrede; hier werden keine Muessiggaenger gefuettert." Endlich liess er sich aber doch erbitten, und nun wurde Tafel gehalten; dazu schlug die Drossel aus den Wacholderbueschen. So ging der Tag hin.--Reinhard hatte aber doch etwas gefunden; waren es keine Erdbeeren, so war es doch auch im Walde gewachsen. Als er nach Hause gekommen war, schrieb er in seinen alten Pergamentband: Hier an der Bergeshalde Verstummet ganz der Wind; Die Zweige haengen nieder, Darunter sitzt das Kind Sie sitzt im Thymiane, Sie sitzt in lauter Duft; Die blauen Fliegen summen Und blitzen durch die Luft. Es steht der Wald so schweigend, Sie schaut so klug darein; Um ihre braunen Locken Hinfliesst der Sonnenschein. Der Kuckuck lacht von ferne, Es geht mir durch den Sinn: Sie hat die goldnen Augen Der Waldeskoenigin. So war sie nicht allein sein Schuetzling, sie war ihm auch der Ausdruck fuer alles Liebliche und Wunderbare seines aufgehenden Lebens. * * * * * DA STAND DAS KIND AM WEGE Weihnachtsabend kam heran. Es war noch nachmittags, als Reinhard mit andern Studenten im Ratskeller [Fussnote: Oder Rathauskeller. In fast jeder grossen Stadt Deutschlands ist der Rathauskeller in ein Speise- und Bierhaus verwandelt worden.] am alten Eichentisch zusammensass. Die Lampen an den Waenden waren angezuendet, denn hier unten daemmerte es schon; aber die Gaeste waren sparsam versammelt, die Kellner lehnten muessig an den Mauerpfeilern. In einem Winkel des Gewoelbes sassen ein Geigenspieler und ein Zithermaedchen mit feinen zigeunerhaften Zuegen; sie hatten ihre Instrumente auf dem Schoss liegen und schienen teilnahmslos vor sich hinzusehen. Am Studententische knallte ein Champagnerpfropfen. "Trinke, mein boehmisch Liebchen!" rief ein junger Mann von junkerhaftem AEussern, indem er ein volles Glas zu dem Maedchen hinueberreichte. "Ich mag nicht," sagte sie, ohne ihre Stellung zu veraendern. "So singe!" rief der Junker und warf ihr eine Silbermuenze in den Schoss. Das Maedchen strich sich langsam mit den Fingern durch ihr schwarzes Haar, waehrend der Geigenspieler ihr ins Ohr fluesterte; aber sie warf den Kopf zurueck und stuetzte das Kinn auf ihre Zither. "Fuer den spiel' ich nicht," sagte sie. Reinhard sprang mit dem Glase in der Hand auf und stellte sich vor sie. "Was willst du?" fragte sie trotzig. "Deine Augen sehen." "Was geh'n dich meine Augen an?" Reinhard sah funkelnd auf sie nieder. "Ich weiss wohl, sie sind falsch!" Sie legte ihre Wange in die flache Hand und sah ihn lauernd an. Reinhard hob sein Glas an den Mund. "Auf deine schoenen suendhaften Augen!" sagte er und trank. Sie lachte und warf den Kopf herum. "Gib!" sagte sie, und indem sie ihre schwarzen Augen in die seinen heftete, trank sie langsam den Rest. Dann griff sie einen Dreiklang und sang mit tiefer leidenschaftlicher Stimme: Heute, nur heute Bin ich so schoen Morgen, ach morgen Muss alles vergeh'n! Nur diese Stunde Bist du noch mein; Sterben, ach sterben Soll ich allein! Waehrend der Geigenspieler in raschem Tempo das Nachspiel einsetzte, gesellte sich ein neuer Ankoemmling zu der Gruppe. "Ich wollte dich abholen, Reinhard," sagte er. "Du warst schon fort; aber das Christkind war bei dir eingekehrt." "Das Christkind?" sagte Reinhard, "das kommt nicht mehr zu mir." "Ei was! Dein ganzes Zimmer roch nach Tannenbaum und braunen Kuchen." Reinhard setzte das Glas aus seiner Hand und griff nach seiner Muetze. "Was willst du?" fragte das Maedchen. "Ich komme schon wieder." Sie runzelte die Stirn. "Bleib!" rief sie leise und sah ihn vertraulich an. Reinhard zoegerte. "Ich kann nicht," sagte er. Sie stiess ihn lachend mit der Fussspitze. "Geh!" sagte sie, "du taugst nichts; ihr taugt alle mit einander nichts." Und waehrend sie sich abwandte, stieg Reinhard langsam die Kellertreppe hinauf. Draussen auf der Strasse war es tiefe Daemmerung; er fuehlte die frische Winterluft an seiner heissen Stirn. Hier und da fiel der helle Schein eines brennenden Tannenbaums aus den Fenstern, dann und wann hoerte man von drinnen das Geraeusch von kleinen Pfeifen und Blechtrompeten und dazwischen jubelnde Kinderstimmen. Scharen von Bettelkindern gingen von Haus zu Haus oder stiegen auf die Treppengelaender und suchten durch die Fenster einen Blick in die versagte Herrlichkeit zu gewinnen. Mitunter wurde auch eine Tuer ploetzlich aufgerissen, und scheltende Stimmen trieben einen ganzen Schwarm solcher kleinen Gaeste aus dem hellen Hause auf die dunkle Gasse hinaus; anderswo wurde auf dem Hausflur ein altes Weihnachtslied gesungen; es waren klare Maedchenstimmen darunter. Reinhard hoerte sie nicht, er ging rasch an allem vorueber, aus einer Strasse in die andere. Als er an seine Wohnung gekommen, war es fast voellig dunkel geworden; er stolperte die Treppe hinauf und trat in seine Stube. Ein suesser Duft schlug ihm entgegen; das heimelte ihn an, das roch wie zu Haus der Mutter Weihnachtsstube. Mit zitternder Hand zuendete er sein Licht an; da lag ein maechtiges Paket auf dem Tisch, und als er es oeffnete, fielen die wohlbekannten braunen Festkuchen heraus; auf einigen waren die Anfangsbuchstaben seines Namens in Zucker ausgestreut; das konnte niemand anders als Elisabeth getan haben. Dann kam ein Paeckchen mit feiner gestickter Waesche zum Vorschein, Tuecher und Manschetten, zuletzt Briefe von der Mutter und Elisabeth. Reinhard oeffnete zuerst den letzteren; Elisabeth schrieb: "Die schoenen Zuckerbuchstaben koennen Dir wohl erzaehlen, wer bei den Kuchen mitgeholfen hat; dieselbe Person hat die Manschetten fuer Dich gestickt. Bei uns wird es nun am Weihnachtsabend sehr still werden; meine Mutter stellt immer schon um halb zehn ihr Spinnrad in die Ecke; es ist gar so einsam diesen Winter, wo Du nicht hier bist. "Nun ist auch vorigen Sonntag der Haenfling gestorben, den Du mir geschenkt hattest; ich habe sehr geweint, aber ich hab' ihn doch immer gut gewartet. "Der sang sonst immer nachmittags, wenn die Sonne auf sein Bauer schien; Du weisst, die Mutter hing so oft ein Tuch ueber, um ihn zu geschweigen, wenn er so recht aus Kraeften sang. "Da ist es nun noch stiller in der Kammer, nur dass Dein alter Freund Erich uns jetzt mitunter besucht. Du sagtest uns einmal, er saehe seinem braunen Ueberrock aehnlich. Daran muss ich nun immer denken, wenn er zur Tuer hereinkommt, und es ist gar zu komisch; sag es aber nicht zur Mutter, sie wird dann leicht verdriesslich. "Rat, was ich Deiner Mutter zu Weihnachten schenke! Du raetst es nicht? Mich selber! Der Erich zeichnet mich in schwarzer Kreide; ich habe ihm dreimal sitzen muessen, jedesmal eine ganze Stunde. "Es war mir recht zuwider, dass der fremde Mensch mein Gesicht so auswendig lernte. Ich wollte auch nicht, aber die Mutter redete mir zu; sie sagte, es wuerde der guten Frau Werner eine gar grosse Freude machen. "Aber Du haeltst nicht Wort, Reinhard. Du hast keine Maerchen geschickt. Ich habe Dich oft bei Deiner Mutter verklagt; sie sagt dann immer, Du habest jetzt mehr zu tun, als solche Kindereien. Ich glaub' es aber nicht; es ist wohl anders." Nun las Reinhard auch den Brief seiner Mutter, und als er beide Briefe gelesen und langsam wieder zusammengefaltet und weggelegt hatte, ueberfiel ihn ein unerbittliches Heimweh. Er ging eine Zeitlang in seinem Zimmer auf und nieder: er sprach leise und dann halbverstaendlich zu sich selbst: Er waere fast verirret Und wusste nicht hinaus; Da stand das Kind am Wege Und winkte ihm nach Haus. Dann trat er an sein Pult, nahm einiges Geld heraus und ging wieder auf die Strasse hinab. Hier war es mittlerweile stiller geworden; die Weihnachtsbaeume waren ausgebrannt, die Umzuege der Kinder hatten aufgehoert. Der Wind fegte durch die einsamen Strassen; Alte und Junge sassen in ihren Haeusern familienweise zusammen; der zweite Abschnitt des Weihnachtsabends hatte begonnen. Als Reinhard in die Naehe des Ratskellers kam, hoerte er aus der Tiefe herauf Geigenstrich und den Gesang des Zithermaedchens; nun klingelte unten die Kellertuer, und eine dunkle Gestalt schwankte die breite, matt erleuchtete Treppe herauf. Reinhard trat in den Haeuserschatten und ging dann rasch vorueber. Nach einer Weile erreichte er den erleuchteten Laden eines Juweliers, und nachdem er hier ein kleines Kreuz mit roten Korallen eingehandelt hatte, ging er auf demselben Wege, den er gekommen war, wieder zurueck. Nicht weit von seiner Wohnung bemerkte er ein kleines, in klaegliche Lumpen gehuelltes Maedchen an einer hohen Haustuer stehen, in vergeblicher Bemuehung, sie zu oeffnen. "Soll ich dir helfen?" sagte er. Das Kind erwiderte nichts, liess aber die schwere Tuerklinke fahren. Reinhard hatte schon die Tuer geoeffnet. "Nein," sagte er, "sie koennten dich hinausjagen; komm mit mir! ich will dir Weihnachtskuchen geben." Dann machte er die Tuer wieder zu und fasste das kleine Maedchen an der Hand, das stillschweigend mit ihm in seine Wohnung ging. Er hatte das Licht beim Weggehen brennen lassen. "Hier hast du Kuchen," sagte er und gab ihr die Haelfte seines ganzen Schatzes in ihre Schuerze, nur keine mit den Zuckerbuchstaben. "Nun geh nach Haus und gib deiner Mutter auch davon." Das Kind sah mit einem scheuen Blick zu ihm hinauf; es schien solcher Freundlichkeit ungewohnt und nichts darauf erwidern zu koennen. Reinhard machte die Tuer auf und leuchtete ihr, und nun flog die Kleine wie ein Vogel mit ihrem Kuchen die Treppe hinab und zum Hause hinaus. Reinhard schuerte das Feuer in seinem Ofen an und stellte das bestaubte Tintenfass auf seinen Tisch; dann setzte er sich hin und schrieb und schrieb die ganze Nacht Briefe an seine Mutter, an Elisabeth. Der Rest der Weihnachtskuchen lag unberuehrt neben ihm; aber die Manschetten von Elisabeth hatte er angeknoepft, was sich gar wunderlich zu seinem weissen Flausrock ausnahm. So sass er noch, als die Wintersonne auf die gefrorenen Fensterscheiben fiel und ihm gegenueber im Spiegel ein blasses, ernstes Antlitz zeigte. * * * * * DAHEIM Als es Ostern geworden war, reiste Reinhard in die Heimat. Am Morgen nach seiner Ankunft ging er zu Elisabeth. "Wie gross du geworden bist," sagte er, als das schoene, schmaechtige Maedchen ihm laechelnd entgegenkam. Sie erroetete, aber sie erwiderte nichts; ihre Hand, die er beim Willkommen in die seine genommen, suchte sie ihm sanft zu entziehen. Er sah sie zweifelnd an, das hatte sie frueher nicht getan; nun war es, als trete etwas Fremdes zwischen sie. Das blieb auch, als er schon laenger dagewesen, und als er Tag fuer Tag immer wiedergekommen war. Wenn sie allein zusammensassen, entstanden Pausen, die ihm peinlich waren, und denen er dann aengstlich zuvorzukommen suchte. Um waehrend der Ferienzeit eine bestimmte Unterhaltung zu haben, fing er an, Elisabeth in der Botanik zu unterrichten, womit er sich in den ersten Monaten seines Universitaetslebens angelegentlich beschaeftigt hatte. Elisabeth, die ihm in allem zu folgen gewohnt und ueberdies lehrhaft war, ging bereitwillig darauf ein. Nun wurden mehrere Male in der Woche Exkursionen ins Feld oder in die Heide gemacht, und hatten sie dann mittags die gruene Botanisierkapsel voll Kraut und Blumen nach Hause gebracht, so kam Reinhard einige Stunden spaeter wieder, um mit Elisabeth den gemeinschaftlichen Fund zu teilen. In solcher Absicht trat er eines Nachmittags ins Zimmer, als Elisabeth am Fenster stand und ein vergoldetes Vogelbauer, das er sonst dort nicht gesehen, mit frischem Huehnerschwarm besteckte. Im Bauer sass ein Kanarienvogel, der mit den Fluegeln schlug und kreischend nach Elisabeths Finger pickte. Sonst hatte Reinhards Vogel an dieser Stelle gehangen. "Hat mein armer Haenfling sich nach seinem Tode in einen Goldfinken verwandelt?" fragte er heiter. "Das pflegen die Haenflinge nicht," sagte die Mutter, welche spinnend im Lehnstuhl sass. "Ihr Freund Erich hat ihn heut' Mittag fuer Elisabeth von seinem Hofe hereingeschickt." "Von welchem Hofe?" "Das wissen Sie nicht?" "Was denn?" "Dass Erich seit einem Monat den zweiten Hof seines Vaters am Immensee [Fussnote: Der See der Immen, d. h. der Bienen.] angetreten hat?" "Aber Sie haben mir kein Wort davon gesagt." "Ei," sagte die Mutter, "Sie haben sich auch noch mit keinem Worte nach Ihrem Freunde erkundigt. Er ist ein gar lieber, verstaendiger junger Mann." Die Mutter ging hinaus, um den Kaffee zu besorgen; Elisabeth hatte Reinhard den Ruecken zugewandt und war noch mit dem Bau ihrer kleinen Laube beschaeftigt. "Bitte, nur ein kleines Weilchen," sagte sie; "gleich bin ich fertig." Da Reinhard wider seine Gewohnheit nicht antwortete, so wandte sie sich um. In seinen Augen lag ein ploetzlicher Ausdruck von Kummer, den sie nie darin gewahrt hatte. "Was fehlt dir, Reinhard?" fragte sie, indem sie nahe zu ihm trat. "Mir?" sagte er gedankenlos und liess seine Augen traeumerisch in den ihren ruhen. "Du siehst so traurig aus." "Elisabeth," sagte er, "ich kann den gelben Vogel nicht leiden." Sie sah ihn staunend an, sie verstand ihn nicht. "Du bist so sonderbar," sagte sie. Er nahm ihre beiden Haende, die sie ruhig in den seinen liess. Bald trat die Mutter wieder herein. Nach dem Kaffee setzte diese sich an ihr Spinnrad; Reinhard und Elisabeth gingen ins Nebenzimmer, um ihre Pflanzen zu ordnen. Nun wurden Staubfaeden gezaehlt, Blaetter und Blueten sorgfaeltig ausgebreitet und von jeder Art zwei Exemplare zum Trocknen zwischen die Blaetter eines grossen Folianten gelegt. Es war sonnige Nachmittagsstille; nur nebenan schnurrte der Mutter Spinnrad, und von Zeit zu Zeit wurde Reinhards gedaempfte Stimme gehoert, wenn er die Ordnungen der Klassen der Pflanzen nannte oder Elisabeths ungeschickte Aussprache der lateinischen Namen korrigierte. "Mir fehlt noch von neulich die Maiblume," sagte sie jetzt, als der ganze Fund bestimmt und geordnet war. Reinhard zog einen kleinen weissen Pergamentband aus der Tasche. "Hier ist ein Maiblumenstengel fuer dich," sagte er, indem er die halbgetrocknete Pflanze herausnahm. Als Elisabeth die beschriebenen Blaetter sah, fragte sie: "Hast du wieder Maerchen gedichtet?" "Es sind keine Maerchen," antwortete er und reichte ihr das Buch. Es waren lauter Verse, die meisten fuellten hoechstens eine Seite. Elisabeth wandte ein Blatt nach dem andern um; sie schien nur die Ueberschriften zu lesen. "Als sie vom Schulmeister gescholten war." "Als sie sich im Walde verirrt hatten." "Mit dem Ostermaerchen." "Als sie mir zum erstenmal geschrieben hatte;" in der Weise lauteten fast alle. Reinhard blickte forschend zu ihr hin, und indem sie immer weiter blaetterte, sah er, wie zuletzt auf ihrem klaren Antlitz ein zartes Rot hervorbrach und es allmaehlich ganz ueberzog. Er wollte ihre Augen sehen, aber Elisabeth sah nicht auf und legte das Buch am Ende schweigend vor ihn hin. "Gib mir es nicht so zurueck!" sagte er. Sie nahm ein braunes Reis aus der Blechkapsel. "Ich will dein Lieblingskraut hineinlegen," sagte sie und gab ihm das Buch in seine Haende. Endlich kam der letzte Tag der Ferienzeit und der Morgen der Abreise. Auf ihre Bitte erhielt Elisabeth von der Mutter die Erlaubnis, ihren Freund an den Postwagen zu begleiten, der einige Strassen von ihrer Wohnung seine Station hatte. Als sie vor die Haustuer traten, gab Reinhard ihr den Arm; so ging er schweigend neben dem schlanken Maedchen her. Je naeher sie ihrem Ziele kamen, desto mehr war es ihm, er habe ihr, ehe er auf so lange Abschied nehme, etwas Notwendiges mitzuteilen, etwas, wovon aller Wert und alle Lieblichkeit seines kuenftigen Lebens abhaenge, und doch konnte er sich des erloesenden Wortes nicht bewusst werden. Das aengstigte ihn; er ging immer langsamer. "Du kommst zu spaet," sagte sie, "es hat schon zehn geschlagen auf St. Marien." Er ging aber darum nicht schneller. Endlich sagte er stammelnd: "Elisabeth, du wirst mich nun in zwei Jahren gar nicht sehen--wirst du mich wohl noch eben so lieb haben wie jetzt, wenn ich wieder da bin?" Sie nickte und sah ihm freundlich ins Gesicht. "Ich habe dich auch verteidigt;" sagte sie nach einer Pause. "Mich? Gegen wen hattest du es noetig?" "Gegen meine Mutter. Wir sprachen gestern abend, als du weggegangen warst, noch lange ueber dich. Sie meinte, du seiest nicht mehr so gut, wie du gewesen." Reinhard schwieg einen Augenblick; dann aber nahm er ihre Hand in die seine, und indem er ihr ernst in ihre Kinderaugen blickte, sagte er: "Ich bin noch eben so gut, wie ich gewesen bin; glaube du das nur fest! Glaubst du es, Elisabeth?" "Ja," sagte sie. Er liess ihre Hand los und ging rasch mit ihr durch die letzte Strasse. Je naeher ihm der Abschied kam, desto freudiger war sein Gesicht; er ging ihr fast zu schnell. "Was hast du, Reinhard?" fragte sie. "Ich habe ein Geheimnis, ein schoenes!" sagte er und sah sie mit leuchtenden Augen an. "Wenn ich nach zwei Jahren wieder da bin, dann sollst du es erfahren." Mittlerweile hatten sie den Postwagen erreicht; es war noch eben Zeit genug. Noch einmal nahm Reinhard ihre Hand. "Leb wohl!" sagte er, "leb wohl, Elisabeth! Vergiss es nicht!" Sie schuettelte mit dem Kopf. "Leb wohl!" sagte sie. Reinhard stieg hinein, und die Pferde zogen an. Als der Wagen um die Strassenecke rollte, sah er noch einmal ihre liebe Gestalt, wie sie langsam den Weg zurueckging. * * * * * EIN BRIEF Fast zwei Jahre nachher sass Reinhard vor seiner Lampe zwischen Buechern und Papieren in Erwartung eines Freundes, mit welchem er gemeinschaftliche Studien uebte. Man kam die Treppe herauf. "Herein!" Es war die Wirtin. "Ein Brief fuer Sie, Herr Werner!" Dann entfernte sie sich wieder. Reinhard hatte seit seinem Besuch in der Heimat nicht an Elisabeth geschrieben und von ihr keinen Brief mehr erhalten. Auch dieser war nicht von ihr; es war die Hand seiner Mutter. Reinhard brach und las, und bald las er folgendes: "In Deinem Alter, mein liebes Kind, hat noch fast jedes Jahr sein eigenes Gesicht: denn die Jugend laesst sich nicht aermer machen. Hier ist auch manches anders geworden, was Dir wohl erstan weh tun wird, wenn ich Dich sonst recht verstanden habe. "Erich hat sich gestern endlich das Jawort von Elisabeth geholt, nachdem er in dem letzten Vierteljahr zweimal vergebens angefragt hatte. Sie hatte sich immer nicht dazu entschliessen koennen; nun hat sie es endlich doch getan; sie ist auch noch gar zu jung. Die Hochzeit wird bald sein, und die Mutter wird dann mit ihnen fortgehen." * * * * * IMMENSEE Wiederum waren Jahre vorueber.--Auf einem abwaerts fuehrenden schattigen Waldwege wanderte an einem warmen Fruehlingsnachmittage ein junger Mann mit kraeftigem, gebraeuntem Antlitz. Mit seinen ernsten dunkeln Augen sah er gespannt in die Ferne, als erwarte er endlich eine Veraenderung des einfoermigen Weges, die jedoch immer nicht eintreten wollte. Endlich kam ein Karrenfuhrwerk langsam von unten herauf. "Hollah! guter Freund!" rief der Wanderer dem nebengehenden Bauer zu, "geht's hier recht nach Immensee?" "Immer gerad' aus," antwortete der Mann, und rueckte an seinem Rundhute. "Hat's denn noch weit dahin?" "Der Herr ist dicht davor. Keine halbe Pfeif' Tabak, so haben's den See; das Herrenhaus liegt hart daran." Der Bauer fuhr vorueber; der andere ging eiliger unter den Baeumen entlang. Nach einer Viertelstunde hoerte ihm zur Linken ploetzlich der Schatten auf; der Weg fuehrte an einen Abhang, aus dem die Gipfel hundertjaehriger Eichen nur kaum hervorragten. Ueber sie hinweg oeffnete sich eine weite, sonnige Landschaft. Tief unten lag der See, ruhig, dunkelblau, fast ringsum von gruenen, sonnenbeschienenen Waeldern umgeben; nur an einer Stelle traten sie auseinander und gewaehrten eine tiefe Fernsicht, bis auch diese durch blaue Berge geschlossen wurde. Quer gegenueber, mitten in dem gruenen Laub der Waelder, lag es wie Schnee darueber her; das waren bluehende Obstbaeume, und daraus hervor auf dem hohen Ufer erhob sich das Herrenhaus, weiss mit roten Ziegeln. Ein Storch flog vom Schornstein auf und kreiste langsam ueber dem Wasser. "Immensee!" rief der Wanderer. Es war fast, als haette er jetzt das Ziel seiner Reise erreicht, denn er stand unbeweglich und sah ueber die Gipfel der Baeume zu seinen Fuessen hinueber ans andere Ufer, wo das Spiegelbild des Herrenhauses leise schaukelnd auf dem Wasser schwamm. Dann setzte er ploetzlich seinen Weg fort. Es ging jetzt fast steil den Berg hinab, so dass die unten stehenden Baeume wieder Schatten gewaehrten, zugleich aber die Aussicht auf den See verdeckten, der nur zuweilen zwischen den Luecken der Zweige hindurchblitzte. Bald ging es wieder sanft empor, und nun verschwand rechts und links die Holzung; statt dessen streckten sich dichtbelaubte Weinhuegel am Wege entlang; zu beiden Seiten desselben standen bluehende Obstbaeume voll summender wuehlender Bienen. Ein stattlicher Mann in braunem Ueberrock kam dem Wanderer entgegen. Als er ihn fast erreicht hatte, schwenkte er seine Muetze und rief mit heller Stimme: "Willkommen, willkommen, Bruder Reinhard! Willkommen auf Gut Immensee!" "Gott gruess' dich, [Fussnote: Dieser Gruss wird besonders in Suddeutschland gebraucht.] Erich, und Dank fuer dein Willkommen!" rief ihm der andere entgegen. Dann waren sie zu einander gekommen und reichten sich die Haende. "Bist du es denn aber auch?" sagte Erich, als er so nahe in das ernste Gesicht seines alten Schulkameraden sah. "Freilich bin ich's, Erich, und du bist es auch; nur siehst du fast noch heiterer aus, als du schon sonst immer getan hast." Ein frohes Laecheln machte Erichs einfache Zuege bei diesen Worten noch um vieles heiterer. "Ja, Bruder Reinhard," sagte er, diesem noch einmal seine Hand reichend, "ich habe aber auch seitdem das grosse Los gezogen; du weisst es ja." Dann rieb er sich die Haende und rief vergnuegt: "Das wird eine Ueberraschung! Den erwartet sie nicht, in alle Ewigkeit nicht!" "Eine Ueberraschung?" fragte Reinhard. "Fuer wen denn?" "Fuer Elisabeth." "Elisabeth! Du hast ihr nicht von meinem Besuch gesagt?" "Kein Wort, Bruder Reinhard; sie denkt nicht an dich, die Mutter auch nicht. Ich hab' dich ganz im geheimen verschrieben, damit die Freude desto groesser sei. Du weisst, ich hatte immer so meine stillen Plaenchen." Reinhard wurde nachdenklich; der Atem schien ihm schwer zu werden, je naeher sie dem Hofe kamen. An der linken Seite des Weges hoerten nun auch die Weingaerten auf und machten einem weitlaeufigen Kuechengarten Platz, der sich bis fast an das Ufer des Sees hinabzog. Der Storch hatte sich mittlerweile niedergelassen und spazierte gravitaetisch zwischen den Gemuesebeeten umher. "Hollah!" rief Erich, in die Haende klatschend, "stiehlt mir der hochbeinige Aegypter schon wieder meine kurzen Erbsenstangen!" Der Vogel erhob sich langsam und flog auf das Dach eines neuen Gebaeudes, das am Ende des Kuechengartens lag und dessen Mauern mit aufgebundenen Pfirsich- und Aprikosenbaeumen ueberzweigt waren. "Das ist die Spritfabrik," sagte Erich; "ich habe sie erst vor zwei Jahren angelegt. Die Wirtschaftsgebaeude hat mein seliger Vater neu aussetzen lassen; das Wohnhaus ist schon von meinem Grossvater gebaut worden. So kommt man immer ein bisschen weiter." Sie waren bei diesen Worten auf einen geraeumigen Platz gekommen, der an den Seiten durch die laendlichen Wirtschaftsgebaeude, im Hintergrunde durch das Herrenhaus begrenzt wurde, an dessen beide Fluegel sich eine hohe Gartenmauer anschloss; hinter dieser sah man die Zuege dunkler Taxuswaende und hin und wieder liessen Syringenbaeume ihre bluehenden Zweige in den Hofraum hinunterhaengen. Maenner mit sonnen- und arbeitsheissen Gesichtern gingen ueber den Platz und gruessten die Freunde, waehrend Erich dem einen oder dem andern einen Auftrag oder eine Frage ueber ihr Tagewerk entgegenrief. Dann hatten sie das Haus erreicht. Ein hoher, kuehler Hausflur nahm sie auf, an dessen Ende sie links in einen etwas dunkleren Seitengang einbogen. Hier oeffnete Erich eine Tuer, und sie traten in einen geraeumigen Gartensaal, der durch das Laubgedraenge, welches die gegenueberliegenden Fenster bedeckte, zu beiden Seiten mit gruener Daemmerung erfuellt war; zwischen diesen aber liessen zwei hohe, weit geoeffnete Fluegeltueren den vollen Glanz der Fruehlingssonne hereinfallen und gewaehrten die Aussicht in einen Garten mit gezirkelten Blumenbeeten und hohen steilen Laubwaenden, geteilt durch einen geraden, breiten Gang, durch welchen man auf den See und weiter auf die gegenueberliegenden Waelder hinaussah. Als die Freunde hineintraten, trug die Zugluft ihnen einen Strom von Duft entgegen. Auf einer Terrasse vor der Gartentuer sass eine weisse, maedchenhafte Frauengestalt. Sie stand auf und ging den Eintretenden entgegen; auf halbem Wege blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte den Fremden unbeweglich an. Er streckte ihr laechelnd die Hand entgegen. "Reinhard!" rief sie, "Reinhard! Mein Gott, du bist es!--Wir haben uns lange nicht gesehen." "Lange nicht," sagte er und konnte nichts weiter sagen; denn als er ihre Stimme hoerte, fuehlte er einen feinen koerperlichen Schmerz am Herzen, und wie er zu ihr aufblickte, stand sie vor ihm, dieselbe leichte zaertliche Gestalt, der er vor Jahren in seiner Vaterstadt Lebewohl gesagt hatte. Erich war mit freudestrahlendem Antlitz an der Tuer zurueckgeblieben. "Nun, Elisabeth?" sagte er; "gelt! den haettest du nicht erwartet, den in alle Ewigkeit nicht!" Elisabeth sah ihn mit schwesterlichen Augen an. "Du bist so gut, Erich!" sagte sie. Er nahm ihre schmale Hand liebkosend in die seinen. "Und nun wir ihn haben," sagte er, "nun lassen wir ihn so bald nicht wieder los. Er ist so lange draussen gewesen; wir wollen ihn wieder heimisch machen. Schau nur, wie fremd und vornehm aussehend er worden ist!" Ein scheuer Blick Elisabeths streifte Reinhards Antlitz. "Es ist nur die Zeit, die wir nicht beisammen waren," sagte er. In diesem Augenblick kam die Mutter, mit einem Schluesselkoerbchen am Arm, zur Tuer herein. "Herr Werner!" sagte sie, als sie Reinhard erblickte; "ei, ein eben so lieber als unerwarteter Gast." Und nun ging die Unterhaltung in Fragen und Antworten ihren ebenen Tritt. Die Frauen setzten sich zu ihrer Arbeit, und waehrend Reinhard die fuer ihn bereiteten Erfrischungen genoss, hatte Erich seinen soliden Meerschaumkopf angebrannt und sass dampfend und diskutierend an seiner Seite. Am andern Tage musste Reinhard mit ihm hinaus auf die AEcker, in die Weinberge, in den Hopfengarten, in die Spritfabrik. Es war alles wohl bestellt; die Leute, welche auf dem Felde und bei den Kesseln arbeiteten, hatten alle ein gesundes und zufriedenes Aussehen. Zu Mittag kam die Familie im Gartensaal zusammen, und der Tag wurde dann, je nach der Musse der Wirte, mehr oder minder gemeinschaftlich verlebt. Nur die Stunden vor dem Abendessen, wie die ersten des Vormittags, blieb Reinhard arbeitend auf seinem Zimmer. Er hatte seit Jahren, wo er deren habhaft werden konnte, die im Volke lebenden Reime und Lieder gesammelt und ging nun daran, seinen Schatz zu ordnen und wo moeglich mit neuen Aufzeichnungen aus der Umgegend zu vermehren. Elisabeth war zu allen Zeiten sanft und freundlich; Erichs immer gleichbleibende Aufmerksamkeit nahm sie mit einer fast demuetigen Dankbarkeit auf, und Reinhard dachte mitunter, das heitere Kind von ehedem habe wohl eine weniger stille Frau versprochen. Seit dem zweiten Tage seines Hierseins pflegte er abends einen Spaziergang an den Ufern des Sees zu machen. Der Weg fuehrte hart unter dem Garten vorbei. Am Ende desselben, auf einer vorspringenden Bastei, stand eine Bank unter hohen Birken; die Mutter hatte sie die Abendbank getauft, weil der Platz gegen Abend lag und des Sonnenuntergangs halber um diese Zeit am meisten benutzt wurde. Von einem Spaziergange auf diesem Wege kehrte Reinhard eines Abends zurueck, als er vom Regen ueberrascht wurde. Er suchte Schutz unter einer am Wasser stehenden Linde, aber die schweren Tropfen schlugen bald durch die Blaetter. Durchnaesst, wie er war, ergab er sich darein und setzte langsam seinen Rueckweg fort. Es war fast dunkel; der Regen fiel immer dichter. Als er sich der Abendbank naeherte, glaubte er zwischen den schimmernden Birkenstaemmen eine weisse Frauengestalt zu unterscheiden. Sie stand unbeweglich und, wie er beim Naeherkommen zu erkennen meinte, zu ihm hingewandt, als wenn sie jemanden erwarte. Er glaubte, es sei Elisabeth. Als er aber rascher zuschritt, um sie zu erreichen und dann mit ihr zusammen durch den Garten ins Haus zurueckzukehren, wandte sie sich langsam ab und verschwand in den dunkeln Seitengaengen. Er konnte das nicht reimen; er war aber fast zornig auf Elisabeth, und dennoch zweifelte er, ob sie es gewesen sei; aber er scheute sich, sie darnach zu fragen; ja, er ging bei seiner Rueckkehr nicht in den Gartensaal, nur um Elisabeth nicht etwa durch die Gartentuer hereintreten zu sehen. * * * * * MEINE MUTTER HAT'S GEWOLLT Einige Tage nachher, es ging schon gegen Abend, sass die Familie, wie gewoehnlich um diese Zeit, im Gartensaal zusammen. Die Tueren standen offen; die Sonne war schon hinter den Waeldern jenseits des Sees. Reinhard wurde um die Mitteilung einiger Volkslieder gebeten, welche er am Nachmittage von einem auf dem Lande wohnenden Freunde geschickt bekommen hatte. Er ging auf sein Zimmer und kam gleich darauf mit einer Papierrolle zurueck, welche aus einzelnen sauber geschriebenen Blaettern zu bestehen schien. Man setzte sich an den Tisch, Elisabeth an Reinhards Seite. "Wir lesen auf gut Glueck," sagte er, "ich habe sie selber noch nicht durchgesehen." Elisabeth rollte das Manuskript auf. "Hier sind Noten," sagte sie, "das musst du singen, Reinhard." Und dieser las nun zuerst einige tiroler Schnaderhuepfel, [Fussnote: Dialektisch fuer "Schnitterhuepfen," d. h. Schnitter-Taenze oder Lieder, die besonders in Tirol und in Bayern gesungen werden.] indem er beim Lesen zuweilen die lustige Melodie mit halber Stimme anklingen liess. Eine allgemeine Heiterkeit bemaechtigte sich der kleinen Gesellschaft. "Wer hat doch aber die schoenen Lieder gemacht?" fragte Elisabeth. "Ei," sagte Erich, "das hoert man den Dingern schon an, Schneidergesellen und Friseure und derlei lustiges Gesindel." Reinhard sagte: "Sie werden gar nicht gemacht; sie wachsen; sie fallen aus der Luft, sie fliegen ueber Land wie Mariengarn, [Fussnote: Der Volksglaube hat dieses feine Gewebe von Feldspinnen immer in Verbindung mit den Goettern gebracht. Nach Einfuehrung des Christentums wurde es auf die Jungfrau Maria bezogen: aus dem feinsten Faden soll das Leichenkleid gewoben worden sein, worin Maria nach ihrem Tod eingehuellt wurde. Waehrend ihrer Himmelfahrt waere das Gewebe wieder von ihr losgebrochen.] hierhin und dorthin und werden an tausend Stellen zugleich gesungen. Unser eigenstes Tun und Leiden finden wir in diesen Liedern; es ist, als ob wir alle an ihnen mitgeholfen haetten." Er nahm ein anderes Blatt: "Ich stand auf hohen Bergen..." [Fussnote: Ein altes Volkslied von einem schoenen aber armen Maedchen, das den jungen Grafen nicht heiraten konnte, und sich in ein Kloster zurueckzog.] "Das kenne ich!" rief Elisabeth. "Stimme nur an, Reinhard; ich will dir helfen." Und nun sangen sie jene Melodie, die so raetselhaft ist, dass man nicht glauben kann, sie sei von Menschen erdacht worden; Elisabeth mit ihrer etwas verdeckten Altstimme dem Tenor sekundierend. Die Mutter sass inzwischen emsig an ihrer Naeherei; Erich hatte die Haende in einander gelegt und hoerte andaechtig zu. Als das Lied zu Ende war, legte Reinhard das Blatt schweigend bei Seite. Vom Ufer des Sees herauf kam durch die Abendstille das Gelaeute der Herdenglocken; sie horchten unwillkuerlich; da hoerten sie eine klare Knabenstimme singen: Ich stand auf hohen Bergen Und sah ins tiefe Tal... Reinhard laechelte: "Hoert ihr es wohl? So geht's von Mund zu Mund." "Es wird oft in dieser Gegend gesungen," sagte Elisabeth. "Ja," sagte Erich, "es ist der Hirtenkasper; er treibt die Starken [Fussnote: Sueddialektisch fuer "die Faersen."] heim." Sie horchten noch eine Weile, bis das Gelaeute hinter den Wirtschaftsgebaeuden verschwunden war. "Das sind Urtoene," sagte Reinhard; "sie schlafen in Waldesgruenden; Gott weiss, wer sie gefunden hat." Er zog ein neues Blatt heraus. Es war schon dunkler geworden; ein roter Abendschein lag wie Schaum auf den Waeldern jenseits des Sees. Reinhard rollte das Blatt auf, Elisabeth legte an der einen Seite ihre Hand darauf und sah mit hinein. Dann las Reinhard: Meine Mutter hat's gewollt, Den andern ich nehmen sollt': Was ich zuvor besessen, Mein Herz sollt' es vergessen; Das hat es nicht gewollt. Meine Mutter klag' ich an, Sie hat nicht wohl getan; Was sonst in Ehren stuende, Nun ist es worden Suende. Was fang' ich an! Fuer all' mein' Stolz und Freud' Gewonnen hab' ich Leid. Ach, waer' das nicht geschehen, Ach, koennt' ich betteln gehen Ueber die braune Heid'! Waehrend des Lesens hatte Reinhard ein unmerkliches Zittern des Papiers empfunden; als er zu Ende war, schob Elisabeth leise ihren Stuhl zurueck und ging schweigend in den Garten hinab. Ein Blick der Mutter folgte ihr. Erich wollte nachgehen; doch die Mutter sagte: "Elisabeth hat draussen zu tun." So unterblieb es. Draussen aber legte sich der Abend mehr und mehr ueber Garten und See; die Nachtschmetterlinge schossen surrend an den offenen Tueren vorueber, durch welche der Duft der Blumen und Gestraeuche immer staerker hereindrang; vom Wasser herauf kam das Geschrei der Froesche, unter den Fenstern schlug eine Nachtigall, tiefer im Garten eine andere; der Mond sah ueber die Baeume. Reinhard blickte noch eine Weile auf die Stelle, wo Elisabeths feine Gestalt zwischen den Laubgaengen verschwunden war; dann rollte er sein Manuskript zusammen, gruesste die Anwesenden und ging durchs Haus an das Wasser hinab. Die Waelder standen schweigend und warfen ihr Dunkel weit auf den See hinaus, waehrend die Mitte desselben in schwueler Mondesdaemmerung lag. Mitunter schauerte ein leises Saeuseln durch die Baeume; aber es war kein Wind, es war nur das Atmen der Sommernacht. Reinhard ging immer am Ufer entlang. Einen Steinwurf vom Lande konnte er eine weisse Wasserlilie erkennen. Auf einmal wandelte ihn die Lust an, sie in der Naehe zu sehen; er warf seine Kleider ab und stieg ins Wasser. Es war flach; scharfe Pflanzen und Steine schnitten ihn an den Fuessen, und er kam immer nicht in die zum Schwimmen noetige Tiefe. Dann war es ploetzlich unter ihm weg, die Wasser quirlten ueber ihm zusammen, und es dauerte eine Zeitlang, ehe er wieder auf die Oberflaeche kam. Nun regte er Hand und Fuss und schwamm im Kreise umher, bis er sich bewusst geworden, von wo er hineingegangen war. Bald sah er auch die Lilie wieder; sie lag einsam zwischen den grossen blanken Blaettern. Er schwamm langsam hinaus und hob mitunter die Arme aus dem Wasser, dass die herabrieselnden Tropfen im Mondlichte blitzten; aber es war, als ob die Entfernung zwischen ihm und der Blume dieselbe bliebe; nur das Ufer lag, wenn er sich umblickte, in immer ungewisserem Dufte hinter ihm. Er gab indes sein Unternehmen nicht auf, sondern schwamm ruestig in derselben Richtung fort. Endlich war er der Blume so nahe gekommen, dass er die silbernen Blaetter deutlich im Mondlicht unterscheiden konnte; zugleich aber fuehlte er sich in einem Netze verstrickt, die glatten Stengel langten vom Grunde herauf und rankten sich an seine nackten Glieder. Das unbekannte Wasser lag so schwarz um ihn her, hinter sich hoerte er das Springen eines Fisches; es wurde ihm ploetzlich so unheimlich in dem fremden Elemente, dass er mit Gewalt das Gestrick der Pflanzen zerriss und in atemloser Hast dem Lande zuschwamm. Als er von hier auf den See zurueckblickte, lag die Lilie wie zuvor fern und einsam ueber der dunklen Tiefe. Er kleidete sich an und ging langsam nach Hause zurueck. Als er aus dem Garten in den Saal trat, fand er Erich und die Mutter in den Vorbereitungen einer kleinen Geschaeftsreise, welche am andern Tage vor sich gehen sollte. "Wo sind Sie denn so spaet in der Nacht gewesen?" rief ihm die Mutter entgegen. "Ich?" erwiderte er; "ich wollte die Wasserlilie besuchen; es ist aber nichts daraus geworden." "Das versteht wieder einmal kein Mensch!" sagte Erich. "Was Tausend hattest du denn mit der Wasserlilie zu tun?" "Ich habe sie frueher einmal gekannt," sagte Reinhard; "es ist aber schon lange her." * * * * * ELISABETH Am folgenden Nachmittag wanderten Reinhard und Elisabeth jenseits des Sees bald durch die Holzung, bald auf dem vorspringenden Uferrande. Elisabeth hatte von Erich den Auftrag erhalten, waehrend seiner und der Mutter Abwesenheit Reinhard mit den schoensten Aussichten der naechsten Umgegend, namentlich von der andern Uferseite auf den Hof selber, bekannt zu machen. Nun gingen sie von einem Punkt zum andern. Endlich wurde Elisabeth muede und setzte sich in den Schatten ueberhaengender Zweige; Reinhard stand ihr gegenueber, an einen Baumstamm gelehnt; da hoerte er tiefer im Walde den Kuckuck rufen, und es kam ihm ploetzlich, dies alles sei schon einmal eben so gewesen. Er sah sie seltsam laechelnd an. "Wollen wir Erdbeeren suchen?" fragte er. "Es ist keine Erdbeerenzeit," sagte sie. "Sie wird aber bald kommen." Elisabeth schuettelte schweigend den Kopf; dann stand sie auf, und beide setzten ihre Wanderung fort; und wie sie so an seiner Seite ging, wandte sein Blick sich immer wieder nach ihr hin; denn sie ging schoen, als wenn sie von ihren Kleidern getragen wuerde. Er blieb oft unwillkuerlich einen Schritt zurueck, um sie ganz und voll ins Auge fassen zu koennen. So kamen sie an einen freien, heidebewachsenen Platz mit einer weit ins Land reichenden Aussicht. Reinhard bueckte sich und pflueckte etwas von den am Boden wachsenden Kraeutern. Als er wieder aufsah, trug sein Gesicht den Ausdruck leidenschaftlichen Schmerzes. "Kennst du diese Blume?" fragte er. Sie sah ihn fragend an. "Es ist eine Erika. Ich habe sie oft im Walde gepflueckt." "Ich habe zu Hause ein altes Buch," sagte er; "ich pflegte sonst allerlei Lieder und Reime hineinzuschreiben; es ist aber lange nicht mehr geschehen. Zwischen den Blaettern liegt auch eine Erika; aber es ist nur eine verwelkte. Weisst du, wer sie mir gegeben hat?" Sie nickte stumm; aber sie schlug die Augen nieder und sah nur auf das Kraut, das er in der Hand hielt. So standen sie lange. Als sie die Augen gegen ihn aufschlug, sah er, dass sie voll Traenen waren. "Elisabeth," sagte er,--"hinter jenen blauen Bergen liegt unsere Jugend. Wo ist sie geblieben?" Sie sprachen nichts mehr; sie gingen stumm neben einander zum See hinab. Die Luft war schwuel, im Westen stieg schwarzes Gewoelk auf. Es wird gewittern," sagte Elisabeth, indem sie ihren Schritt beeilte; Reinhard nickte schweigend, und beide gingen rasch am Ufer entlang, bis sie ihren Kahn erreicht hatten. Waehrend der Ueberfahrt liess Elisabeth ihre Hand auf dem Rande des Kahnes ruhen. Er blickte beim Rudern zu ihr hinueber; sie aber sah an ihm vorbei in die Ferne. So glitt sein Blick herunter und blieb auf ihrer Hand; und die blasse Hand verriet ihm, was ihr Antlitz ihm verschwiegen hatte. Er sah auf ihr jenen feinen Zug geheimen Schmerzes, der sich so gern schoener Frauenhaende bemaechtigt, die nachts auf krankem Herzen liegen. Als Elisabeth sein Auge auf ihrer Hand ruhen fuehlte, liess sie sie langsam ueber Bord ins Wasser gleiten. Auf dem Hofe angekommen trafen sie einen Scherenschleiferkarren vor dem Herrenhause; ein Mann mit schwarzen, niederhaengenden Locken trat emsig das Rad und summte eine Zigeunermelodie zwischen den Zaehnen, waehrend ein eingeschirrter Hund schnaufend daneben lag. Auf dem Hausflur stand in Lumpen gehuellt ein Maedchen mit verstoerten schoenen Zuegen und streckte bettelnd die Hand gegen Elisabeth aus. Reinhard griff in seine Tasche, aber Elisabeth kam ihm zuvor und schuettete hastig den ganzen Inhalt ihrer Boerse in die offene Hand der Bettlerin. Dann wandte sie sich eilig ab, und Reinhard hoerte, wie sie schluchzend die Treppe hinaufging. Er wollte sie aufhalten, aber er besann sich und blieb an der Treppe zurueck. Das Maedchen stand noch immer auf dem Flur, unbeweglich, das empfangene Almosen in der Hand. "Was willst du noch?" fragte Reinhard. Sie fuhr zusammen. "Ich will nichts mehr," sagte sie; dann den Kopf nach ihm zurueckwendend, ihn anstarrend mit den verirrten Augen, ging sie langsam gegen die Tuer. Er rief einen Namen aus, aber sie hoerte es nicht mehr; mit gesenktem Haupte, mit ueber der Brust gekreuzten Armen schritt sie ueber den Hof hinab: Sterben, ach! sterben Soll ich allein! Ein altes Lied brauste ihm ins Ohr, der Atem stand ihm still; eine kurze Weile, dann wandte er sich ab und ging auf sein Zimmer. Er setzte sich hin, um zu arbeiten, aber er hatte keine Gedanken. Nachdem er es eine Stunde lang vergebens versucht hatte, ging er ins Familienzimmer hinab. Es war niemand da, nur kuehle gruene Daemmerung; auf Elisabeths Naehtisch lag ein rotes Band, das sie am Nachmittag um den Hals getragen hatte. Er nahm es in die Hand, aber es tat ihm weh, und er legte es wieder hin. Er hatte keine Ruhe, er ging an den See hinab und band den Kahn los; er ruderte hinueber und ging noch einmal alle Wege, die er kurz vorher mit Elisabeth zusammen gegangen war. Als er wieder nach Hause kam, war es dunkel; auf dem Hofe begegnete ihm der Kutscher, der die Wagenpferde ins Gras bringen wollte; die Reisenden waren eben zurueckgekehrt. Bei seinem Eintritt in den Hausflur hoerte er Erich im Gartensaal auf und ab schreiten. Er ging nicht zu ihm hinein; er stand einen Augenblick still und stieg dann leise die Treppe hinauf nach seinem Zimmer. Hier setzte er sich in den Lehnstuhl ans Fenster; er tat vor sich selbst, als wolle er die Nachtigall hoeren, die unten in den Taxuswaenden schlug; aber er hoerte nur den Schlag seines eigenen Herzens. Unter ihm im Hause ging alles zur Ruhe, die Nacht verrann, er fuehlte es nicht. So sass er stundenlang. Endlich stand er auf und legte sich ins offene Fenster. Der Nachttau rieselte zwischen den Blaettern, die Nachtigall hatte aufgehoert zu schlagen. Allmaehlich wurde auch das tiefe Blau des Nachthimmels vom Osten her durch einen blassgelben Schimmer verdraengt; ein frischer Wind erhob sich und streifte Reinhards heisse Stirne; die erste Lerche stieg jauchzend in die Luft. Reinhard kehrte sich ploetzlich um und trat an den Tisch: er tappte nach einem Bleistift, und als er diesen gefunden, setzte er sich und schrieb damit einige Zeilen auf einen weissen Bogen Papier. Nachdem er hiermit fertig war, nahm er Hut und Stock, und das Papier zuruecklassend oeffnete er behutsam die Tuer und stieg in den Flur hinab. Die Morgendaemmerung ruhte noch in allen Winkeln; die grosse Hauskatze dehnte sich auf der Strohmatte und straeubte den Ruecken gegen seine Hand, die er gedankenlos entgegenhielt. Draussen im Garten aber priesterten [Fussnote: d. h. "sangen schon die Sperlinge grossartig, wie Priester." Das Wort scheint von Storm geschmiedet zu sein; es ist nicht anderswo zu finden.] schon die Sperlinge von den Zweigen und sagten es allen, dass die Nacht vorbei sei. Da hoerte er oben im Hause eine Tuer gehen; es kam die Treppe herunter, und als er aufsah, stand Elisabeth vor ihm. Sie legte die Hand auf seinen Arm, sie bewegte die Lippen, aber er hoerte keine Worte. "Du kommst nicht wieder," sagte sie endlich. "Ich weiss es, luege nicht; du kommst nie wieder." "Nie," sagte er. Sie liess ihre Hand sinken und sagte nichts mehr. Er ging ueber den Flur der Tuere zu; dann wandte er sich noch einmal. Sie stand bewegungslos an derselben Stelle und sah ihn mit toten Augen an. Er tat einen Schritt vorwaerts und streckte die Arme nach ihr aus. Dann kehrte er sich gewaltsam ab und ging zur Tuer hinaus. Draussen lag die Welt im frischen Morgenlichte, die Tauperlen, die in den Spinnengeweben hingen, blitzten in den ersten Sonnenstrahlen. Er sah nicht rueckwaerts; er wanderte rasch hinaus; und mehr und mehr versank hinter ihm das stille Gehoeft, und vor ihm auf stieg die grosse weite Welt. * * * * * DER ALTE Der Mond schien nicht mehr in die Fensterscheiben; es war dunkel geworden; der Alte aber sass noch immer mit gefalteten Haenden in seinem Lehnstuhl und blickte vor sich hin in den Raum des Zimmers. Allmaehlich verzog sich vor seinen Augen die schwarze Daemmerung um ihn her zu einem breiten dunkeln See; ein schwarzes Gewaesser legte sich hinter das andere, immer tiefer und ferner, und auf dem letzten, so fern, dass die Augen des Alten sie kaum erreichten, schwamm einsam zwischen breiten Blaettern eine weisse Wasserlilie. Die Stubentuer ging auf, und ein heller Lichtschimmer fiel ins Zimmer. "Es ist gut, dass Sie kommen, Brigitte," sagte der Alte. "Stellen Sie das Licht auf den Tisch!" Dann rueckte er auch den Stuhl zum Tisch, nahm eines der aufgeschlagenen Buecher und vertiefte sich in Studien, an denen er einst die Kraft seiner Jugend geuebt hatte. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, IMMENSEE *** This file should be named 7immg10.txt or 7immg10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7immg11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7immg10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A preliminary version may often be posted for suggestion, comment and editing by those who wish to do so. Most people start at our Web sites at: http://gutenberg.net or http://promo.net/pg These Web sites include award-winning information about Project Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). Those of you who want to download any eBook before announcement can get to them as follows, and just download by date. This is also a good way to get them instantly upon announcement, as the indexes our cataloguers produce obviously take a while after an announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext04 or ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext04 Or /etext03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 Just search by the first five letters of the filename you want, as it appears in our Newsletters. Information about Project Gutenberg (one page) We produce about two million dollars for each hour we work. The time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our projected audience is one hundred million readers. If the value per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 If they reach just 1-2% of the world's population then the total will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! This is ten thousand titles each to one hundred million readers, which is only about 4% of the present number of computer users. Here is the briefest record of our progress (* means estimated): eBooks Year Month 1 1971 July 10 1991 January 100 1994 January 1000 1997 August 1500 1998 October 2000 1999 December 2500 2000 December 3000 2001 November 4000 2001 October/November 6000 2002 December* 9000 2003 November* 10000 2004 January* The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. We need your donations more than ever! As of February, 2002, contributions are being solicited from people and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin, and Wyoming. We have filed in all 50 states now, but these are the only ones that have responded. As the requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund raising will begin in the additional states. Please feel free to ask to check the status of your state. In answer to various questions we have received on this: We are constantly working on finishing the paperwork to legally request donations in all 50 states. If your state is not listed and you would like to know if we have added it since the list you have, just ask. While we cannot solicit donations from people in states where we are not yet registered, we know of no prohibition against accepting donations from donors in these states who approach us with an offer to donate. International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made deductible, and don't have the staff to handle it even if there are ways. Donations by check or money order may be sent to: Project Gutenberg Literary Archive Foundation PMB 113 1739 University Ave. Oxford, MS 38655-4109 Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment method other than by check or money order. 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They tell us you might sue us if there is something wrong with your copy of this eBook, even if you got it for free from someone other than us, and even if what's wrong is not our fault. So, among other things, this "Small Print!" statement disclaims most of our liability to you. It also tells you how you may distribute copies of this eBook if you want to. *BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm eBook, you indicate that you understand, agree to and accept this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive a refund of the money (if any) you paid for this eBook by sending a request within 30 days of receiving it to the person you got it from. If you received this eBook on a physical medium (such as a disk), you must return it with your request. ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks, is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. 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