The Project Gutenberg EBook of Helden, by George Bernard Shaw (#37 in our series by George Bernard Shaw) Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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Im Deutschen waere die Uebertragung von "Arma virumque cano": "Waffentaten besingt mein Gesang und den Mann..." zu langatmig geworden, weshalb ich das der Entthronung unechter Helden geltende Werk "Helden" nannte. Anmerkung des Uebersetzers. PERSONEN Paul Petkoff, bulgarischer Major. Katharina, seine Frau. Raina, ihre Tochter. Sergius Saranoff, bulgarischer Major. Bluntschli, Hauptmann in der serbischen Armes. Louka, Stubenmaedchen. Nicola, ein Diener. Ein russischer Offizier. Ein bulgarischer Offizier. Ort der Handlung: Eine kleine Stadt in Bulgarien in der Naehe des Dragomanpasses. Zeit: Das Jahr 1885. ERSTER AKT [Nacht. Das Schlafzimmer eines jungen Maedchens in Bulgarien, in einer kleinen Stadt nahe dem Dragomanpass. Ende November 1885. Durch ein grosses offenes Fenster mit kleinem Balkon schimmert sternhell die schneebedeckte Spitze eines Balkanberges wundervoll weiss und schoen herein. Das Gebirge scheint ganz nahe, obwohl es in Wirklichkeit meilenweit entfernt ist. Die innere Einrichtung des Zimmers hat keinerlei Aehnlichkeit mit der im oestlichen Europa ueblichen. Sie ist halb reich bulgarisch, halb billig wienerisch. Ueber dem Kopfende des Bettes, das gegen eine schmale Wand gelehnt ist, die die Ecke des Zimmers in der Richtung der Diagonale abschneidet, steht ein blau und goldbemalter hoelzerner Schrein mit einem Christusbilde aus Elfenbein. Darueber schwebt in einer von drei Ketten gehaltenen durchbrochenen Metallkugel eine Lampe. Die Hauptsitzgelegenheit, eine tuerkische Ottomane, befindet sich an der entgegengesetzten Seite des Zimmers, dem Fenster gegenueber. Die Bettvorbaenge und die Bettdecke, die Fenstervorhaenge, der kleine Teppich und alle Stoffe des Zimmers sind praechtig und orientalisch. Die Tapeten an den Waenden sind abendlaendisch und armselig. Der Waschtisch an der Wand in der Naehe des Fensters und der Ottomane besteht aus einem emaillierten eisernen Becken und einem Eimer darunter, beides in einem bemalten Eisenstaender. Ein einziges Handtuch haengt ueber dem Handtuchhalter an der Seite. Daneben steht ein Wiener Stuhl aus gebogenem Holz mit Rohrsitz. Der Ankleidetisch, zwischen dem Bett und dem Fenster ist aus gewoehnlichem Tannenholz, mit einer bunt farbigen Decke belegt, darauf ein kostbarer Toilettespiegel. Die Tuer ist in der Naehe des Bettes, zwischen Tuer und Bett steht noch eine Kommode. Diese Kommode ist auch mit einem bunten bulgarischen Tuch ueberdeckt, und auf ihr befindet sich ein Stoss ungebundener Romane, eine Bonbonniere mit Pralinen und eine Miniaturstaffelei mit der grossen Photographie eines aeusserst huebschen Offiziers, dessen stolze Haltung und magnetischer Blick sogar aus dem Bilde erkennbar ist.--Das Zimmer wird von einer auf der Kommode brennenden Kerze und von einer andern, die sich auf dem Toilettentisch befindet, erhellt. Neben letzterer liegt eine Zuendholzschachtel. Das Fenster hat Laengsfluegel, die weit offen stehen; ein paar hoelzerne Laeden, die sich nach aussen oeffnen, sind gleichfalls weit auf. Auf dem Balkon eine junge Dame, in den Anblick der Schneeberge versunken. Sie ist sich der romantischen Schoenheit der Nacht, wie auch der Tatsache, dass ihre eigene Jugend und Schoenheit ein Teil davon ist, sehr wohl bewusst. [Sie ist in einen langen Pelzmantel gehuellt, der, gering geschaetzt, dreimal so viel wert ist als die ganze Einrichtung des Zimmers. Aus ihrer Traeumerei wird sie durch ihre Mutter, Katharina Petkoff, aufgeschreckt, eine stattliche Frau ueber vierzig, von gebieterischer Energie, mit wunderbaren schwarzen Augen und Haaren. Als Frau eines Gutsbesitzers im Gebirge wuerde sie prachtvoll wirken; sie will aber durchaus die Wiener Dame spielen und traegt zu diesem Zwecke bei jeder Gelegenheit ein hochmodernes Tea-gown.] Katharina [tritt hastig ein, erfuellt von guten Nachrichten]: Raina! [Sie spricht Rahina mit Betonung des i.] Raina! [Sie geht an das Bett in der Erwartung, Raina dort zu finden.] Wo steckst du denn? [Raina wendet sich nach dem Zimmer um.] Um Gottes willen, Kind, warum da draussen in der Nachtluft statt im Bett! Du wirst dir den Tod holen. Louka sagte mir doch, dass du schliefest. Raina [eintretend]: Ich habe sie fortgeschickt, weil ich allein sein wollte--die Sterne sind so wundervoll. Was ist denn los? Katharina: Grosse Neuigkeiten--eine Schlacht ist geschlagen worden! Raina [mit weiten Augen]: Ah! [Sie wirft ihren Pelz auf die Ottomane und kommt in blossem Nachtkleid, einem huebschen Kleidungsstueck, doch sichtlich dem einzigen, das sie anhat, heftig auf Katharina zu.] Katharina: Eine grosse Schlacht, bei Slivnitza, ein Sieg! und Sergius hat ihn erfochten. Raina [mit einem Freudenschrei]: Ah--[Entzueckt:] O Mutter! [Dann ploetzlich aengstlich:] Ist der Vater gesund und unversehrt? Katharina: Selbstverstaendlich, von ihm kommt ja die Nachricht. Sergius ist der Held des Tages, der Abgott seines Regiments. Raina: Erzaehle, erzaehle! wie ist das zugegangen? [Ekstatisch:] O Mutter, Mutter, Mutter! [Sie drueckt ihre Mutter auf die Ottomane nieder. Sie kuessen einander leidenschaftlich.] Katharina [mit ungestuemem Enthusiasmus]: Du kannst dir nicht vorstellen, wie herrlich es ist. Eine Kavallerieattacke, denke dir nur! Er hat unseren russischen Befehlshabern Trotz geboten, er handelte ohne Kommando. Auf eigene Faust fuehrte er einen Angriff aus, er selbst an der Spitze. Er war der erste Mann, der die feindliche Artillerie durchbrach! Stell es dir nur einmal vor, Raina, wie unsere kuehnen glaenzenden Bulgaren mit blitzenden Schwertern und blitzenden Augen einer Lawine gleich herniederdonnerten und die elenden Serben mit ihren geckenhaften oesterreichischen Offizieren wegfegten wie Spreu. Und du, du liessest Sergius ein Jahr lang warten, bis du ihm dein Jawort gabst. Oh, wenn du einen Tropfen bulgarischen Blutes in den Adern hast, wirst du ihn jetzt anbeten, wenn er zurueckkommt. Raina: Was wird ihm an meiner armseligen Anbetung liegen, nachdem ihm eine Armee von Helden zugejubelt hat! Doch einerlei. Ich bin so gluecklich, so stolz! [Sie steht auf und geht heftig bewegt auf und ab.] Es beweist mir, dass alle unsere Ideen doch Wahrheit waren. Katharina [indigniert]: Unsere Ideen Wahrheit? Was meinst du damit? Raina: Unsere Vorstellungen von dem, was ein Mann wie Sergius einmal vollbringen wuerde--unsere Vorstellungen von Patriotismus, von Heldentum. Ich zweifelte manchmal, ob sie etwas anderes als Traeume waeren. Oh, was fuer unglaeubige kleine Geschoepfe wir Maedchen sind! Als ich Sergius den Saebel umguertete, sah er so edel aus. Es war Verrat von mir, da an Enttaeuschungen, Demuetigung oder Misserfolg zu denken, und doch--und doch...[Rasch:] Versprich mir, dass du es ihm niemals sagen wirst. Katharina: Verlange kein Versprechen von mir, bevor ich weiss, was ich eigentlich versprechen soll. Raina: Nun, als er mich in seinen Armen hielt und mir in die Augen blickte, da fiel es mir ein, dass wir vielleicht unsere Vorstellungen von Heldengroesse bloss deshalb haben, weil wir gar so gerne Byron und Puschkin lesen und weil wir in diesem Jahre von der Oper in Bukarest so entzueckt waren. Das wirkliche Leben gleicht so selten diesen Bildern--ja niemals, soweit ich es bis dahin kannte...[reuevoll:] Denk dir nur, Mutter, ich zweifelte an ihm. Ich fragte mich, ob nicht am Ende alle seine Soldateneigenschaften und sein Heldentum sich als Einbildung erweisen wuerden, sobald er sich in einer wirklichen Schlacht befaende. Ich hatte eine unangenehme Angst, dass er am Ende gar eine klaegliche Figur inmitten all der klugen russischen Offiziere abgeben wuerde. Katharina: Schaemst du dich nicht--eine klaegliche Figur? Die Serben haben oesterreichische Offiziere, die genau so klug sind wie unsere russischen, und wir haben sie trotzdem in jeder Schlacht geschlagen. Raina [lacht und setzt sich wieder]: Jawohl! ich war bloss ein poesieloser kleiner Feigling. Nein, zu denken, dass dies alles wahr ist--dass Sergius genau so edel und kuehn ist, wie er aussieht--, dass die Welt tatsaechlich eine herrliche Welt fuer Frauen ist, die ihre Groesse sehen koennen, und fuer Maenner, die faehig sind, ihre Romantik darzustellen! Was fuer ein Glueck, was fuer unaussprechliche Erfuellungen--ach! [Sie wirft sich neben ihrer Mutter auf die Knie und umschlingt sie leidenschaftlich mit den Armen.] [Sie werden durch den Eintritt Loukas unterbrochen, eines huebschen stolzen Maedchens in der huebschen bulgarischen Bauerntracbt mit Klappschuerze. Sie benimmt sich so keck, dass ihr dienstliches Verhalten gegen Raina beinahe unverschaemt aussieht; vor Katharina fuerchtet sie sich, aber selbst mit ihr geht sie so weit, wie sie's nur immer wagen zu duerfen glaubt. Sie ist jetzt ebenso aufgeregt wie die anderen, aber sie sympathisiert nicht mit Rainas Begeisterung und blickt verachtungsvoll auf die Verzueckung der beiden, bevor sie sie anredet.] Louka: Entschuldigen Sie, gnaedige Frau, alle Fenster muessen geschlossen und alle Laeden verriegelt werden. Man sagt, dass vielleicht in den Strassen geschossen werden wird. [Raina und Katharina erheben sich gleichzeitig erschrocken.] Die Serben werden durch den Pass zurueckgejagt, und es heisst, sie koennten sich in die Stadt fluechten. Unsere Kavallerie wird ihnen nachsetzen, und Sie koennen sicher sein, dass unser Volk sie gebuehrend empfangen wird; jetzt, wo sie davonlaufen. [Sie geht auf den Balkon hinaus, schliesst die Aussenlaeden und tritt dann in das Zimmer zurueck.] Raina: Ich wollte, unsere Leute waeren nicht so grausam. Was ist das fuer ein Ruhm, arme Fluechtlinge niederzumachen? Katharina [geschaeftig, sich ihrer haeuslichen Pflichten erinnernd]: Ich muss zusehen, dass unten alles in Sicherheit gebracht wird. Raina [zu Louka]: Lass die Laeden so, dass ich sie schnell schliessen kann, sobald ich irgendwelchen Laerm hoere. Katharina [strenge, waehrend sie ihren Weg nach der Tuer fortsetzt]: O nein, mein Kind, die Laeden muessen verriegelt bleiben; du wuerdest sicher darueber einschlafen und sie offen lassen. Riegele sie ganz zu, Louka. Louka: Jawohl, gnaedige Frau. [Sie schliesst sie.] Raina: Sei ohne Sorge meinetwegen, sobald ich einen Schuss hoere, werde ich die Kerzen ausloeschen, mich in mein Bett verkriechen und die Decke ueber die Ohren ziehen. Katharina: Das kluegste, was du tun kannst, liebes Kind. Gute Nacht. Raina: Gute Nacht, Mama. [Sie kuessen einander, und Rainas Ergriffenheit kehrt fuer einen Augenblick zurueck.] Beglueckwuensche mich zu der schoensten Nacht meines Lebens--wenn nur die Fluechtlinge nicht waeren. Katharina: Geh zu Bett, Liebling, und denk nicht daran. [Geht ab.] Louka [heimlich zu Raina]: Wenn Sie die Laeden offen haben wollen, stossen Sie nur ein wenig--so! [Sie stoesst ein wenig gegen die Laeden, die Laeden gehen auf, dann schliesst sie sie wieder.] Der eine muesste unten verriegelt werden, aber der Riegel ist abgebrochen. Raina [wuerdevoll, missbilligend]: Danke, Louka, aber wir muessen tun, was uns befohlen wird. [Louka schneidet ein Gesicht.] Gute Nacht! Louka [nachlaessig]: Gute Nacht. [Sie stolziert ab.] Raina [allein gelassen, gebt nach der Kommode und betet das darauf befindliche Bild mit Empfindungen an, die ueber jeden Ausdruck sind. Sie kuesst es weder, noch presst sie es ans Herz, noch gibt sie ihm irgendein Zeichen von koerperlicher Zaertlichkeit, aber sie nimmt es in die Haende und hebt es empor, wie eine Priesterin.--Das Bild betrachtend]: Oh, ich werde mich nie mehr deiner unwert zeigen. Held meiner Seele--nie, nie, nie! [Sie setzt das Bild ehrfuerchtig zurueck, dann waehlt sie einen Roman aus dem kleinen Buecherstoss. Vertraeumt blaettert sie darin, findet, wo sie stehen geblieben ist, biegt das Buch an dieser Stelle nach aussen zusammen, und mit einem gluecklichen Seufzer sinkt sie auf das Bett, um sich in den Schlaf zu lesen. Bevor sie sich jedoch ihrem Roman ueberlaesst, blickt sie noch einmal auf, gedenkt der seligen Wirklichkeit und murmelt]: Mein Held! mein Held! [Ein entfernter Schuss durchbricht draussen die Stille der Nacht. Sie faehrt horchend auf,--da fallen noch zwei Schuesse aus viel groesserer Naehe. Sie erschrickt, stuerzt aus dem Bett und blaest die Kerze auf der Kommode rasch aus. Dann laeuft sie, mit den Haenden an den Ohren, zum Toilettetisch, blaest die Kerze auch dort aus und eilt im Dunkeln in ihr Bett zurueck, man unterscheidet nichts mehr in der Stube als einen Lichtschimmer aus der durchbrochenen Metallkugel vor dem Christusbilde und das Sternenlicht, das durch die Spalten der Fensterlaeden glaenzt. Abermals fallen Schuesse, ein fuerchterliches Gewehrfeuer ist ganz nahe. Waehrend man noch das Echo der Salve hoert, werden die Fensterlaeden von aussen aufgestossen, fuer einen Augenblick flutet in einem Rechteck das schneeige Sternenlicht ploetzlich herein, von dem sich die dunkle Silhouette einer maennlichen Gestalt abhebt. Dann schliessen sich die Laeden wieder, und das Zimmer liegt abermals im Dunkeln. Aber jetzt wird das Schweigen durch ein keuchendes Atemholen unterbrochen, dann hoert man ein Kratzen, und die Flamme eines Streichholzes wird in der Mitte des Zimmers sichtbar.] Raina [aufs Bett gekauert]: Wer ist da? [Das Streichholz verlischt sofort wieder.] Wer ist da--wer ist da? [Eines Mannes Stimme gedaempft aber drohend]: Scht! Schreien Sie nicht, sonst schiesse ich! Bleiben Sie ruhig, und es wird Ihnen nichts geschehen. [Man hoert, wie sie ihr Bett verlaesst und nach der Tuer tastet.] Nehmen Sie sich in acht, es hilft Ihnen nichts, wenn Sie davonlaufen wollen. Merken Sie sich, sobald Sie Ihre Stimme erheben, wird mein Revolver losgehen. [Befehlend:] Machen Sie Licht und lassen Sie sich sehen! Hoeren Sie! [Noch ein Augenblick der Stille und Dunkelheit, waehrend Raina an den Toilettetisch zuruecktritt. Dann zuendet sie die Kerze an, und das Raetsel loest sich.--Ein Mann von ungefaehr fuenfunddreissig Jahren, in bejammernswuerdigem Zustande, mit Kot, Blut und Schnee bespritzt, steht vor ihr. Sein Degengehaenge und der Riemen seiner Revolvertasche halten die Fetzen des blauen Waffenrocks eines serbischen Artillerieoffiziers zusammen. Alles was man beim Kerzenlichte aus dem ungewaschenen, verwahrlosten Aussehen des Mannes halbwegs erkennen kann, ist, dass er mittelgross, von nicht sehr vornehmem Aussehen, breitschultrig und starkknochig ist. Sein rundlicher, eigensinnig aussehender Kopf ist mit kurzen braunen Locken bedeckt. Er hat klare, bewegliche, blaue Augen, gutmuetige Brauen und einen freundlichen Mund, eine hoffnungslos prosaische Nase wie die eines besonders aufgeweckten Babys, aufrechte soldatische Haltung und eine energische Art; er besitzt volle Geistesgegenwart trotz seiner verzweifelten Lage, die er sogar mit einem Anflug von Humor betrachtet, ohne jedoch im geringsten damit spielen zu wollen oder eine Rettungsmoeglichkeit ausser Acht zu lasten.--Er ueberlegt, was er von Raina zu erwarten haben mag, schaetzt ihr Alter, ihre gesellschaftliche Stellung ab, ihren Charakter, den Grad ihrer Furcht, alles mit einem Blick, und faehrt hoeflicher, aber immer aeusserst entschlossen fort]: Entschuldigen Sie, dass ich Sie stoere, aber Sie erkennen wahrscheinlich meine Uniform, ich bin Serbe! Wenn ich gefangen werde, wird man mich toeten. [Drohend]: Begreifen Sie das? Raina: Ja. Der Fluechtling: Nun, ich habe keine Lust zu sterben, solange ich es verhindern kann. [Noch fuerchterlicher]: Begreifen Sie das? [Er verschliesst die Tuer mit einem kurzen Schnappen des Schlosses.] Raina [verachtungsvoll]: Es scheint, Sie haben keine. [Sie richtet sich stolz auf und blickt ihm gerade ins Gesicht, waehrend sie mit scharfer Betonung spricht]: Es gibt Soldaten, die den Tod fuerchten, das weiss ich. Der Fluechtling [mit Galgenhumor]: Alle fuerchten ihn, verehrte Dame, alle, glauben Sie mir. Es ist unsere Pflicht, so lange zu leben, wie wir nur koennen, und wenn Sie Laerm schlagen-Raina [ihn unterbrechend]: Dann werden Sie mich erschiessen! Aber woher wissen Sie, dass ich den Tod fuerchte? Der Fluechtling [schlau]: Und wenn ich Sie nicht erschiesse, was wird dann geschehen? Eine Rotte Ihrer Kavallerie--das elendeste Gesindel Ihrer Armee--wird in dieses Ihr huebsches Zimmer einbrechen und mich wie ein Schwein abschlachten. Denn ich werde mich wehren und fechten wie ein Teufel. Sie sollen mich nicht auf die Strasse bekommen und sich an mir belustigen; ich weiss, wozu sie imstande sind. Sind Sie bereit, in Ihrer augenblicklichen Verfassung, in dieser Toilette, eine solche Gesellschaft zu empfangen? [Raina besinnt sich in dem Moment auf ihr Nachtgewand, schreckt instinktiv zusammen und zieht es enger um den Leib. Er beobachtet sie und fuegt ohne Erbarmen hinzu]: Kaum praesentabel, was? [Sie geht nach der Ottomane, er richtet augenblicklich seine Pistole auf sie und ruft]: Halt! [Sie bleibt stehen.] Wohin wollen Sie? Raina [mit wuerdevoller Geduld]: Ich will nur meinen Mantel holen. Der Fluechtling [geht rasch nach der Ottomane und reisst den Pelz an sich]: Ein guter Gedanke. Nein, den Mantel behalte ich; dann werden Sie dafuer sorgen, dass niemand hier eindringt und Sie so sieht. Das ist eine bessere Waffe als mein Revolver. [Er wirft den Revolver auf die Ottomane.] Raina [empoert]: Es ist nicht die Waffe eines Gentleman! Der Fluechtling: Gut genug fuer einen Mann, wenn zwischen ihm und dem Tod nur Sie stehen. [Waehrend sie einander nun einen Augenblick stumm betrachten, in welchem Raina kaum zu glauben vermag, dass selbst ein serbischer Offizier so zynisch und selbstsuechtig und unritterlich sein koenne, werden sie durch ein scharfes Gewehrfeuer in der Strasse aufgeschreckt. Furchtbare Todesangst laesst den Fluechtling seine Stimme daempfen, als er hinzufuegt]: Hoeren Sie? Wenn Sie diese Halunken schon hereinlassen und auf mich hetzen wollen, so werden Sie sie wenigstens empfangen, so wie Sie da sind. [Raina begegnet seinen Blicken mit unerschrockener Verachtung. Ploetzlich faehrt er horchend auf; man hoert Schritte von aussen, jemand drueckt auf die Klinke und klopft dann hastig und dringend. Raina sieht den Fluechtling atemlos an, er wirft entschlossen den Kopf zurueck, mit der Bewegung eines Menschen, der nun weiss, dass er verloren ist, und indem er sein Benehmen, das Raina einschuechtern sollte, aufgibt, wirft er ihr den Mantel zu und ruft aufrichtig und artig]: Es ist umsonst, ich bin verloren! Schnell, huellen Sie sich in den Mantel, sie kommen! Raina [faengt den Mantel hastig auf]: Oh--ich danke! [Sie wirft den Mantel sehr erleichtert um, er zieht seinen Degen und wendet sich nach der Tuer und wartet.] Louka [von aussen klopfend]: Gnaediges Fraeulein! gnaediges Fraeulein! Stehen Sie schnell auf und oeffnen Sie die Tuer! Raina [aengstlich]: Was wollen Sie tun? Der Fluechtling [grimmig]: Das ist jetzt einerlei, gehen Sie nur aus dem Weg, es wird nicht lange dauern. Raina [impulsiv]: Ich will Ihnen helfen! Verstecken Sie sich, oh, verstecken Sie sich, schnell hinter diesen Vorhang. [Sie fasst ihn bei einem zerrissenen Zipfel seines Aermels und zieht ihn nach dem Fenster.] Der Fluechtling [ihr nachgehend]: Es ist noch ein Funken Hoffnung vorhanden, wenn Sie Ihre Geistesgegenwart bewahren. Merken Sie sich: von zehn Soldaten sind neun geborene Dummkoepfe. [Er versteckt sich hinter dem Vorhang, sieht aber noch einmal heraus und sagt:] Wenn sie mich dennoch finden, so verspreche ich Ihnen einen Teufelskampf. [Er verschwindet. Raina nimmt den Mantel ab und wirft ihn an das Fussende des Bettes, dann oeffnet sie mit schlaefrigem, verstoertem Wesen die Tuer. Louka tritt aufgeregt ein.] Louka. Ein Mann wurde gesehen, wie er die Dachrinne zu Ihrem Balkon hinaufgeklettert ist, ein Serbe. Die Soldaten wollen ihm nachsetzen und sind so wild und betrunken und wuetend. Die Gnaedige laesst sagen, Sie moechten sich sofort ankleiden. Raina [scheinbar aergerlich, dass sie gestoert wird]: Hier lasse ich sie nicht suchen. Warum hat man sie eingelassen?! Katharina [hastig hereinstuerzend]: Raina, mein Liebling, dir ist doch nichts passiert? Hast du irgend etwas gesehen oder gehoert? Raina: Ich hoerte nur schiessen; aber ich hoffe, die Soldaten werden es nicht wagen, hier in mein Schlafzimmer einzudringen! Katharina: An ihrer Spitze ist ein russischer Offizier--dem Himmel sei Dank. Er kennt Sergius. [Spricht durch die Tuer zu jemand, der draussen steht:] Bitte treten Sie ein, Herr Leutnant; meine Tochter ist bereit, Sie zu empfangen. [Ein junger russischer Offizier in bulgarischer Uniform tritt ein, den Saebel in der Faust.] Russischer Offizier [mit sanfter geschmeidiger Hoeflichkeit und steifer militaerischer Haltung]: Guten Abend, gnaediges Fraeulein. Ich bedaure, hier eindringen zu muessen, aber ein Fluechtling ist auf Ihrem Balkon versteckt. Wollen Sie und Ihre gnaedige Frau Mutter so gut sein und sich zurueckziehen, waehrend wir ihn suchen? Raina [ungeduldig]: Unsinn! Sie sehen von hier aus, dass niemand auf dem Balkon sein kann. [Sie stoesst die Laeden weit auf, steht mit dem Ruecken gegen den Vorhang, hinter dem der Fluechtling versteckt ist und zeigt auf den vom Mond beschienenen Balkon. Zwei Schuesse fallen direkt unter dem Fenster, und eine Kugel zertruemmert das Fensterglas gegenueber von Raina, sie schliesst einen Moment die Augen und atmet schwer, aber haelt sich tapfer, waehrend Katharina aufschreit und der Offizier mit dem Ausruf "Geben Sie Acht" auf den Balkon hinausstuerzt.] Russischer Offizier [auf dem Balkon, schreit wuetend in die Strasse hinunter]: Hoert auf, hier herein zu schiessen, ihr Dummkoepfe, verstanden! Hoert auf zu feuern, verfluchte Kerle! [Er starrt einen Augenblick hinunter, dann wendet er sich zu Raina und versucht, seine hoefliche Stellung von vorhin wieder einzunehmen.] Konnte jemand ohne Ihr Wissen hier eindringen? Schliefen Sie? Raina: Nein, ich war noch nicht zu Bett. Russischer Offizier [tritt ungeduldig in das Zimmer zurueck]: Ihre Nachbarn haben die Koepfe so voll mit davongelaufenen Serben, dass sie ueberall welche sehen. [Hoeflich]: Gnaediges Fraeulein, ich bitte tausendmal um Verzeihung. Gute Nacht. [Verneigt sich militaerisch. Raina erwidert den Gruss kalt, er verneigt sich vor Katharina, die ihn hinausbegleitet. Raina schliesst die Laeden. Sie wendet sich um und bemerkt Louka, die diese Szene neugierig beobachtet hat.] Raina: Lassen Sie meine Mutter nicht allein, Louka, waehrend die Soldaten da sind. [Louka blickt auf Raina, auf die Ottomane, auf den Vorhang, dann spitzt sie die Lippen diskret, lacht in sich hinein und geht hinaus. Raina, durch dieses Mienenspiel sehr beleidigt, folgt ihr bis an die Tuer und schlaegt sie hinter ihr zu, sie geraeuschvoll verriegelnd. Der Fluechtling tritt sofort hinter dem Vorhang hervor, steckt seinen Saebel ein und schuettelt in gleichsam geschaeftlicher Weise die Gefahr von sich ab.] Der Fluechtling: Um ein Haar,,, doch um ein Haar ist auch gefehlt. Verehrtes Fraeulein, Ihr Sklave bis in den Tod! Ich wuenschte jetzt Ihretwegen, ich waere in die bulgarische Armee statt in die serbische eingetreten. Ich bin kein Serbe von Geburt. Raina [hochmuetig]: Nein, Sie sind einer von jenen Oesterreichern, die die Serben zum Raub unserer nationalen Freiheit verleiten und die serbische Armee mit Offizieren versehen. Wir hassen sie. Der Fluechtling: Oesterreicher? O nein! Ich bin keiner. Hassen Sie mich also nicht. Ich bin Schweizer, gnaediges Fraeulein, und kaempfe bloss als Berufssoldat; ich ging zu den Serben, weil sie auf dem Wege aus der Schweiz mir zunaechst waren. Seien Sie grossmuetig. Ihre Landsleute haben uns ohnedies aufs Haupt geschlagen. Raina: War ich vielleicht nicht grossmuetig? Der Fluechtling: Edel, heldenhaft! Doch ich bin noch nicht gerettet. Der schlimmste Ansturm ist bald vorueber, aber die Verfolgung wird mit Unterbrechungen die ganze Nacht hindurch fortgesetzt werden; ich muss trachten, mich in einem guenstigen Augenblick aus dem Staube zu machen. Sie sind doch nicht boese, wenn ich hier noch ein bis zwei Minuten warte? Raina: O nein, ich bedaure nur, dass Sie sich abermals in Gefahr begeben muessen. [Auf die Ottomane weisend:] Bitte, setzen Sie sich! [Sie haelt mit einem nicht zu unterdrueckenden Angstschrei inne, als sie die Pistole auf der Ottomane erblickt.] Der Fluechtling [uebernervoes, faehrt zurueck wie ein scheuendes Pferd. Erregt]: Mich so zu erschrecken! Was ist denn los? Raina: Ihre Pistole. Der Offizier hat sie die ganze Zeit vor Augen gehabt! Ihre Rettung ist ein Wunder! Der Fluechtling [aergerlich, so unnoetigerweise geaengstigt worden zu sein]: Ach, weiter nichts?! Raina [blickt ihn hochmuetig an und fuehlt sich desto wohler, je mehr ihre gute Meinung von ihm abnimmt]: Ich bedaure, Sie geaengstigt zu haben. [Sie nimmt die Pistole und reicht sie ihm]: Bitte, nehmen Sie, zum Schutze gegen mich. Der Fluechtling [laechelt muede ueber diesen Sarkasmus, waehrend er die Pistole nimmt]: Sie nuetzt mir nichts, sie ist nicht geladen. [Er grinst die Pistole hoehnisch an und schiebt sie verachtungsvoll in seine Revolvertasche.] Raina: So laden Sie sie meinetwegen! Der Fluechtling: Ich habe keine Munition. Was nuetzen einem in der Schlacht Patronen? Ich fuehre statt dessen immer Schokolade mit und habe schon vor Stunden mein letztes Stueck verzehrt. Raina [in ihren heiligsten Vorstellungen von Maennlichkeit verletzt]: Schokolade? Sie stopfen Ihre Taschen mit Suessigkeiten voll wie ein Schuljunge, selbst auf dem Schlachtfeld? Der Fluechtling [hungrig]: Ich wollte, ich haette jetzt welche. [Raina starrt ihn an, unfaehig ihre Gefuehle zu aeussern; dann laeuft sie zu der Kommode und eilt, die Bonbonniere in den Haenden, mit spoettischer Miene zurueck.] Raina: Erlauben Sie. Ich bedaure, alles aufgegessen zu haben bis auf diese Pralinebonbons. [Sie bietet ihm die Schachtel an.] Der Fluechtling [heisshungrig]: Sie sind ein Engel. [Er verschlingt die Suessigkeiten]: Pralines--koestlich! [Er ueberzeugt sich aengstlich, ob noch mehr davon da sind; es waren die letzten.] [Er fuegt sich mit pathetischem Humor in das Unvermeidliche und sagt mit dankbarer Ruehrung]: Gott segne Sie, teuerstes Fraeulein.--Sie koennen einen alten Soldaten immer an dem Inhalt seiner Sattel- und Patronentaschen beurteilen. Die jungen fuehren Pistolen und Patronen mit, die alten--Futter. Ich danke Ihnen. [Er gibt ihr die Schachtel zurueck, sie reisst sie ihm verachtungsvoll aus der Hand und wirft sie fort. Er schrickt wieder zusammen, als wenn sie ihn haette schlagen wollen.] Hu! Ich beschwoere Sie, machen Sie nicht alles so heftig und ploetzlich, gnaediges Fraeulein; es ist nicht schoen, sich jetzt dafuer zu raechen, dass ich Sie vorhin erschreckt habe. Raina [stolz]: Mich erschreckt! Wissen Sie, dass mein Herz, obwohl ich nur ein Maedchen bin, mindestens ebenso mutig schlaegt wie das Ihre!? Der Fluechtling: Das will ich meinen. Sie haben auch nicht drei Tage lang im Feuer gestanden wie ich. Zwei Tage kann ich das aushalten, ohne dass es mir viel ausmacht, aber kein Mensch haelt es drei Tage lang aus. Ich bin jetzt so nervoes wie eine Maus. [Er setzt sich auf die Ottomane und stuetzt den Kopf in die Hand.] Moechten Sie mich weinen sehen? Raina [bestuerzt]: Nein! Der Fluechtling: Wenn Sie das wollen, brauchen Sie mich nur auszuschelten als ob ich ein kleiner Bub waere und Sie das Kindermaedchen. Wenn ich jetzt im Lager waere, wuerde man allerhand Spass mit mir treiben. Raina [ein wenig geruehrt]: Sie tun mir leid, ich werde Sie nicht ausschelten. [Von dem Mitgefuehl in ihrer Stimme ergriffen, hebt er den Kopf und blickt dankbar zu ihr auf. Sie wendet sich sofort von ihm weg und sagt steif:] Sie muessen mich entschuldigen, UNSERE Soldaten sind eben ganz anders. [Sie geht von der Ottomane fort.] Der Fluechtling: O nein, ganz ebenso! Es gibt ueberhaupt nur zweierlei Arten Soldaten; junge und alte. Ich diene seit vierzehn Jahren; die Haelfte von Ihren Leuten hatte bisher noch kein Pulver gerochen! Nun, wie kommt es, dass sie uns eben geschlagen haben? Nur infolge gaenzlicher Unkenntnis der Kriegskunst, durch nichts weiter. [Verachtungsvoll:] Ich habe nie einen groesseren Mangel an Berufskenntnis gesehen! Raina [ironisch]: Oh, war es Mangel an Berufskenntnis, Sie zu schlagen? Der Fluechtling: So hoeren Sie! Halten Sie es fuer militaerisch, ein Kavallerieregiment einer Schnellfeuerbatterie entgegenzuwerfen mit der Gewissheit, dass, falls die Kanonen losgehen, weder Pferd noch Mann jemals der Batterie auf fuenfzig Meter nahe kommen? Ich traute meinen Augen kaum, als ich den Bloedsinn sah. Raina [wendet sich freudig zu ihm, erregt, weil ihr Enthusiasmus und ihre Ruhmestraeume sie wieder ueberkommen]: Haben Sie die grosse Kavallerieattacke gesehen? Oh, erzaehlen Sie mir davon, beschreiben Sie sie mir. Der Fluechtling: Sie haben noch niemals eine Kavallerieattacke gesehen, nicht wahr? Raina: Wie sollte ich! Der Fluechtling: Natuerlich, woher auch! Na, es ist ein spasshafter Anblick. Gerade, als ob man eine Handvoll Erbsen gegen eine Fensterscheibe schleuderte. Erst kommt einer, dann zwei oder drei dicht hinterher, und dann in einer Reihe die ganze Rotte. Raina [mit weiten Augen, erbebt sich, waehrend sie die Haende begeistert zusammenschlaegt]: Ja, zuerst ein einziger, der Tapferste der Tapferen! Der Fluechtling [prosaisch]: Na, Sie sollten sehen, wie der arme Teufel versucht sein Pferd zurueckzuhalten. Raina: Warum sollte er sein Pferd zurueckhalten? Der Fluechtling [ungeduldig ueber die dumme Frage]: Na, weil es doch mit ihm durchgeht, natuerlich. Glauben Sie, dass der Bursche Lust hat, als Erster anzukommen, um so vor allen andern getoetet zu werden? Dann kommen die uebrigen heran. Alle. Sie koennen die Jungen an ihrer Wildheit und Schneidigkeit erkennen, die Alten kommen in geschlossenen Haufen daher, sie wissen, dass sie nur Kanonenfutter sind und dass es keinen Zweck hat, einen Kampf zu versuchen. Die meisten Wunden sind gebrochene Kniescheiben infolge des Zusammenprallens der Pferde. Raina: Schrecklich! Aber ich glaube nicht, dass der erste Reiter ein Feigling ist--ich glaube, er ist ein Held. Der Fluechtling [gutmuetig]: Das wuerden Sie auch gesagt haben, wenn Sie HEUTE den ersten Reiter bei der Attacke gesehen haetten!! Raina [atemlos, ihm alles verzeihend]: Ah, ich wusste es! Erzaehlen Sie, erzaehlen Sie mir von ihm! Der Fluechtling: Er benahm sich wie ein Operettentenor--ein wohlgebauter, huebscher Bursche mit spruehenden Augen und prachtvollem Schnurrbart, der sein Hurra bruellte und angriff wie Don Quijote die Windmuehlen. Wir haben uns ueber ihn halbtot gelacht! Als aber der Feldwebel gelaufen kam, bleich wie der Tod, und uns sagte, dass wir aus Versehen die falschen Patronen bekommen haetten und dass wir fuer die naechsten zehn Minuten keinen Schuss abgeben koennten, da ist uns das Lachen vergangen! Mir war nie so schlecht in meinem ganzen Leben, obwohl ich schon in mancher boesen Lage gewesen bin. Ich hatte nicht einmal eine Revolverpatrone, nichts als Schokolade, nicht einmal Bajonette hatten wir--nichts. Natuerlich haben sie uns in Stuecke gehauen, und da kam dieser Don Quijote wie ein Tambourmajor herangestuermt und glaubte, das Kluegste von der Welt getan zu haben, statt dessen verdiente er, dafuer vor das Kriegsgericht gestellt zu werden. Von allen Narren, die jemals auf einem Schlachtfelde losgelassen worden sind, muss das der schlimmste sein! Er und sein Regiment begingen einfach einen Selbstmord, nur ging die Pistole nicht los, das war alles. Raina [aufs tiefste verletzt, doch standhaft ihren Idealen treu]: Wahrhaftig! Wuerden Sie ihn wiedererkennen, wenn Sie ihn saehen? Der Fluechtling: Werde ich ihn je vergessen koennen! [Sie geht wieder zur Kommode, er beobachtet sie mit schuechternen Hoffnungen, dass sie vielleicht noch etwas fuer ihn zu essen habe. Sie nimmt das Bild von der Kommode und bringt es ihm.] Raina: Das ist die Photographie jenes Reiters--des Patrioten und Helden, dem ich verlobt bin. Der Fluechtling [das Bild mit Entsetzen erkennend]: Es tut mir wirklich sehr leid,,, [Sieht sie an.] War das recht, mich so aufs Glatteis zu fuehren? [Blickt wieder auf das Bild.] Ja, das ist er ohne Zweifel. [Er unterdrueckt ein Lachen.] Raina [rasch]: Warum lachen Sie? Der Fluechtling [beschaemt, aber immer noch sehr belustigt]: Ich versichere Ihnen--ich habe nicht gelacht--, zumindest hatte ich nicht die Absicht. Aber wenn ich an ihn denke, wie er die Windmuehlen stuermte und dabei glaubte, die schoenste Tat von der Welt zu vollbringen! [Er schuettelt sich vor unterdruecktem Lachen.] Raina [strenge]: Geben Sie mir das Bild zurueck! Der Fluechtling [mit aufrichtiger Reue]: Hier, bitte. Verzeihen Sie! Es tut mir wirklich furchtbar leid. [Sie kuesst das Bild bedachtsam und sieht dem Fluechtling gerade ins Gesicht, bevor sie es auf die Kommode zurueckstellt. Er folgt ihr, sich entschuldigend]: Wissen Sie, ich tu' ihm vielleicht sehr unrecht, sogar ganz gewiss. Hoechstwahrscheinlich hat er von der Munitionsgeschichte irgendwo Wind bekommen und wusste, dass es eine gefahrlose Sache war. Raina: Das soll heissen, dass er ein Aufschneider und ein Feigling ist. Vorhin haben Sie das wenigstens nicht zu sagen gewagt. Der Fluechtling [mit einer komiscben Verzweiflungsgeste]: Ich bemuehe mich umsonst, verehrtes Fraeulein, es gelingt mir nicht, Ihnen die Sache vom berufsmaessigen Standpunkt aus zu zeigen. [Als er sich umwendet, um zur Ottomane zu geben, wird neuerdings aus der Ferne Gewehrfeuer vernehmbar]: Raina [strenge, als sie bemerkt, wie er auf die Schuesse horcht]: Desto besser fuer Sie. Der Fluechtling [sich umwendend]: Wie meinen Sie das? Raina: Sie sind mein Feind und in meiner Gewalt--was wuerde ich zu tun haben vom berufsmaessigen Standpunkt aus? Der Fluechtling: Ah, das ist wahr! Verehrtes Fraeulein, Sie haben immer recht. Ich weiss, was Sie fuer mich getan haben und was ich Ihnen verdanke. Bis zu meiner letzten Stunde werde ich der drei Pralines gedenken. Es war unmilitaerisch, aber wie engelsgut von Ihnen! Raina [kalt]: Ich danke Ihnen, aber nun will ich mich militaerisch benehmen. Sie koennen nicht hierbleiben, nach dem, was Sie ueber meinen zukuenftigen Gatten gesagt haben, aber ich will auf den Balkon gehen und nachsehen, ob Sie jetzt vollkommen gefahrlos auf die Strasse hinunterklettern koennen. [Sie geht an das Fenster.] Der Fluechtling [seine Miene veraendert sich]: Diese Wasserrinne hinunter? Halten Sie ein, das kann ich nicht, das mag ich nicht! --der blosse Gedanke daran macht mich schon schwindlig. Ich kam leicht genug herauf mit dem Tode auf den Fersen, aber das jetzt kalten Blutes riskieren...! [Er sinkt auf die Ottomane.] Es ist umsonst, ich bin besiegt, ich gebe den Kampf auf, ich bin verloren--Sie koennen jetzt Laerm schlagen! [Er stuetzt den Kopf todestraurig in die Haende.] Raina [von Mitleid entwaffnet]: Gehen Sie, verlieren Sie nicht den Mut. [Sie beugt sich beinahe muetterlich ueber ihn, er schuettelt den Kopf.] Oh, Sie sind ein recht klaeglicher Krieger, ein Pralinesoldat. Gehen Sie, fassen Sie sich. Es gehoert weniger Mut dazu, da hinunterzuklettern als der Gefangenschaft ins Auge zu sehen--bedenken Sie das. Der Fluechtling [schlaefrig, von ihrer Stimme eingewiegt]: Nein, Gefangenschaft bedeutet nur Tod, und Tod ist Schlaf.--Oh schlafen, schlafen, schlafen, ungestoert schlafen...Die Dachrinne hinabklettern heisst, etwas unternehmen, sich anstrengen, denken! Zehnmal lieber den Tod! Raina [leise und verwundert, in seinen schlaefrigen Ton verfallend]: Sind Sie so schlaefrig? Der Fluechtling: Ich habe keine zwei Stunden ungestoert geschlafen, seit ich zur Truppe eingerueckt bin. Ich war im Generalstab. Sie wissen nicht, was das heisst: ich habe seit achtundvierzig Stunden kein Auge geschlossen. Raina [am Ende ihrer Weisheit]: Aber was soll ich mit Ihnen anfangen? Der Fluechtling [faehrt taumelnd auf, von ihrer Verzweiflung aufgestachelt]: Natuerlich, ich muss etwas tun. [Er schuettelt sich, rafft sich zusammen und spricht mit wiedergewonnener Kraft und Mut:] Sehen Sie, schlaefrig oder nicht schlaefrig, hungrig oder nicht hungrig, muede oder nicht muede--man kann eine Sache immer tun, wenn man weiss, dass sie getan werden muss. Gut denn, die Dachrinne muss hinabgeklettert werden. [Er schlaegt sich mit der Faust an die Brust]: Hoerst du das, du Pralinesoldat?! [Er geht an das Fenster.] Raina [aengstlich]: Aber wenn Sie stuerzen? Der Fluechtling: Dann werde ich schlafen, als ob das Pflaster ein Federbett waere. Leben Sie wohl. [Er tritt kuehn an das Fenster und legt seine Hand an den Laden, da ertoent unten auf der Strasse wieder eine entsetzliche Salve.] Raina [zu ihm eilend]: Bleiben Sie! [Sie erfasst ihn ohne Bedenken und reisst ihn zurueck.] Man wird Sie toeten. Der Fluechtling [kuehl, aber aufmerksam]: Das macht nichts und gehoert eben zu meinem taeglichen Beruf; ich muss es riskieren. [Entschlossen]: Nun tun Sie, was ich Ihnen sage: loeschen Sie die Kerzen aus, damit man das Licht nicht sehen kann, wenn ich die Laeden oeffne, und halten Sie sich ja vom Fenster fern, was immer auch geschehen mag. Wenn die mich sehen, werden sie sicher nach mir schiessen. Raina [sich an ihn haengend]: Sie werden Sie ganz sicher sehen, der Mond scheint hell. Ich will Sie retten,,, Oh, wie koennen Sie nur so gleichgueltig sein! Sie wollen doch, dass ich Sie retten soll, nicht wahr? Der Fluechtling: Ich moechte Sie wirklich nicht laenger stoeren. [Sie schuettelt ihn in ihrer Ungeduld]: Ich bin durchaus nicht gleichgueltig gegen den Tod, verehrtes Fraeulein, glauben Sie mir, aber was soll ich sonst anfangen? Raina: Vor allem kommen Sie doch vom Fenster fort, ich bitte Sie. [Sie schmeichelt ihn in die Mitte des Zimmers zurueck, er ergibt sich unterwuerfig darein; sie laesst ihn frei und spricht goennerhaft zu ihm]: Hoeren Sie, Sie muessen unserer Gastfreundschaft vertrauen; Sie wissen noch nicht, in wessen Haus Sie sich befinden--ich bin eine Petkoff. Der Fluechtling [naiv]: Was ist das? Raina [etwas entruestet]: Ich meine, dass ich der Familie Petkoff angehoere, der reichsten und angesehensten unseres Landes. Der Fluechtling: O ja, natuerlich! Entschuldigen Sie--die Petkoffs! freilich! Wie dumm von mir! Raina: Sie wissen ganz gut, dass Sie bis zu dieser Minute den Namen nie gehoert haben! Wie koennen Sie sich dazu erniedrigen, so zu tun, als ob er Ihnen bekannt vorkaeme? Der Fluechtling: Verzeihen Sie, ich bin zu muede, um zu denken, und der Wechsel des Gespraechsthemas war zuviel fuer mich; zanken Sie mich nicht aus. Raina: Ich vergass--Sie koennten zu weinen anfangen. [Er nickt ganz ernst, sie schmollt und faehrt dann in goennerhaftem Tone fort]: Ich will Ihnen bloss sagen, dass mein Vater den hoechsten Befehlshaberposten in unserer Armee bekleidet, den irgend ein Bulgare innehat. [Stolz]: Er ist Major! Der Fluechtling [tut, als ob das einen tiefen Eindruck auf ihn machte]: Major? Du lieber Himmel! Denken Sie nur! Raina: Sie haben grosse Ortsunkenntnis bewiesen, indem Sie es fuer noetig hielten, am Balkon heraufzuklettern, weil unser Haus das einzige Privathaus ist, das zwei Reihen Fenster hat. Es ist eine Treppe im Flur, auf der man hinauf und hinunter kann. Der Fluechtling: Eine Treppe? Wie grossartig! Sie sind aber von ungewoehnlichem Luxus umgeben, verehrtes Fraeulein. Raina: Wissen Sie, was eine Bibliothek ist? Der Fluechtling: Eine Bibliothek? Ein Zimmer voll Buecher? Raina: Ja, wir haben ein solches, das einzige in ganz Bulgarien. Der Fluechtling: Wahrhaftig? Ein wirkliches Bibliothekzimmer? Das moechte ich aber gerne sehen. Raina [geziert]: Ich sage Ihnen diese Dinge bloss, um Ihnen zu zeigen, dass Sie bei zivilisierten Leuten sind, nicht im Hause von ungebildeten Bauern, die Sie toeten wuerden, sobald sie Ihre serbische Uniform gewahrten. Wir gehen jedes Jahr zur Opernsaison nach Bukarest, und ich habe schon einen ganzen Monat in Wien zugebracht. Der Fluechtling: Das habe ich bemerkt, gnaediges Fraeulein; ich habe sofort gesehen, dass Sie die Welt kennen. Raina: Haben Sie jemals die Oper Hernani gehoert? Der Fluechtling: Ist das die, in der ein Soldatenchor und ein Teufel in rotem Samt vorkommt? Raina [verachtungsvoll]: Nein. Der Fluechtling [einen tiefen Muedigkeitsseufzer unterdrueckend]: Dann kenne ich die Oper nicht. Raina: Ich dachte, Sie wuerden sich vielleicht an die grosse Szene erinnern, in der Hernani auf der Flucht vor seinen Feinden--gerade so wie Sie heute nacht--in das Schloss seines erbittertsten Gegners, eines alten kastilianischen Granden, fluechtet! Der Edelmann verweigert seine Auslieferung, sein Gast ist ihm heilig! Der Fluechtling [rasch, wacht wieder etwas auf]: Sind Ihre Angehoerigen auch dieser Ansicht? Raina [mit Wuerde]: Meine Mutter und ich, wir verstehen diese "Ansicht", wie Sie sich ausdruecken, und wenn Sie, statt mich mit Ihrer Pistole zu bedrohen, sich einfach als Fluechtling unserer Gastfreundschaft anvertraut haetten, Sie waeren sicher gewesen wie in Ihrem Vaterhaus. Der Fluechtling: Ganz gewiss? Raina [kehrt ihm angewidert den Ruecken]: Oh, es ist verlorene Muehe, Ihnen etwas begreiflich machen zu wollen! Der Fluechtling: Bitte, seien Sie nicht boese, Sie koennen sich denken, wie schlimm es fuer mich waere, wenn da ein Irrtum vorlaege. Mein Vater ist ein sehr gastfreundlicher Mann, er hat sechs Hotels, aber ich koennte ihm nicht so weit vertrauen. Wie ist es mit Ihrem Herrn Vater? Raina: Er ist fort, in Slivnitza, um fuer sein Vaterland zu kaempfen. Ich buerge fuer Ihre Sicherheit. Hier meine Hand darauf. Wird Sie das beruhigen? [Sie bietet ihm ihre Hand.] Der Fluechtling [sieht seine eigene Hand zweifelhaft an]: Es ist besser, wenn Sie meine Hand nicht beruehren, verehrtes Fraeulein, ich muss mich erst waschen. Raina [geruehrt]: Das ist nett von Ihnen. Ich sehe, Sie sind ein Gentleman. Der Fluechtling [verwundert]: Wieso? Raina: Sie duerfen nicht glauben, dass ich ueberrascht bin--die Bulgaren aus besseren Kreisen, Leute in unserer Stellung zum Beispiel, waschen sich auch fast taeglich die Haende--aber ich schaetze Ihr Zartgefuehl, Sie duerfen meine Hand nehmen. [Bietet ihm abermals die Hand.] Der Fluechtling [kuesst ihr die Hand, seine Haende auf dem Ruecken]: Ich danke Ihnen, mein liebenswuerdiges Fraeulein. Endlich fuehle ich mich geborgen. Bitte, wollen Sie so gut sein und Ihre Frau Mutter von meiner Anwesenheit bald benachrichtigen; es wuerde sich nicht schicken, wenn ich hier laenger als noetig im geheimen verweilte. Raina: Wenn Sie sich ganz ruhig verhalten wollen, waehrend ich weg bin. Der Fluechtling: Gewiss. [Er setzt sich auf die Ottomane, Raina geht an das Bett, holt ihren Pelzmantel und wirft ihn um. Ihm fallen die Augen zu, sie geht zur Tuer, wirft einen letzten Blick nach ihm hin und sieht, dass er im Begriff ist, einzuschlafen.] Raina [an der Tuer]: Sie werden jetzt doch nicht etwa einschlafen? [Er murmelt unartikulierte Laute, sie laeuft zu ihm hin und schuettelt ihn.] Hoeren Sie? So wachen Sie doch auf--Sie schlafen ja ein! Der Fluechtling: Was, ich schlafe ein? O nein, nicht im geringsten--ich habe nur nachgedacht,,, es ist schon gut--ich bin ganz wach. Raina [strenge]: Wollen Sie so gut sein, stehen zu bleiben, waehrend ich weg bin--ja? [Er erhebt sich widerwillig]: Die ganze Zeit ueber, verstanden! Der Fluechtling [unruhig wankend]: Gewiss, gewiss, Sie koennen sich darauf verlassen. [Raina sieht ihn unglaeubig an, er laechelt matt, sie geht zoegernd zur Tuer, wo sie sich umwendet, und ihn fast beim Gaehnen ertappt. Sie geht ab.] Der Fluechtling [schlaftrunken]: Schlafen, schlafen, schlafen, schlafen, schla,,,--[Die Worte gehen in ein Murmeln ueber, er rafft sich wieder auf, im Begriff umzufallen.] Wo bin ich? Das moechte ich gerne wissen,,, ich muss wach bleiben,,, nichts haelt mich aber wach ausser Gefahr, bedenke das--[Nachdruecklich]: Gefahr, Gefahr, Gefahr, Gef...--[Knickt wieder zusammen, ruettelt sich abermals auf.] Wo ist Gefahr? Das muss ich ausfindig machen,,, [Er geht unsicher umher, als wenn er nach Gefahr suchte.] Was suche ich da?,,, Schlaf--Gefahr--ich weiss es nicht. [Er strauchelt gegen das Bett zu.] Ach ja, nun weiss ich's,,, alles ist in Ordnung, ich soll zu Bett gehen--aber nicht schlafen--ganz bestimmt nicht schlafen,,, wegen der Gefahr. Auch nicht niederlegen, nur niedersetzen. [Er setzt sich auf das Bett, sein Gesicht nimmt einen gluecklichen Ausdruck an]: Ah,,,[Mit einem freudigen Seufzer sinkt er der Laenge nach zurueck, hebt mit einer letzten Anstrengung seine gestiefelten Beine ins Bett und faellt sofort in tiefen Schlaf.] [Katharina tritt ein, Raina folgt ihr.] Raina [auf die Ottomane blickend]: Er ist fort, hier verliess ich ihn. Katharina: Hier? Dann muss er hinuntergeklettert sein vom-Raina [ihn erblickend]: Oh! [Sie zeigt auf ihn.] Katharina [empoert]: Ah! [Sie geht mit grossen Schritten auf das Bett zu, Raina folgt ihr und bleibt ihr gegenueber auf der andern Seite des Bettes stehen.]Er ist fest eingeschlafen, dieser Unmensch! Raina [aengstlich]: Scht! Katharina [ihn schuettelnd]: Herr! [Ihn noch heftiger schuettelnd:] Herr!! [Ihn ausserordentlich stark schuettelnd:] Herr!!! Raina [faellt ihr in den Arm]: Nicht, Mama, der arme Mann ist ganz erschoepft, lass ihn schlafen. Katharina [laesst ihn los und wendet sich erstaunt zu Raina]: Der arme Mann! Raina! [Sieht ihre Tochter starr an, der Fluechtling schlaeft fest.] [Vorhang] ZWEITER AKT [Am 6. Maerz 1886. In dem frischen huebschen Garten von Major Petkoffs Haus an einem schoenen Fruehlingsmorgen. Hinter dem Zaun tauchen die Spitzen von zwei Minaretts auf, die Wahrzeichen einer kleinen Stadt im Tal. Ein paar Meilen davon entfernt erheben sich die Balkanberge und umschliessen die Landschaft. Wenn man vom Garten zu ihnen hinueberblickt, liegt zur Linken die Seite des Hauses, aus der eine kleine Tuer mit Stufen davor in den Garten fuehrt. Rechts schneidet der Stallhof mit seinem Torweg in den Garten ein. Den Zaun und das Haus entlang stehen Beerenstraeucher, die mit zum Trocknen ausgespannter Waesche behaengt sind. Ein kleiner Weg fuehrt an dem Hause vorbei; er fuehrt zwei Stufen empor an die Ecke und verliert sich dann.--In der Mitte ein kleiner Tisch mit zwei Stuehlen aus gebogenem Holz. Auf dem Tisch steht das Fruehstueck, eine tuerkische Kaffeekanne, Kaffeetassen und Broetchen usw. Die Schalen wurden schon gebraucht, und das Brot ist angebrochen.--An der Mauer zur Rechten steht eine hoelzerne Gartenbank. Louka steht, eine Zigarette rauchend, zwischen Tisch und Haus und kehrt mit zorniger Verachtung einem maennlichen Dienstboten den Ruecken, der ihr eben eine Strafpredigt haelt. Es ist ein Mann in den besten Jahren, phlegmatisch und von niedriger, aber klarer und rascher Intelligenz. Er hat die Selbstgefaelligkeit eines Dieners, der seine Dienste hoch einschaetzt, und den unerschuetterlichen Gleichmut eines kalt berechnenden Menschen ohne Illusionen. Er traegt weisse bulgarische Tracht, eine Jacke mit bunten Borten, weite Pumphosen, Schaerpe und verzierte Gamaschen. Sein Kopf ist bis an den Scheitel glattrasiert, was ihm eine hohe japanische Stirne gibt. Sein Name ist Nicola.] Nicola: Lass dich rechtzeitig warnen, Louka, aendere dein Benehmen. Ich kenne unsere Gnaedige. Sie ist zu selbstbewusst, um sich jemals traeumen zu lassen, dass eine Dienerin es wagen koennte, ihr gegenueber respektlos zu sein. Aber lass sie nur einmal bemerken, dass du ihr Trotz bietest, und du fliegst hinaus. Louka: Ich trotze ihr doch; ich will ihr trotzen--was liegt mir daran? Nicola: Wenn du mit der Herrschaft Streit bekommst, kann ich dich niemals heiraten; es ist genau so, als ob du dich mit mir nicht vertragen wuerdest. Louka: Du nimmst also ihre Partei gegen mich? Nicola [gelassen]: Ich werde immer von der Gnade unserer Herrschaft abhaengig sein. Wenn ich den Dienst verlasse, um einen Laden in Sofia aufzumachen, dann wird ihre Kundschaft mein halbes Kapital bedeuten. Ein boeses Wort von ihnen koennte mich zugrunde richten. Louka: Du hast eben keine Kurage! Ich moechte sehen, ob sie sich unterstehen wuerden, ueber mich ein boeses Wort zu sagen! Nicola [mitleidig]: Ich haette dich fuer gescheiter gehalten, Louka, aber du bist eben jung--noch sehr jung. Louka: Gewiss. Ja, und du liebst mich darum um so mehr, nicht wahr? Aber so jung ich bin, kenne ich doch ein paar Familiengeheimnisse, von denen sie nicht wuenschen wuerden, dass ich sie ausplaudere. Sie sollen es nur wagen, mit mir anzubinden! Nicola [mitleidig und ueberlegen]: Weisst du, was sie taeten, wenn sie dich so sprechen hoerten? Louka: Was koennten sie tun? Nicola: Dich wegen Luegenhaftigkeit entlassen. Wer wuerde dir dann jemals wieder ein Wort glauben, wer dir eine andere Stellung verschaffen? Wer in diesem Hause wuerde es wagen, auch nur wieder mit dir zu sprechen? Und wie lange wuerde dein Vater auf seinem kleinen Bauernhof belassen werden?! [Sie wirft ungeduldig den Rest ihrer Zigarette fort und tritt darauf]: Du grosses Kind! Du weisst eben nicht, was fuer eine Macht so hohe Herrschaften ueber unsereins haben, sobald wir armen Teufel versuchen, uns gegen sie aufzulehnen. [Er tritt nahe an sie heran, mit leiser Stimme]: Schau mich an! Seit zehn Jahren diene ich in diesem Hause--glaubst du, dass ich da keine Geheimnisse weiss? Ich weiss Dinge von unserer Frau! Nicht um tausend Leu wuerde sie wollen, dass ihr Mann sie erfuehre! Und ich weiss Dinge von ihm, wegen deren sie ihm ein halbes Jahr lang zusetzen wuerde, wenn ich sie ausplaudern wollte. Ich weiss Dinge von Fraeulein Raina! Die Aufloesung der Verlobung mit Sergius waere die Folge, wenn-- Louka [sich rasch zu ihm wendend]: Woher weisst du denn das? Ich habe dir doch nie etwas gesagt? Nicola [reisst die Augen verschmitzt auf]: Das also ist dein kleines Geheimnis! Ich dachte gleich, es koennte so was sein. Nun, befolge meinen Rat, benimm dich ehrerbietig und lass die Gnaedige fuehlen, dass, ganz gleich, was du weisst oder nicht weisst, sie sich darauf verlassen kann, dass du reinen Mund halten und deiner Herrschaft treu bleiben wirst. Das ist's, was sie gern haben, und auf diese Weise wirst du am meisten von ihnen herauskriegen. Louka [verachtungsvoll]: Du bist eine Bedientenseele, Nicola! Nicola [vergnuegt]: Jawohl, das ist das Geheimnis des Erfolges im Dienste. [Ein lautes Klopfen mit einem Peitschenknopf an das hoelzerne Tor wird vom Hofe her gehoert.] Maennliche Stimme [von aussen]: Hallo! Heda! Nicola! Louka: Der Herr, aus dem Kriege zurueck! Nicola [rasch]: Meiner Treu, Louka, der Krieg ist vorueber! Mach, dass du fortkommst, und bring frischen Kaffee! [Er laeuft hinaus auf den Stallhof.] Louka [waehrend sie Kaffeekanne und Tassen zusammenraeumt und auf dem Servierbrett in das Haus hineintraegt]: Du wirst aus mir niemals eine Bedientenseele machen! [Major Petkoff kommt vom Stallhofe her, Nicola folgt ihm. Der Major ist ein leicht erregbarer heiterer, unbedeutender, ungebildeter Mann von ungefaehr fuenfzig Jahren. Von Natur aus ohne Ehrgeiz, nur um sein Einkommen und seine Wichtigkeit in der Lokalgesellscbaft bekuemmert, ist er jetzt doch aeusserst zufrieden mit dem militaerischen Rang, der ihm waehrend des Krieges als einer der Hauptpersonen seiner Stadt eingeraeumt wurde. Das Fieber eines tollkuehnen Patriotismus, den der Angriff der Serben in allen Bulgaren hervorrief, hat ihm durch den Krieg durchgeholfen, aber er ist sichtlich froh, wieder zu Hause zu sein.] Petkoff [mit seiner Peitsche auf den Tisch zeigend]: Hier draussen das Fruehstueck? Nicola: Jawohl, gnaediger Herr. Die gnaedige Frau und Fraeulein Raina sind soeben ins Haus gegangen. Petkoff [setzt sich und nimmt ein Broetchen]: Geh hinein und sage, dass ich gekommen bin, und bringe mir frischen Kaffee. Nicola: Ist schon bestellt, gnaediger Herr. [Er wendet sich gegen die Haustuer, Louka kommt mit frischem Kaffee, einer reinen Tasse und einer Flasche Schnaps auf ihrem Servierbrett]: Haben Sie die gnaedige Frau verstaendigt? Louka: Ja, die Gnaedige kommt gleich. [Nicola geht in das Haus hinein. Louka stellt den Kaffee auf den Tisch.] Petkoff: Na, die Serben scheinen dich nicht geraubt zu haben? Louka: Nein, gnaediger Herr. Petkoff: Das ist recht. Hast du mir Kognak gebracht? Louka [die Flasche auf den Tisch setzend]: Hier, gnaediger Herr. Petkoff: So ist's recht. [Er giesst ein paar Tropfen Kognak in seinen Kaffee. Katharina, die zu der fruehen Stunde nur eine sehr fluechtige Toilette gemacht hat, tritt aus dem Hause. Sie traegt eine bulgarische Schuerze ueber einem ehemals praechtigen, aber jetzt halb abgetragenen roten Schlafrock. Ein farbiges Kopftuch ist um ihr dickes schwarzes Haar gewunden. Sie hat tuerkische Pantoffeln an den blossen Fuessen. Sie sieht trotz ihrer Toilette erstaunlich huebsch und stattlich aus. Louka geht in das Haus zurueck.] Katharina: Mein lieber Paul, nein, ist das eine Ueberraschung fuer uns! [Sie beugt sich ueber die Lehne seines Stuhls, um ihn zu kuessen]: Hast du schon frischen Kaffee bekommen? Petkoff: Ja, Louka hat schon fuer mich gesorgt.--Der Krieg ist aus, der Friede wurde schon vor drei Tagen in Bukarest unterzeichnet, und der Abruestungsbefehl fuer unsere Armee ist gestern ausgegeben worden. Katharina [springt auf, mit spruehenden Augen]: Der Krieg zu Ende! Paul, haben euch die Oesterreicher vielleicht GEZWUNGEN, Frieden zu schliessen? Petkoff [unterwuerfig]: Meine Teuere, sie haben mich nicht gefragt, was konnte ich tun? [Sie setzt sich und wendet sich von ihm ab]: Aber natuerlich haben wir dafuer gesorgt, dass der Vertrag ein ehrenhafter sei, er sichert den Frieden. Katharina [beleidigt]: Frieden! Petkoff [sie besaenftigend]: Aber durchaus keine freundschaftlichen Beziehungen, merke wohl. Sie wollten das hineinsetzen, aber ich bestand darauf, dass es gestrichen wuerde--was haette ich noch mehr tun koennen? Katharina: Du haettest Serbien annektieren und den Prinzen Alexander zum Kaiser des Balkans machen koennen; das haette ich getan! Petkoff: Ich zweifle nicht daran, Teuerste. Aber ich haette zuvor das ganze oesterreichische Kaiserreich unterwerfen muessen, und das haette mich zu lange von dir ferne gehalten; du hast mir schon sehr gefehlt. Katharina [freundlich]: Ah! [Sie streckt ihren Arm liebevoll ueber den Tisch, um seine Hand zu druecken.] Petkoff: Und wie ist es dir ergangen, Liebste? Katharina: Oh, bis auf meine gewohnten Halsschmerzen recht gut. Petkoff [mit Ueberzeugung]: Das kommt davon, dass du dir taeglich den Hals waeschst; ich habe dich schon oft davor gewarnt. Katharina: Das ist Unsinn, Paul. Petkoff [ueber seinem Kaffee und der Zigarette]: Ich bin sehr dagegen, dass man diese modernen Gewohnheiten zu sehr nachahmt; das ewige Waschen kann nicht gesund sein, es ist unnatuerlich. In Philippopel war ein Englaender, der die Gewohnheit hatte, sich jeden Morgen nach dem Aufstehen ueber und ueber mit kaltem Wasser zu begiessen. Ekelhaft! Der Unfug kommt ueberhaupt von den Englaendern. Ihr Klima macht sie so schmutzig, dass sie sich in einem fort waschen muessen. Schau doch meinen Vater an; er hat in seinem ganzen Leben nie gebadet und ist dabei doch achtundneunzig Jahre alt geworden, der gesuendeste Mann Bulgariens. Ich habe ja nichts dagegen, mich einmal in der Woche ordentlich zu waschen, um meiner Stellung genuege zu tun--aber jeden Tag, das heisst doch, die Sache in laecherlicher Weise uebertreiben. Katharina: Im Herzen bist du noch immer ein Barbar, mein lieber Paul. Ich hoffe, du hast dich vor all den russischen Offizieren gut benommen. Petkoff: Ich tat, was ich konnte, und habe auch dafuer gesorgt, dass sie erfuhren, dass wir eine Bibliothek haben! Katharina: Ah--aber dass wir auch eine elektrische Klingel darin haben, das wissen sie nicht! Ich habe in deiner Abwesenheit eine anbringen lassen. Petkoff: Was ist das, eine elektrische Klingel? Katharina: Du beruehrst einen Knopf, es klingelt in der Kueche, und dann kommt Nicola herein. Petkoff: Man kann ja nach ihm schreien! Katharina: Zivilisierte Leute schreien nie nach ihren Dienstboten; ich habe das gelernt, waehrend du fort warst. Petkoff: Nun, ich will dir auch sagen, was ich gelernt habe. Zivilisierte Leute haengen ihre Waesche nicht so zum Trocknen auf, dass jeder Besucher sie sehen kann. Es waere deshalb besser, du wuerdest all das Zeug [er zeigt auf die Waesche an den Bueschen,] irgendwo anders hinhaengen. Katharina: Aber das ist doch laecherlich, Paul; ich kann mir nicht denken, dass wirklich feine Leute solche Dinge ueberhaupt bemerken. [Man hoert jemanden an das Hoftor klopfen.] Petkoff: Das ist Sergius. [Ruft]: Holla! Nicola! Katharina: Rufe doch nicht so laut, Paul. Das ist wirklich nicht fein! Petkoff: Unsinn. [Er ruft lauter als vorher:] Nicola! Nicola [erscheint vor der Haustuer]: Zu Befehl, gnaediger Herr. Petkoff: Wenn das Major Saranoff ist, fuehre ihn hierher. [Er spricht den Namen mit einer Dehnung auf der zweiten Silbe aus: "Sarahnoff".] Nicola: Sehr wohl, gnaediger Herr! [Er geht nach dem Stallhofe zu.] Petkoff: Unterhalte du ihn, Teuerste, bis Raina ihn uns entzieht. Er quaelt mich sonst wieder mit Vorwurfen weil wir ihn nicht befoerdert haben--ueber meinen Kopf hinweg, bitte! Katharina: Gewiss. Er sollte auch gewiss befoerdert werden, wenn er Raina heiratet. Ueberdies sollte das Land darauf bestehen, wenigstens einen eingeborenen General zu bekommen. Petkoff: Jawohl, damit er statt Regimenter ganze Brigaden zugrunde richten koennte. Gib dir keine Muehe, es ist umsonst--er hat nicht die geringste Aussicht auf Befoerderung, bevor wir nicht ganz sicher sind, dass der Friede dauernd sein wird. Nicola [an der Tuer anmeldend]: Major Sergius Saranoff. [Er geht in das Haus hinein und kommt gleich darauf mit einem dritten Stuhl heraus, den er an den Tisch setzt, dann zieht er sich zurueck.] [Major Sergius Saranoff, das Original des Bildes in Rainas Schlafzimmer, ist ein grosser, romantisch schoener Mann, von der Verwegenheit, dem hohen Mut und der leicht erregbaren Phantasie eines Haeuptlings wilder Bergbewohner, aber seine auffallende persoenliche Vornehmheit ist von charakteristisch zivilisierter Art; seine Augenbrauen winden sich widderhornartig um die vorspringenden Stirnknochen und reichen bis in die Schlaefen. Seine eifersuechtig beobachtenden Augen, seine duenne spitze Nase--furchtsam trotz der breiten Nasenfluegel und des streitsuechtigen hohen Rueckens--sein energisches Kinn wuerden ganz gut in einen Pariser Salon passen, und sie beweisen, dass der gescheite, phantasiereiche Barbar scharfe kritische Faehigkeiten besitzt, die sich infolge des Eindringens der westlichen Zivilisation in den Balkan sehr merklich entwickelt hat. Das Resultat ist ganz aehnlich demjenigen, welches das Aufkommen der Gedanken des 19. Jahrhunderts in England entstehen liess, naemlich "Byronismus". Durch das Gruebeln ueber die dauernde Erfolglosigkeit nicht nur anderer, sondern auch seiner selbst, seinen Idealen nachzuleben--durch seine beharrliche zynische Verachtung der Menschheit, durch den geistlosen Glauben an den unbedingten Wert seiner eigenen Entwuerfe und die Unwuerdigkeit der Welt, die sie missachtet, durch die Empfindlichkeit und den Spott, den jede unter Menschen verbrachte Stunde durch den Stachel kleinlicher Enttaeuschungen seiner nervoesen Aufmerksamkeit verursacht, hat er die halb ironische, halb tragische Art angenommen, die mysterioese Traurigkeit, die Suggestion einer seltsamen und schrecklichen Geschichte, die ihm nichts als ewige Reue hinterlassen hat, all das, wodurch Childe Harold die Grossmuetter seiner englischen Zeitgenossen bezauberte. Es ist klar, dass dieser oder keiner Rainas Held sein muss. Katharina ist fuer ihn kaum weniger begeistert als ihre Tochter, und viel weniger zurueckhaltend, ihm ihre Gefuehle zu zeigen. Als er durch das Hoftor hereinkommt, erhebt sie sich ueberschwenglich, um ihn zu begruessen. Petkoff ist sichtlich weniger aufgelegt, viel aus ihm zu machen.] Petkoff: Schon hier, Sergius? Freut mich, dich wieder zu sehen. Katharina: Mein teuerer Sergius! [Sie streckt ihm beide Haende entgegen.] Sergius [kuesst diese mit skrupuloeser Galanterie]: Verehrte Mutter--wenn ich Sie so nennen darf? Petkoff [trocken]: Schwiegermutter, Sergius! Schwiegermutter! Nimm Platz und bediene dich mit Kaffee. Sergius: Danke schoen, keinen Kaffee fuer mich. [Er entfernt sich vom Tische mit einer gewissen verachtungsvollen Bewegung ueber Petkoffs Genuss am Kaffeetrinken und stellt sich mit bewusster Wuerde gegen das Gelaender der Treppe, die zum Hause fuehrt.] Katharina: Sie sehen praechtig aus, vorzueglich! Der Feldzug ist Ihnen gut bekommen. Hier ist alles ganz begeistert fuer Sie. Wir waren alle ausser uns vor Enthusiasmus ueber Ihre prachtvolle Kavallerieattacke. Sergius [mit bitterer Ironie]: Sie war die Wiege und das Grab meines militaerischen Rufes, gnaedige Frau! Katharina: Wieso? Sergius: Ich gewann die Schlacht auf falsche Weise, waehrend unsere verdienten russischen Generale sie auf die richtige Art verloren. Das warf ihre Plaene ueber den Haufen und verletzte ihre Eitelkeit. Zwei ihrer Obristen wurden mit ihren Regimentern zurueckgeschlagen, aber auf Grund korrekter, wissenschaftlicher Kriegfuehrung. Zwei Generalmajore wurden dabei sogar genau nach militaerischer Vorschrift getoetet. Jene zwei Obristen sind jetzt Generale, und ich bin noch immer ein einfacher Major. Katharina: Das werden Sie nicht bleiben, Sergius; Sie haben die Frauen auf Ihrer Seite, und die werden schon dafuer sorgen, dass Ihnen Gerechtigkeit widerfaehrt. Sergius: Es ist zu spaet; ich habe nur auf den Frieden gewartet, um mein Abschiedsgesuch einzureichen. Petkoff [laesst die Tasse vor Erstaunen fallen]: Dein Abschiedsgesuch? Katharina: Oh, Sie muessen es zurueckziehen. Sergius [mit entschiedener massvoller Betonung, seine Arme kreuzend]: Ich ziehe niemals zurueck. Petkoff [geaergert]: Nein, wer konnte denken, dass du dir so etwas einfallen lassen wuerdest! Sergius [feurig]: Jeder, der mich kannte!--Doch genug von mir und meinen Angelegenheiten! Wie geht es Raina und wo ist sie? Raina [tritt ploetzlich um die Ecke aus dem Hause heraus und wird auf der obersten Stufe bemerkbar]: Da ist Raina! [Sie sieht reizend aus, und alle wenden sich nach ihr um. Sie traegt ein Unterkleid aus blassgruener Seide, das mit einem goldgestickten duennen ekruefarbenen Ueberwurf bedeckt ist. Auf dem Kopfe traegt sie eine huebsche phrygische goldverbraemte Muetze.--Sergius geht ihr mit einem Freudenruf lebhaft entgegen; sie streckt ihre Hand nach ihm aus, die er, sich ritterlich auf ein Knie niederlassend, kuesst.] Petkoff [zu Katharina, strahlend vor vaeterlichem Stolz]: Schoen ist sie, nicht wahr? Sie erscheint immer im richtigen Augenblick. Katharina [ungeduldig]: Ja, sie horcht deswegen, es ist eine abscheuliche Gewohnheit. [Sergius fuehrt Raina nach vorne mit ausserordentlicher Galanterie, als ob sie eine Koenigin waere. Als sie an den Tisch kommen, wendet sie sich mit einer Neigung ihres Kopfes zu Sergius, er verbeugt sich und sie gehen auseinander, er zu seinem Platz und sie hinter den Stuhl ihres Vaters.] Raina [beugt sich nieder und kuesst ihren Vater]: Teurer Vater, willkommen zu Hause! Petkoff [ihre Wangen streichelnd]: Kleiner Liebling! [Er kuesst sie, sie tritt an den Stuhl heran, den Nicola fuer Sergius gebracht hat, und setzt sich.] Katharina: Also, Sie sind nun nicht mehr Soldat, Sergius? Sergius: Nein, ich bin nicht mehr Soldat. "Soldat sein", gnaedige Frau, das ist die Kunst des Feiglings, erbarmungslos anzugreifen, wenn er die Uebermacht hat, und weit vom Schusse zu bleiben, sobald er der Schwaechere ist. Trachte, deinen Feind zu uebervorteilen, und niemals, in keinem Falle, schlage dich mit ihm unter gleichen Bedingungen--das ist das ganze Geheimnis erfolgreicher Schlachten, was, Major? Petkoff: Sie liessen uns zu gar keinem ordentlichen Gefechte Mann gegen Mann kommen. Indessen, ich vermute, dass das Kriegshandwerk ein Geschaeft sein muss wie jedes andere Geschaeft. Sergius: Das ist es eben, aber mir fehlt der Ehrgeiz, als Geschaeftsmann glaenzen zu wollen; deshalb habe ich auch den Rat dieses Handlungsreisenden von Hauptmann befolgt, der den Austausch der Gefangenen bei Pirot besorgte, und meinen Beruf aufgegeben. Petkoff: Was, jenes Schweizers? Ich habe seitdem oft an diesen Austausch gedacht, Sergius; er hat uns mit den Pferden uebervorteilt. Sergius: Natuerlich hat er uns uebervorteilt. Sein Vater ist Hotelbesitzer und Lohnfuhrwerker. Er verdankte seine ersten Erfolge seinen Kenntnissen im Pferdehandel. [Mit hoehnischem Enthusiasmus]: Ah, das war ein Soldat, jeder Zoll ein Krieger! Wenn ich doch bloss die Pferde fuer mein Regiment vorteilhaft gekauft haette, anstatt es toericht der Gefahr entgegenzufuehren, ich waere jetzt Feldmarschall. Katharina: Ein Schweizer? Was hat der in der serbischen Armee zu schaffen gehabt? Petkoff: Ein Freiwilliger natuerlich, darauf erpicht, seinen Beruf auszuueben. [Lachend]: Wir waeren nicht imstande gewesen zu kaempfen, wenn diese Fremden uns nicht gezeigt haetten, wie man es macht. Wir verstanden nichts davon, und die Serben auch nicht. Bei Gott! ohne die Auslaender waere ein Krieg unmoeglich gewesen. Raina: Sind in der serbischen Armee viele Schweizer Offiziere? Petkoff: Nein--alles Oesterreicher, so wie unsere Offiziere alle Russen waren. Das war der einzige Schweizer, dem ich begegnet bin. Ich werde nie wieder einem Schweizer vertrauen; er hat uns betrogen, beschwindelt, so dass wir ihm fuenfzig gesunde Maenner fuer zweihundert verdammte abgetriebene Pferde gegeben haben. Sie waren nicht einmal essbar. Sergius: Wir waren wie zwei Kinder in den Haenden dieses erprobten Soldaten, Major. Ganz einfach zwei unschuldige kleine Kinder. Raina: Wie sah er aus? Katharina: Aber, Raina, was fuer eine dumme Frage! Sergius: Er sah aus wie ein Handlungsreisender in Uniform, Bourgeois vom Scheitel bis zur Sohle. Petkoff [grinsend]: Sergius, erzaehle die merkwuerdige Geschichte, die sein Freund uns von ihm erzaehlte.--Wie er nach der Schlacht bei Slivnitza entkommen ist--erinnerst du dich? Zwei Frauen sollen ihn versteckt haben. Sergius [mit bitterer Ironie]: Ja, ja, das ist ein ganzer Roman. Er diente in derselben Batterie, die ich so berufswidrig angegriffen habe. Da er ein ganzer Soldat ist, so lief er wie die uebrigen davon, unsere Kavallerie auf den Fersen. Um ihrer Aufmerksamkeit zu entgehen, hatte er den geschmackvollen Einfall, sich in das Zimmer irgend einer patriotischen jungen bulgarischen Dame zu fluechten. Die junge Dame war entzueckt von den gewinnenden Manieren dieses verkleideten Handlungsreisenden und unterhielt ihn sehr zuechtig ungefaehr eine Stunde lang und rief dann ihre Mutter dazu, damit ihr Benehmen nicht unmaedchenhaft erscheine. Die alte Dame war gleichfalls bezaubert, und der Fluechtling wurde des Morgens, mit einem Rock des im Kriege abwesenden Hausherrn verkleidet, freundlichst entlassen. Raina [erhebt sich mit grosser Wuerde]: Ihr Lagerleben hat Sie verroht, Sergius. Ich haette nie gedacht, dass Sie es wagen wuerden, eine solche Geschichte in meiner Gegenwart zu erzaehlen. [Sie wendet sich kalt ab.] Katharina [sich gleichfalls erhebend]: Raina hat recht, Sergius. Wenn es solche Frauen gibt, uns sollte es erspart bleiben, von ihnen zu hoeren. Petkoff: Bah, Unsinn! Was ist weiter dabei? Sergius [beschaemt]: Nein, Petkoff, ich war im Unrecht. [Zu Raina, mit ernsthafter Demut]: Verzeihen Sie mir, ich habe mich abscheulich benommen--verzeihen Sie, Raina. [Sie verneigt sich zurueckhaltend]: Und auch Sie, gnaedige Frau. [Katharina verneigt sich liebenswuerdig und setzt sich. Er faehrt feierlich fort, sich abermals zu Raina wendend]: Ich habe die Schattenseiten des Lebens waehrend der letzten paar Monate kennen gelernt; da kann man weiss Gott zynisch werden, aber ich haette meinen Zynismus nicht hierher mitbringen sollen, am wenigsten in Ihre Gesellschaft, Raina--[Dabei wendet er sich zu den anderen und ist sichtlich im Begriff, eine lange Rede vom Stapel zu lassen, als der Major ihn unterbricht.] Petkoff: Dummes Zeug! Unsinn, Sergius! Es ist gerade genug Aufhebens fuer nichts und wieder nichts. Ein Soldatenkind sollte imstande sein, selbst etwas starke Unterhaltung zu vertragen, ohne mit der Wimper zu zucken. [Er erhebt sich]: Komm, es ist Zeit, dass wir an unser Geschaeft gehen. Wir muessen bestimmen, wie jene drei Regimenter nach Philippopel zurueckgelangen sollen. Auf der Route nach Sofia fehlt jede Verpflegungsmoeglichkeit. [Er geht auf das Haus zu]: Gehen wir. [Sergius ist im Begriff ihm zu folgen, da erhebt sich Katharina und greift ein.] Katharina: Ich bitte dich, Paul, kannst du Sergius nicht noch fuer einige Augenblicke entbehren? Raina hat ihn ja kaum gesehen. Vielleicht kann ich dir dabei behilflich sein, die Sache mit den Regimentern ins reine zu bringen. Sergius [protestierend]: Meine verehrte Gnaedige, das ist unmoeglich, Sie-Katharina [haelt ihn taendelnd zurueck]: Sie bleiben hier, mein lieber Sergius. Es hat gar keine Eile; ich habe meinem Mann auch ein paar Worte zu sagen. [Sergius verneigt sich sofort und tritt zurueck]: Nun, mein Lieber, [Petkoffs Arm nehmend:] komm und sieh dir einmal die elektrische Klingel an. Petkoff: Oh, sehr gerne, sehr gerne. [Sie gehen zusammen vertraulich in das Haus.] [Sergius, mit Raina allein geblieben, blickt aus Furcht, dass sie noch beleidigt sei, verlegen auf sie; sie laechelt und streckt die Arme nach ihm aus.] Sergius [eilt zu ihr]: Ist mir verziehen? Raina [legt ihre Haende auf seine Schultern und sieht mit Bewunderung und Anbetung zu ihm auf]: Mein Held, mein Koenig! Sergius: Meine Koenigin! [Er kuesst sie auf die Stirne.] Raina: Wie ich Sie beneidet habe, Sergius! Sie waren draussen im Leben und auf dem Schlachtfelde in der Lage, sich der besten Frau auf Erden wert zu zeigen, waehrend ich untaetig zu Hause sitzen musste, nutzlos traeumend--ohne etwas zu vollbringen, das mir ein Recht geben koennte, mich irgendeines Mannes wert zu halten. Sergius: Teuerste, alle meine Taten gehoeren Ihnen, Sie haben mich begeistert! Ich bin in den Krieg gezogen, wie ein Ritter zu einem Turnier zu Ehren seiner Dame. Raina: Auch meine Gedanken haben Sie keinen Augenblick verlassen. [Sehr feierlich]: Sergius, ich glaube, wir beide haben die ideale Liebe gefunden. Wenn ich an Sie denke, dann fuehle ich, dass ich niemals einer gemeinen Handlungsweise oder eines niedrigen Gedankens faehig sein koennte. Sergius: Meine Koenigin, meine Heilige! [Er umarmt sie verehrungsvoll.] Raina [seine Umarmung erwidernd]: Mein Herr und mein,,, Sergius: Still! Lassen Sie mich Anbeter sein, Teuerste; Sie wissen ja gar nicht, wie unwert selbst der beste Mann der reinen Leidenschaft eines Maedchens ist. Raina: Ich vertraue Ihnen und liebe Sie, Sergius, Sie werden mich nie enttaeuschen. [Aus dem Hause heraus dringt Loukas Gesang; sie gehen rasch auseinander]: Ich koennte es nicht ueber mich bringen, jetzt gleichgueltige Dinge zu sprechen, mein Herz ist zu voll. [Louka tritt aus dem Hause mit ihrem Servierbrett, geht an den Tisch und faengt an, ihn abzuraeumen. Sie steht mit dem Ruecken gegen das Paar]: Ich will nur meinen Hut holen, dann koennen wir bis zum Mittagessen ausgehen. Ist Ihnen das recht? Sergius: Bitte, machen Sie schnell. Die Minuten des Wartens werden mir Stunden sein. [Raina laeuft bis zur obersten Stufe der Stiege und wendet sich dort um, tauscht beredte Blicke mit Sergius und wirft ihm mit beiden Haenden Kuesse zu. Einen Augenblick sieht er ergriffen nach ihr hin, dann wendet er sich langsam ab; sein Gesicht glueht in erhabenster Begeisterung. Die Wendung aendert sein Gesichtsfeld, in dessen Winkel jetzt Loukas Schuerzenzipfel auftaucht. Seine Aufmerksamkeit wird sofort gefesselt. Er sieht sie verstohlen an und beginnt, seinen Schnurrbart mutwillig zu drehen. Die linke Hand stemmt er in die Seite und geht mit einem Anflug seines grosstuerischen Reiterschritts auf die andere Seite des Tisches Louka gegenueber.] Sergius: Louka, wissen Sie, was ideale Liebe ist? Louka [verwundert]: Nein, Herr Major. Sergius: Eine fuer die Dauer sehr ermuedende Sache, Louka, und man hat hinterher das Beduerfnis, davon auszuruhen. Louka [unschuldig]: Vielleicht nehmen Sie etwas Kaffee, Herr Major? [Sie langt mit der Hand ueber den Tisch nach der Kaffeekanne.] Sergius [ihre Hand ergreifend]: Ich danke Ihnen, Louka. Louka [als ob sie die Hand zurueckziehen wollte]: Oh, Herr Major, Sie wissen ganz gut, dass ich es nicht so gemeint habe. Ich staune ueber Sie. Sergius [verlaesst den Tisch und zieht sie mit sich fort]: Ich staune ueber mich selbst, Louka. Was wuerde Sergius, der Held von Slivnitza, dazu sagen, wenn er mich jetzt sehen koennte--was wuerde Sergius, der Apostel der idealen Liebe, dazu sagen, wenn er mich jetzt sehen koennte--was wuerden ein halbes Dutzend Sergiusse sagen, die in meiner schoenen Gestalt ein und aus gehen, wenn sie uns jetzt hier erwischten? [Er laesst ihre Hand fahren und fasst sie geschickt mit einem Arm um die Hueften.] Finden Sie mich huebsch gewachsen, Louka? Louka: Lassen Sie mich los, Sie bringen sonst schlechten Ruf ueber mich. [Sie wehrt sich; er halt sie unerbittlich fest]: Au, wollen Sie mich loslassen? Sergius [ihr dicht in die Augen blickend]: Nein! Louka: Dann treten Sie wenigstens etwas zurueck, damit man uns nicht sieht. Wo haben Sie denn Ihren gesunden Menschenverstand gelassen? Sergius: Ah, das ist wahr, Sie haben wirklich recht. [Er fuehrt sie unter das Hoftor, wo sie vom Haus aus nicht gesehen werden koennen.] Louka [klagend]: Man kann mich von den Fenstern aus gesehen haben--Fraeulein Raina spioniert sicher hinter Ihnen her. Sergius [gekraenkt, laesst sie los]: Nehmen Sie sich in acht, Louka, ich mag unwuerdig genug sein, die Forderungen der idealen Liebe ausser acht zu lassen, aber beleidigen duerfen Sie diese Liebe nicht! Louka [mit Verstellung]: Nicht um die Welt, Herr Major! Ich schwoer' es Ihnen. Kann ich jetzt wieder an die Arbeit gehen? Sergius [sie abermals umschlingend]: Sie sind eine verfuehrerische kleine Hexe, Louka. Wenn Sie in mich verliebt waeren, wuerden Sie mich ausspionieren? Louka: Ja, sehen Sie, Herr Major, da Sie sagen, dass in Ihnen gleichzeitig ein halbes Dutzend verschiedener Herren ein und aus gehen, so haette ich wohl viel zu tun. Sergius [entzueckt]: Sie sind ebenso geistreich wie huebsch. [Versucht, sie zu kuessen.] Louka [ihm ausweichend]: Nein, ich brauche Ihre Kuesse nicht, die Herrenleute sind doch alle gleich. Sie liebaeugeln mit mir hinter Fraeulein Rainas Ruecken, und Fraeulein Raina tut dasselbe hinter Ihrem Ruecken. Sergius [einen Schritt zurueckweichend]: Louka!! Louka: Das beweist, wie wenig euch eigentlich aneinander liegt. Sergius [seine Freundlichkeit aufgebend, mit eisiger Hoeflichkeit]: Wenn unser Gespraech fortgesetzt werden soll, Louka, werden Sie gut tun, zu bedenken, dass ein Edelmann das Benehmen der Dame, mit der er verlobt ist, nicht mit ihrer Kammerzofe bespricht. Louka: Es ist schwer zu beurteilen, was ein Edelmann fuer richtig haelt; ich dachte, da Sie versuchten, mich zu kuessen, Sie haetten aufgegeben, alles gar so genau zu nehmen. Sergius [wendet sich von ihr ab und schlaegt sich auf die Stirne, waehrend er von der Einfahrt zurueck in den Garten kommt]: Teufel, Teufel! Louka: Ha, ha, mir scheint, einer von den sechsen in Ihnen hat sehr viel Aehnlichkeit mit mir, Herr Major, obwohl ich nur Fraeulein Rainas Zofe bin. [Sie geht zurueck an den Tisch zu ihrer Arbeit, ohne weiter Notiz von ihm zu nehmen.] Sergius [zu sich selbst sprechend]: Welcher von den sechsen ist der richtige? das ist die grosse Frage, die mich quaelt. Der eine ist ein Held, der andere ein Narr, der dritte ein Schwindler, der vierte vielleicht sogar ein Lump. [Er haelt inne und sieht fluechtig zu Louka hin, waehrend er mit tiefer Bitterkeit hinzufuegt]: Und einer wenigstens ist ein Feigling--eifersuechtig wie alle Feiglinge. [Er geht an den Tisch.] Louka! Louka: Ja! Sergius: Wer ist mein Nebenbuhler? Louka: Das werden Sie aus mir nie herausbekommen, weder fuer Liebe noch fuer Geld. Sergius: Warum nicht? Louka: Es ist gleichgueltig, warum. Ueberdies wuerden Sie erzaehlen, dass ich es Ihnen gesagt habe, und ich wuerde meine Stelle verlieren. Sergius [streckt seine rechte Hand beschwoerend aus]: Nein, bei der Ehre eines--[er unterbricht sich und seine Hand faellt kraftlos herab, waehrend er sardonisch fortfaehrt]: eines Menschen, der faehig ist, sich zu benehmen, wie ich mich in den letzten fuenf Minuten benommen habe--wer ist es? Louka: Ich weiss es nicht, ich habe ihn nie gesehen, ich habe nur seine Stimme durch die Tuer von Fraeulein Rainas Zimmer gehoert. Sergius: Tod und Teufel! wie koennen Sie es wagen...? Louka [zurueckweichend]: Oh, ich meine nichts Schlimmes. Was berechtigt Sie, meine Worte so aufzufassen? Die gnaedige Frau weiss alles, und ich sage Ihnen bloss: wenn dieser Herr jemals wieder hierherkommen sollte, so wird ihn Fraeulein Raina heiraten, ob er nun wollen wird oder nicht. Ich kenne den Unterschied zwischen der Art, wie Sie und das gnaedige Fraeulein sich miteinander gehaben, und der richtigen Art. [Sergius faehrt zusammen, als wenn sie ihn gestochen haette. Dann runzelt er die Stirne, geht finster auf sie zu und erfasst ihre Arme oberhalb der Ellbogen mit beiden Haenden.] Sergius: Jetzt passen Sie einmal auf! Louka [zusammenzuckend]: Nicht so fest, Sie tun mir weh! Sergius: Das schadet nichts. Sie haben meine Ehre angegriffen, indem Sie mich zum Mitwisser Ihrer Spionage machten, und Sie haben Ihre Herrin verraten. Louka [sich windend]: Bitte! Sergius: Das zeigt, dass Sie ein erbaermlicher, kleiner Klumpen Schmutz mit einer Bedientenseele sind. [Er laesst sie los, als ob sie ein unreines Ding waere, und macht eine Bewegung, als ob er seine Hand von ihrer Beruehrung reinigte. Dann geht er nach der Bank an der Mauer, wo er sich niedersetzt, mit schwerem Kopfe, duester vor sich hinblickend.] Louka [wimmert aergerlich, mit der Hand auf dem Aermel, und befuehlt ihren schmerzenden Arm]: Sie verstehen es ebensogut, mit Ihrer Zunge zu verletzen, wie mit Ihren Haenden! Aber jetzt liegt mir nichts mehr daran! Aus was fuer Schmutz ich auch sein mag, ich weiss, Sie sind aus demselben. Und was Ihre Braut betrifft, so ist sie eine Luegnerin, und ihre schoenen Manieren sind Betrug; und ich bin mehr wert als sechs solche. [Sie verbeisst ihren Schmerz; wirft den Kopf zurueck und geht an die Arbeit, den Tisch abzuraeumen. Er sieht sie ein- bis zweimal zweifelnd an. Sie hat das Servierbrett vollgepackt und legt das Tischtuch an den Enden zusammen, um alles auf einmal hinauszutragen. Als sie sich bueckt, um das Brett aufzuheben, steht Sergius auf.] Sergius: Louka! [Sie bleibt stehen und sieht ihn trotzig an]: Ein Edelmann hat nicht das Recht, einer Frau unter irgendwelchen Umstaenden weh zu tun. [Mit tiefer Demut seinen Kopf entbloessend]: Verzeihen Sie mir. Louka: Diese Art von Entschuldigung mag einer Dame genuegen. Was soll sie einem Dienstboten? Sergius [in seiner Vornehmheit sehr verletzt, lacht bitter auf, laesst sie fallen und sagt geringschaetzig]: Oh, Sie wuenschen bezahlt zu werden fuer Ihren Schmerz? [Er setzt seinen Tschako auf und nimmt etwas Geld aus der Tasche.] Louka [gegen ihren Willen mit Traenen in den Augen]: Nein, ich wuensche, dass mein Schmerz gutgemacht werde. Sergius [durch ihren Ton ernuechtert]: Wie? [Sie streift ihren linken Aermel hinauf, umfasst ihren Arm mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und sieht herab auf den blauen Fleck; dann hebt sie den Kopf in die Hoehe und blickt Sergius fest an, endlich mit einer prachtvollen Bewegung haelt sie ihm den Arm zum Kusse bin; erstaunt sieht er bald sie, bald ihren Arm an, zoegert und ruft dann mit vibrierendem Nachdruck aus]: Niemals! [und geht soweit wie moeglich fort von ihr. Der Arm faellt herab. Ohne ein Wort und mit nicht gespielter Wuerde nimmt Louka ihr Servierbrett und naehert sich dem Hause, aus dem Raina eben hervortritt, mit einer Jacke und einem Hut bekleidet, ganz nach der Wiener Mode des vergangenen Jahres, 1885. Louka weicht ihr stolz aus und geht dann in das Haus hinein.] Raina: Ich bin bereit. Was ist los? [Lustig]: Haben Sie am Ende gar mit Louka geflirtet? Sergius [rasch]: Nein, nein, wie koennen Sie nur so etwas denken! Raina [beschaemt]: Verzeihen Sie, mein Lieber, es war nur ein Scherz; ich bin heute so gluecklich. [Er geht rasch auf sie zu und kuesst ihr reumuetig die Hand. Katharina erscheint auf der obersten Stufe der aus dem Hause fuehrenden Treppe und ruft nach ihnen.] Katharina [zu ihnen hinunterkommend]: Ich bedaure, euch stoeren zu muessen, Kinder, aber mein Mann ist in Verzweiflung ueber jene drei Regimenter; er weiss nicht, wie er sie nach Philippopel befoerdern soll, und er widerspricht jedem meiner Vorschlaege. Sie muessen kommen und ihm helfen, Sergius; er ist in der Bibliothek. Raina [enttaeuscht]: Aber wir wollen eben spazierengehen. Sergius: Es wird nicht lange dauern, bitte, warten Sie auf mich genau fuenf Minuten. [Er laeuft die Treppe zur Tuer hinauf.] Raina [folgt ihm bis an den Fuss der Treppe und blickt ihm mit schuechterner Koketterie nach]: Ich werde unter den Fenstern der Bibliothek auf und ab gehen, so dass man mich sehen kann, und warten. Sie muessen Vaters Aufmerksamkeit auf mich lenken. Wenn Sie aber eine Sekunde laenger als fuenf Minuten ausbleiben, dann werde ich hineinkommen und Sie holen--Regimenter hin, Regimenter her! Sergius [lachend:] Abgemacht! [Er geht hinein, Raina folgt ihm mit den Augen, bis er verschwunden ist; dann geht sie mit sichtlich abgespanntem Wesen im Garten auf und ab, in duesteres Sinnen verloren.] Katharina: Was sagst du dazu, dass sie gerade diesem Schweizer begegnen mussten und nun die ganze Geschichte wissen! Das allererste, wonach dein Vater verlangt hat, war der alte Rock, in dem wir diesen Menschen fortgeschickt haben. Du hast uns da eine schoene Suppe eingebrockt! Raina [blickt im Gehen gedankenvoll auf den Kies]: Das kleine Ungeheuer! Katharina: Kleines Ungeheuer! wer ist ein kleines Ungeheuer? Raina: Hinzugehen und alles zu erzaehlen,,, oh, wenn ich ihn bloss hier haette, ich wuerde ihm den Mund mit Schokolade so vollstopfen, dass er nie wieder reden koennte. Katharina: Sprich nicht solchen Unsinn, Raina. Sag' mir lieber die Wahrheit: Wie lange war er schon in deinem Zimmer, als du zu mir gekommen bist? Raina [kehrt schnell um und setzt ihren Marsch in der entgegengesetzten Richtung fort]: Das habe ich laengst vergessen. Katharina: Das kannst du nicht vergessen haben. Ist er wirklich heraufgeklettert, als die Soldaten fort waren, oder war er schon da, als der Offizier das Zimmer durchsuchte? Raina: Nein,,, ja,,, Ich glaube, er muss schon dagewesen sein. Katharina: Du glaubst! O Raina, Raina, wirst du jemals lernen aufrichtig zu sein? Wenn Sergius das erfaehrt, ist es aus zwischen euch. Raina [mit kalter Impertinenz]: Oh, ich weiss, Sergius ist dein Liebling. Manchmal wuenschte ich, du koenntest ihn heiraten an meiner Stelle. Du wuerdest auch vortrefflich zu ihm passen, du wuerdest ihn verzaerteln und verziehen und aufpaeppeln nach Herzenslust. Katharina [mit weit aufgerissenen Augen]: Meiner Treu, das ist stark! Raina [kaprizioes, halb zu sich selbst]: Mich reizt es immer, ihm etwas anzutun oder etwas zu sagen, was ihn verletzt--und um seine fuenf Sinne bringt. [Zu Katharina, stoerrisch]: Es ist mir ganz einerlei, ob er etwas ueber den Pralinesoldaten erfaehrt oder nicht! Halb und halb wuensche ich es sogar. [Sie wendet sich wieder ab und geht leichtfuessig in der Richtung gegen die Ecke des Hauses.] Katharina: Und was sollte ich deinem Vater sagen? Raina [ueber ihre Schulter, oben von der Treppe aus]: Der arme Papa! als ob der sich selbst helfen koennte! [Sie geht um die Ecke und verschwindet.] Katharina [ihr nachblickend, waehrend es ihr in den Fingern zuckt]: Oh, wenn du nur zehn Jahre juenger waerst! [Louka kommt aus dem Hause und traegt einen Praesentierteller in der herabhaengenden Hand.] Was gibt's? Louka: Ein Herr ist draussen, gnaedige Frau, und hat nach Ihnen gefragt--ein serbischer Offizier. Katharina [ausser sich]: Ein Serbe! Und er wagt es,,, [Fasst sich; bitter]: Oh, ich vergass, wir haben ja Frieden jetzt! Wir werden sie nun wohl jeden Tag empfangen und uns von ihnen den Hof machen lassen muessen. Aber wenn er Offizier ist, warum meldest du ihn nicht dem Herrn--er ist mit dem Major Saranoff in der Bibliothek--, warum kommst du zu mir? Louka: Weil er nach Ihnen gefragt hat, gnaedige Frau. Aber ich glaube nicht, dass er weiss, wer Sie sind. Er sagte: "fuer die Dame des Hauses" und gab mir dieses kleine Billett. [Sie nimmt eine Karte aus ihrer Bluse, legt sie auf den Praesentierteller und bietet sie Katharinen.] Katharina [lesend]: Kapitaen Bluntschli--das ist ein deutscher Name. Louka: Ich glaube, ein Schweizer Name, gnaedige Frau! Katharina [mit einem Satz, vor dem Louka eiligst zurueckweicht]: Schweizer! wie sieht er aus? Louka [schuechtern]: Er traegt eine grosse Reisetasche, gnaedige Frau. Katharina: Grosser Gott! er kommt am Ende, um den Rock zurueckzugeben,,, Schick' ihn fort--schnell! Sag' ihm, dass wir nicht zu Hause sind. Verlange seine Adresse, und ich werde ihm schreiben,,, Nein, nein, bleib hier, das geht ja nicht,,, warte,,, [Sie wirft sich in einen Sessel, um darueber nachzudenken, Louka wartet.] Mein Mann und Major Saranoff sind in der Bibliothek beschaeftigt, nicht wahr? Louka: Jawohl, gnaedige Frau. Katharina [entschieden]: Fuehre den Herrn sofort hier heraus! [Befehlend]: Und dass du sehr hoeflich mit ihm bist,,, schnell, schnell! [Ihr ungeduldig den Praesentierteller fortnehmend:] Lass das hier, geh nur direkt zu ihm! Louka: Zu Befehl, gnaedige Frau. [Geht.] Katharina: Louka! Louka [bleibt stehen]: Gnaedige Frau? Katharina: Ist die Tuer zur Bibliothek geschlossen? Louka: Ich glaube, gnaedige Frau. Katharina: Wenn nicht, so schliesse sie im Voruebergehen. Louka: Wie Sie befehlen, gnaedige Frau. [Sie geht.] Katharina: Wart'! [Louka bleibt stehen.] Er wird diesen Weg nehmen muessen,,, [Sie weist auf das Stallhoftor.] Sage Nicola, er soll ihm seine Tasche hierher nachbringen. Vergiss das ja nicht! Louka [erstaunt]: Seine Tasche? Katharina: Ja, hierher, so schnell wie moeglich. [Heftig]: Beeile dich! [Louka laeuft in das Haus hinein.] Katharina [reisst ihre Schuerze ab und wirft sie hinter einen Busch, dann nimmt sie den Praesentierteller und benuetzt ihn als Spiegel. Das Resultat ist, dass sie das Tuch, das sie um den Kopf gebunden traegt, der Schuerze nachfolgen laesst. Dann bringt sie ihr Haar in Ordnung und zieht ihr Kleid zurecht, um empfangsfaehig auszusehen]: Nein, nein, ist das ein Narr, in einem solchen Augenblick hereinzuplatzen! Louka [erscheint an der Tuer und meldet]: "Herr Hauptmann Bluntschli!" [sie steht an der obersten Stufe, um ihn durchzulassen, bevor sie wieder zuruecktritt. Es ist tatsaechlich der Held des naechtlichen Abenteuers in Rainas Zimmer, jetzt aber sauber und schoen abgebuerstet, in eleganter Uniform und ausser Gefahr; jedoch immerhin zweifellos derselbe Mann. Sobald Louka den Ruecken gekehrt hat, wendet sich Katharina heftig und dringend und in beschwoerendem Ton an ihn.] Katharina: Hauptmann Bluntschli, ich freue mich ausserordentlich, Sie wiederzusehen, aber Sie muessen dieses Haus sofort verlassen! [Er blickt sie gross an]: Mein Mann ist eben mit meinem zukuenftigen Schwiegersohn zurueckgekehrt. Noch wissen sie nichts; aber wenn sie etwas erfuehren, die Folgen waeren fuerchterlich! Sie sind Auslaender, Sie koennen unsere nationalen Gehaessigkeiten nicht nachfuehlen, aber wir hassen die Serben noch immer. So ist beispielsweise bei meinem Manne das einzige Resultat des Friedens, dass er sich wie ein Loewe fuehlt, dem man seine sichere Beute entrissen hat. Wenn er unser Geheimnis erfuehre, er wuerde mir nie verzeihen, und sogar das Leben meiner Tochter waere in Gefahr. Wollen Sie, wie es sich fuer einen Ehrenmann und Soldaten, der Sie sind, geziemt, dieses Haus sofort verlassen, bevor mein Mann Sie hier finden kann? Bluntschli [enttaeuscht, aber gefasst]: Augenblicklich, gnaedige Frau! Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu danken und Ihnen den Rock zurueckzustellen, den Sie mir so freundlich geliehen haben. Wenn Sie mir nur gestatten wollten, ihn aus meiner Reisetasche zu nehmen und beim Hinausgehen Ihrem Diener einzuhaendigen, so brauchte ich Sie nicht laenger zu belaestigen. [Er macht kehrt, um in das Haus zurueckzugehen.] Katharina [ihn am Arm fassend]: Oh, Sie duerfen nicht daran denken, auf dem selben Weg zu gehen, wie Sie gekommen sind. [Ihn nach dem Gitter der Stallungen fuehrend]: Das ist der kuerzeste Weg ins Freie. Vielen Dank--es freut mich unendlich, dass ich Ihnen dienen konnte--, leben Sie wohl! Bluntschli: Aber meine Tasche? Katharina: Sie wird Ihnen nachgeschickt werden, lassen Sie mir Ihre Adresse da. Bluntschli: Gut, dann erlauben Sie. [Er zieht seine Visitenkartentasche, nimmt eine Karte heraus und will seine Adresse aufschreiben, waehrend Katharina vor Ungeduld vergeht. Als er ihr eben die Karte einhaendigt, kommt Petkoff ohne Hut aus dem Hause gelaufen, in gastfreundlicher Aufregung. Sergius folgt ihm.] Petkoff [die Treppe herunterlaufend]: Mein lieber Hauptmann Bluntschli! Katharina: Himmel! [Sie sinkt neben der Mauer auf einen Stuhl.] Petkoff [zu sehr beschaeftigt, um das zu bemerken, schuettelt Bluntschli herzlich die Hand]: Meine dummen Dienstboten dachten, ich waere hier draussen, statt--in der Bibliothek. [Er kann die Bibliothek nicht erwaehnen, ohne zu verraten, wie stolz er darauf ist.] Ich habe Sie vom Fenster aus gesehen und wunderte mich, dass Sie nicht hereinkamen. Saranoff ist auch hier. Sie erinnern sich doch seiner noch, nicht wahr? Sergius [gruesst lustig und bietet ihm dann mit grosser Liebenswuerdigkeit die Hand]: Willkommen, unser Freund der Feind! Petkoff: Gluecklicherweise nicht laenger "der Feind". [Ziemlich aengstlich:] Ich hoffe, Sie kommen nur als Freund und nicht um Pferde oder Gefangene. Katharina: Oh, nur als Freund, Paul. Ich habe Hauptmann Bluntschli eben zum Mittagessen eingeladen, aber er erklaerte, sofort gehen zu muessen. Sergius [sardonisch]: Unmoeglich, Bluntschli--wir brauchen Sie hier sogar sehr dringend. Wir sollen drei Kavallerieregimenter nach Philippopel befoerdern und haben keine Ahnung, wie das fertigbringen. Bluntschli [ploetzlich aufmerksam und berufsmaessig]: Philippopel; da wird's mit der Verpflegung hapern, nicht wahr? Petkoff [eifrig]: Ja, das ist es eben. [Zu Sergius]: Wie er die Sache gleich weg hat! Bluntschli: Ich glaube, ich kann Ihnen zeigen, wie das zu machen ist. Sergius: So kommen Sie mit uns, Sie unschaetzbarer Mann! [Bluntschli ueberragend, legt er ihm die Hand auf die Scbulter und fuehrt ihn gegen die Stufen, Petkoff folgt. Als Bluntschli seinen Fuss auf die erste Stufe setzt, tritt Raina aus dem Hause.] Raina [alle Geistesgegenwart verlierend]: Oh, der Pralinesoldat! [Bluntschli steht starr, Sergius blickt erstaunt auf Raina, dann auf Petkoff, der wieder ihn ansieht und dann seine Frau fragend anstarrt.] Katharina [mit befehlender Geistesgegenwart]: Meine liebe Raina, siehst du nicht, dass wir einen Gast haben? [Vorstellend]: Hauptmann Bluntschli, einer von unsern neuen serbischen Freunden. [Raina verbeugt sich. Bluntschli verbeugt sich.] Raina: Wie dumm von mir! [Sie geht hinunter in die Mitte der Gruppe zwischen Bluntschli und Petkoff.] Ich habe heute frueh ein wunderschoenes Schokoladeornament fuer den Eispudding gemacht, und der dumme Nicola hat eben einen Stoss Teller darauf gesetzt und alles verdorben. [Zu Bluntschli gewendet, liebenswuerdig]: Ich hoffe, Sie dachten nicht, dass SIE der Pralinesoldat waeren, Hauptmann Bluntschli. Bluntschli [lachend]: Ich versichere Ihnen, dass ich's dachte. [Ihr einen sonderbaren Blick zuwerfend]: Ihre Erklaerung ist eine Erloesung fuer mich. Petkoff [argwoehnisch zu Raina]: Seit wann kochst du denn, Raina? Katharina: Oh, waehrend deiner Abwesenheit ist ihr das eingefallen. Es ist ihr neuestes Steckenpferd. Petkoff [muerrisch]: Und hat Nicola zu trinken angefangen? Frueher war er ziemlich verlaesslich. Jetzt ist er wie umgewandelt. Erst fuehrt er Hauptmann Bluntschli hierher, waehrend er doch ganz gut wusste, dass ich in der--Bibliothek war, dann geht er hin und zerstoert Rainas Pralinesoldaten. Er muss... [Nicola tritt oben auf den Stufen mit einer Reisetasche aus dem Hause heraus, er geht die Stufen hinab, stellt die Tasche ehrerbietig vor Bluntschli auf die Erde und wartet auf weitere Befehle. Allgemeines Erstaunen. Ahnungslos, was fuer eine Wirkung er hervorgerufen, sieht Nicola sehr zufrieden mit sich aus. Als Petkoff seine Sprache wiedererlangt, bricht er los.] Petkoff: Bist du verrueckt geworden, Nicola? Nicola [erschrocken]: Gnaediger Herr... Petkoff: Wozu bringst du das hierher? Nicola: Auf Befehl der gnaedigen Frau, Herr Major, Louka sagte mir, dass-Katharina [unterbricht ihn]: Auf meinen Befehl? Warum sollte ich dir befohlen haben, Hauptmann Bluntschlis Gepaeck hier herauszubringen? Was faellt dir denn ein, Nicola? Nicola [bleibt einen Augenblick unschluessig, dann hebt er das Gepaeck auf und wendet sich zu Bluntschli mit vollendeter, unterwuerfiger Diskretion]: Ich bitte tausendmal um Vergebung. [Zu Katharina]: Es ist meine Schuld, gnaedige Frau, ich bitte Sie, es mir nicht anzurechnen. [Er verbeugt sich und geht mit dem Gepaeck gegen das Haus zu, als Petkoff ihm wuetend nachruft.] Petkoff: Vielleicht wirfst du jetzt auch noch diese Tasche auf Fraeulein Rainas Eispudding! [Das ist zuviel fuer Nicola, die Tasche faellt ihm aus der Hand.] Aus meinen Augen, du ungeschickter Esel, du! Nicola [reisst das Gepaeck an sich und flieht in das Haus hinein]: Sehr wohl, gnaediger Herr! Katharina: So beruhige dich doch, Paul, sei nicht so aufgebracht! Petkoff [brummend]: Der Schuft ist in meiner Abwesenheit ausser Rand und Band geraten. Ich werde ihn schon lehren...[Er erinnert sich seines Gastes.] Ach, entschuldigen Sie! Kommen Sie, Bluntschli, und sprechen Sie nicht mehr vom Fortgehen. Sie wissen ganz gut, dass Sie nicht sofort in die Schweiz zurueckkehren, Sie koennen also vorerst getrost bei uns bleiben. Raina: Ach ja! Bitte, bleiben Sie, Hauptmann Bluntschli. Petkoff [zu Katharina]: Hauptmann Bluntschli zoegert am Ende noch, weil er glaubt, dass du sein Bleiben nicht wuenschest? Bitte du ihn, und er wird nachgeben. Katharina: Aber selbstverstaendlich! Ich werde mich gluecklich schaetzen, wenn Hauptmann Bluntschli wirklich bleiben will. [Ihn mit Blicken beschwoerend]: Er kennt meine Wuensche. Bluntschli [in seiner trockensten militaerischen Art]: Ganz wie Sie befehlen, gnaedige Frau. Sergius [freundschaftlich]: Und damit abgemacht! Petkoff [herzlich]: Abgemacht! Raina: Sie sehen, dass Sie bleiben MUeSSEN! Bluntschli [laechelnd]: Nun, wenn ich muss, dann muss ich wohl. [Gebaerde der Verzweiflung von Katharina.] [Vorhang] DRITTER AKT [Nach dem Mittagessen in der Bibliothek.--Nicht viel darin berechtigt zu dieser Bezeichnung. Die literarische Einrichtung dieses Raumes besteht bloss aus einem einzigen Buecherbrett, das mit alten ungebundenen, zerrissenen, kaffeebefleckten und mit Daumenabdruecken versehenen Romanen angefuellt ist. Ferner ein paar haengende Wandetageren mit einigen Geschenkbaenden. Die andern Waende sind mit Jagd- und Kriegstrophaeen bedeckt, es ist im uebrigen ein aeusserst behagliches Wohnzimmer. Eine Front von drei breiten Fenstern gestattet den Ausblick auf ein Bergpanorama, das man eben in sehr freundlichem, mildem Nachmittagslichte bewundern kann. In der Ecke neben dem rechtseitigen Fenster verspricht ein viereckiger Kachelofen, ein wahrer Turm farbiger Kacheln bis fast zur Zimmerdecke, behagliche Waerme. Die Ottomane in der Mitte ist rund, mit gestickten Kissen bedeckt, und in den Fensternischen stehen gut gepolsterte kleine Diwane. Kleine tuerkische Tische--auf einem liegt eine gutgearbeitete Wasserpfeife--und ein sie verbindender Wandschirm vervollstaendigen den angenehmen Eindruck der Einrichtung. Nur ein Moebelstueck ist da, das gar nicht in den Rahmen des Zimmers passt,--das ist ein kleiner, sehr abgenuetzter, in einen Schreibtisch umgewandelter Kuechentisch. Eine alte, mit Federn gefuellte Blechbuechse, ein mit Tinte gefuellter Eierbecher und ein elender Fetzen ganz verbrauchten rosaroten Loeschpapiers liegen darauf. An diesem Tische, der dem linksseitigen Fenster gegenuebersteht, sitzt Bluntschli, in Arbeit vertieft. Er hat ein paar Landkarten vor sich und schreibt Befehle aus. An der Schmalseite sitzt Sergius, der auch so tut als ob er beschaeftigt waere, der aber eigentlich nur an seinem Federhalter kaut. Er beobachtet Bluntschlis raschen, sicheren, berufsmaessigen Fortschritt bei der Arbeit mit einer Mischung von neidischer Erregung in Anbetracht seiner eigenen Unfaehigkeit, und ehrfuerchtigem Erstaunen ueber eine Geschicklichkeit, die ihm beinahe ueberirdisch erscheint, obgleich der prosaische Charakter der Arbeit ihm verbietet, sie zu achten. Major Petkoff lehnt behaglich mit einer Zeitung auf der Ottomane, in erreichbarer Naehe steht die Wasserpfeife. Katharina sitzt am Ofen, kehrt der Gesellschaft den Ruecken zu und stickt. Raina lehnt in den Kissen des Divans unter dem rechtsseitigen Fenster und blickt traeumerisch auf die Balkanlandschaft hinaus, ein vernachlaessigter Roman liegt in ihrem Schosse. Die Tuer ist auf derselben Seite wie der Ofen, weiter vom Fenster entfernt. Der Knopf der elektrischen Klingel befindet sich zwischen der Tuer und dem Ofen.] Petkoff [blickt von seiner Zeitung auf und beobachtet, wie es auf dem Tische vorwaerts geht]: Sind Sie ganz sicher, dass ich Ihnen in keiner Weise behilflich sein kann, Bluntschli? Bluntschli [ohne seine Arbeit zu unterbrechen oder aufzusehen]: Ganz sicher, ich danke. Saranoff und ich, wir werden die Sache schon fertigkriegen. Sergius [grimmig]: Jawohl, WIR werden die Sache schon fertigkriegen. Er tiftelt heraus und bestimmt, was zu geschehen hat, schreibt die Ordres aus, und ich unterschreibe sie, das heisst Arbeitsteilung, Major. [Bluntschli reicht ihm ein Papier.] Noch eins? Ich danke Ihnen. [Er breitet den Bogen vor sich aus, setzt seinen Stuhl sorgfaeltig davor zurecht und unterschreibt mit der Miene eines Mannes, der entschlossen eine schwierige und gefahrvolle Tat vollbringt.] Diese Hand ist mehr an das Schwert gewoehnt als an die Feder. Petkoff: Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Bluntschli, wahrhaftig, dass Sie sich in dieser Weise ausnuetzen lassen. Sind Sie GANZ sicher, dass ich gar nichts weiter helfen kann? Katharina [in leise verwarnendem Ton]: Du koenntest aufhoeren zu unterbrechen, Paul. Petkoff [faehrt auf und blickt zu ihr hinueber]: Was? Wie? Ganz richtig, meine Liebe, ganz richtig. [Er nimmt die Zeitung wieder auf, laesst sie aber sofort fallen.] Ah, du hast keinen Feldzug mitgemacht, Katharina, du ahnst nicht, wie angenehm es uns ist, nach einem guten Mittagessen hier zu sitzen, mit keiner andern Verpflichtung, als es uns wohl sein zu lassen. Etwas fehlt mir allerdings zu meiner vollstaendigen Behaglichkeit. Katharina: Und das ist? Petkoff: Mein alter Rock--ich fuehle mich nicht zu Hause in diesem da. Ich komme mir vor wie bei der Parade. Katharina: Mein teurer Paul, wie toericht du nur wegen dieses alten Rockes bist. Er muss noch in der blauen Kammer haengen, wo du ihn zurueckgelassen hast. Petkoff: Meine liebe Katharina, ich versichere dir, dass ich dort gesucht habe. Darf ich meinen eigenen Augen glauben oder nicht? [Katharina erhebt sich ruhig und drueckt auf die elektrische Klingel neben dem Ofen.] Wozu fuehrst du diese Klingel vor? [Sie sieht ihn majestaetisch, an, setzt sich schweigend in ihren Stuhl und nimmt ihre Naeharbeit wieder auf.] Meine Liebe, wenn du glaubst, dass der Eigensinn einer Frau aus zwei alten Schlafroecken Rainas, aus deinem Regenmantel und meinem Mantel einen Rock machen kann, dann irrst du ganz gewaltig, und DAS ist zu dieser Stunde einzig und allein der Inhalt der blauen Kammer! [Nicola erscheint auf der Schwelle.] Katharina [ganz ruhig, trotz Petkoffs Ausfall]: Nicola! geh in die blaue Kammer und bringe deines Herrn alten Rock hierher, den mit Borten besetzten, den er gewoehnlich im Hause traegt. Nicola: Zu Befehl, gnaedige Frau. Petkoff: Katharina! Katharina: Ja, Paul. Petkoff: Ich wette mit dir um jeden Schmuck, den du in Sofia bestellen willst, gegen das Haushaltungsgeld einer Woche, dass der Rock nicht in der blauen Kammer ist. Katharina: Abgemacht, Paul! Petkoff [aufgeregt durch die Aussicht auf eine Wette]: Kommt, es gibt hier einen Sport. Wer will noch darauf wetten? Bluntschli, ich halte Ihnen sechs gegen eins. Bluntschli [gelassen]: Das hiesse Sie ausrauben, Major. Die gnaedige Frau hat sicher recht. [Ohne aufzusehen reicht er Sergius abermals einen Stoss Papiere.] Sergius [gleichfalls aufgeregt]: Bravo, Schweiz! Major, ich wette mein bestes Chargenpferd gegen eine arabische Stute fuer Raina, dass Nicola den Rock in der blauen Kammer findet. Petkoff [eifrig]: Dein bestes Chargenpferd? Katharina [ihn rasch unterbrechend]: Sei nicht verrueckt, Paul, eine arabische Stute kann dich fuenfzigtausend Leu kosten. Raina [ploetzlich aus ihrer traeumerischen Bewunderung der Landschaft erwachend]: Wahrhaftig, Mama, wenn du bereit bist, den Schmuck anzunehmen, so sehe ich nicht ein, warum du mir meinen Araber vorenthalten willst. [Nicola kehrt mit dem Rock zurueck und bringt ihn Petkoff, der kaum seinen Augen traut.] Katharina: Wo war er, Nicola? Nicola: Er hing in der blauen Kammer, gnaedige Frau. Petkoff: Na, ich will verdammt sein... Katharina [einfallend]: Paul! Petkoff: Ich haette schwoeren moegen, dass er nicht dort war. Das Alter faengt an, bei mir anzuklopfen, ich bekomme schon Halluzinationen. [Zu Nicola]: Da, hilf mir! Entschuldigen Sie, Bluntschli. [Er wechselt seinen Rock, Nicola hilft ihm dienstbeflissen.] Ich mache dich darauf aufmerksam, Sergius, dass ich deine Wette nicht angenommen habe. Du koenntest lieber selbst Raina die arabische Stute schenken, da du nun schon einmal solche Erwartungen erweckt hast. Nicht wahr, Raina? [Er wendet sich nach ihr um, aber sie ist wieder in den Anblick der Landschaft vertieft; mit einem kleinen Ausbruch vaeterlicher Liebe und Eitelkeit macht er die andern auf seine Tochter aufmerksam und sagt]: Sie traeumt schon wieder, wie gewoehnlich. Sergius: Keinesfalls soll sie dabei zu kurz kommen. Petkoff: Um so besser fuer Raina. Ich fuerchte, ich werde nicht so billig loskommen. [Nun ist der Kleiderwechsel vollzogen, Nicola geht mit dem abgelegten Rock hinaus.] Petkoff: Ach, nun fuehle ich mich endlich zu Hause! [Er setzt sich und nimmt seine Zeitung mit behaglichem Grunzen wieder zur Hand.] Bluntschli [zu Sergius, ihm ein Papier reichend]: Das ist der letzte Befehl. Petkoff [aufspringend]: Was--schon fertig? Bluntschli: Fertig! Petkoff [geht zu Sergius, sieht neugierig ueber seine linke Schulter zu, wie er unterzeichnet, und sagt mit kindischem Neide]: Soll ich denn gar nichts unterzeichnen? Bluntschli: Es ist nicht noetig, seine Unterschrift wird genuegen. Petkoff: Nun gut, ich denke, wir haben ein verflucht anstaendiges Stueck Arbeit vollbracht. [Er entfernt sich vom Arbeitstisch]: Kann ich sonst noch etwas tun? Bluntschli: Gut waere es, wenn Sie beide die Kerle ansehen wuerden, die diese Befehle zu ueberbringen haben. [Zu Sergius]: Schicken Sie die Leute gleich fort und zeigen Sie ihnen, dass ich auf der Marschroute die Zeit angegeben habe, in der sie ausgehaendigt sein MUeSSEN. Sagen Sie ihnen auch, dass ihnen die Haut ueber die Ohren gezogen werden wird, wenn sie trinken und schwatzen und sich dadurch auch nur um fuenf Minuten verspaeten. Sergius [erhebt sich entruestet]: Das werde ich ausrichten! Und wenn einer von ihnen Manns genug ist, mir dafuer ins Gesicht zu speien, weil ich ihn beleidigt habe, so will ich ihn loskaufen und ihm eine Pension bezahlen. [Er geht mit grossen Schritten ab, in seiner Menschenwuerde tief verletzt.] Bluntschli [vertraulich zu Petkoff]: Sie passen auf, dass er mit den Leuten richtig spricht, Herr Major, nicht wahr? Petkoff [diensteifrig]: Gewiss, Bluntschli, gewiss, ich will mich darum kuemmern. [Er geht gewichtig zur Tuer, zoegert aber an der Schwelle]: Apropos, Katharina, du kannst auch mitkommen. Dein Anblick wird sie weit mehr einschuechtern als der meine. Katharina [ihre Stickerei niederlegend]: Ich glaube selbst, dass es besser sein wird; du wirst dich hoechstens blamieren. [Petkoff oeffnet ihr die Tuere, sie geht ab und er folgt ihr.] Bluntschli: Was fuer ein Volk! Sie zimmern Kanonen aus Kirschbaeumen, und die Offiziere schicken nach ihren Frauen, um die Disziplin aufrechtzuerhalten. [Er faengt an, die Papiere zusammenzufalten und zu verzeichnen; Raina, die sich vom Diwan erhoben bat, geht im Zimmer auf und ab, die Haende auf dem Ruecken geballt, blickt sie Bluntschli mutwillig an.] Raina: Sie sehen jetzt viel netter aus als damals, da wir uns zuletzt getroffen haben. [Er blickt ueberrascht auf.]--Wie haben Sie das nur angestellt? Bluntschli: Mich gewaschen, gebuerstet, nachts gut geschlafen und gefruehstueckt--weiter nichts, gnaediges Fraeulein. Raina: Sind Sie an jenem Morgen gefahrlos durchgekommen? Bluntschli: Vollkommen, ich danke Ihnen. Raina: Waren Ihre Vorgesetzten ungehalten darueber, dass Sie bei Sergius' Attacke davongelaufen sind? Bluntschli: Nein, sie waren darueber froh, weil sie alle genau dasselbe getan hatten. Raina [geht an den Tisch und beugt sich ueber den Tisch zu ihm hinueber]: Es muss eine lustige Geschichte fuer SIE gewesen sein--all das von mir und meinem Zimmer! Bluntschli: Ein famoses Abenteuer. Aber ich habe es nur einem einzigen Menschen erzaehlt, einem alten Freunde. Raina: Auf dessen Verschwiegenheit Sie unbedingt zaehlen durften? Bluntschli: Unbedingt. Raina: So! Nun denn, er hat meinem Vater und Sergius alles erzaehlt an jenem Tage, an dem Sie den Austausch der Gefangenen vornahmen. [Sie wendet sich ab und schlendert nachlaessig auf die gegenueberliegende Seite des Zimmers.] Bluntschli [sehr betroffen und halb unglaeubig]: Das ist doch nicht Ihr Ernst--das ist unmoeglich! Raina [mit ploetzlichem Ernst, indem sie umkehrt]: Es ist so; aber die beiden wissen nicht, dass SIE es waren und dass Sie in DIESES Haus gefluechtet sind. Wenn Sergius das erfuehre, er wuerde Sie fordern und im Duell toeten. Bluntschli: Gott behuete, dann erzaehlen Sie es ihm nur nicht! Raina [vorwurfsvoll wegen seines Leichtsinns]: Koennen Sie sich vorstellen, was es fuer mich bedeutet, ihn betruegen zu muessen? Ich moechte ganz eins sein mit Sergius. Keinerlei Niedrigkeiten, nichts Verwerfliches, kein Betrug sollte zwischen uns stehen. Meine Beziehung zu ihm ist das wahrhaft schoenste und erhabenste Ereignis meines Lebens--ich hoffe, Sie koennen das begreifen. Bluntschli [skeptisch]: Sie wollen sagen, dass es Ihnen nicht angenehm waere, wenn er herausfaende, dass die Geschichte mit dem Eispudding eine--eine...na--Sie wissen schon. Raina [zusammenzuckend]: Ah, sprechen Sie darueber nicht in so leichtfertiger Weise! Ja, ich habe gelogen, ich weiss es, aber ich habe gelogen, um Ihnen das Leben zu retten--er wuerde Sie getoetet haben! Es war das zweitemal, dass ich in meinem Leben gelogen habe. [Bluntschli erhebt sich rasch und blickt Raina zweifelnd und etwas strenge an.] Raina: Erinnern Sie sich an das erstemal? Bluntschli: Ich? nein. War ich denn zugegen? Raina: Jawohl! Und ich sagte dem russischen Offizier, der nach Ihnen suchte, dass Sie nicht zugegen waeren. Bluntschli: Bei Gott, das ist wahr, ich haette mich daran erinnern sollen. Raina [sehr ermutigt]: Ah, ich begreife, dass SIE das vergessen haben; Sie hat es ja nichts gekostet, aber mich kostete es eine Luege--eine Luege! [Sie setzt sich auf die Ottomane und blickt starr vor sich hin, die Haende ueber das Knie gekreuzt. Bluntschli naehert sich ihr sehr ergriffen und setzt sich mit ganz besonders beruhigender und ruecksichtsvoller Gebaerde neben sie.] Bluntschli: Verehrtes gnaediges Fraeulein, machen Sie sich darueber keine Gedanken! Bedenken Sie, ich bin Soldat! Nun welches sind die beiden Dinge, die einem Soldaten so oft passieren, dass er schon gar nicht mehr darauf achtet? Dass er Leute Luegen erzaehlen hoert, ist das eine. [Raina faehrt zurueck.] Das andere, dass ihm auf alle moegliche Art und Weise von allen moeglichen Leuten das Leben gerettet wird. Raina [protestiert entruestet und erhebt sich]: Und so wird er ein undankbares, treuloses Geschoepf. Bluntschli [ein saures Gesicht schneidend]: Lieben Sie Dankbarkeit? Ich nicht. Wenn Mitleid mit der Liebe blutsverwandt ist, so ist die Dankbarkeit verwandt mit dem Gegenteil. Raina: Dankbarkeit! [Sich nach ihm umwendend]: Wenn Sie nicht dankbar sein koennen, dann sind Sie ueberhaupt jeder edlen Regung unfaehig--selbst Tiere sind dankbar! Oh, jetzt weiss ich genau, was Sie ueber mich denken! Sie waren nicht ueberrascht, mich luegen zu hoeren, Sie waren ueberzeugt, dass ich das taeglich, ja stuendlich taete! So denken Maenner ueber Frauen. [Sie geht im Zimmer melodramatisch umher.] Bluntschli [misstrauisch]: Nicht so ganz ohne Berechtigung. Sie behaupten, dass Sie in Ihrem ganzen Leben bloss zweimal gelogen haben! Verehrtes Fraeulein, ist das nicht gar zu wenig?! Ich bin ein recht wahrheitsliebender Kerl; aber bei mir wuerde das nicht fuer einen einzigen Vormittag reichen. Raina [ihn von oben herab ansehend]: Sie beleidigen mich, Herr Hauptmann! Bluntschli: Dafuer kann ich nichts. Wenn Sie diese edle Haltung annehmen und in so hohem Tone sprechen, dann bewundere ich Sie--aber es ist mir unmoeglich, Ihnen auch nur ein Wort zu glauben! Raina [stolz]: Hauptmann Bluntschli! Bluntschli [unbeweglich]: Sie befehlen? Raina [geht ihm ein wenig entgegen, als ob sie ihren Ohren nicht traute]: MEINEN Sie das, was Sie eben gesagt haben? WISSEN Sie, was Sie eben gesagt haben? Bluntschli: Ganz genau. Raina [keuchend]: Ich! Ich!! [Sie zeigt unglaeubig auf sich, als wollte sie sagen: "Ich Raina Petkoff, bin eine Luegnerin." Er begegnet ihrem Blick unerschuetterlich, ploetzlich setzt sie sich neben ihn und geht mit vollkommenem Wechsel ihres Benehmens von ihrer aufgebrachten zu einer vertraulichen Art und Weise ueber.] Wie haben Sie mich so schnell durchschaut? Bluntschli [sofort]: Instinkt, gnaediges Fraeulein, Instinkt und Welterfahrung! Raina [verwundert]: Wissen Sie, dass Sie der erste Mann in meinem Leben sind, der mich nicht ernst genommen hat? Bluntschli: Sie meinen, nicht wahr, dass ich der erste Mann bin, der Sie ganz ernst nimmt? Raina: Ja, ich glaube, das meine ich. [Gemuetlich und sehr unbefangen]: Wie sonderbar das ist, wenn mit einem so ehrlich gesprochen wird! Wissen Sie, ich hab' es immer so getrieben!--ich meine die edle Haltung und den hohen Ton, so habe ich mich schon als kleines Kind meiner Amme gegenueber aufgespielt. Sie hat daran geglaubt. Ich tue es vor meinen Eltern; sie glauben auch daran, Sergius gegenueber tue ich gleichfalls so, er glaubt auch daran. Bluntschli: Jawohl, er posiert selbst ein wenig in dieser Art, nicht wahr? Raina [auffahrend]: Glauben Sie? Bluntschli: Sie muessen ihn besser kennen als ich. Raina: Ich waere begierig, zu erfahren, ob er wirklich auch so ist! Wenn ich daechte, dass er--! [Entmutigt:] Doch wozu, was liegt daran? Ich fuehle, dass Sie mich jetzt verachten, weil Sie mich erkannt haben. Bluntschli [erhebt sich, warm]: Durchaus nicht, mein verehrtes Fraeulein,--o nein, nein, tausendmal nein. Ihr Gehaben macht einen Teil Ihrer Jugend, Ihres Reizes aus. Ich bin genau wie alle uebrigen, wie Amme, Eltern und Sergius,--ich bin Ihr betoerter Bewunderer. Raina [erfreut]: Wirklich? Bluntschli [sich nach deutscher Art auf die Brust schlagend]: Hand aufs Herz, wahrhaftig! Raina [sehr gluecklich]: Aber was haben Sie dazu gesagt, dass ich Ihnen mein Bild geschenkt habe? Bluntschli [erstaunt]: Ihr Bild? Sie haben mir doch nie Ihr Bild geschenkt. Raina [rasch]: Wollen Sie behaupten, dass Sie es NICHT erhalten haben? Bluntschli: Gewiss will ich das! [Er setzt sich mit erneuertem Interesse neben sie und sagt mit einer gewissen Selbstgefaelligkeit]: Wann haben Sie es mir denn geschickt? Raina [entruestet]: Ich habe es Ihnen nicht geschickt! [Sie wendet den Kopf ab und fuegt zoegernd hinzu]: Es war in der Tasche jenes Rockes... Bluntschli [beisst sich auf die Lippen und rollt die Augen]: Oh, oh, oh, und ich hab' es nicht gefunden! Es muss jetzt noch darin sein. Raina [aufspringend]: Noch darin?! Damit mein Vater es findet, sobald er die Haende in die Taschen steckt? Nein, wie konnten Sie nur so dumm sein! Bluntschli [erhebt sich gleichfalls]: Machen Sie sich nichts daraus, es ist doch nur eine Photographie,--wie kann er wissen, fuer wen sie bestimmt war? Sagen Sie ihm einfach, dass er sie selbst hineingetan hat. Raina [ungeduldig]: Ich danke Ihnen fuer den guten Rat! Sie sind gar so gescheit! Ach, ach, ach, was soll ich nur beginnen? Bluntschli: Ah, ich verstehe: Sie haben etwas darauf geschrieben. Das war freilich unvorsichtig. Raina [fast bis zu Traenen verdrossen]: Nein, dass ich so etwas fuer Sie tun konnte,--fuer Sie, dem gar nichts daran liegt! Der sich hoechstens ueber mich lustig macht! Sind Sie wenigstens sicher, dass bis jetzt niemand es beruehrt hat? Bluntschli: Nein, ganz sicher kann ich nicht sein. Bedenken Sie doch: ich konnte den Rock ja nicht immer mit mir herumtragen, man darf im aktiven Dienst nicht viel Gepaeck mitfuehren. Raina: Was haben Sie denn aber damit gemacht? Bluntschli: Als ich nach Pirot kam, da musste ich ihn irgendwo in Sicherheit bringen, ich dachte an das Garderobezimmer der Eisenbahnstation,--aber das ist bestimmt ein Platz, der bei unserer modernen Kriegfuehrung ganz ausgepluendert wird. Da zog ich vor, den Rock zu--versetzen! Raina: Versetzt haben Sie ihn! Bluntschli: Ich weiss, es klingt nicht nett, aber das Versatzamt war gewiss der sicherste Ort. Vorgestern habe ich ihn wieder ausgeloest; weiss der Himmel, ob der Pfandleiher die Taschen ausgeleert hat oder nicht. Raina [wuetend, ihm die Worte ins Gesicht schleudernd]: Sie haben eine niedrige Kraemerseele. Sie denken an Dinge, die einem Ehrenmann niemals einfallen koennten. Bluntschli [phlegmatisch]: Das ist der Schweizer Nationalcharakter, verehrtes Fraeulein. Raina: Oh, waere ich Ihnen nie begegnet! [Sie wendet sich heftig ab und setzt sich wuetend ans Fenster.] [Louka kommt herein, einen Pack Briefe und Telegramme auf ihrem Servierteller. Sie geht mit ihrem kuehnen, freien Wesen an den Tisch; ihr linker Aermel ist mit einer Brosche an die Schulter hinaufgeheftet; man sieht ihren blossen Arm, dessen blauer Fleck durch ein breites vergoldetes Armband verdeckt ist.] Louka [zu Bluntschli]: Das ist fuer Sie; [sie leert ihre Platte unbekuemmert auf den Tisch aus:] der Bote wartet. [Sie ist entschlossen, gegen einen Serben nicht hoeflich zu sein, selbst wenn sie ihm seine Briefe bringen muss.] Bluntschli [zu Raina]: Wollen Sie mich einen Augenblick entschuldigen? Die letzte Post hat mich vor drei Wochen erreicht--diese Anhaeufung ist die Folge davon,--vier Depeschen--eine Woche alt. [Er oeffnet eine davon:] Oho! schlechte Nachrichten! Raina [steht auf und naehert sich etwas reumuetig]: Schlechte Nachrichten? Bluntschli: Mein Vater ist gestorben. [Er blickt auf das Telegramm mit geschlossenen Lippen, in Gedanken vertieft ueber den unerwarteten Umschlag in seinen Plaenen.] Raina: Oh! wie traurig. Bluntschli: Jawohl! Da werde ich in einer Stunde heimreisen muessen. Mein Vater hat eine Menge grosser Hotels hinterlassen, um die ich mich nun bekuemmern muss. [Er greift ein dickes, langes, blaues Kuvert heraus.] Da ist auch schon ein grosser Brief von unserm Familienadvokaten. [Er reisst die Papiere heraus und ueberfliegt sie.] Grosser Gott, siebzig--zweihundert--[mit wachsender Bestuerzung:] vierhundert--viertausend--neuntausendsechshundert...was, um des Himmels willen, soll ich denn damit anfangen?! Raina [schuechtern]: Neuntausendsechshundert Hotels? Bluntschli: Hotels! Unsinn! Wenn Sie nur wuessten,--aber es ist zu laecherlich, entschuldigen Sie, ich muss Anordnungen wegen meiner Abreise treffen. [Er verlaesst rasch das Zimmer, die Papiere in der Hand.] Louka [spoettisch]: Er hat nicht viel Herz, dieser Schweizer, obwohl er die Serben liebt; er hat kein Wort der Trauer, des Kummers fuer seinen seligen Vater. Raina [bitter]: Der und Kummer! Ein Mensch, der jahrelang nichts anderes getan hat, als Leute umbringen,--was liegt dem daran, wenn sein alter Vater stirbt! was liegt einem Soldaten an irgend etwas? [Sie geht zur Tuer, ihre Traenen nur muehsam zurueckhaltend.] Louka: Major Saranoff hat auch gekaempft, und es ist ihm doch sehr viel Herz uebriggeblieben. [Raina blickt sie von der Tuer aus hochmuetig an und geht hinaus.] Aha, ich habe es mir gedacht, dass du wenig Gefuehl aus DEINEM Soldaten herauskriegen wuerdest. [Sie ist im Begriff, Raina zu folgen, da tritt Nicola ein, Holz in den Armen, um nachzulegen.] Nicola [sie verliebt anlaechelnd]: Den ganzen Nachmittag habe ich mich umsonst bemueht, dich allein anzutreffen, mein Schatz. [Sein Gesichtsausdruck veraendert sich, als er ihren Arm bemerkt.] Was ist das fuer eine neue Mode, deine Aermel zu tragen, mein Kind? Louka [stolz]: Meine eigene Mode. Nicola: In der Tat--! na! wenn dich die Frau so erwischt, wird sie dich lehren. [Er wirft das Holz auf die Ottomane und setzt sich bequem daneben.] Louka: Ist das ein Grund fuer dich, mich zu lehren? Nicola: Geh, sei nicht so widerspenstig gegen mich; ich habe eine gute Nachricht fuer uns. [Er nimmt etwas Papiergeld aus der Tasche, Louka kommt mit gierigem Augenblitzen naeher, um es anzusehen.] Schau, ein Zwanzigleuschein! Sergius gab mir das Geld aus reiner Prahlerei--so ein Narr! Narrengeld ist bald dahin. Und da sind noch zehn Leu,--die gab mir der Schweizer dafuer, dass ich der Gnaedigen und Rainas Luegen auf mich genommen habe. Der ist kein Narr! Du haettest die alte Katharina nur unten hoeren sollen, wie hoeflich sie mich bat, mir nichts daraus zu machen, dass der Major etwas ungeduldig gewesen sei, denn sie wuessten ganz gut, was fuer ein praechtiger Diener ich sei--nachdem sie mich vor allen zu einem Narren und Luegner gestempelt haben! Die zwanzig Leu sind fuer unsere Ersparnisse bestimmt, und dir gebe ich die zehn, die kannst du nach Belieben ausgeben, wenn du dafuer mit mir nur so sprechen willst, als ob ich auch ein Mensch waere. Manchmal habe ich es doch satt, Diener zu sein. Louka [verachtungsvoll]: Ja, geh hin und verkaufe deine Manneswuerde fuer dreissig Leu und kaufe mich fuer zehn Leu dazu! Behalte dein Geld! Du bist zum Diener geboren, ich nicht! Wenn du deinen Laden eingerichtet hast, dann wirst du jedermanns Diener sein, statt, wie jetzt, eines Mannes Diener. Nicola [nimmt sein Holz auf und geht zum Ofen]: Pah, wart' es nur erst ab, du wirst schon sehen! Wir werden unsere Abende fuer uns haben, und ich werde der Herr in MEINEM Hause sein,--das verspreche ich dir! [Er wirft das Holz hinunter und kniet vor dem Ofen.] Louka: Du wirst nie der Herr in meinem Hause sein. [Sie setzt sich stolz auf Sergius' Stuhl.] Nicola [wendet sich um, immer auf den Knien, und kauert sich etwas trostlos auf seine Fersen nieder, entmutigt von Loukas unerbittlicher Missachtung.] Du bist sehr ehrgeizig, Louka; wenn dir irgendein unverhofftes Glueck widerfahren sollte, dann vergiss nicht: ich war es, der eine Frau aus dir gemacht hat. Louka: Du? Nicola [mit hartnaeckiger Selbstverteidigung]: Jawohl, ich. Wer hat dir abgewoehnt, deinen Kopf mit falschen schwarzen Haaren zu behaengen und deine Lippen und Wangen rot zu schminken wie alle andern bulgarischen Maedchen? Ich war das. Wer lehrte dich deine Naegel putzen und deine Haende pflegen und dich fein und sauber halten wie eine grosse russische Dame? Ich! Verstehst du mich? Ich! [Sie wirft den Kopf verachtungsvoll in die Hoehe und er erhebt sich uebellaunig und fuegt kuehler hinzu:] Ich habe mir oft gedacht, wenn Raina nicht im Wege stuende und du bloss ein klein wenig klueger waerest und Sergius bloss ein klein wenig duemmer, du koenntest einmal zu meinen groessten Kunden zaehlen, statt dass du nur meine Frau wirst und mich Geld kostest. Louka: Ich glaube, du wuerdest lieber mein Diener sein als mein Mann! Du koenntest dann auch mehr aus mir herausschlagen,--ich kenne deine schoene Seele. Nicola [tritt nahe an sie heran, um mit groesserem Nachdruck zu sprechen]: Lass meine Seele aus dem Spiel, ein fuer allemal, aber hoere auf meine Ratschlaege! Wenn du eine Dame werden willst, dann ist dein augenblickliches Benehmen zu mir durchaus nicht angebracht, ausgenommen, wenn wir allein sind; es ist zu scharf und zu frech, und Frechheit verraet gewissermassen eine Vertraulichkeit, die als Gunstbezeichnung ausgelegt werden koennte! Dann werde ich dich auch sehr bitten, nicht hochnaesig und von oben herab mit mir zu verkehren! Du bist darin wie alle Landgaenschen. Du glaubst, es ist vornehm, einen Diener so zu behandeln, wie ich einen Stalljungen behandele; daran ist aber nur deine Unbildung schuld; vergiss das nicht und sei nur nicht immer gar so bereit, jedem Menschen Trotz zu bieten! Benimm dich, als ob du erwartetest deinen eigenen Willen durchzusetzen, und nicht, als ob du gewohnt waerst, dass mit dir herumkommandiert wird. Der Weg, sich als Dame oder als Diener vorwaerts zu bringen, ist ganz der gleiche. Man muss wissen, was sich gehoert, das ist das ganze Geheimnis. Und auf mich kannst du dich verlassen: ich weiss, was sich fuer mich gehoert, wenn du aufrueckst. Denke an mich, mein Schatz, ich will auch zu dir halten! Ein Diener sollte dem andern immer behilflich sein. Louka [erhebt sich ungeduldig]: Oh, ich muss mich auf meine eigene Art benehmen, du nimmst mir mit deiner kaltbluetigen Weisheit nur alle Unbefangenheit. Geh, wirf das Holz ins Feuer, das ist eine Sache, die du verstehst. [Bevor Nicola etwas erwidern kann, tritt Sergius ein; er haelt inne, als er Louka erblickt, dann geht er an den Ofen.] Sergius [zu Nicola]: Ich hoffe, ich bin dir nicht im Weg bei deiner Arbeit. Nicola [glatt, den alten Diener spielend]: O nein, ich danke sehr; ich habe nur mit diesem naerrischen Ding ueber ihre Gepflogenheit gesprochen, bei jedem Anlass in die Bibliothek zu laufen, um die Buecher anzusehen. Es ist ein Fehler ihrer Erziehung, Herr Major; sie gab ihr Gewohnheiten, die ueber ihrem Stande sind. [Zu Louka.] Mache den Tisch fuer den Herrn Major zurecht, Louka. [Er geht gesetzt hinaus; Louka beginnt, ohne Sergius anzublicken, die Papiere auf dem Tisch zu ordnen; er kommt langsam auf sie zu und studiert aufmerksam die Anordnung ihres Aermels.] Sergius: Lassen Sie mich sehn, haben Sie da noch einen blauen Fleck? [Er nimmt das Armband ab und betrachtet den Fleck, der durch den Druck seiner Finger entstanden ist. Sie steht unbeweglich und sieht ihn nicht an, sie ist wie bezaubert, aber auf ihrer Hut. Er blaest auf die Stelle.] Tut's noch weh? Louka: Jawohl! Sergius: Soll ich es heilen? Louka [zieht sofort ihren Arm stolz zurueck, ohne ihn anzusehen]: Nein, jetzt koennen Sie's nimmermehr. Sergius [herrisch]: Sind Sie dessen ganz sicher? [Er macht eine Bewegung, als ob er sie umarmen wollte.] Louka: Bitte, spielen Sie nicht mit mir; ein Offizier sollte nicht mit einer Dienerin taendeln. Sergius [beruehrt ihren Arm mit einem unbarmherzigen Streich seines Zeigefingers]: Das war kein Getaendel, Louka. Louka: Nein? [Sieht ihn zum ersten Male an:] Tut es Ihnen leid? Sergius [mit gemessenem Pathos, seine Arme kreuzend]: Mir tut NIE etwas leid. Louka [sehnsuechtig]: Ich wollte, ich koennte glauben, dass ein Mann einer Frau so wenig aehnlich sein koennte. Sagen Sie mir, sind Sie wirklich ein tapferer Mann? Sergius [einfach, seine Positur aufgebend]: Ja, mutig bin ich wirklich. Mein Herz schlug beim ersten Schuss wie das eines Weibes, aber bei der Attacke fand ich meine ganze Tapferkeit wieder; ja, das wenigstens ist wahr und echt an mir. Louka: Fanden Sie bei der Attacke die Leute armer Herkunft, wie meinesgleichen, weniger tapfer als die, die reich waren wie Sie? Sergius [bitter, leichthin]: Nicht im geringsten. Sie fochten und fluchten und schrien alle wie Helden! Pah, der Mut zu wueten und zu toeten ist billig. Ich habe einen englischen Bullterrier, der von dieser Art Mut so viel besitzt wie die ganze bulgarische Nation und die ganze russische Armee dazu, aber er laesst sich trotzdem von meinem Stallknecht pruegeln. So sind eure Soldaten ganz genau. Nein, Louka, eure armen Teufel koennen zwar Haelse abschneiden, aber sie fuerchten sich vor ihren Offizieren, sie lassen sich Beleidigungen und Schlaege gefallen, sie stehen dabei und sehen ruhig zu, wenn ihre Kameraden bestraft werden wie kleine Kinder, ja und was noch schlimmer ist, sie helfen selbst mit, wenn sie dazu befohlen werden. Und die Offiziere erst, na... [Mit einem kurzen und bitteren Lachen:] Ich bin Offizier, ach! [Feurig:] Zeigen Sie mir einen Mann, der jeder Macht auf Erden oder im Himmel, die ihn zwingen wollte, gegen seinen Willen oder sein Gewissen zu handeln, Trotz bietet bis in den Tod! Nur ein solcher Mann ist tapfer. Louka: So zu reden, das ist leicht. Mir scheint die meisten Maenner bleiben zeitlebens Knaben. Sie haben alle Ideen wie die Schuljungen. Sie wissen auch nicht, was wahrer Mut ist. Sergius [ironisch]: Wirklich? Ich lasse mich gerne belehren. Louka: Sehen Sie mich an! Wie oft darf ich mir den Luxus eines eigenen Willens gestatten? Ich muss Ihr Zimmer in Ordnung bringen, muss abstauben und fegen, holen und laufen. Wie kann mich das erniedrigen, wenn es Sie nicht erniedrigt, fuer den das alles geschieht?! Aber [mit unterdruecktem Zorn] wenn ich Kaiserin von Russland waere, ueber alle Menschen erhaben, dann--wenn ich auch Ihrer Meinung nach gar keinen Mut beweisen koennte,--na, Sie sollten schon sehen. Sergius: Was wuerden Sie dann tun, edle Kaiserin? Louka: Ich wuerde den Mann heiraten, den ich liebte, wozu keine Koenigin Europas den Mut findet. Wenn ich beispielsweise Sie liebte, der Sie dann so tief unter mir stuenden, wie ich jetzt unter Ihnen stehe, ich wuerde es wagen, mich meinem Untergebenen gleichzustellen! Wuerden Sie diesen Mut finden, wenn Sie mich liebten? Nein! Wenn Sie fuehlten, dass Sie mich zu lieben beginnen, so wuerden Sie dieses Gefuehl unterdruecken, Sie wuerden nicht wagen, mich zu heiraten. Sie wuerden die Tochter eines reichen Mannes heimfuehren aus Angst, was "die Welt", was andere Leute dazusagen koennten! Sergius [hingerissen]: Sie luegen, das ist nicht der Fall--beim Himmel nicht! Wenn ich Sie liebte, und waere ich selbst der Zar, ich wuerde Sie neben mich auf den Thron setzen. Sie wissen, dass ich eine andere Frau liebe, die so hoch ueber Ihnen steht, wie der Himmel ueber der Erde. Und Sie sind eifersuechtig auf sie. Louka: Dazu habe ich ja gar keinen Grund. Sie wird Sie doch niemals heiraten. Der Mann, von dem ich Ihnen sprach, ist zurueckgekehrt. Sie wird den Schweizer heiraten! Sergius [zurueckfahrend]: Den Schweizer! Louka: Einen Mann, der zehn Ihresgleichen aufwiegt. Dann koennen Sie zu mir kommen, aber ich werde Sie auch abweisen. Sie sind mir nicht gut genug. [Sie wendet sich zur Tuere.] Sergius [springt ihr nach und faengt sie wild in seinen Armen auf]: Ich werde den Schweizer toeten, und mit Ihnen werde ich dann machen, was mir beliebt. Louka [in seinen Armen, ruhig und gefasst]: Vielleicht wird der Schweizer Sie toeten. In der Liebe hat er Sie schon geschlagen, er kann Sie vielleicht auch im Kampfe besiegen. Sergius [gequaelt]: Halten Sie es fuer moeglich, dass ich jemals glauben werde, dass--"sie", deren aergste Gedanken noch hoeher stehen als Ihre besten, dass "sie" faehig waere, hinter meinem Ruecken mit einem andern Mann zu taendeln!? Louka: Halten Sie es fuer moeglich, dass "sie" dem Schweizer glauben wuerde, wenn er ihr jetzt erzaehlte, dass ich in Ihren Armen liege? Sergius [laesst sie verzweifelnd los]: Oh, zum Henker! Verdammt! Spott und Hohn ueberall! Meine eigenen Taten machen meine erhabensten Gedanken laecherlich. [Er schlaegt sich heftig vor die Brust.] Feigling, Luegner, Narr! Soll ich mich toeten wie ein Mann, oder soll ich weiterleben und vorgeben mich selbst zu verhoehnen? [Louka wendet sich abermals der Tuer zu.] Louka! [Sie bleibt in der Naehe der Tuer stehen.] Merken Sie sich: Sie gehoeren zu mir! Louka [ruhig]: Was heisst das? Soll das eine Beleidigung sein? Sergius [befehlend]: Das heisst, dass Sie mich lieben und dass ich Sie hier in meinen Armen gehalten habe und Sie vielleicht wieder so halten werde. Ob das eine Beleidigung ist, das weiss ich nicht, das ist mir auch ganz einerlei,--nehmen Sie das, wie's Ihnen beliebt; aber [heftig:] ich will kein Feigling und kein Lump sein! Wenn es mir gefaellt, Sie zu lieben, so wage ich es auch,--ganz Bulgarien zum Trotz--Sie zu heiraten. Wenn diese Haende Sie jemals wieder beruehren, dann werden sie meine angelobte Braut beruehren. Louka: Wir werden ja sehn, ob Sie es wagen, Ihr Wort zu halten; aber nehmen Sie sich in acht, ich werde nicht lange warten. Sergius [verschraenkt seine Arme wieder und bleibt unbeweglich in der Mitte des Zimmers stehen]: Ja, das werden wir sehen, und Sie werden warten, solange es mir beliebt! [Bluntschli kommt, sehr beschaeftigt, seine Papiere noch in Haenden, herein und laesst die Tuer fuer Louka offen. Er geht hinueber an den Tisch und wirft ihr im Voruebergehen einen fluechtigen Blick zu. Sergius, ohne seine entschlossene Stellung aufzugeben, sieht ihn fest an, Louka geht hinaus und laesst die Tuer offen.] Bluntschli [zerstreut, sitzt am Tisch wie zuvor und legt sein Papiere nieder]: Das ist eine auffallend huebsche junge Person. Sergius [ernst, ohne sich zu ruehren]: Hauptmann Bluntschli! Bluntschli: Sie wuenschen? Sergius: Sie haben mich betrogen, Sie sind mein Nebenbuhler; ich dulde keinen Rivalen! Um sechs Uhr werde ich allein zu Pferd, mit meinem Saebel, auf den Exerzierplatz an der Strasse nach Klissura sein! --Verstehen Sie mich? Bluntschli [starrt ihn an, bleibt aber ganz gemuetlich sitzen]: Ich danke Ihnen. Das ist der Vorschlag eines Kavalleristen. Ich bin Artillerist und habe die Wahl der Waffen. Wenn ich komme, so bringe ich eine Mitrailleuse mit. Aber diesmal wird kein Irrtum mit der Munition sein, verlassen Sie sich darauf. Sergius [erroetend, aber mit toedlicher Kaelte]: Nehmen Sie sich in acht, Herr, es ist nicht unsere Gewohnheit in Bulgarien, mit solchen Einladungen Scherz treiben zu lassen. Bluntschli [warm]: Bah, reden Sie mir nicht von Bulgarien, Sie wissen ja gar nicht, was "kaempfen" heisst. Aber meinetwegen. Bringen Sie Ihren Saebel mit. Ich werde dort sein. Sergius [sehr entzueckt, in seinem Gegner einen Mann von Mut zu finden]: Schoen gesprochen, Schweizer. Soll ich Ihnen mein bestes Pferd leihen? Bluntschli: Nein, der Teufel hole Ihr bestes Pferd! Immerhin danke ich Ihnen, lieber Freund. [Raina kommt herein und hoert den naechsten Satz.] Ich werde Sie zu Fuss erwarten; zu Pferde ist das zu gefaehrlich; ich will Sie nicht toeten, wenn ich es vermeiden kann. Raina [laeuft aengstlich nach vorn]: Ich habe gehoert, was Hauptmann Bluntschli eben gesagt hat, Sergius! Ihr wollt euch schlagen! warum? [Sergius wendet sich schweigend ab, geht nach dem Ofen und beobachtet sie, waehrend sie, zu Bluntschli gewendet, fortfaehrt]: Weswegen? Bluntschli: Ich weiss nicht, er hat es mir nicht anvertraut. Mischen Sie sich lieber nicht ein, verehrtes Fraeulein, es wird kein Unglueck geschehen; ich habe schon oft als Fechtlehrer gedient. Er wird nicht imstande sein, mich zu beruehren, und ich werde ihm nicht weh tun. Das wird immerhin Auseinandersetzungen ersparen. Morgen frueh werde ich dann auf der Heimreise sein, und Sie werden mich niemals wiedersehen oder je von mir hoeren. Sie werden die Sache dann schon mit ihm ins reine bringen; und nachher werden Sie gluecklich miteinander leben. Raina [wendet sich tief verletzt ab; beinahe mit einem Seufzer in ihrer Stimme]: Ich habe nie gesagt, dass ich Sie wiederzusehen wuensche. Sergius [vorwaertsschreitend]: Ha, das ist ein Gestaendnis! Raina [hoheitsvoll]: Was meinen Sie damit? Sergius: Sie lieben diesen Mann! Raina [empoert]: Sergius! Sergius: Sie haben ihm gestattet, Ihnen hinter meinem Ruecken Liebeserklaerungen zu machen, genau so wie Sie mich hinter seinem Ruecken zum Gatten haben wollten. Bluntschli, Sie kannten unsere Beziehungen und betrogen mich, das ist der Grund, warum ich von Ihnen Genugtuung verlange,--nicht, weil Sie Beguenstigungen empfangen haben, die mir verweigert worden sind. Bluntschli [empoert aufspringend]: Bloedsinn, Unsinn! Ich habe keine Beguenstigungen empfangen. Das gnaedige Fraeulein weiss ja nicht einmal, ob ich verheiratet bin oder nicht. Raina [sich vergessend]: Oh! [Auf die Ottomane hinsinkend:] Sie sind verheiratet?? Sergius: Sie sehen, welchen Eindruck diese Moeglichkeit auf die junge Dame macht! Hauptmann Bluntschli: Leugnen ist vergeblich, Sie haben den Vorzug genossen, spaet nachts in Fraeulein Rainas Schlafzimmer empfangen worden zu sein. Bluntschli [unterbricht ihn heftig]: Ja, Sie Dummkopf, sie hat mich empfangen, weil ich ihr meine Pistole auf die Brust gesetzt habe. Eure Kavallerie war mir auf den Fersen. Ich haette sie getoetet, wenn sie einen Laut von sich gegeben haette. Sergius [verbluefft]: Bluntschli--Raina--ist das wahr? Raina [richtet sich in majestaetischem Zorn auf]: Wie koennen Sie es wagen? Bluntschli: Entschuldigen Sie sich, Mann, entschuldigen Sie sich! [Er nimmt seinen Platz am Tische wieder ein.] Sergius [mit altgewohnter Uebertreibung, seine Arme kreuzend]: Ich entschuldige mich nie! Raina [leidenschaftlich]: Das verdanke ich Ihrem famosen Freunde, Hauptmann Bluntschli, er hat diese empoerende Geschichte ueber mich ausgesprengt. [Sie geht sehr erregt auf und ab.] Bluntschli: Nein, der schweigt, er ist tot, verbrannt bei lebendigem Leibe! Raina [einhaltend, entsetzt]: Lebendig verbrannt? Bluntschli: Wurde auf einem Holzhof in die Huefte geschossen. Konnte sich nicht fortschleppen. Da setzten die Granaten der Bulgaren das Holz in Flammen und er verbrannte mit einem halben Dutzend anderer armer Teufel, die in derselben Lage waren. Raina: Wie schrecklich! Sergius: Und wie laecherlich! O Krieg, Krieg, Traum der Patrioten und Helden! Du bist ein Schwindel, eine hohle Phrase, wie die Liebe! Raina [ausser sich]: Wie die Liebe?! Das sagen Sie vor mir? Bluntschli: Lassen Sie's gut sein, Saranoff, die Sache ist erledigt! Sergius: Eine hohle Phrase, sage ich. Waeren Sie hierher zurueckgekehrt, Herr Hauptmann, wenn sich zwischen Ihnen nichts als die Geschichte mit der Pistole zugetragen haette? Raina taeuscht sich ueber unseren verbrannten Freund: er war es nicht, der mir die Mitteilung machte! Raina: Wer denn? [Ploetzlich die Wahrheit ahnend:] Ah, Louka, mein Maedchen, meine Dienerin! Sie waren ja mit ihr die ganze Zeit nach dem Fruehstueck allein--oh, so also sieht der Gott aus, den ich angebetet habe! [Er begegnet ihrem Blick mit sardonischer Freude ueber ihre Ernuechterung; um so geaergerter tritt sie naeher an ihn heran und sagt in leisem, heftigem Tone:] Wissen Sie, dass ich vom Fenster aus, als ich mich umwandte, um noch einen Blick auf meinen Helden zu werfen, etwas gesehen habe, was ich vorhin nicht verstand? Jetzt weiss ich, dass Sie mit Louka angebandelt haben! Sergius [mit grimmigem Humor]: Haben Sie das bemerkt? Raina: Nur zu gut. [Sie wendet sich weg und wirft sich ganz ueberwaeltigt auf den Diwan unter dem Mittelfenster.] Sergius [zynisch]: Raina, unser Roman ist zu Ende. Das Leben ist eine Posse. Bluntschli [gutmuetig zu Raina]: Sehen Sie, jetzt hat er sich endlich selbst durchschaut. Sergius: Bluntschli: ich habe Ihnen erlaubt, mich einen Dummkopf zu nennen; jetzt koennen Sie mich auch noch einen Feigling schelten: ich weigere mich, mich mit Ihnen zu schlagen. Wissen Sie, warum? Bluntschli: Nein, aber das macht nichts. Ich habe nicht gefragt, warum Sie mich gefordert haben, und ich frage auch jetzt nicht, warum Sie wieder abwinken. Ich bin Berufssoldat, ich kaempfe, wenn ich kaempfen muss, bin aber immer sehr froh, nicht kaempfen zu muessen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Sie sind nur ein Amateur; Sie glauben, Kaempfen ist ein Vergnuegen. Sergius: Trotzdem will ich Ihnen den Grund sagen, Sie Berufssoldat, Sie: Zu einem echten Kampf gehoeren zwei Maenner, wirkliche Maenner, Maenner von Herz, Blut und Ehre. Mit Ihnen koennte ich mich ebenso wenig schlagen, wie ich einer haesslichen Frau Liebeserklaerungen machen koennte. Ihnen fehlt der Magnetismus fuer ein Duell, Sie sind kein Mann,--Sie sind eine Kampfmaschine. Bluntschli [als wollte er sich entschuldigen]: Das ist vollkommen richtig! Wahrhaftig! So ein Kerl war ich immer, ich bedaure! Aber jetzt, da Sie wieder entdeckt haben, dass das Leben keine Posse, sondern etwas ganz Vernuenftiges und Ernsthaftes ist,--welches Hindernis gibt es jetzt noch fuer Ihr Glueck? Raina [sich erhebend]: Sie scheinen sehr besorgt um unser Glueck. Haben Sie seine neue Liebe vergessen--Louka? jetzt soll er nicht mit Ihnen kaempfen, sondern mit seinem Nebenbuhler--Nicola. Sergius: Nebenbuhler!! [Sich an die Stirne schlagend.] Raina: Wissen Sie nicht, dass die beiden verlobt sind? Sergius: Nicola? Oeffnen sich neue Abgruende?...Nicola? Raina [sarkastisch]: Ein empoerendes Opfer, nicht wahr? Diese Schoenheit, dieser Geist, diese Anmut, vergeudet an einen Diener in mittleren Jahren! Wirklich, Sergius, Sie duerfen das nicht laenger dulden. Das sind Sie Ihrer Ritterlichkeit schuldig. Sergius [seine Selbstbeherrschung ganz verlierend]: Natter! Schlange! [Er laeuft schaeumend auf und ab.] Bluntschli: Hoeren Sie, Saranoff, Sie ziehen den kuerzeren. Raina [zorniger]: Begreifen Sie, was er getan hat, Hauptmann Bluntschli? Er hat uns dieses Maedchen als Spionin auf den Hals geschickt, und zum Lohn dafuer macht er ihr den Hof. Sergius: Das ist nicht wahr! Das ist ungeheuerlich! Raina: Ungeheuerlich? [Ihn mit den Blicken messend:] Koennen Sie leugnen, dass Louka Ihnen gesagt hat, Hauptmann Bluntschli sei in meinem Zimmer gewesen? Sergius: Nein, aber-Raina [unterbrechend]: Koennen Sie leugnen, dass Sie ihr Liebeserklaerungen gemacht haben, als Sie Ihnen das sagte? Sergius: Nein, aber ich sage Ihnen-Raina [ihm heftig und verachtungsvoll ins Wort fallend]: Es ist ganz ueberfluessig, uns noch irgend etwas zu sagen. Das genuegt uns vollkommen! [Sie wendet sich von ihm ab und schwebt majestaetisch zurueck an das Fenster.] Bluntschli [waehrend Sergius aufs tiefste beleidigt und empoert auf die Ottomane sinkt und abgewandt seinen Kopf zwischen die Faeuste nimmt, sehr ruhig]: Ich habe Ihnen doch gesagt, Saranoff, dass Sie den kuerzeren ziehen. Sergius: Pantherkatze! Raina [laeuft aufgeregt zu Bluntschli]: Sie hoeren, wie dieser Mensch mich beschimpft, Hauptmann Bluntschli. Bluntschli: Was soll er denn anfangen, verehrtes Fraeulein? Irgendwie muss er sich doch verteidigen. [Mit viel Suada:] Gehen Sie; nicht streiten! was nuetzt das? [Raina setzt sich schwer atmend auf die Ottomane, und nach vergeblicher Anstrengung, Bluntschli boese anzusehen, faellt sie ihrem Sinn fuer Humor zum Opfer und kann sich kaum des Lachens enthalten.] Sergius: Verlobt mit Nicola! [Er erhebt sich.] Haha! [Geht nach dem Ofen--steht mit dem Ruecken dagegen.] Jawohl, Bluntschli, Sie tun wirklich gut daran, diese schwindelhafte Welt ruhig aufzufassen. Raina [schelmisch zu Bluntschli, mit unwillkuerlichem Begreifen seines Gedankenganges]: Mir scheint, Sie halten uns fuer zwei grosse Kinder. Sergius [lacht hoehnisch und grimmig]: Natuerlich, natuerlich Schweizer Zivilisation bemuttert Bulgariens Barbarei, nicht wahr? Bluntschli [erroetend]: Durchaus nicht, ich versichere Ihnen, ganz gewiss nicht. Ich bin nur froh, dass Sie beide sich endlich etwas beruhigen. Na, gehen Sie, wir wollen vergnuegt sein und die Sache freundschaftlich besprechen. Wo ist die andere junge Dame? Raina: Wahrscheinlich horcht sie an der Tuer. Sergius [zuckt zusammen, wie von einer Kugel getroffen; ruhig, aber mit tiefer Entruestung]: Ich will beweisen, dass dies wenigstens eine Verleumdung ist. [Er geht mit Wuerde zur Tuer und oeffnet. Ein Wutschrei entringt sich seiner Brust, nachdem er hinausgesehen. Er springt in den Gang und kommt zurueck, Louka nachschleppend, die er heftig gegen den Tisch stoesst. Er ruft aus:] Richten Sie diese Elende, Bluntschli,--Sie, Sie, der kalte, unparteiische Mann! Richten Sie die Horcherin an der Wand! [Louka bleibt aufrecht, stolz und ruhig.] Bluntschli [den Kopf schuettelnd]: Ich darf sie nicht richten. Ich habe selbst einmal vor einem Zelt gehorcht, als darin eine Meuterei beschlossen wurde. Es kommt immer auf die Veranlassung dazu an, und was auf dem Spiele steht,--es ging um mein Leben! Louka: Es ging um meine Liebe. [Sergius zuckt zusammen und schaemt sich ihrer gegen seinen Willen.] Ich brauche mich nicht zu schaemen. Raina [verachtungsvoll]: Ihre Liebe? Sie meinen Ihre Neugier! Louka [blickt ihr ins Gesicht, und gibt ihr ihre Verachtung mit Zinsen zurueck]: Meine Liebe--die groesser ist als alles, was Sie faehig sind, zu empfinden, selbst fuer Ihren Pralinesoldaten! Sergius [mit ploetzlichem Verdacht zu Louka]: Was soll das heissen? Louka [heftig]: Das heisst-Sergius [sie geringschaetzig unterbrechend]: Oh, ich entsinne mich! Der Eispudding! Was fuer eine armselige Stichelei! [Major Petkoff kommt in Hemdaermeln herein.] Petkoff: Entschuldigen Sie die Hemdaermel, meine Herren! Raina! Einer hat meinen Rock angehabt, ich koennte darauf schwoeren, einer, der breitere Schultern hat als ich. Am Ruecken ist die Naht ganz aufgetrennt, deine Mutter naeht sie eben zu. Hoffentlich wird sie bald fertig sein, ich werde mich sonst erkaelten. [Er sieht aufmerksam nach ihnen hin:] Ist etwas los? Raina: Nein. [Sie setzt sich an den Ofen, mit ruhiger Miene.] Sergius: Gar nichts. [Er setzt sich an das Tischende wie zuvor.] Bluntschli [der schon sitzt]: Nichts, nichts! Petkoff [der sich an seinen frueheren Platz auf die Ottomane legt]: Das ist recht. [Er bemerkt Louka.] Ist etwas los Louka? Louka: Nein, gnaediger Herr. Petkoff [gemuetlich]: Das ist auch recht! [Er niest:] Sei so gut, geh zu meiner Frau und verlang meinen Rock, hoerst du? [Sie wendet sich um und will gehorchen, aber Nicola tritt eben mit dem Rock ein. Sie tut, als haette sie Arbeit im Zimmer, und stellt den kleinen Tisch mit der Tabakspfeife an die Wand in die Naehe des Fensters.] Raina [erhebt sich rasch, als sie auf Nicolas Arm den Rock erkennt]: Hier ist dein Rock, Papa; gib ihn mir, Nicola, und leg' im Ofen etwas nach. [Sie nimmt den Rock, bringt ihn dem Major, der aufsteht, um ihn anzuziehen. Nicola macht sich beim Feuer zu schaffen.] Petkoff [zu Raina, sie liebenswuerdig neckend]: Schau, schau, du sorgst ja sehr lieb fuer deinen armen alten Papa! Wohl heute mal zur Feier seiner Rueckkehr aus dem Kriege? Raina [mit feierlichem Vorwurf]: Oh, wie kannst du nur so etwas sagen, Papa! Petkoff: Es ist schon gut, nur ein kleiner Scherz--gib mir einen Kuss. [Sie kuesst ihn:] Jetzt gib mir den Rock. Raina: Nein, ich will dir helfen, wende dich um. [Er dreht sich um und sucht mit den Armen nach den Aermeln. Raina nimmt geschickt die Photographie aus der Tasche und wirft sie Bluntschli auf den Tisch zu, der sie vor Sergius' Augen mit einem Bogen Papier bedeckt. Dieser sieht sprachlos vor Erstaunen zu, waehrend sein Verdacht den Siedepunkt erreicht. Raina hilft dann Petkoff in den Rock hinein.] So, mein lieber Papa...Fuehlst du dich jetzt wohl? Petkoff: Vollkommen, mein Schatz, ich danke dir. [Er setzt sich, Raina kehrt zu ihrem Platz an den Ofen zurueck.] Apropos, ich habe etwas Merkwuerdiges in meiner Tasche gefunden! Was soll das bedeuten? [Er greift mit der Hand in die leere Tasche.] Was ist denn das? [Sucht in der anderen Tasche:] Nein, ich haette schwoeren moegen...[Sehr verdutzt sucht er in der Brusttasche.] Ich begreife nicht...[Wieder in die erste Tasche greifend.] Wo kann sie nur sein--?[Ein Licht geht ihm auf, er erhebt sich und ruft aus:] Deine Mutter wird sie herausgenommen haben! Raina [sehr rot]: Was denn? Petkoff: Deine Photographie mit der Inschrift: "Raina ihrem Pralinesoldaten zum Andenken". Es ist klar, dass da mehr dahintersteckt, als man auf den ersten Blick sieht, und das muss ich herausbringen. [Laut rufend:] Nicola! Nicola [laesst ein Stueck Holz fallen, wendet sich um]: Gnaediger Herr! Petkoff: Hast du heute morgen Fraeulein Raina irgendeine Speise verdorben? Nicola: Wie Sie gehoert haben, gnaediger Herr; Fraeulein Raina hat es gesagt. Petkoff: Das weiss ich, du Trottel! Aber ist es wahr? Nicola: Ich bin ueberzeugt, dass Fraeulein Raina unfaehig ist, etwas anderes als die Wahrheit zu sagen, gnaediger Herr. Petkoff: Bist du das? Wahrhaftig? Dann bin ich es nicht. [Sich zu den anderen wendend:] Geht! Glaubt Ihr, dass ich nicht laengst alles durchschaut habe? [Er geht zu Sergius und klopft ihm auf die Schulter.] Sergius, du bist der Pralinesoldat, nicht wahr? Sergius [faehrt zusammen]: Ich! ein Pralinesoldat? Gewiss nicht. Petkoff: Nicht? [Er sieht sich um; sie sind alle sehr ernst und sehr verstaendnisvoll.] Willst du damit sagen, dass Raina auch andern Maennern Photographien zum Andenken schenkt? Sergius [raetselvoll]: Die Welt ist kein so unschuldiger Ort, wie wir frueher glaubten, Petkoff. Bluntschli [sich erhebend]: Schon gut, Herr Major: ich bin der Pralinesoldat. [Petkoff und Sergius sind beide erstaunt.] Diese liebenswuerdige junge Dame hat mir das Leben gerettet! Sie gab mir Schokolade, als ich am Verhungern war; werde ich jemals ihren Duft vergessen! Mein verstorbener Freund Stolz hat Ihnen die Geschichte in Pirot erzaehlt--der Fluechtling bin ich! Petkoff: Sie? [Er schnappt nach Luft.] Sergius, erinnerst du dich, wie sich die beiden Damen benommen haben, als wir die Geschichte heute morgen erzaehlten? [Sergius laechelt zynisch, Petkoff mustert Raina strenge.] Du bist mir ein nettes Frauenzimmer, das muss ich schon sagen! Raina [bitter]: Major Saranoff hat seine Ansicht geaendert, und als ich diese Worte auf mein Bild schrieb, da wusste ich nicht, dass Hauptmann Bluntschli verheiratet ist. Bluntschli [faehrt heftig protestierend auf]: Ich bin nicht verheiratet! Raina [sehr vorwurfsvoll]: Sie sagten doch, dass Sie verheiratet waeren. Bluntschli: Das habe ich nicht gesagt, ganz bestimmt nicht; ich war in meinem ganzen Leben nie verheiratet. Petkoff [ausser sich]: Raina! Willst du mir gefaelligst sagen,--wenn es nicht zu unbescheiden ist, dass ich frage--mit welchem von diesen beiden Herren du verlobt bist? Raina: Mit keinem von beiden. Diese junge Dame, [zeigt auf Louka, die sie alle stolz ansieht,] ist jetzt der Gegenstand von Major Saranoffs Neigung. Petkoff: Louka!? Bist du verrueckt geworden, Sergius?--das Maedchen ist doch mit Nicola verlobt. Nicola [nach vorne kommend]: Entschuldigen Sie, gnaediger Herr, das ist ein Irrtum; Louka ist nicht mit mir verlobt. Petkoff: Nicht mit dir verlobt, du Schuft--was? Du hast doch von mir am Tage deiner Verlobung fuenfundzwanzig Leu bekommen, und sie bekam dieses goldene Armband von Fraeulein Raina. Nicola [mit kalter Salbung]: So haben wir angegeben, aber es war nur ein Schutz fuer Louka; sie ist zu Hoeherem geboren, und ich war nichts anderes als ihr vertrauter Diener. Ich habe die Absicht, wie gnaediger Herr wissen, spaeter einen Laden in Sofia aufzumachen: und ich hoffe auf Loukas Kundschaft und Empfehlung fuer den Fall, dass sie in den Adel hineinheiraten sollte. [Er geht mit sichtlicher Diskretion hinaus, alle starren ihm nach.] Petkoff [das Schweigen brechend]: Na, ich bin...hm! Sergius: Das ist entweder edler Heroismus oder kriecherische Niedrigkeit! Entscheiden Sie, Bluntschli, was ist es? Bluntschli: Kuemmern Sie sich nicht darum, ob es Heldentum oder Niedrigkeit ist. Nicola ist der faehigste Mann, den ich bis jetzt in Bulgarien kennen gelernt habe. Ich werde ihn zum Leiter eines Hotels machen, falls er Deutsch und Franzoesisch sprechen kann. Louka [bricht ploetzlich gegen Sergius los]: Ich bin hier von jedermann beleidigt worden. Sie gingen sogar mit dem Beispiel voran. Sie sind zu einer Entschuldigung verpflichtet! [Sergius kreuzt sofort die Arme ueber der Brust, wie eine Repetieruhr, deren Feder beruehrt wurde.] Bluntschli [bevor Sergius etwas sagen kann]: Vergebliche Muehe--er entschuldigt sich nie! Louka: Nicht vor Ihnen, seinesgleichen und seinen Feinden; mir, seiner armen Dienerin, wird er eine Entschuldigung nicht versagen. Sergius [zustimmend]: Sie haben recht. [Er beugt das Knie; in seiner pathetischesten Weise:] Verzeihen Sie mir. Louka: Ich verzeihe Ihnen. [Sie reicht ihm schuechtern ihre Hand, die er kuesst.] Diese Beruehrung macht mich zu Ihrer Braut. Sergius [aufspringend]: Oh, das habe ich vergessen! Louka [kalt]: Sie koennen Ihr Wort zuruecknehmen, wenn Sie wollen. Sergius: Zuruecknehmen? Niemals! Sie sind mein. [Er umarmt sie, Katharina kommt herein, findet Louka in Sergius' Armen und sieht, wie alle Louka und Sergius fassungslos anstarren.] Katharina: Was soll das heissen? [Sergius laesst Louka los.] Petkoff: Nun, meine Teure, es scheint, dass Sergius jetzt die Absicht hat, statt Raina Louka zu heiraten. [Katharina will eben entruestet gegen ihn losbrechen, er haelt sie zurueck und ruft muerrisch aus:] Gib mir nicht die Schuld, ich habe nichts damit zu schaffen. [Er zieht sich nach dem Ofen zurueck.] Katharina: Louka heiraten?! Sergius, Sie sind gebunden! Wir haben Ihr Wort! Sergius [seine Arme kreuzend]: Mich bindet nichts. Bluntschli [sehr erfreut ueber dieses vernuenftige Vorgehen]: Saranoff, Ihre Hand! Ich gratuliere Ihnen, Ihr Heldentum ist in manchen Faellen gut angebracht. [Zu Louka.] Schoenes Fraeulein, empfangen Sie die herzlichsten Glueckwuensche eines guten Republikaners. [Er kuesst Louka die Hand, zu Rainas groesstem Widerwillen.] Katharina [drohend]: Louka, du hast getratscht! Louka: Ich habe Raina nicht geschadet. Katharina [hochmuetig]: Raina?! [Raina ist gleichfalls empoert ueber diese Frechheit.] Louka: Ich habe das Recht, sie Raina zu nennen, sie nennt mich ja auch bloss Louka. Ich habe Major Saranoff gesagt, dass sie ihn nie heiraten wuerde, falls der Schweizer Herr jemals wiederkommen sollte. Bluntschli [ueberrascht]: Was ist das? Louka [wendet sich zu Raina]: Ich dachte, Sie haetten ihn lieber als Sergius; Sie muessen am besten wissen, ob ich recht habe. Bluntschli: Was ist das fuer ein Unsinn? Ich versichere Ihnen, mein lieber Major, verehrte gnaedige Frau, Ihr reizendes Fraeulein Tochter hat mir nur das Leben gerettet, nichts weiter; es war ihr niemals etwas an mir gelegen. Wie koennte das auch sein, um Gottes willen! Sehen Sie sich bloss einmal diese junge Dame an, und dann sehen Sie mich an! Sie: reich, jung, schoen, ihre Phantasie voller Maerchenprinzen und Heldentaten, Kavallerieattacken und weiss Gott was noch! und ich, ein gewoehnlicher Schweizer Soldat, der sich kaum mehr vorstellen kann, was ein geregeltes Dasein ist, nach fuenfzehnjaehrigem Kasernen- und Schlachtenleben, ein Vagabund, ein Mann, der alle seine Lebensaussichten durch eine unverbesserliche romantische Veranlagung verdorben hat, ein Mann, der... Sergius [auffahrend; wie von einer Tarantel gestochen unterbricht er Bluntschli mit unglaeubiger Verwunderung]: Verzeihen Sie, Bluntschli: was, sagen Sie, hat Ihre Lebensaussichten verdorben? Bluntschli [sofort]: Eine unverbesserlich romantische Veranlagung. Ich bin schon als Knabe zweimal von Hause durchgebrannt. Ich ging zur Armee statt in meines Vaters Geschaeft. Ich kletterte auf den Balkon dieses Hauses, statt mich wie ein vernuenftiger Mensch im erstbesten Keller zu verstecken! Ich kam hierher zurueckgeschlichen, um diese junge Dame noch einmal zu sehen, wo jeder andere Mann in meinem Alter den Rock einfach zurueckgeschickt haette... Petkoff: Meinen Rock? Bluntschli:--Ja, Ihren Rock! Jeder andere wuerde ihn zurueckgeschickt haben und waere dann ruhig nach Hause gereist. Glauben Sie wirklich, dass ein junges Maedchen sich in so einen Menschen verlieben wird? Vergleichen Sie bloss einmal unser Alter--ich bin vierunddreissig! Ich glaube nicht, dass Fraeulein Raina viel ueber siebzehn ist. [Diese Schaetzung ruft eine bemerkbare Sensation hervor, alle wenden sich um und blicken einander an; er faehrt unschuldig fort:] Dieses ganze Abenteuer, dessen Ausgang fuer mich Leben oder Tod bedeutet hat, war ihr bloss das Spiel eines Backfisches mit Schokoladenbonbons, ein Versteckenspiel. Hier ist der Beweis! [Er nimmt die Photographie vom Tisch.] Ich frage Sie: wuerde mir eine Frau, die unsere Begegnung ernst genommen haette, das geschickt haben mit dieser Inschrift: "Raina ihrem Pralinesoldaten zum Andenken"? [Er haelt die Photographie triumphierend in die Hoehe, als ob er die Angelegenheit nun ueber allen Zweifel erhaben geschlichtet haette.] Petkoff: Dieses Bild habe ich ja gesucht. Wie zum Teufel kam es dorthin? Bluntschli [zu Raina, wohlgefaellig]: Nun habe ich aber hoffentlich alles schoen in Ordnung gebracht, verehrtes Fraeulein? Raina [in unbeherrschbarer Kraenkung]: Ich stimme vollkommen mit allem ueberein, was Sie ueber sich erzaehlen. Sie sind ein romantischer Idiot. [Bluntschli faehrt sprachlos zurueck.] Das naechste Mal, hoffe ich, werden Sie den Unterschied zwischen einem Schulmaedchen von siebzehn und einer Frau von dreiundzwanzig bemerken. Bluntschli [verbluefft]: Dreiundzwanzig? [Sie reisst ihm die Photographie verachtungsvoll aus der Hand, zerreisst sie und wirft ihm die Stuecke vor die Fuesse.] Sergius [sehr erfreut ueber die Niederlage seines Nebenbuhlers]: Bluntschli, mein letzter Glaube ist dahin,--Ihr Scharfsinn ist Schwindel, wie alles andere--Sie sind noch duemmer als ich. Bluntschli [ueberwaeltigt]: Dreiundzwanzig! dreiundzwanzig! [Er denkt nach:] Hm! [Schnell einen Entschluss fassend:] In diesem Falle, Major Petkoff, bitte ich Sie in aller Form um die Hand Ihrer verehrten Tochter, an Stelle des zurueckgetretenen Major Saranoff. Raina: Sie wagen es? Bluntschli: Wenn Sie dreiundzwanzig Jahre alt waren, als Sie mir heute nachmittag jene Dinge sagten, dann nehme ich sie ernst. Katharina [stolz, hoeflich]: Ich zweifle sehr, mein Herr, ob Sie sich der Stellung meiner Tochter sowie der Stellung des Major Sergius Saranoff, dessen Platz Sie einzunehmen wuenschen, bewusst sind. Die Petkoffs und die Saranoffs sind bekannt als die reichsten und angesehensten Familien unseres Landes. Unser Name ist beinahe historisch, wir koennen bis auf nahezu zwanzig Jahre zurueckblicken. Petkoff: Oh, lass das, Katharina. [Zu Bluntschli:] Ihr Antrag wuerde uns sehr gluecklich machen, Bluntschli, wenn es sich bloss um Ihre Stellung handelte. Aber verwuenscht! Sie wissen, Raina ist an eine sehr grossartige Lebensfuehrung gewoehnt. Sergius haelt zwanzig Pferde. Bluntschli: Aber was sollen ihr denn zwanzig Pferde? Das ist ja ein wahrer Zirkus? Katharina [strenge]: Meine Tochter ist an einen Stall ersten Ranges gewoehnt, Herr Hauptmann. Raina: Aber Mama, du machst mich ja laecherlich! Bluntschli: Na, gut! wenn es sich um wirtschaftliche Einrichtungen handelt, da stelle ich meinen Mann! [Er geht rasch, an den Tisch und nimmt seine Papiere aus dem blauen Umschlag.] Wieviel Pferde, haben Sie gesagt? Sergius: Zwanzig, edler Schweizer! Bluntschli: Ich habe zweihundert Pferde. [Sie sind erstaunt]: Wieviel Wagen haben Sie? Sergius: Drei. Bluntschli: Ich habe siebzig. In vierundzwanzig davon haben je zwoelf Leute Platz und noch zwei auf dem Bock, ohne den Kutscher und den Kondukteur zu rechnen. Wieviel Tischtuecher haben Sie? Sergius: Wie, zum Teufel, soll ich das wissen? Bluntschli: Haben Sie viertausend? Sergius: Nein. Bluntschli: Ich habe so viel; ferner neuntausendsechshundert Betttuecher und Bettdecken, mit zweitausendvierhundert Eiderdaunenkissen. Ich habe zehntausend Messer und Gabeln und die gleiche Anzahl Dessertloeffel. Ich habe sechshundert Diener, sechs palastartige Gebaeude, ausserdem zwei Mietstallungen, ein Gartenrestaurant und ein Wohnhaus. Ich habe vier Medaillen fuer hervorragende Dienste, ich habe den Rang eines Offiziers, und den Stand eines Gentleman, und drei Muttersprachen. Zeigen Sie mir irgend einen Mann in Bulgarien, der so viel bieten kann. Petkoff [mit kindischer Scheu]: Sind Sie am Ende gar der Kaiser der Schweiz? Bluntschli: Mein Rang ist der hoechste, den man in der Schweiz anerkennt: ich bin ein freier Buerger. Katharina: Wenn dem so ist, Kapitaen Bluntschli, so will ich, da meine Tochter Sie auserkoren hat, Ihrem Glueck nicht im Wege stehen. [Petkoff will sprechen.] Major Petkoff teilt dieses Gefuehl. Petkoff: Oh, ich werde mich gluecklich schaetzen... Zweihundert Pferde--Donnerwetter! Sergius [zu Raina gewendet]: Und was sagen Sie? Raina [tut, ab ob sie schmollte]: Ich sage, dass er seine Tischwaesche und seine Omnibusse behalten kann. Ich lasse mich nicht an den Meistbietenden verkaufen. Bluntschli: Diese Antwort nehme ich nicht an. Ich wandte mich an Sie als Fluechtling, als Bettler, als Verhungernder! Sie haben mich aufgenommen und mir Ihre Hand zum Kusse, Ihr Bett fuer meine mueden Glieder und Ihr Dach zu meinem Schutze angeboten. Raina [unterbricht ihn]: Dem Kaiser der Schweiz hab' ich das alles nicht geboten! Bluntschli: Das ist es ja gerade, was ich sage! [Er ergreift ihre Hand rasch und sieht ihr fest in die Augen, waehrend er, seiner Macht vertrauend, hinzufuegt:] Bitte, sagen Sie uns nun, wem Sie dies alles gaben? Raina [ergibt sich mit scheuem Laecheln]: Meinem Pralinesoldaten. Bluntschli [mit knabenhaft entzuecktem Lachen]: Das genuegt mir, ich danke Ihnen! [Er sieht auf seine Uhr und wird ploetzlich Berufssoldat.] Die Zeit ist um, ich muss nun fort, Major! Sie haben die Regimenter so trefflich dirigiert, dass Sie ueberzeugt sein koennen, man wird Sie ausersehen, um einige Infanterieregimenter der Timoklinien loszuwerden. Senden Sie die Leute auf dem Weg von Lom-Palanka heim; Saranoff, verheiraten Sie sich nicht, bevor ich zurueckkomme; ich werde puenktlich Dienstag in vierzehn Tagen um fuenf Uhr abends hier sein!--Meine verehrten Damen, ich wuensche einen guten Abend! [Er macht ihnen eins militaerische Verbeugung und geht ab.] Sergius: Was fuer ein Mann! was fuer ein Mann! Vorhang *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, HELDEN *** This file should be named 7hldn10.txt or 7hldn10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7hldn11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7hldn10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. 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