The Project Gutenberg EBook of Moisasurs Zauberfluch, by Ferdinand Raimund #9 in our series by Ferdinand Raimund Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 7-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel. de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. Moisasurs Zauberfluch Ferdinand Raimund Zauberspiel in zwei Aufzuegen Personnen Der Genius der Tugend. Ariel, ein Tugendgeist. Moisasur, Daemon des Uebels. Der Genius der Vergaenglichkeit. Hoanghu, Beherrscher des Diamantenreiches. Alzinde, seine Gemahlin. Mansor. Omar, ein Bote von Hoanghus Heer. Hassan, ein Mohr. Karambuco, ein Krieger. Ossa, sein Weib. Ein Haeuptling von Hoanghus Heer. Gluthahn, ein wohlhabender Bauer. Trautel, sein Weib. Der Amtmann von Alpenmarkt. Der Aktuar. Philipp, Diener des Amtmanns. Rossi, Juwelenhaendler, Besitzer eines Landhauses bei Alpenmarkt. Haenfling, sein Aufseher im Landhause. Ein Schatten im Reiche der Vergaenglichkeit. Dorkalio, ein Schatten Moisasurs. Hans, ein Steinbrecher. Mirzel, sein Weib. Der Traumgott. Ein Kohlenbauer. Ein Kerkermeister. Vier Gerichtsdiener. Vier Schatten Moisasurs. Indisches Volk. Alzindens Hofstaat. Hoanghus Krieger. Schatten im Reiche der Vergaenglichkeit. Traumgestalten. Rossis Dienerschaft. Tugendgeister. Erster Aufzug. Erste Szene. (Indische Landschaft.) (In der Ferne die Hauptstadt des Diamantenreiches, auf einem entfernten Huegel die Ruine des zertruemmerten Tempels Moisasurs. In der Mitte des Theaters ein herrlicher Tempel im indischen Geschmacke, mit der goldenen Aufschrift: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Boesen Macht zu scheuen. Die Statue der Tugend, eine verschleierte weibliche Figur, einen Lilienstengel haltend, sitzt auf einem Piedestal in der Mitte des Tempels. Auf den Saeulen sind Lilien angebracht.) Hassan. Mansor. Omar. Chor. (Das Volk bringt einen Boten von Hoanghus Heer frohlockend auf die Buehne und umringt ihn fragend.) Wackrer Bote, sei willkommen! Strahlt aus deinem Auge Sieg? Ist das Heer zurueckgekommen, Ist geendet unser Krieg? Ja, es spricht dein froher Sinn; Du bringst Heil der Koenigin! Bote. Sieg bring' ich euch, so wahr die Sonn' auf Indien scheint. Gebt mir Palmenwein dafuer. (Er nimmt einem eine Flasche von der Seite.) Der Krieg trinkt Blut, der Friede Sekt. Volk. Erzaehl' uns erst! (Halten ihn ab vom Trinken.) Halt, halt! Bote. Gerettet ist das Reich, von unsern Grenzen ist der Feind vertrieben, geendet ist der heisse Krieg. Volk. Sonne, sei gelobt! (Ales sinkt mit dem Haupt zur Erde, und bleibt einen Augenblick in dieser Stellung.) Bote. Da liegt das Volk, jetzt netz' ich meinen Hals. (Trinkt.) Der Koenig sendet mich voraus, dass ich den Tag der Koenigin berichte, an dem er seinen Einzug haelt. Mohr. Und wenn man fragen darf, wann strahlt uns dieser grosse Tag? Bote. Spion von Ebenholz, was hast du nach dem Tag zu fragen? Nacht hat die Sonn' auf dein Gesicht gebrannt, das heisst; Du sollst im Finstern wandeln. Mohr. Du hassest mich? Mansor. Schweigt. (Zum Boten.) Sogleich wird unsre Koenigin erscheinen, dann stellen wir dich vor. Mit Sehnsucht harret schon Alzind' der Rueckkehr ihres tapferen Gemahls. Bote. Doch was erblick' ich--Moisasurs Tempel eingestuerzt, und die Sonne leuchtet noch? Und wer hat diesen aufgebaut, wozu ist der bestimmt? Mansor. Ein erhabnes Schauspiel wird sich deinem Auge zeigen. Bote. Wird dieser Mohr vielleicht darin gebraten? (Fuer sich.) Das waer' mein liebstes Schauspiel auf der Welt. Mohr. Fuer dich vergift' ich einen Pfeil. Mansor. Laestre nicht! Der Tugend Tempel ist's. Bote. Ja, ihm soll man das Laster opfern. Mansor. Es ist geschehn. Dem boesen Geiste Moisasur wird in unsrem Reich kein Opfer mehr gebracht. Bote. Wehe dann dem Diamantenreich! Schon seit Jahrhunderten hat diesem grimmigen Tiger durch unzaehl'ge Opfer man geschmeichelt; werft ihm Beute vor, wenn ihr nicht wollt, dass euch sein stets geschaeft'ger Zahn zerreisst. Mansor. Die Koenigin, die, seit der Koenig kriegt, das Zepter schwingt im Reich, hat, weil der Krieg, trotz all der reichen Opfer, die man unsern Goettern brachte, sich doch nicht gluecklich wenden wollte, mit den weisen Priestern sich beraten und glaubt, dass die guten Goetter zuernen, weil neben ihnen und der maechtgen Sonne Moisasurs boeser Geist verehret wird. Sie hat Moisasurs Tempel niederreissen lassen. Doch wie's geschah, da rollte fuerchterlicher Donner, die Erde bebte, als haette das Gewicht der umgestuerzten Saeulen das ganze Reich in seinem Mark erschuettert. Bote. Der Loewe bruellt, wenn man ihn ans der Hoehle treibt. Mansor. Doch wie die Erde bebt, fest steht der koenigliche Sinn. Sie laesst dafuer in diesem Tal der Tugend einen Tempel bauen und schreibt auf ihn: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Boesen Macht zu scheuen. Soeben wird er eingeweiht, dort nahet schon die Priesterschar. Mohr. Wenn nur die Tugend uns vor Moisasurs Rache schuetzt! Den ganzen Morgen hat der Himmel sich mit Donnerwolken ueberzogen, die in sich brummen, als ob sie Zaubersprueche murmelten, und der Blitze Feuerzungen lecken an der Kuppel dieses Tempels. Zweite Szene. Feierlicher Marsch. Indische Taenzer schweben voraus, dann die Priester der Sonne. Zierlich gekleidete Maedchen, das Haupt mit weissen Rosen bekraenzt, gruppieren sich um die Stufen des Tempels, die Priester beschaeftigen sich im Innern desselben. Dann erscheint Alzinde und ihr Hofstaat. Sie begibt sich auf einen Seitenthron, neben ihr die Grossen des Reichs. Das Volk verteilt sich um den Tempel und den Thron gegenueber. Vorige. Chor. Singt das Lob der Schoenheitsblume, Die auf Indiens Flur erblueht, Und die zu der Goetter Ruhme Fuer das Heil der Tugend glueht. Sende deinen Strahl, o Sonne! Nieder auf ihr weises Haupt, Weil ihr Herz mit frommer Wonne An der Goetter Allmacht glaubt. Alzinde. Volk meines sieggekroenten Reichs! Ich habe dich versammeln lassen, um einzufallen in den grossen Chor, den das Gefuehl des Dankes anstimmt, weil die Goetter uns erleuchtet, dass wir durch Moisasurs Sturz der Sonne Zorn versoehnt; dass sie von dem Augenblick mit Siegesglueck die Pfeile unsres Heeres nach dem Busen unsrer Feinde wendet. Vielleicht, indem wir hier die Goetter preisen, hat mein Gemahl, der koenigliche Held, den kleinen Rest des muedgekaempften Feindes aus den Grenzen dieses Reichs verjagt. Mansor. So ist es, du erhabne Tochter der gewalt'gen Sonne, die deine Ahnung zur Prophetin weiht, die Wahrheit deines Wortes bestaetigt dieser Bote hier. Bote. Der, grosse Koenigin, mit seinen Knien den Staub an deinem Thron hier kuesst, aus Ehrfurcht teils und teils aus Muedigkeit, weil er im schnellsten Lauf aus des Koenigs Lager eine holde Last dir bringt, eine Nachricht von dem ungeheuersten Gewicht! Friede, dieses goldne Wort, lass in alle Palmen schneiden, dass sie dann mit vollem Rechte Friedenspalmen heissen. Gesiegt hat dein erhabener Gemahl, noch gestern abends ward die letzte Schlacht gewonnen, und in der Nacht der Friede abgeschlossen, durch den ein Teil vom Feindesland noch zu dem deinen faellt. Nur heute ruht das Heer; doch morgen bricht es auf und zieht mit Zimbelklang und Jubelsang im Vaterlande ein. Dies zu berichten ward ich gesendet, mein Auftrag ist erfuellt, der Bote hat geendet. (Steht auf und tritt zurueck.) Alzinde (sinkt auf die Knie). Sonne, sei gelobt! Alle. Heil den Goettern! Heil dem Koenig Hoanghu! Alzinde. O mein Gemahl, warum kann ich an deine Heldenbrust nicht fliegen, du edler Sohn der unnennbaren Goetter, dessen Lieb' ich nicht fuer alle Kronen Asiens tauschen moechte! Juble, Volk! Sei ausgelassen froh! Ihr Priester weiht den Tempel ein, der Tugend Macht hat sich bewaehrt, ein ewig Denkmal sei ihr hier errichtet! Wer sagt mir doch, warum mein Glueck mich zu freud'gem Wahnsinn treibt? Warum ist diese Lust so ungeteilt, so allgemein, dass ich kein Stueck davon kann eurem Herzen ueberlassen? O sprecht, wer nimmt mir einen Teil der edlen Buerde dieses Freudenreichtums ab, womit die goldne Sonne mein Gemuet beschenkt? Verdien' ich denn, dass ich so gluecklich bin? Dritte Szene. Fuerchterlicher Donnerschlag. Die Buehne umzieht sich mit schwarzen Wolken, aus welchen rote Blitze sich schlangenartig winden. Auf der Erde sprueht Feuer, dann erscheint Moisasur als ein Ungeheuer mit Drachenfuessen und Drachenfluegeln, auf dem Haupt eine rote Krone mit Schlangen umwunden, der ganze Koerper ist in hellroten Samt gekleidet, um den Leib eine schwarze Schuerze mit goldenen Schuppen gestickt. Alles sucht sich in den Hintergrund zu retten, einige fluechten auf Baeume. Alzinde, welche bei ihrer Rede vom Thron gestiegen, bleibt im Vordergrunde, der Thron verschwindet. Vorige. Moisasur. Moisasur (mit fuerchterlicher Stimme). Alzinde, du verdienst es nicht! Alzinde (faehrt zusammen). Ha!--Wer bist du, scheusslich Ungeheuer, dess' Anblick mir Besinnung raubt? Wie giftig Unkraut stehst du da, das ploetzlich aus dem Schoss der Erde treibt. Moisasur. Moisasur heiss' ich, kennst du diesen Namen? Mit Flammenzuegen hat der grosse Geist ihn auf das finstre Tor der Hoelle einst geschrieben, und aus meinem Auge leuchtet ihre Sendung. Alzinde. Was hat die Hoelle an mich abzusenden? Ich habe dich und sie aus meinem Reich verbannt. Die Tugend ist mein Heil, dich hab' ich nie verehrt, und jedem Opfer Fluch, das dir mein Land noch bringt. Moisasur. So nimm denn Fluch gen Fluch, verruchtes Weib, das meinen Tempel umgestuerzt; so zieh' mein Hass denn einen Zauberkreis um dein verraetrisch Land; so will das Leben ich aus seinen Grenzen jagen, und laehmen diesen uepp'gen Teil der Welt! Vertrocknen soll der Baum, die Frucht, der Strom; verdorren soll das Gras, und was in deinem Reich mit Leben prahlt; dein Volk, die Diener deines Hofs, wem Blut nur in den Adern kreist, Mensch oder Tier, das steh' erstarrt und wandle sich in Stein! Und jegliches Geschoepf, das dieses Land mit frechem Fuss betritt, das werd' ergriffen von Versteinerung und steh' als Marmordenkmal meiner Rache da. Alzinde. O, mein Gemahl! Moisasur. Schau' hin und lab' dich an dem suessen Anblick! (Die Wolken oeffnen sich, man sieht die Gruppen, wie sie aengstlich standen, nun im bunten Marmor, einige auf Palmen haengen, doch der Tugend Tempel strahlt im hellen Sonnenglanz.) Verflucht, dass ich den Tempel schauen muss, als Nebenbuhler meines Ruhms. Alzinde. Entsetzlich Scheusal, von der Erde ausgespien, weil du ihr Innres zu vergiften drohst, wie kannst du dieses Reich zerstoeren, das die Sonne ihren Liebling nennt? (Die Wolken schliessen sich wieder.) Moisasur. Fluch gegen Fluch! Vernichtung fuer Vernichtung! An dir ist jetzt die Reih'! Ich bin's, der dir nach deinem Wunsch die holde Last der Freude von dem zarten Nacken reisst. Deine Liebe, deinen Reiz, deine Hoffnung, deine Ehre, deinen Ruhm, dein Diadem will ich auf einen Knaeul zusammendruecken, und in den Pfuhl der Hoelle schleudern. Erscheint, ihr Geister bleicher Nacht. (Vier schwarze Geister erscheinen und ergreifen die Koenigin.) Seid Zeugen und Vollfuehrer meines Fluchs. Zerstoeret ihren Reiz, die Krone reisst von ihrem Haupt, der Locken Glanz verwandelt mir in welkes Grau; die Haut schrumpft ein und ueberzieht damit ein fleischloses Gebein, das ihr mit halbverfaulten Lumpen dann behaengt. Doch lasst die junge Seele nicht aus ihrem morschen Leib entfliehn, damit sie zehnfach jeden Schmerz empfind' und die Erinnrung ihres Gluecks sie quaele.--Doch halt--damit des Menschen Habsucht bis zum Tod sie peinige, so lasst sie diamantne Traenen weinen, als Wehmutszeichen, dass sie Indiens Fuerstin war. Nun schleppt sie fort, verwandelt sie, dann schleudert sie dem Nordwind in die eis'gen Arme, dass er mit ihr nach einem andern Weltteil rase und dort die alte Ariadne setz' auf nacktem Felsen aus. Befolgt, was ich befahl! (Die Koenigin sinkt in Ohnmacht.) Erster Geist. Noch nicht--in deiner Rache wuet'gem Eifer hast du vergessen, ihr ein Ziel zu setzen; ewig darfst du nicht verfluchen, wie du es von dem ew'gen Geiste bist. Drum sprich, wie lang an diesen Zauberfluch ihr Glueck gefesselt bleibt, und wann und wie sich loesen koennen diese Schreckensbande? Moisasur. Weil du mich mahnst an meine Pflicht, verruchter Geist, so hoere meinen Spruch! Nur dann, wenn sie im Arm des Todes Freudentraenen weint, kehrt ihr zurueck, was ihr mein Zauberspruch entrissen. Nun regt die traegen Drachenglieder, eilet fort, Erwartung geisselt mein Gefuehl. Den hoechsten Berg der Welt will ich besteigen und durch der Hoelle Mikroskop will ich mit suesser Lust auf ihr verbittert Leben schaun. (Ab.) (Die Geister versinken mit Alzinden.) Vierte Szene. Auf dem Ruecken einer Alpe, mit der Aussicht auf ferne Gletscher. In der Mitte ein Bergstrom. Der Horizont finster umwoelkt. Rechts ein hohes Bauernhaus, Gluthahn gehoerig, links eine arme Huette, neben derselben sprudelt eine Quelle in ein natuerliches Becken. Gluthahn (kommt erzuernt und erhitzt). Das ist ein schlechtes G'sind' Im Rattental dahint'; Der Bauer Michel Stier Koemmt vor'ges Jahr zu mir, Weint wie ein altes Weib, Und geht mir nicht vom Leib; Mein lieber Nachbar Glut, Ich bitt' Euch, seid so gut Und zahlt mir auf mein Haus Fuenfhundert Taler aus. (Heuchlerisch.) Und ich, ich guter Narr, Mein Herz, das ist halt wahr, Das findt man nirgends mehr, Ich bin so dumm, geb s' her. Ich fuehr' ihn hin zum Tisch, Wir schreiben einen Wisch; Fuenfhundert Taler bar Geb' ich dir auf ein Jahr; Und dass ich dich nicht druck', So zahlst' mir achte z'ruck. Wo ist das Jahr schon hin? Was ich gelaufen bin, Was ich schon schrei' und schelt', Ich komm' nicht zu dem Geld. A Zeitlang war er krank, Der Teufel weiss ihm's Dank! Jetzt ist er wieder g'sund, Und zahlt mich nicht, der Hund! Mit ihm red' ich noch gern, Ihm zeig' ich doch ein' Herrn; Doch ist sein Weib zu Haus, Die macht mich noch brav aus. Pfui, das sind doch undankbare Leut', nicht einmal pfaenden wollen sie sich lassen. Gluthahn, wie wirst du jetzt das Geld ersetzen? Mit Freuden wuerd' ich einen andern darum betruegen, doch ich gewinn's nicht uebers Herz, ich bin zu gut. (Heftig.) Aber mir soll noch einer kommen und Geld begehren.--Da grab' ich meine Taler eh' fuenftausend Klafter in d' Erden ein und zuend' mein Haus an allen Ecken an, eh' ich so einem Schuft ein' Kreuzer auf fuenfzig Schritte nur zeig'. Einen eignen Hund richt' ich mir ab, dass er s' vom Haus weg hetzt. (Heuchlerisch.) Ich muss anders werden, ich bin zu gut. Wo ist denn nur mein Weib schon wieder? Trautel, hoerst denn nicht? Trautel! Fuenfte Szene. Voriger. Trautel kommt, sie ist und spricht etwas kraenklich. Trautel. Aber, was schreist denn so? Gluthahn. Wo bist denn, falsche Nummer, die auf den ersten Ruf nicht kommt. Trautel. Ich soll ja nicht in d' Luft. Gluthahn. Nun, so geh in die Gruft. Trautel. Was willst denn? Gluthahn. Die Muetzen bring' heraus und die Pfeifen und den Rock nimm mit. (Zieht den Rock aus.) Trautel (verdriesslich). Nu gleich. (Ab.) Gluthahn (allein). Ein guts Weib ist s'; ich haette das Weib nochmal so gern, wenn s' nur um das juenger waer', was s' zu alt ist, und um das besser, was s' z' schlecht ist. (Spricht leise, als oh er jemand etwas anvertraute.) Vor dreissig Jahren hat s' mich einmal um fuenf Gulden betrogen, das vergiss ich ihr noch nicht; ich bin gut, ich hab' ein einzigs Herz, aber vergessen kann ich nichts. Ich hab' so ein kleins Buechel, da schreib' ich's hinein. (Deutet hinters Ohr.) Da hint' ist's. Sechste Szene. Voriger. Trautel bringt Muetze und Pfeife. Gluthahn. Du lieber Himmel, wie gut koennten ein paar Ehleut' miteinander leben, wenn eines dem andern nachgaebe. (Faehrt sein Weib derb an.) Kriechst immer untern Fuessen herum? Was willst? Trautel. Je nu, die Pfeifen bring' ich und die Muetzen. Gluthahn. So meld' dich! Trautel. Sei nur nicht so grob mit mir, mir ist heut so nicht gut. Gluthahn. Das ist rheumatisch Zeug, schlag dir's aus dem Kopf. Trautel. Das kann ich nicht. Gluthahn. Nu, so schlag' ich dir's heraus, ich kann's. Trautel. Mir fehlt's im Herzen, und ich fuehl' mich so schwach. Gluthahn. Da sind wir alle schwach, wenn's uns im Herzen fehlt. Trautel. Wenn du mir kein' Bader nimmst, so stirb ich noch. Gluthahn. Solang noch's Herz schlagt, stirbt man nicht. Rheumatisch bist, sonst nichts. Egel setz' dir, da wird alles gut. Hab' erst einen zusammentreten unt' beim Bach, so kommen s' weg. Trautel. Ich bin ja nicht rheumatisch. Gluthahn. Im hoechsten Grad; wenn ich dich nur anschau', fangt's mich an zum Reissen. Trautel. Bringst gewiss kein Geld z' Haus, weilst so z'wider bist. Gluthahn (wild). Mahnst mich noch? Trautel (beiseite.) Ich muss dem Boesewicht nur schmeicheln, sonst ist gar nichts z' haben von ihm. (Streichelt ihm das Kinn.) Mann, meines Lebens Lust. Gluthahn (hoehnisch). Weib, meines Lebens Last--was willst denn ausserbrateln von dein' Mann, den du aus List nennst deine Lust? Trautel. Ich hol' mir den Bader. Gluthahn. Hol' mir zwei Mass Wein. Trautel. Nicht wahr, ich darf ihn holen? Gluthahn. Aber ein' g'scheiten, das sag' ich dir. Trautel. Ich dank' dir, sie haben ja nur einen im Ort. Gluthahn. Und dass er nicht g'schwefelt ist. Trautel. Ei, wer denn? Gluthahn. Der Wein. Trautel. Ich hab' g'glaubt, der Bader. Gluthahn. Wer redt denn vom Bader? Trautel. Ich. Gluthahn. Und ich red' vom Wein. Trautel. Was hab' ich vom Wein? Gluthahn. Was hab' ich vom Bader? Trautel. Ich hol' ja den Wein, aber zahl' mir den Bader, sonst geh' ich ja z'grund. Gluthahn. Nu, so hol' dir ihn, aber wenn du bis morgen nicht g'sund bist, so darfst mir dein Leben nimmer krank werden. Trautel (fuer sich). Endlich. (Laut.) Dank' dir, lieber Mann. (Will ab.) Gluthahn. Da gehst her. (Trautel kehrt um.) Jetzt wirst du doch einsehn, was d' fuer einen Mann an mir hast. Trautel. Nu, ich glaub's. Gluthahn. Unter andern, hast mich gern? Trautel (ironisch). Nu, wer wird denn dich nicht gern haben. Gluthahn. Kuess' mir d' Hand. Trautel (tut es und spricht im Abgehen seufzend). O Seligkeit! (Geht ins Haus.) Gluthahn (triumphierend). So muss man sich s' abrichten, dann weiss man, wer der Herr im Haus ist. Ich haett' nicht nachgeben sollen, (heuchlerisch) aber mein Herz, ich bin gar zu gut. Siebente Szene. Voriger, Trautel mit einer leeren Flasche. Gluthahn. Bist da? Da hast Geld, jetzt zieh dich. Trautel (beiseite). Du lieber Gott, befrei' mich doch von mein' Leid, ich will ja gern sterben, dass ich nur den Mann nimmer sehn darf. (Geht gegen das Dorf ab.) Gluthahn (allein, er schlaegt Feuer und zuendet seine Pfeife an). Wenn man dem Weib da so erlaubte, auf ihre Faust recht krank zu sein, die machte einen Aufwand damit, der nicht zu erschwingen waer'. (Schlaegt sich vor die Stirn. Erbittert.) Wann ich nur das Geld nicht ausg'liehn haett'. (Ein Sturmwind erhebt sich.) Oeh, blas, du dummer Wind, blas auseinander die grau muntierten Wolken. Der Himmel ist schon vierzehn Tag' als wie ein Aschenweib. (Windstoss.) He, he, he, he, sei nur kein solcher Narr!--Die Kaelten von dem Wind! (Windstoss.) Holla, der nimmt die Baeum' beim Kopf und beutelt s' recht, als wie ein Meister seine Lehrbuben.--(Windstoss.) Weil er kein' Kopf hat, so kann er auch kein' andern leiden. (Windstoss.) Nicht rauchen lasst er mich, der Schlaprament! Du sollst mich nicht sekieren, du luestiger Patron; ich geh' jetzt hinein, just kriegst mich nicht. (Er geht unter die Tuer und steckt den Kopf heraus.) Blas mich an jetzt, wannst dich traust. (Hoehnisch.) Ja, auf d' Wochen, dummer Wind! (Schlaegt die Tuer zu.) Achte Szene. Sturmmusik. Alzindens Gestalt als altes Weib in Bettlerkleidung rauscht im Hintergrunde, zwischen den Fluegeln des Nordwindes liegend, ueber die Buehne; den Strom der Luft auszudruecken, in welchem eine gefluegelte Figur mit aufgeblasenen Backen, die Locken mit Eis behaengt, wie durch einen Schleier sichtbar ist, bleibt der Phantasie des Malers ueberlassen. Die Musik geht in eine klagende ueber, und nach einer bedeutenden Pause kommt Alzinde auf die Buehne. Sie hat graues Haar, ihre Gestalt ist ehrwuerdig, ihre Kleidung abgenuetzt, aber nicht zerrissen. Alzinde. Wo bin ich wohl? Wohin hat die Gewalt des Sturmwinds mich getragen? wie heisst die Unglueckswelt, auf der ich mich befinde? denn das ist nicht mein Reich, zu meinem Auge sprechen nie gesehne Dinge. Fremde Huetten, fremde Berge, ein fremder Himmel, ohne Sonne, ohne Mond, ohne Sterne, ohne Blau. Auch fuehl' ich mich so schwach, ich will mich setzen, jene Quelle soll mich laben. (Sie setzt sich an den Rand des Beckens, sieht in den Wasserspiegel und springt auf.) Welch haessliche Gestalt schaut aus dem Spiegel dieses Quells? Doch nicht mein eignes Bild?--Nicht moeglich! (Streckt die Hand aus und erschrickt davor.) Wem gehoeren diese welken Haende, diese abgelumpten Kleider? wessen Stelle muss ich hier vertreten? Ich bin das nicht, widerrufe, Quell! (besieht sich noch einmal--erstarrt.) Er wiederholt's--ich bin's--ich bin's! (Faellt verzweifelnd auf den Rasen hin.) Ich Unglueckselige! (richtet sich auf und lacht verzweiflungsvoll.) Das ist Alzind', die Schoenheitsblume Indiens, in eine welke Distel nun verwandelt. O du mein stolzer Geist, verjagt aus deinem ueppigen Palast, was musst du jetzt fuer ein veraechtlich Haus bewohnen! Ich duld' es nicht! Verzweiflungsvolle Seele, sprenge doch die Riegel dieses morschen Kerkers! (Aengstlich.) Eilt mir zu Hilfe, Grosse meines Reichs--wo seid ihr, meine Diener?--(Stark rufend.) meine Sklaven! (Echo ruft: Sklaven.) Es ist umsonst, das Echo ist der einz'ge Sklave meines Rufes. Ich bin allein, verbannt von meinem Volke, meinem Gott. Was rauschet? Ha, ein Geschoepf aus dieser Welt. O du erbaermliche Gestalt. Neunte Szene. Gluthahn erscheint im Rocke. Vorige. Gluthahn. Wer schreit denn so? Wie kommst du auf 'n Berg? Kriech weiter um ein Haus. Alzinde. Wenn du ein Mensch bist, wie die Sprache mich's vermuten laesst, so sage mir, wie heisst die Welt, in der du lebst? Gluthahn. Weiter geh! Alzinde. Wenn du ein Mensch bist, nimm mich auf in deine Huette, die Sonne wird dich dafuer lohnen. Gluthahn. Aha, die brennet mich aus Dankbarkeit auf den Buckel hinauf. Du, lass mich aus mit deiner Sonn', die kenn' ich nicht. Alzinde. Er kennt die Sonne nicht, weh mir. Hab' Mitleid, Hunger fuehret mich an deine Huette, speise mich mit etwas Reis. Gluthahn. (erstaunt). Was willst du haben? einen Reis? Ein Bettelweib will ein' Reis; Sie schafft sich nur gleich an, was sie am liebsten isst. Alzinde. O reich' mir nur ein kleines Stueckchen Zucker. Gluthahn (lachend). Einen Zucker will sie, o du suesses Goscherl du. Wo hab' ich denn g'schwind was, ich gib ihr eine hinauf, dass s' ein Zucker macht, an dem s' langmaechtig z' schlecken hat. Alzinde. Hab' Mitleid, ich verschmachte, gib mir staerkendes Gewuerz. Gluthahn. Jetzt halt' ich's nimmer aus, jetzt will sie noch gar ein G'wuerz! Ich komm' in Narrenturm mitsamt dem Weib. Ich hab' kein G'wuerz noch gesehn, solang ich auf der Welt noch bin, die geht herum und bettelt um Gewuerz. Alzinde. Du Unmensch, sprich, soll ich an deiner Schwelle sterben? Gluthahn. Was unterstehst du dich, an meiner Tuer willst du da sterben? A solche Ungelegenheit, dass ich dich noch begraben lassen koennt'; gehst hinunter uebern Berg und schaust dich um ein Platzel um, wost' hinwerden kannst. Alzinde. Sonne, was erlebe ich. Gluthahn. Schlaeg' wirst gleich erleben, wenn du nicht gehst. Alzinde (stolz und kraeftig). Ich befehle es dir, mich zu bewirten, ich bin Indiens Koenigin. Gluthahn. Jetzt ist's heraussen. Das Weib ist naerrisch. Sie ist Indiens Koenigin, ich lach' mir noch einen Buckel, groesser als der ihrige. Wenn du jetzt nicht gleich von meiner Tuer weggehst, so jag' ich dich uebern Berg hinunter. Marsch! Du verzuckertes indisches Bettelweib du! (Ab. Schlaegt die Tuer zu.) Zehnte Szene. Alzinde (allein, mit Verzweiflung). Weh mir! So bin ich denn auf einem fremden Stern, ausgeschlossen aus der Sonne Strahlenreich. Nicht Menschen hausen hier. Daemone sind es, Soeldner jenes Drachensohns, der mich hierher gebannt. Hier darf kein Weihrauch duften, keine Palme bluehn, ein wuestes Grab ist diese Hoellenflur. Seht, seht, wie kleine Furien mit gehoernten Koepfen ueber jene kahlen Felsen springen. Nie werd' ich mehr mein Volk, meinen Gemahl erblicken. Verloren ist mein Leib, verloren meine Seele. (Sinkt auf die Knie und ruft:) Sonne, rette mich! (Echo: Rette mich.) Umsonst, sie hoert mich nicht; das Echo hoehnt mich aus, ihr Strahl dringt nicht auf dieses fluchbeladne Land. Welche Angst ergreift mein Gemuet? Von allen bin ich hier verlassen und auch zu ihr kann ich nicht flehen. Entsetzliches Geschick! Was ist der Mensch, dem man die Hoffnung auf das Hoechste raubt? Mein Aug' wird trueb, mir ist, als haetten diese Berge Licht und Farbe eingebuesst und floessen mit des Himmels schauerlichem Grau zusammen. Die Welt zerrinnt vor meinen Blicken, ich sehe nichts, als jenen Strom, der konvulsivisch sich durch dieses Chaos windet und seine nassen Arme nach mir streckt. Hinweg von mir, du schrecklicher Gedanke, der mich ergreift, und nach dem Strom hinzieht. Ich folg' dir nicht, -- umsonst, ich muss--Verzweiflung, freu' dich deines Siegs, ich muss hinein. (Sie eilt gegen den Strom, ploetzlich:) Ha, der Sonne Bild! (Sie blickt empor, ihr ganzes Wesen loest sich in zitternde Freude auf.) Sie ist's! (Steigend.) Sie ist's, die--(Mit zitternder Stimme.) die Sonne! Meine Sonne, meiner Seele hoechster Trost! (Sinkt auf ein Knie, dann springt sie freudig auf.) Freude, Freude, sie ist hier! Ihr Waelder, Klippen, Baeume, Quellen, meinen Blicken neu geboren, gruen gekleidet, wie mein Hoffen, hoert es, ich bin nicht verlassen, nicht verstossen von der ew'gen Sonne! O wie ist mir wieder leicht, wie hat ihr Strahl mein Innerstes gelichtet. Nun hab' ich Mut zum Dulden, Mut zum Tragen. Muss ich fern von allen Lebensfreuden Kaempfen auch mit Gram und Leiden, Kann ich's doch der Sonne klagen, Mit Bewusstsein zu ihr sagen; Habe alle Freuden meiner Jugend Aufgeopfert fuer den Ruhm der Tugend Und erwarte meinen Lohn Einst an deinem Himmelsthron. (Sie setzt sich auf einen Rasen und versinkt in Nachdenken.) Elfte Szene. Hans. Mirzel. Mirzel. Geh, geh, ich soll recht boes auf dich sein. Du bist ein sauberer Mann, laufst voraus und schaust dich gar nicht um um mich. Wie ich noch ledig war, da bist hinter mir her g'wesen auf einen jeden Schritt, und jetzt--aber die Nachbarin hat mir's vorausg'sagt, das ist das sicherste Zeichen, dass ein paar verheiratet sind, wenn der Mann anfangt, unartig zu werden. Heut werden s' kopuliert, da geht sie voraus, den andern Tag lasst er sie schon hint' nach gehn. Hans. Aber liebe Mirzel -- Mirzel. Willst du's etwa leugnen? Zuerst kommst du, hernach dein Spitzel, nachher ich, ich und der Hund, wir gehen immer miteinander. Au contraire, seinem Spitzel pfeift er doch manchmal, aber bei mir da denkt er sich: Du kommst mir so nach Haus, dich verlier' ich nicht. Hans. Ich weiss gar nicht, ich hab' den Hund recht gern bei mir. Ob wir jetzt unser zwei ausgehn oder unser drei? Mirzel. Nu, neulich sind wir gar unser vier g'wesen, da hast zwei Spitzeln mitg'habt; einen hast du aus dem Wirtshaus nach Haus tragen, und der andere ist so mitg'laufen. Hans. Nu, und wie er neulich verloren gegangen ist, so hat ihn doch kein Mensch finden koennen als du. Mirzel (launig). Ja, das macht, weil ich sehr spitzfindig bin. Hans. Aber jetzt hoeren wir einmal auf, wir disputieren wegen die Spitz' wie die kleinen Buben; das ist eine voellige Spitzbueberei. Mirzel. Ich bin ja schon wieder gut, das ist ja nur mein Spass, ich hab' dich viel zu lieb, du bist ja mein guter Mann. Hans. Und du mein guts Weib; kurzum, wir sein halt von der besten Gattung. Mirzel. Freilich, wir sind gut, und alles waer' gut, wenn wir nur mehr zu essen haetten. Hans. Lass nur gut sein, der liebe Gott wird uns schon helfen. Haben wir doch jetzt unser' Grundsteuer wieder zum Amtmann hineintragen; acht Gulden alle Jahr', ist kein Spass. Schau' nur, wie die Sonn' so freundlich scheint, schau' dich nur um. (Erblickt Alzinde.) Du, was liegt denn dort fuer ein altes Weib? die wird krank sein; sie weint, ich werd' s' troesten. Mirzel. Die Alte? Nun, die kannst schon troesten. Hans (geht zu ihr). Du, Alte, hoerst? Alzinde (hebt sich empor, erblickt beide, springt erschrocken auf und ruft). Menschen! (Will entfliehen.) Hans. He, he, wo laufst denn hin? so wart' doch, wir meinen dir's ja gut. Mirzel. Freilich, willst ein Stueckel Brot? Alzinde (sieht sie erstaunt an). Seid ihr wirklich Menschen? Hans. Nu, du wirst uns doch fuer keine Maikaefer anschaun? Alzinde. Menschen seid ihr, und ihr habt Erbarmen? Mirzel. Du blauer Himmel, warum nicht? wir erbarmen uns selbst manchmal. Alzinde. Also seid ihr ungluecklich? Mirzel. I bewahr', wir sind recht gluecklich. Hans. Wir haben nur kein Geld. (Gluthahn lasst sich am Fenster sehen, und horcht.) Alzinde. Das versteh' ich nicht. Hans (zu Mirzel). Sie ist taub. (Laut, Alzinden ins Ohr.) Wir haben kein Geld, wie kannst du denn das nicht verstehn, das kann ich mit Haenden greifen, wenn ich in den Sack fahr'. (Faehrt in den Sack.) Mirzel. Weisst, wir sind halt glueckliche Unglueckliche, wie manche Leute unglueckliche Glueckliche sind. Hans. Das ist eine gute Explikation. Wir sind arme Steinbrecher, wir arbeiten im Steinbruch da hint', und leiden oft Hunger, dass sich ein Stein erbarmen moecht', aber nur im Winter, im Sommer geht's uns besser. Mirzel. Was sprichst du denn so viel da mit der Alten, trag ihr etwas aus der Huette und lass sie gehn. Hans. Nein, mir gefallt s', sie hat zwar noch nichts g'redt, aber ich find', dass sie recht eine unterhaltendliche Person ist. (Zu Alzinde.) Weisst, ich und mein Weib haben uns halt gar so gern, und das ist unser Glueck. Alzinde (zu Mirzel). Also liebst du deinen Mann? Mirzel. Vom Herzen. Alzinde. Und wenn du ihn verlieren muesstest? Mirzel. Ich, mein' Mann? Alzinde. Wenn er dir auf ewig entrissen wuerde? Mirzel. Das ueberlebet ich nicht. Alzinde. Weh mir, und ich lebe noch! Sie stirbt fuer diesen Bettler, und ich lebe noch. (Weint heftig.) O mein Gemahl, mein koeniglicher Herr. (Ihre Traenen fallen in Hansens Hut, der ihn absichtslos aufhaelt.) Hans. Jetzt, warum weinst denn? Jetzt weint sie mir grad in den Hut hinein.--Du, Mirzel, schau, was ist denn das, der ihre Traenen sind ja alle von Glas, die weint ja lauter kleine Steiner. Mirzel. Warum nicht gar. Hans. Auf die Letzt hat s' gar einen Steinbruch in die Augen. Mirzel. Was weinst denn du da? Alzinde. Ich weine Diamanten. Hans. Mich trifft der Schlag, das hab' ich noch mein Leben nicht g'hoert, dass eine Amanten weint. Wann s' noch wegen einen Amanten weinet', aber einen Amanten selbst, das ist entsetzlich. Alzinde. Sagt mir, haben Diamanten aus eurer Welt hier einen Wert? Mirzel. Nu, ich will's hoffen, unser Herr, bei dem wir arbeiten, hat einen Ring, da ist ein einz'ger Stein mehr wert, als sein ganzer Steinbruch. Alzinde. So hoert mich an, vielleicht kann ich durch meine Traenen euch begluecken. Des einen Glueck bedingt ja leider oft des andern Unglueck. Behaltet mich bei euch, gebt mir nur magern Unterhalt, schuetzt mich vor der Misshandlung eurer Brueder und nehmet meine Traenen hin als Eigentum, welche reichlich fliessen werden, weil ich mein Schicksal nicht genug beweinen kann. Gluthahn (am Fenster). Das Weib lass' ich nicht aus, mein Herz ist z' gut, die nehm' ich auf. Hans. Aber wer hat dir denn das g'lernt, du bist doch nicht etwann eine Hex'? Mirzel. Nu, fragen moecht' ich s' noch. Alzinde. Was ich euch nun entdeck', ist wahr, so wahr, als dieser Sonnenstrahl, der sich in meiner Traene bricht. Ich bin die Fuerstin eines ind'schen Reichs, der Tugend hab' ich mich geweiht, wie ihr, und weil ich einen boesen Geist aus meinem Land vertrieben, hat er aus Rache mich nach eurer Welt verbannt. Ich ward geehrt von meinem Volk, das meine Schoenheit, meinen Geist bewunderte, geliebt von meinem zaertlichen Gemahl, und alles, was des Glueckes Grossmut mir verliehn, hat dieser Daemon mir entrissen. (Weint.) Hans. Jetzt fang' ich auch zum Weinen an, aber meine Traenen sind keinen Kreuzer wert. Alzinde. Doch meine Jugendkraft hat er mir nicht geraubt, und heftiger fuehl' ich den Schmerz, als ich die Freude frueher hab' empfunden. Ihr glaubt mir doch? Mirzel. Das kann ja sein, ich hab' schon viel von verzauberten Prinzessinnen gehoert. Nu, troesten sich Euer G'streng' nur, wir werden schon fuer Euer G'streng' sorgen. Hans. Was sagst denn Euer G'streng', meinst denn, du redst mit dem Verwalter? (Mit erhobener Stimme.) Weiss die Fuerstin was, wir behalten die Fuerstin bei uns, und was wir haben, bekommt die Fuerstin auch. Alzinde. Ihr guten Menschen, meine Traenen werden dankbar fliessen. Mirzel. Wenn s' nur alle Jahre einmal weint, im Fruehling, wenn der Schnee zerfliesst, so leben wir das ganze Jahr davon. Die Fuerstin macht noch unser Glueck. Hans. Und da braucht sie nicht einmal einen Schmerz, der sie weinen macht, ich reib' ihr einen scharfen Kren, so weint sie ihren diamantenen Fleck her und lacht uns alle aus. Mirzel. Ja, das ist praechtig, lieber Hans; die Traenen, die du im Hut hier hast, tragst du morgen augenblicklich in die Stadt. Jetzt geh die Fuerstin nur in unsre Huetten hinein, da findt die Fuerstin Milch und Brot; wir muessen jetzt in' Steinbruch hinaus, wir haben nur unsre Werkzeuge g'holt. Auf den Abend kommen wir nach Haus, und dann wollen wir recht vergnuegt sein alle drei. Hans. Ja, mein' liebe gute Fuerstin, geh die Fuerstin nur hinein, gib die Fuerstin auf mein' Spitzel gut acht und sperr' die Fuerstin die Tuer von innen gut zu; unser Nachbar ist gar ein boeser Mann, dem muss die Fuerstin ja nicht traun, sperr' ihm die Fuerstin gar nicht auf. Alzinde. Sorgt euch nicht, ich hab' ihn schon erkannt. Er stiess mich ja von seiner Tuer. (Sie geht hinein, Hans und Mirzel nehmen ihre Haemmer. Alzinde riegelt die Tuere von innen zu.) Hans. Heisa, jetzt geht's in den Steinbruch hinaus, wenn wir auch noch so wenig haben, ein froehliches Herz tauscht ja mit Koenigen nicht. (Beide ab.) Zwoelfte Szene. Gluthahn (schleicht herein). Geh in den Abgrund, Volk. Ob denn ein guter Mensch, wie ich bin, ein Glueck hat? Erwischen die das Weib mit ihrer diamantenen Traenenfabrik! Gluthahn, da kannst du dein Geld hereinbringen. Ich bin ein guter Mensch, aber das Weib lass' ich nicht aus, die muss mir alle Saeck' voll weinen. Hab' schon meinen Plan ausgedacht indessen,--im Haus kann ich sie nicht versperren hier; sechs Stunden weit in Alpenmarkt drin, da kenn' ich einen Herrn aus der Stadt, er hat ein Landhaus in Alpenmarkt drin und war in meiner Huetten oefter ueber Nacht, wenn er auf die Alm hinauf ist--das ist ein vermoeglicher Mann, er handelt mit guten Steinen und reist herum damit. Er kauft Holz von mir; da fuehr' ich s' hin und lass' sie etwas weinen, dass er s' untersucht, ob s' wirklich Diamanten weint, ob s' nicht etwa boehmische Steine weint oder so Zeugs. Und wenn s' was wert ist, so machen wir einen kleinen Ueberschlag, und ich verkauf' ihm das ganze Weib wegen ihren Traenen um ein Pauschquantum. So ist das arme Weib versorgt, kommt auf Reisen und hat das schoenste Leben. Ich kann mir halt nicht helfen, ich find', dass ich ein edler Kerl bin, ich mag schon tun, was ich will. Wenn ich s' nur herauslocken koennt', ich wirf sie auf meinen Leiterwagen und fahr' mit ihr davon, als wenn ich sie gestohlen hatt'. Da kommt mein Weib. Dreizehnte Szene. Gluthahn. Trautel. Trautel (stellt den Krug Wein auf den Tisch). Da bin ich, lieber Mann. Gluthahn (roh). Nu, bist du schon g'sund? Trautel. Warum nicht gar. Ach, lieber Mann, mit mir ist's aus, der Bader sagt, mich bringt er nimmer auf. Gluthahn. Der Bader ist ein Narr, was braucht er dir's zu sagen, das hab' ich eh' schon g'wusst. Trautel. Ich unglueckselig Weib--ich bitt' dich, Mann, was soll ich denn jetzt tun, damit mir besser wird? Gluthahn. Spann' die Pferde vor den Wagen, das staerkt dich, ich fahr' aus. Trautel. Das ist ein schoener Trost! Ich kann ja nicht, ich bin z' schwach. Gluthahn. Du musst, potz Himmeltausend Saprament, ich werd' dich lernen raesonnieren, du alte Blendlaterne. Den Augenblick spannst ein und gehst dann in den Garten und brockst mir ein' Korb voll Aepfel ab. (Fuer sich.) So bring' ich sie doch fort. Trautel. Nein, du bist kein Mensch, du bist ein Krokodil. (Weint.) Gluthahn. Wirst gehn. Trautel. Ich geh' schon. (Geht weinend ab.) Ach, du lieber Himmel! Gluthahn. Jetzt weint die auch. Komm her. (Trautel kehrt um.) Was weinst denn? (Sieht in ihre Augen.) Die weint keine Diamanten, hoechstens mein Geld als Medizin. Geh, geh, besorg' den Wagen, so kommst du mir doch aus den Augen. (Trautel geht hinters Haus ab.) Vierzehnte Szene. Gluthahn, dann Alzinde. Gluthahn (boshaft laechelnd). Jetzt werd' ich fensterln gehn. (Mit falscher Freundlichkeit.) Liebe Alte, komm heraus, ich hab' dir etwas zu entdecken. Alzinde (oeffnet das Fenster). Was willst du, boeser Mensch, der mich verstiess. Gluthahn. Denk doch nicht mehr dran, ich war im Zorn, ich bin so gaehzornig, ich hab' es schon bereut, hab' schon g'weint deswegen und moecht' dir die Kraenkung gern vergelten; drum komm heraus, wir trinken ein Glas Wein. Alzinde. Ich traue deinen Worten nicht. Eh' glaub' ich, dass der Hai des Meeres Schutzherr wird, der Falke um die Taube freit, Hyaenen um ein Menschenleben weinen, der Wolf aus Gram vergeht, weil er ein Lamm getoetet hat, eh' ich das glaub'; dass du mich troesten willst. Gluthahn (beiseite). Sie beisst nicht an, ich werd' ihr etwas Suesses an die Angel haengen. (Laut.) Sei nicht so misstrauisch, du hast ja selbst ein gutmuetigs G'sicht, du musst einmal besonders schoen g'wesen sein, man sieht dir's noch ein wenig an, du hast noch recht verliebte Augenbraunen. Geh, komm herueber, liebe Alte, mein Weib hat eine schoene Hauben, die wird dir praechtig stehn. Alzinde. Bemueh' dich nicht, du zwingst mir kein Vertrauen ab. Gluthahn. Das muss kein Weibsbild sein, weil sie das nicht ruehrt. Jetzt werden wir's auf andre Art probieren. (Heuchlerisch laut.) Du tust ein frommes Werk, wenn du durch mich dir etwas Guts erweisen lassst, es ist ja deine Pflicht, ich kann nicht ruhig schlafen sonst; ich mach' mir Vorwuerf' in meinem Innern, dass ich dich so behandelt hab'. (Haelt die Haende zusammen.) Ich bitte dich, geh doch heraus, tu mich nicht so kraenken, ich bin ja ein kranker Mann, ein alter, der nicht mehr lange leben wird. Alzinde. Verlass die Huette, du betruegst mich nicht. (Schliesst das Fenster.) Gluthahn (erzuernt). Der Satan hat das Weib im Sold! Fuenfzehnte Szene. Gluthahn, Trautel, dann Alzinde. Trautel. Eing'spannt ist's, jetzt fahr zur Hoell'! Gluthahn. Was hab' ich in dein' Geburtsort z'tun? Nach dem Garten geh und Aepfel brock'. (Trautel geht ins Haus ab.) Heraus muss sie, und wenn ich's Haus zerschlagen sollt'. (Klopft heftig an.) Alte, g'schwind machst auf, es schickt der Hans, er hat ein Arbeitszeug vergessen. (Der Hund knaeuft von innen.) Sie macht nicht auf. (Pocht staerker.) Ob du aufmachst, frag' ich, oder nicht, ich schlag' euch alle Fenster ein, ihr schlechtes G'sind'. (Er schlaegt das Fenster ein, man hoert den Hund bellen.) Den Hund erschlag' ich; bist still, du Hoellenvieh! (Wirft einen Stein hinein.) Alzinde (am Fenster). Bist du rasend, Mensch? was reizt dich so zur Wut? Gluthahn (aeusserst boshaft). Heraus gehst, sag' ich, sonst zuend' ich das Haus an allen Ecken an, ich kenn' mich nicht vor Wut. O weh, mir wird nicht gut, ich armer Mann--wer hilft mir denn? (Sinkt in den Stuhl und loest sein Halstuch.) Wasser, Wasser! Mir wird uebel--ich stirb, wenn sich kein Mensch erbarmt--o! o! (Pause.) Alzinde. Goetter, welch ein Mensch! Er liegt bewegungslos! was soll ich tun? Wenn er nun stirbt, so bin ich schuld, ich koennte ihn erretten. Er ist ein boeser Mensch zwar, aber doch ein Mensch, die Sonne scheint auf ihn, so wie auf mich, und fordert mich zu seiner Rettung auf. Ich will der Tugend dieses kleine Opfer bringen. (Oeffnet die Huette und traegt in einer Schale Wasser.) Alter, Alter, hier ist Wasser! Gluthahn (springt schnell auf). Heisa, hab' ich s' erwischt? Jetzt kommst mir nimmer aus. (Packt sie.) Alzinde. Ha, du verraeterischer Molch! Gluthahn (ringt mit ihr). Jetzt will ich dich zum Kirchtag fuehren. (Der Hund bellt heftig.) Still, du Rabentier. (Er zerrt sie hinter das Haus in die Kulisse. Nach einer Pause kommt) Sechzehnte Szene. Trautel (mit einem Korb Aepfel). Was bellt denn nur der Hund so sehr? Spektakel! was treibt denn mein Mann? der hebt ein altes Weib auf seinen Wagen. (Peitschengeknall.) Jetzt faehrt er fort mit ihr. Du gottloser Mensch, wenn er nur nichts Schlechts vorhat mit dem Weib? Wie er ausjagt,--das geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich lauf' in' Steinbruch, such' den Nachbar, sag's dem Bader, klag's dem Richter, allen Leuten unt' im Orte will ich schnell die ganze G'schicht' erzaehlen. Das ist ein Unglueck, dass ich gar nicht weiss, was geschehen ist. (Ab.) Siebzehnte Szene. (Kurzes Wolkentheater.) An der Seite, im Vordergrunde, eine hervorragende thronartige Wolkengruppe. Geister der Tugend, weiss gekleidet, Lilienstengel in den Haenden, kommen unter passender Musik trauernd auf die Buehne. Ariel (tritt mitten unter sie). Lasst uns um Alzinden klagen, Die in jugendlichen Tagen Durch der finstern Maechte Spiel, Als ein Tugendopfer fiel. (Knien nieder.) Himmel, hoere unsre Bitten, Lasse nimmer es geschehn, Dass der Tugend reine Sitten Durch Verfolgung untergehn. (Steht lebhaft auf.) Doch seht nur, dort schwebt, mit dem Lilienstengel Der Retter der Unschuld, ihr troestender Engel, Er trug zu dem Throne des Maechtigen hin Das Schicksal Alzindens mit flehendem Sinn. O himmlischer Bote, o tauche doch nieder Dein silbererglaenzendes Schwanengefieder! Er nahet, er nahet, er senket die Schwingen, Und wird uns das Machtwort des Ewigen bringen. Achtzehnte Szene. Musik. Vorige. Der Genius der Tugend, eine Lilienkrone auf dem Haupte, besteigt den Wolkenthron. Genius. Hoert mich an, ihr Tugendgeister, Zu mir sprach der hohe Meister; Nur ein Kampfplatz ist die Welt, Und das Boese hingestellt, Dass es mit dem Guten streite, Und der Hoelle werd' zur Beute. Beide treten in die Schranken Dieser unruhvollen Welt; Tugend darf im Kampfe wanken, Eigne Schuld ist's, wenn sie faellt. Jedem ward die Kraft hienieden, Der Verfuehrung Trotz zu bieten; Nur der Schwache sinkt im Krieg, Doch den Starken kroent der Sieg. So ist es bestimmt auf Erden, Tugend muss geprueft dort werden. Dies ist auch Alzindens Los; Doch ihr Lohn unendlich gross, Denn sie wird ein Beispiel geben, Wie der Mensch gelangt im Leben Durch die Qual der tiefsten Leiden Zu dem Ziel der hoechsten Freuden, Die ein gross Bewusstsein schenkt. Drum gehe in Erfuellung Moisasurs Spruch, Und Edelmut, den er verdammt, besiege seinen Fluch. Unmoegliches hat er von ird'scher Kraft begehrt, So werde er nun auch durch den Erfolg belehrt; Dass Tugend, wenn sie gleich im Staub sich windet, Hoch in den Wolken ihren Retter findet. Zu diesem, sprach er, will ich dich nun weihn, Und deinem Wink die Kraft verleihn, Dass jedes Wesen, so die Erde hegt, Was sich in ihr, und was sich auf ihr regt; Die Bewohner dunkler Kluefte, Wie die Geister blauer Luefte, Deinem Rufe untertaenig; Ja, dass selbst des Todes Koenig, Sprichst du meinen Donnergruss, Deinem Rufe folgen muss. Also sprach der grosse Meister, Preiset ihn, ihr Tugendgeister. (Alle knien nieder und beugen ihr Haupt.) Genius. Ich will, um das Schiff zu lenken, In Hoanghus Seele senken Meiner Pruefung forschend Blei, Ob sein Lieben tief auch sei. Ihr verrinnet in die Luefte, Huellet euch in Blumenduefte, Lindert in Alzindens Herz Der Verzweiflung wilden Schmerz. (Die Geister verschwinden.) Neunzehnte Szene. (Indische Gegend.) Seitwaerts Hoanghus Zelt, zwischen Palmen aufgehangen, er ruht darin. Der Wolkenthron, auf welchem der Tugendgenius steht, verwandelt sich in einen hohen Fels. Genius (auf dem Fels). Unter jenem Palmenzelt Ruhet Indiens edler Held; Traumgott, du magst niedersteigen Und Alzindens Los ihm zeigen. Musik. Wolken sinken, es wird Nacht. Der Traumgott tritt in Hoanghus Zelt, beugt sich ueber sein Haupt, und indem er seine Stirne mit der einen Hand beruehrt, zeigt er mit der anderen auf die Hinterwand und bleibt in dieser Stellung, bis der Traum vorueber ist. Die Wolkendecke loest sich, man sieht in einer hellbeleuchteten Gegend am Meere, auf einem mit Blumen besaeten Huegel Alzinden mit einem Siegeskranz in der Hand, ihren Gemahl freudig erwarten. Siegesmarsch erschallt. Eine Gestalt, wie die Hoanghus, von Kriegern begleitet, landet auf einem Schiffe, springt freudig ans Land, eilt auf Alzinden los und streckt die Arme aus. Ploetzlich verwandelt sich der Huegel in einen schroffen Fels, auf dem Alzinde in der Gestalt eines alten Weibes sitzt und ihre duerren Arme nach Hoanghu streckt, welcher entsetzt zurueckschaudert. Moisasur grinst mit hohnlaechelndem schadenfrohen Antlitz, mit halbem Leibe, aus Wolken herab auf die Gruppe. Die indische Gegend und der Traumgott verschwindet. Die Musik endet leidenschaftlich. Hoanghu springt erschrocken vom Lager auf. Es wird Tag. Hoanghu. Fort von mir, verruchter Traum, der seine Schreckensbilder auch nach dem Erwachen zeigt, willst Hoanghu du ermorden? Was klammerst du dich so an meine Phantasie?--Lass los! (Reisst erzuernt das Schwert aus der Scheide und haut in die Luft.) Traeume sendet uns die Sonne, darum glaub' ich ihrem Wink. Goetter, sendet mir ein Zeichen, ob euch dieser Traum gehoert? oder ob die gift'ge Spinne Moisasur ihn gewebt? Doch was brauch' ich hier zu fragen in dem antwortlosen Wald, ich will meine Frage stellen an die Ueberzeugung selbst. (Es donnert.) Ha, des Donners Warnungsstimme spricht, der Schreckenstraum ist wahr. Auf, ihr Krieger, reisst die Zelte nieder, kuendigt den Gehorsam auf dem Schlaf. (Alarm, alles greift erschrocken zu den Waffen, Krieger und Haeuptlinge erscheinen auf der Buehne.) Zwanzigste Szene. Voriger. Haeuptlinge. Krieger. Ein Haeuptling. Was befiehlst du, grosser Koenig? Hoanghu. Ordne schnell dein ganzes Heer. Siehst du meines Reiches Grenze? (Deutet in die Szene.) Nach der Hauptstadt ziehen wir, denn ein Traum hat mir verkuendet, meiner Gattin droht Gefahr. Schnell, wie ihr den Feind verfolget, so verfolget jetzt die Zeit. Eure Waffe sei die Eile, haut damit den Tag in Stuecke, metzelt Stunden zu Minuten, dass in wenigen Sekunden ihr Alzindens Antlitz schaut. Darum zeigte uns der Morgen rotgeweinte Augenlider, netzt' die Erd' mit blut'gem Tau--seine Traenen flossen um mein Weib. Brechet auf, und welcher Bote mir den Flug des Pfeils beschaemt, wer am Tore meiner Hauptstadt mit der Nachricht von Alzindens Leben freudig mir entgegeneilt, dem lass' einen Turm ich bauen in des Reiches schoenstem Teil; und was von seinen goldnen Zinnen ueberschaut sein gierig Auge, schenk' ich ihm als Eigentum. (Alles ab.) Einundzwanzigste Szene. Genius der Tugend tritt vor. Genius. O koennten doch alle die lieblichen Frauen Dies seltene Beispiel von Maennertreu' schauen, So wuerde in aller Brust ein Wunsch nur sein; O koennt' ich doch auch einen Hoanghu frein. Und koennten die Maenner, die nicht so gewesen, In Hoanghus Busen den Lohn dafuer lesen, So wuerd' aus dem flatternden Maennerverein Die Tugend sich manches Bekehrten erfreun. (Ab.) Zweiundzwanzigste Szene. (Kurzer Palmenwald.) (Drei Schritte von der Kulisse steht frei in Form eines hohen drei Schuh breiten Monuments ein Grenzstein von weissem Marmor, mit der Aufschrift: Grenze von Hoanghus Reich.) Karambuco, ein indischer Krieger, ohne Waffen, laeuft herein, hinter ihm am Felle festhaltend, keucht Ossa sein Weib, sie ist mit einem Buendel beschwert. Karambuco (ruft noch in der Kulisse). Lass mich los, du entsetzliches Weib. (Tritt auf.) Was willst du denn von mir, du Drachenzahn, ich muss ja laufen, dass die Sohlen brennen. Ossa (haelt ihn fest). Du kommst mir von der Stelle nicht, bis du mir sagst, was du fuer ein Geheimnis mit dir traegst. Du bist ein falscher Mann, du entlaufst dem Heer und deinem Weib. Du hast etwas verbrochen. (Boshaft.) So sag' mir's doch. Karambuco. O Goetter, leiht mir einen Pfeil, dass ich ihre Sucht umbringe, mich zu halten. Sonne, brenn' ihr beide Arme ab! Ich muss ja fort, es ist ein Preis gesetzt, wer unserm Koenig Nachricht bringt, ob seine Gattin lebt. Ossa. Das luegst du, unverschaemter Mann, da hab' ich nicht ein Wort davon gehoert. Karambuco. Weil du geschlafen hast. Ossa. Ich schlafe nie. Karambuco. Der Satan wacht in dir. Da komm' ich eh' von einer Riesenschlange los, als von dem Weib, ich muss mich gar aufs Bitten legen. (Kniet sich nieder, sie laesst das Kleid los und haelt ihn an den Haenden, sie knien einander gegenueber.) Karambuco. Liebe Ossa, lass mich los. Ossa. Ich kann nicht, lieber Karambuco. Karambuco (springt erzuernt auf, sie mit ihm). Verwuenschtes Weib, was willst du denn? Ossa. Was du nicht willst, verwuenschter Mann. Karambuco. Geh! Ossa. Steh! Karambuco. Ich schlag' dich tot. Ossa. Du kannst ja nicht, ich halt' dich ja. Karambuco. Das ist ein Riesenweib, sie bricht mir die Haende entzwei. Erinnere dich an deine Pflicht. Ossa. Des Weibes Pflicht ist, festzuhalten an dem Mann; ich halte fest. Karambuco. Ich komm' nicht aus mit ihr, und nicht davon. Da bring' ich eher einen Elefanten durch ein Nadeloehr, als dieses Weib zu ihrer Pflicht. O meine Aussichten--was haett' ich auf dem Turm fuer schoenes Land gesehn; jetzt seh' ich nichts, als dieses haessliche Gesicht. Doch wart', du sollst mich kennen lernen; nimm dich zusammen, Karambuco! fort mit dir, du Drachenweib! (Er schleudert sie mit Gewalt von sich, so dass sie ueber den Grenzstein fliegt und in einer drohenden Stellung gegen ihn auf die Erde faellt. Sie wird in dieser Attituede zu einem grauen Stein, als ausgehauene Figur.) Was ist das? bin ich versteinert, oder ist's mein Weib? Diesmal ist sie's. Goetter, was habt ihr fuer Wunder getan! Dieses Weib zum Schweigen zu bringen, da gehoert etwas dazu. (Springt vor Freude.) Goetter, die Freud', mein Weib ist von Stein. Ha, jetzt hab' ich Mut, jetzt schmael' ich sie recht. Du Hydra, du Drache, du indische Mumie! (Freude.) Sie kann nichts sagen, o glueckliche Ehe! Jetzt freut's mich erst, dass ich verheiratet bin.--So rede, wenn du dich traust, schlag, wenn du kannst, beiss, beiss. (Springt.) Ihr Goetter, ich dank' euch, sie kann nimmer beissen! O du steinerne Bosheit, wie bist du so gutmuetig jetzt. Wenn doch mancher Mann die Macht besaesse, der Beredsamkeit seiner Frau so ein versteinerndes Halt zuzurufen, da kaemen oft herrliche Statuen heraus. Doch ich verplaudere die Zeit und soll sie verlaufen. Leuchte mir, Sonne! (Er stellt sich zum Laufen an.) Stimme des Genius. Tritt nicht auf diesen Boden, er verwandelt dich in Stein. Karambuco. Bitt' um Vergebung, da spiel' ich den Krebs. (Geht rueckwaerts.) Also der Boden versteinert? --Da scheid' ich von ihm. --Doch, was seh' ich, was faellt mir jetzt ein! Mein ganzes Vermoegen, was ich erspart und gestohlen, alles ist hin, sie hat alles im Sack und im Buendel da drin. Alles ist Stein, Weib und Vermoegen versteinert--ich hab' alles verloren, und bin doch ein steinreicher Mann. Dreiundzwanzigste Szene. Indischer Marsch in schnellem Tempo. Hoanghu eilt an der Spitze seines Heeres herein. Karambuco kniet sich vor ihm nieder und haelt ihn auf. Karambuco. Grosser Koenig, bleib zurueck. Hoanghu. Aus dem Wege, Sklave, flieh! (Stoesst ihn von sich.) Karambuco (umklammert seinen Fuss). Bei der ew'gen Sonne, bleib zurueck, ein einz'ger Schritt bringt Tod. Sieh hier mein marmorerblichenes Weib. Dieser Boden lithographiert. Wer ihn betritt, den zieht er als Steinabdruck heraus. Lass dein ganzes Heer einziehen, und du wirst jeden Krieger durch ein Monument verewigen. Hoanghu. Zurueck, du Moerder, der durch Warnung toetet, diese Grenze schliesst Alzindens Unglueck ein. Ohne sie kann ich nicht gluecklich sein, und jedes Schicksal will ich mit ihr teilen. Nicht ausser diesem Reiche steht mein Leben, es ist in ihm, in ihr; ich trag' es nicht hinueber, kann es nimmer retten, weil's mit ihr vergeht. Weg mit der Schale, wenn der Kern verloren ist. Ist Alzindens Herz versteinert, ist's doch meines nicht, und sucht ihr Grab. Mein ist dies Reich, und wenn's mit Unglueck kaempft, so darf der Koenig auch nicht fehlen. Folg', wer will. (Will ueber die Grenze.) Vierundzwanzigste Szene. Genius der Tugend tritt ihm entgegen. Vorige. Genius. Zurueck, Hoanghu, ich befehl' es dir. Hoanghu. Wer bist du, Lichtgestalt? Genius. Ich bin die Tugend, deiner Gattin, deines Landes Schutzgeist. Deine Gattin hat in deinem Reich mir einen Tempel auferbaut, drum hat Moisasur sie verflucht, wie sie dein Traum gemalt, so lang, bis die Unmoeglichkeit erfuellt, die zur Bedingung er gesetzt. Hoanghu. Das heisst, die Ewigkeit mit anderem Namen nennen. Genius. Alles kann die Gottheit wenden, und zum Werkzeug hat sie dich ersehen. Die hoechste Probe hast du diesen Augenblick bestanden. Du kannst Reich und Gattin retten, weil du dein Leben unter deine Liebe stellst. (Genius winkt: Die Gegend verwandelt sich in einen Wolkenhain. Die Statue der Tugend, vor ihr ein Opferaltar. Die Geister der Tugend in Gruppen, im Hintergrunde eine grosse diamantene Sonne.) Genius. Schwoere hier, am Weihaltar der Tugend, auf ihrer Lilie heil'gen Kelch, dass du ihr jedes Opfer bringest, wenn sie es gebeut. Hoanghu. Ich schwoer's, und wenn ich breche meinen Eid, so soll die Quelle meinem Durst versiegen, der Baum die Fruechte selbst verzehren; so will ich Koenig sein in menschenleerer Wueste, will schlaflos mich im heissen Sande waelzen, und wenn mein Leib an solcher Glut vergeht, soll die Sonne meinen Geist aus ihrem Reich verbannen, und Moisasur ihn an seine Ferse heften. (Hoanghu kniet, der Genius beruehrt sein Haupt mit der Lilie.) Genius. So will ich dich durch dieser Lilie Kraft, Die alles Edle und Erhabne schafft, Zum Retter deiner Gattin weihn. In des Abends sanften Schein Wirst du wieder mich erblicken, Und auf leichter Wolken Ruecken Schweb' ich mit dir eilig fort, Bis wir landen an dem Ort, Wo in unbekannter Ferne, Durch die Macht der boesen Sterne, Deiner Gattin Leiden weilen. Doch jetzt muss ich von dir eilen Und des Abgrunds Tiger wecken, Er muss seine Klauen strecken Nach der Tugend Lilienbrust; Bis wir sie mit Goetterlust Allem Ungemach entruecken, Sie an unsern Busen druecken In beglueckter stolzer Ruh'; Nun leb' wohl, mein Hoanghu. (Genius fliegt ab.) Ende des ersten Aufzuges. Zweiter Aufzug. Erste Szene In Alpenmarkt. Vorsaal im Landhause des Juwelenhaendlers Rossi. Der Hausinspektor Haenfling tritt auf mit Hausbedienten; hoechstens sechs. Haenfling. He, ihr Leute, schnell zur Hand! Eure Pflicht ist euch bekannt, Seid geschaeftig, uebt sie aus, Denkt, die Herrschaft ist zu Haus. Chor. Wir sind willig, ruestig, flink, Und gehorchen Eurem Wink. Haenfling. Der gnaed'ge Herr ist nicht auf einige Tage aus der Stadt herausgefahren, er wird diesmal drei Monate in seinem Landhaus hier verweilen; darum nehmt euch zusammen, stosst eure Bequemlichkeit in die Rippen, seid flink, damit er sieht, dass ich auf Ordnung halte, als Inspektor. (beiseite.) Wenn er fort ist, kann ich euch manchmal durch die Finger sehen, doch so lang er hier ist, muss ich euch auf die Finger klopfen. (Laut.) Habt ihr mich verstanden? Alle (schreien). Ja. Haenfling. So schreit nicht so und packt euch fort an eure Arbeit. Und wenn der gnaed'ge Herr fraegt, wie man im Hause hier mit meiner Anordnung zufrieden ist, so antwortet als treue Diener Wahrheit und sagt, was ich seit vierzehn Tagen jedem eingelernt: Unser Herr Inspektor ist ein Engel. Dies merket euch, geht eures Wegs und bleibt fein dabei stehen. Ein Bedienter. Wir gehen unsres Wegs und bleiben dabei stehen. (Ab.) Zweite Szene. Haenfling (allein). Fuer mich gibt's nichts Bequemeres auf der Welt, als das Befehlen; fast jeder hat Talent dazu, der Mensch ist ein geborner Kommandant, am besten seh' ich das bei meiner Frau. Ich fuer meinen Teil, wenn ich nicht Inspektor waere, ich wuerde mir wenigstens einen Jagdhund halten, damit ich zu ihm sagen koennte -- (es wird geklopft) Herein! Dritte Szene. Voriger. Gluthahn. Alzinde. Gluthahn (hat Alzinden an der Hand, geht zur Tuere herein). Euer G'streng' verzeihen, ich moecht'--(zu Alzinden.) So geh herein, mein liebe Alte, lass dich nicht so ziehen, es nuetzt dich nichts. (Zieht Alzinden herein.) Alzinde. Sklavin bin ich eines Sklaven. Haenfling. Nun, was ist das fuer ein Auftritt? was will das Lumpenpack? Gluthahn. Werden Euer G'streng' nur nicht gar so ungnaedig, ich bin der alte Gluthahn von der Windalm hint', und moechte gern mit dem gnaed'gen Herrn vom Haus hier reden; er kennt mich schon, ich bin sein Holzlieferant, und wenn er unsre Alm besteigt, so bleibt er bei mir ueber Nacht. Haenfling (fuer sich). Das ist eine Bettelei. (Laut.) Er ist nicht hier. Gluthahn. Ei jawohl, ich hab' ihn ja am Fenster g'sehn. Haenfling. Er ist doch nicht hier, und wenn Er ihn an allen Fenstern zugleich gesehen haette. Gluthahn. Ja so--(Heuchlerisch.) Bitt' gar schoen, Euer G'streng', erlauben S' ihm's, dass er hier sein darf. Haenfling. In solchem Anzug lass' ich niemand vor. Was hast du mit dem Weibe da, was drueckst du ihr die Haende so zusammen? Alzinde (welcher Gluthahn mit der linken Hand beide Haende zusammenklammert und sie so haelt, spricht unruhig). O Fremdling, nimm dich meiner an. Gluthahn (heimlich zu ihr). Wann's du was sagst zu ihm, ich bring' dich um. Alzinde (reisst sich los von ihm und stuerzt zu Haenflings Fuessen). Lass mich--(zu Haenfling) Fremdling, hoere mich. Haenfling (stoesst sie von sich). Was willst du, schmutz'ge Bettlerin? Alzinde (steht ploetzlich stolz auf). Nichts von dir, gar nichts, Freund. Ich habe dich verkannt. (Setzt sich in einen Stuhl und seufzt.) Ach! (verhuellt ihr Antlitz.) Gluthahn (schadenfroh). Das ist dir recht g'sund. Haenfling. Was will das Weib? Gluthahn. Mit Ihrem gnaed'gen Herrn moecht' s' reden. Haenfling. Das kann nicht sein, packt euch jetzt fort, er ist nicht hier. Gluthahn. Er wird gleich kommen. Euer G'streng' haben ein kaltes Gemuet, ich seh's schon, ich werd' Euer G'streng' so sechs Stoss harts Holz hereinfuehren, das gibt eine rechte Glut, da taut der Mensch schon auf. (Fein.) Euer G'streng', mir scheint, ich hoer' ihn reden drin, auf die Letzt ist er doch zu Haus. Haenfling. Das ist nicht moeglich. (Geht an die Tuer und sieht hinein.) Meiner Seel, er ist zu Haus. Wie man sich irren kann. Ich will jetzt fuer Ihn sprechen; doch, dass Er sich nicht untersteht und schickt mir einen Splitter Holz, ich lass' mich nicht bestechen. Wenn Er es morgen bringen will, so lass' Er sich den Keller zeigen und leg' Er es hinein, ich will nichts davon wissen. (Abgehend.) Das ging mir ab, das waer' nicht schlecht. (Ab.) Gluthahn. Ah, ist ein Ehrenmann, der Herr Inspektor, aber so sechs tuechtige Stoesse, die bringen einen schon vorwaerts bei ihm. Nun, was schaffst denn du, mein altes Kapital?--Wenn ich s' nur zum Weinen bringen koennt'. Alzinde. Mensch, was hast du mit mir vor? Welch boeser Geist bestimmt dich, so an mir zu handeln? Gluthahn. So sei nur nicht so kindisch, liebe Alte, du verkennst mein Herz, ich mein's ja gut mit dir, du kriegst das schoenste Leben. Sei still, der gnaed'ge Herr. Vierte Szene. Vorige. Rossi. Rossi. Ah, mein alter Gluthahn, was bringt Ihn zu mir? Gluthahn (kuesst ihm die Hand). Ich kuess' die Hand, Euer Gnaden, vieltausendmal. Rossi. Wie geht's zu Haus, was macht die Frau? Gluthahn. I mein, allweil kraenklich ist sie halt! Rossi. Nu, da muss Er Geduld mit ihr haben. Gluthahn. I du lieber Himmel, mein Herz, Euer Gnaden wissen's ja, wir leben, wie die Kinder, ich gib ja acht auf sie, wie auf mein' Augapfel. Was s' braucht, das hat s', ich opfre mich ganz auf fuer sie. Rossi. Brav, das macht Seinem Herzen Ehre. Wer ist denn diese Alte da? Gluthahn. Das ist ein ganz besondres Weib, Euer Gnaden, ein solches hat noch nie g'lebt. (Zu Alzinde mit falscher Freundlichkeit.) Geh, setz' dich nieder, liebe Alte. (Fuehrt sie an einen Stuhl, dann heimlich zu Rossi.) Die moecht' ich gern an Euer Gnaden verkaufen. Rossi. Das alte Weib? das waer' ein schoener Kauf. Gluthahn. Die ist vernuenftiger als eine Junge,--wenn eine Junge weint, so braucht sie etwas, und wenn die Alte weint, so bringt s' noch etwas. Das alte Weib weint Diamanten. Rossi. Diamanten? Bist du ein Narr? Gluthahn. Versteht sich, in mein' Sack; Euer Gnaden werden's gleich sehen, ich lasse s' jetzt Prob' weinen, augenblicklich. Euer Gnaden rechnen aus, was die ganze Weinerei wert sein kann, geben mir alle Jahr einen Teil davon, kein Mensch braucht was zu wissen, und der Handel ist geschlossen. Alzinde (die gehorcht). Entsetzlich! Rossi (beiseite). Der Kerl ist ein Betrueger. (Laut.) Wie kommst du zu dem Weibe? Gluthahn. G'funden hab' ich sie drauss im Wald. Alzinde (springt auf). Du luegst, der Boesewicht hat mich geraubt. Rossi. Welch' jugendliche Stimme, welche Haltung? Gluthahn (heftig). Bist still, du--(Fasst sich ploetzlich.) Setz' dich nieder, liebe Alte. (Zu Rossi.) Mein, s' ist verrueckt, sie weiss nicht, was sie redt; das macht Euer Gnaden nichts; wenn s' auch dumm redt, wenn s' nur vernuenftig weint. Rossi (beiseite). Ich muss klar sehen in der Sache. (Laut.) Gut, ueberzeuge mich von deinen Worten, wir wollen sehen, was zu machen ist. Gluthahn. Euer Gnaden kaufen s' also? Hollah! jetzt geht's recht. Jetzt nimm dich zusammen, Alte, wein', was Zeug haelt. Rossi. Weint sie denn, so oft sie will? Gluthahn. Nu, das will ich hoffen, das ist ihr schoenste Unterhaltung. Nicht wahr, mein' liebe Alte, du weinst uns schon ein Stueckl, kriegst hernach einen Zucker. Nicht wahr, Euer Gnaden, ein' Zucker. (heimlich zu Rossi.) Auf den Zucker geht s' wie ein Kanari. Alzinde (steht auf). Gemeiner Sklav', auf den die Sonne mit Verachtung schaut, und dessen Anblick mein Gefuehl empoert, wie hoffest du ein Aug' zu finden in der Welt, das sich mit Traenen fuer dich fuellt? Fuer dich darf keine Traene fliessen, selbst an deinem Sarge nicht, denn die Goetter sind gerecht. Rossi. Welch eine edle Sprache fuehrt dies Weib! Gluthahn. Sie ist naerrisch, Euer Gnaden; sie weint uns doch noch. Alzinde. Ich habe dich gelabt, und du hast unbarmherzig mich gebunden und hierher geschleppt. Gluthahn. Ist alles erlogen, Euer Gnaden, mein Herz lasst so was gar nicht zu. Rossi (beiseite). Sonderbarer Vorfall. Gluthahn. Jetzt frag' ich dich zum letztenmal, ob du weinen willst? (beiseite.) Wenn ich sie nur recht kranken koennt'. (Laut. ) Da schauen s' Euer Gnaden nur an, wie erbaermlich sie nur dasteht, diese miserable Figur. Die rote Nase und die hunderttausend Falten, als wenn s' fuer jede Suend' ein Strichel haett' im G'sicht. Und Augen hat s' als wie eine Katz'. Pfui Teuxel! (boshaft lachend.) Ha, ha, ha, ich taet' mich schaemen. (Leise zu Rossi.) Helfen Euer Gnaden mit, machen wir sie marb', damit sie weint. Rossi (empoert beiseite). Das ist ein niedertraechtiger Bube, kaum halt' ich mich zurueck. Alzinde (ergreift Gluthahns Hand und spricht mit Wuerde). Komm her, es lohnt die Mueh', dich naeher zu betrachten. Sag' mir, bist du denn wirklich ein Geschoepf, gebaut in seinem Innern, wie der edle Mensch? O Sonne, sende deinen Blitz und spalte diese Felsenbrust, damit mein Blick zu seinem Herzen kann gelangen, ob es die Form hat eines menschlichen?--Goetter, staerket meinen Geist, damit ich mich an eurem Werke nicht versuend'ge und diese Menschen hier fuer redende Hyaenen halte. Rossi. Wenn so der Wahnsinn spricht, tausch' ich meinen Verstand dafuer ein. Gluthahn. Das ist ein schreckliches Weib, ich komm halt nicht zum Zweck! Wenn du mir jetzt nicht weinst, so nimm ich dich mit fort und sperr' dich ein, so lang du lebst. Sieh meinen Zorn, schau her, er brennt, Wasser brauch' ich, loesch', loesch', mit zwei Tropfen kannst dich retten. Nicht? so komm mit mir, in den tiefsten Keller wirf ich dich hinunter, kein' Sonn' soll auf dich scheinen mehr. (Er will sie fortziehen.) Rossi (springt dazwischen). Lass sie los, du Schurke! (Packt ihn an der Brust und schleudert ihn von ihr, springt an den Glockenzug und reisst heftig an, man hoert stark laeuten, zwei Bediente springen augenblicklich herein. Rossi sagt einem heftig etwas ins Ohr, worauf der Bediente schnell ablaeuft.) Rossi (stark). Augenblicklich, hoerst du, schnell! Alzinde (wie rasend, sinkt auf die Knie). Sonne, wenn in diesem Augenblick du deinen Donner schmettern willst auf dies verraeterische Haupt, so rufe ihn zurueck, und lasse meine Stimme dafuer gelten, damit du sie auf deinem Throne hoerst. Straf' nicht durch Tod, vielleicht ist er noch zu bekehren; durch Reichtum strafe seine Habgier; setz' ihn auf eine oede Insel hin, doch ausser dieser Welt, damit sein Rufen nicht zu dir, nicht zu den Menschen dringt. Dort wohne er in einem silbern' Haus, mit einem Dach von Edelstein; schenk' ihm ein Kornfeld, das von goldnen Aehren strotzt, damit sein Geiz sich daran labe. Jede Blume, jedes Laub sei von Smaragd, die Fruechte von Rubin, die Baeche von Kristall, damit ihn nichts erquicke, als ihr Anblick. Dann lasse wuet'gen Hunger in sein Eingeweide ziehn, den Durst von Fischen, die auf trocknem Land vergehn, bis er ermattet niedersinkt auf sein smaragdnes Grab, und seine Zunge lechzt nach einem Tropfen Tau; dann erst erfuelle seinen jetz'gen Wunsch, und stroem', statt milden Regens, diamantnen Hagel auf sein eigensinnig Haupt, damit er fuehlt, wie ungluecklich der Ueberfluss an Reichtum macht und von dem Wahn genest, der ihn zum Boesewicht gepraegt. (Strebt die Arme gen Himmel.) Sonne, hoere mein Gebet. Rossi. Abscheulicher Auftritt! Fuenfte Szene. Vorige. Bediente. Vier Gerichtsdiener. Bedienter. Die Wach' ist hier. Rossi. Ergreift sie beide, diesen Bauer und dies Weib, vors Gericht mit ihnen, unterdessen geh' ich zum Justiziaer. (Schnell ab. ) Gerichtsdiener (beide ergreifend). Fort mit euch! Alzinde (freudig). Die Goetter sind gerecht! Gluthahn. So kommt man mit sein' guten Herzen an! (Alle ab.) Sechste Szene. (Das Reich der Vergaenglichkeit.) (Der Vordergrund ist eine finstere Saeulenhalle aus schwarzem Marmor. Rechts von der Buehne das kolossale eherne Eingangstor zum Palaste des Genius der Vergaenglichkeit. Im Hintergrunde wogt ein dunkelblaues Meer, magisch erleuchtet. An seinem Ufer steht auf einem dunklen Felsstuecke ein grauer Schatten und schaufelt Lorbeerkraenze, Kronen, Myrtenkraenze, Perlen, Schmuck, Geldsaecke, Poesien usw., die auf einem Haufen liegen, langsam in das Meer. Quer ueber die Buehne begrenzen es als Hintergrund schwarze Zackenfelsen, und ueber diese leuchtet in der Ferne die Morgenroete der Ewigkeit hervor. Von diesem Punkte aus hoert man leis ertoenend einen Chor von Genien.) Chor. Heil dem ew'gen Himmelslichte, Heil dem unnennbaren Geist, Heil, Heil, Heil! (Der Genius der Tugend tritt mit dem Lilienstengel unter dem Schluss des Chores von der linken Seite ein.) Genius. Niedersteig' ich zu Alzindens Rettung in dies lichtberaubte Reich, und begruess' zum erstenmal das schaurige Gestade dieses unermessnen Meeres, Vergaenglichkeit genannt. Sag' an, du fleissiger Geselle, was schaufelst du dort auf und senkst es in den Grund des Meeres? Schatten (mit dumpfer Stimme). Lorbeern sind's und eitle Schaetze, so die Welt fuer unvergaenglich haelt. Genius der Tugend. Und wo haust der duestre Kroesus dieser Gruft, der stolze Erbherr alles Seins? Schatten. Er sitzt dort in jener Marmorhalle, sinnend auf den Untergang der Zeit. (Der Schatten entfernt sich ueber den Fels in die Szene.) Genius der Tugend. So will ich ihn aus diesem Traum erwecken, der verderbenbringend ist. Siebente Szene. Dumpfe Musik. Eine Schar Geister, in graues faltiges Gewand gehuellt, mit Sensen, zieht ueber die Buehne, und spricht folgenden Chor: Chor. Lustig vorwaerts, muntre Brueder, Denn die Zeit steht nimmer still. Genius der Tugend. Sag' an, wo eilst du hin, du naechtlich wildes Chor? Erster Schatten. Wir sind ein lustig Schnittervolk Und ziehen nach der Welt. Fleissig sind wir Tag und Nacht, Maehen Jung und Alt. Genius. Und seid ihr froh bei solchem Dienst? Erster Schatten. Wir haben einen harten Herrn, der niemals freundlich blickt, doch sind wir froehlich, herzensfroh. Lustig, Kinder, auf die Welt. Es leb' die Pest! Es leb' der Krieg! (Sie ziehen ab, Raben fliegen hinten drein: Qua, qua!) Genius der Tugend. Zieh hin, du grauser Bienenschwarm, bring' Lebenshonig heim, ich suche deinen Weisel auf. (Er schlaegt dreimal mit der Lilie an das Tor, bei jedem Schlag ertoent es maechtig von innen.) Heraus aus deinem finstren Haus, du Schreckensfuerst, der die Vernichtung in dem Wappen fuehrt. (Die Pforte springt donnernd auf, der Genius der Vergaenglichkeit tritt heraus, ein finstrer stolzer Mann, traegt lange schwarze Tunika, er hat ein bleiches Antlitz, schwarzes Lockenhaar, keinen Bart, eine eherne Schlange um das Haupt.) Achte Szene. Genius der Tugend und Genius der Vergaenglichkeit. Genius der Vergaenglichkeit. Wer gab dir Macht, an diese Pforte anzuschlagen? Genius der Tugend. Ich gruesse dich, du Riesenengel, dem die Welt erbebt, und der sie einst mit ehrner Faust zerschlaegt. Genius der Vergaenglichkeit. Was willst du hier? Warum erglaenzt dein Strahlenleib in diesem Tal der Finsternis? Genius der Tugend. Siehst du ueber jenem Zackenfels, der dunkeln Grenze deines Moderreichs, die ew'ge Morgenroet' ergluehn? Dort ist der Tugend Vaterland, der Thron des grossen Geists, und ich ein Buerger seines Staats. Aus dem hohen Wunderland Bin ich zu dir hergesandt; Du sollst von Moisasurs Bann Indiens Herrscherin befrein. Nur in deinen Armen kann Sich ihr Lebensglueck erneun. Genius der Vergaenglichkeit. Sprichst du irre, kannst du hoffen, Leben aus dem Tod zu ziehn? Stehn der Hoelle Himmel offen? Macht Verwesung Blumen bluehn? Genius der Tugend. Ich will heut ein Schauspiel geben, Dem sich keines noch verglich; Wo der Tod gewinnt das Leben, Diese Rolle lehr' ich dich. Genius der Vergaenglichkeit. Willst du mich zum Gaukler dingen, Mich, den allgewalt'gen Tod? Genius der Tugend. Ich will dich zur Milde zwingen, Durch des Himmels Machtgebot. Genius der Vergaenglichkeit. Wer sagt, dass ich schrecklich bin? Um sein Leben zu verbittern, Stellt der Mensch mit bangem Zittern Duestre Bilder von mir hin. Schrecklich bin ich nur den Boesen, Doch den Guten bin ich's nicht! Bin ein Wort von ernstem Wesen, Das Bestimmung zu ihm spricht. Doch wie kannst du's, Lichtwurm, wagen, Zu befehlen mir, dem Tod? Genius der Tugend. Dies wird dir dein Meister sagen, Der dort thront im Morgenrot. (Schrecklicher Donnerschlag. Eine Stimme ertoent von oben.) Gehorche, Sklav! Die Ewigkeit befiehlt. Leiser Chor der Genien. Heil! Heil! Heil! Genius der Vergaenglichkeit. Sturmesworte hoer' ich sausen, Widerstand ist mir geraubt, Und vor seines Donners Brausen Beug' ich mein gekroentes Haupt. (Kniet und beugt sein Haupt.) Genius der Tugend (seinen Blick erhebend). Lass mich deine Strahlen kuessen, Sonne, die du es gefuegt, Dass der Tod zu meinen Fuessen, Wie ein Lamm geschmeidig, liegt. Genius der Vergaenglichkeit (steht auf). Dein Befehlen zu vernehmen, Lad' ich, Seraph, dich ins Haus; Willst du dich dazu bequemen, Eil' ich deinem Schritt voraus. (Bleibt in erwartender Stellung.) Genius der Tugend. Komm, du Herrscher finstrer Geister, Fuehr' mich in dein naechtlich Haus, Dort verleugn' in dir den Meister, Zeichne dich als Schueler aus; Zeig' dem Laster, das der Jugend Leben stiehlt mit arger List, Dass die Kraft der edlen Tugend Ueber dich erhaben ist. (Genius der Tugend geht voraus. Genius der Vergaenglichkeit folgt.) Neunte Szene. (Gerichtssaal in Alpenmarkt.) Der Amtmann, ein Aktuar und Rossi treten ein. Amtmann. Das ist ein ganz besondrer Vorfall. Den Gluthahn kenn' ich schon, das ist der abgefeimtste Schurke, den ich je gesehn, da muss man rasch verfahren. Rossi. Die Zeugen kommen uns gerade recht, sie beschleunigen die Sache. Amtmann. Wollen Sie sich nicht gefaelligst setzen? Rossi (setzt sich). Danke. Amtmann (laeutet, Gerichtsdiener erscheint). Den Steinbrecher und sein Weib. (Diener ab.) Das sind zwei herzensgute Leute, und so gewissenhaft, wie eine Wage; ihrer Aussage kann ich vollkommen glauben. Zehnte Szene. Vorige. Hans und Mirzel treten furchtsam ein. Amtmann. Jetzt kommt her, ihr guten Leute, und gebt genau und umstaendlich zu Protokoll, wie sich die ganze Sache zugetragen hat. (Zum Aktuar.) Setzen Sie Ihre Feder in Bewegung. Hans. Sehr wohl, Euer Gnaden, Herr Amtmann! Sehen Euer Gnaden, Herr Amtmann; Mein liebs Weiberl da will nicht gern auf in der Frueh', da hab' ich den Morgen zu ihr g'sagt; liebe Mirzel, steh doch auf, wir muessen dem Herrn Amtmann die Steuer nach Alpenmarkt tragen. Da sagt sie ja und kehrt sich nochmal um -- Amtmann. Ja, lieber Freund, das dauert mir zu lange. Mirzel. Euer Gnaden, Herr Amtmann verzeihen, dass ich so mitten ins Protokoll hineinfall', aber was mein Mann zusammenredt, das begreift kein Mensch, viel weniger der Herr Amtmann, mit Respekt zu sagen.--Die Sach' war so: Wie wir gestern morgen dem Herrn Amtmann unsre Steuer bezahlt haben, sind wir auf unsre Alp' zurueck, und haben dort das alte Weib bei unsrer Huette liegen g'funden, ganz betruebt und scheu, weil s' der Gluthahn fortg'jagt hat; endlich haben wir s' getroestet und sie hat uns erzaehlt, sie waer' eine verwunschene Prinzessin aus--du, wie heisst das Land? Hans. Aus Indien, hat sie g'sagt, dort hat s', glaub' ich, einen Gemahl und ein Volk. Drauf hat sie uns gebeten, wir moechten sie bei uns behalten und ernaehren, sie will uns dafuer etwas weinen, und wie mein Weib eine so schoene Schilderung von mir g'macht hat, so hat sie sich an ihren Herrn erinnert und hat in diamantne Traenen in mein' Hut hineing'weint. Amtmann. Wo hat Er diese Traenen? Hans. Ich hab' s' im Sack, Herr Amtmann. Amtmann. Geb Er sie heraus. (Hans gibt sie her--zu Rossi.) Wollen Sie dieselben wohl besehen? Rossi. Mit Vergnuegen. (Besieht sie.) Das sind echte Diamanten. Amtmann. Ist das moeglich? Diamanten? Gleich ins Protokoll damit. Vorher nachgezaehlt, wie viel es sind. Aktuar. Es sind sechzehn Stueck. Mirzel. D'rauf haben wir das alte Muetterl in unsre Huetten g'sperrt und sind in den Steinbruch hinaus, doch in einer halben Stund' kommt des Gluthahns Weib halbtot und lamentiert, dass ihr Mann mit einem alten Weibe auf dem Wagen ueber Stock und Stein davon g'fahren ist, und wir moechten nachlaufen und sehen, was er denn vorhaett'; denn ein Kohlenbauer waer' ihm auf der Alpenmarkt-Strassen begegnet -- und wie sie so lamentiert, wird ihr nicht gut und sie fallt uns in d' Arm' und stirbt. Aktuar (hat geendet). Punktum. Sand auf sie. Hans. Dann haben wir sie zum Bader ins Dorf hinunter 'tragen, und der hat g'sagt, sie waer' am Schlag gestorben. Mirzel. Dann sind wir nach Alpenmarkt herg'laufen, wo wir vor einem Haus dem Gluthahn sein Leiterwagen stehen g'sehn haben, und da haben wir einen Herrn g'fragt, der die Pferde g'halten hat, ob der Gluthahn bald kommt; so sagt der, er kommt gleich, er ist im Arrest. Darauf sind wir zum Herrn Amtmann gegangen, und das ist die ganze G'schicht'. Amtmann. Koennt ihr darauf schwoeren? Hans. Herr Amtmann, alle Tag'. Mirzel. Und alle Stund', wenn's sein muss. Amtmann. Tretet seitwaerts unterdessen. (Beide stellen sich auf die Seite.) Amtmann (zum Gerichtsdiener). Den Bauer. (Diener ab.) Rossi. Jetzt werden Sie den Heuchler sehen. Amtmann. Ich kenn' ihn schon. Elfte Szene. Vorige. Gluthahn. Gluthahn (faellt auf die Knie). Euer Gnaden, Herr Amtmann, ich bin unschuldig. Amtmann. Das wird sich zeigen. Steh auf. Warum bist du hier? Gluthahn . Weil ich unschuldig bin, Euer Gnaden, Herr Amtmann. Amtmann. Woher hast du das Weib, das du Herrn von Rossi verkaufen wolltest? Wenn du luegst, wirst du gezuechtiget. Gluthahn. Der Himmel ist mein Zeug', ich hab' sie im Wald drauss' g'funden und hab' s' herflattiert. Rossi. Das ist Unwahrheit, ich selbst bin Zeuge, wie das Weib mir sagte, du haettest sie geraubt, gebunden und zu mir geschleppt. Gluthahn. Mein', mein', Euer Gnaden, wie man das nimmt, mit ein' jedem Weibsbild ist's eine Schlepperei, weil sie nicht so schnell kann gehn, als wie ein Mann, und das ganze Weib kann gegen mich nicht zeugen, die g'hoert in' Narrenturm und nicht vors Gericht. Ja, so viel kenn' ich schon, Euer Gnaden, wenn ich auch kein Juri hab' und kein Just nicht. Amtmann. Also im Walde hast du sie gefunden? Um welche Zeit? Gluthahn. Um neun Uhr, Euer Gnaden. Amtmann (zu Hans). Hervor!--Wann hast du das Weib in deiner Huette verlassen? Hans. Um neun Uhr, Euer Gnaden. Amtmann (zu Gluthahn). Also hast du gelogen?--Gerichtsdiener, he! Gluthahn (mit Angst). Nein, halten Euer Gnaden, ich hab' nicht g'logen, sie war in der Huetten, aber die Huetten steht ja im Wald, so hab' ich sie ja g'funden im Wald. Amtmann. Wart', du abgefeimter Schurke.--Du hast sie also aus der Huette geraubt, auf den Wagen gebunden und hierher gefuehrt? Gluthahn. Euer Gnaden, das braechet ja mein Herz, ich hab' s' nur auf den Wagen hinauf g'hoben, weil s' all's zu schwach war, das arme Weib, mir hat s' erbarmt; doch bunden hab' ich's nicht, ich werd' doch nicht ein solcher Unmensch sein. Da verdienet ich ja, dass mir Euer Gnaden einen hoelzernen Haarzopfen anhaengen liessen. Rossi (zum Amtmann). Was meint er da? Amtmann. Den Galgen meint er, den er lang verdient. (Laeutet.) Den Kohlenbauer herein. Zwoelfte Szene. Vorige. Ein Kohlenbauer. Amtmann. Hast du den Mann gesehen am Ausgange des Waldes, wie er das alte Weib vom Wagen losgebunden hat? Kohlenbauer. Ja ja, der ist's, den hab' ich g'sehn, gestrenger Herr Amtmann, ich hab' ihm noch zug'rufen, was er da macht, da hat er g'sagt, wenn ich ihn verrat', so schlagt er mich tot. Darauf kann ich schwoeren. Gluthahn. Aber Euer Gnaden, das ist a Verschwaerzung, wie man s' nur von einem Kohlenbrenner erwarten kann. Losbunden hab' ich s', das ist wahr, doch bunden hab' ich s' nicht. Amtmann. Wer hat sie denn gebunden? Gluthahn. Sie hat sich selbst bunden, Euer Gnaden, damit sie nicht herunter fallt, das arme Weib, ich hab' ihr nur meine Halsbinden g'liehn dazu. Amtmann. Aber du hast ihr doch hilfreiche Hand geleistet, denn selber konnte sie das nicht, das hast du doch getan, nicht wahr? Gluthahn. Mein, Euer Gnaden, man unterstuetzt ja doch seinen Nebenmenschen, wenn er so was vorhat, und mein Herz, Euer Gnaden, sie hat mir so erbarmt, g'holfen hab' ich ihr, doch bunden hab' ich s' nicht, das sag' ich gleich im voraus, Euer Gnaden, das waer' gefehlt, das weiss ich schon. Amtmann (zu Rossi laut). Es scheint doch, dass er unschuldig ist. Gluthahn (fuer sich). Ich lueg' mich schon heraus. Amtmann. Du hast sie dem Herrn von Rossi verkaufen wollen, billig, nicht wahr? Du sagst ja, das liess' schon dein Herz gar nie zu. Gluthahn. Ich hab' ein einzig Herz, ich hab' das Weib versorgen wollen, Euer Gnaden, drum hab' ich sie dem gnaed'gen Herrn bracht, und hab' ihn nur um ein Trinkgeld beten. Nicht wahr, mein lieber gnaed'ger Herr? (Leise zu Rossi.) Helfen mir Euer Gnaden, ich schenk' Ihnen meinen besten Acker dafuer. Rossi. Du wagst es, mir solch einen Antrag zu tun, du Schurke? Hast du die Alte nicht in meiner Gegenwart misshandelt? nicht mit mir abgehandelt und mir ihren Schmerz verkauft? Dich soll man so lange hauen, bis dir Diamanten vor den Augen flimmern. Gluthahn. So ist denn alles gegen mich verschworn? nun geh's, wie's will, jetzt sag' ich nimmer nein, ich sieh's, ein rechtschaffner Mann, wie ich bin, hat kein Glueck. Amtmann. Du bist ein Raeuber, bist ein Schurke und wirst im Gefaengnis buessen. Fort mit dir. (Gerichtsdiener ergreifen ihn.) Gluthahn. Hans, mein Weib soll auf meine Wirtschaft schaun. Hans. Dein Weib ist tot. Heut frueh ist s' g'storben. Gluthahn. Das ist ein Leichtsinn ohnegleichen; stirbt das Weib und ist kein Mensch im Haus. Jetzt tragen sie mir das ganze Geld davon. Amtmann. Das wird dir das Gericht bewahren. Fort mit ihm! Gluthahn. Ein jeder Pfennig brennt auf ihrer Seel'. Ich ungluecksel'ger Mensch, haett' ich nur mit kein' alten Weib was ang'fangt. (Wird abgefuehrt.) Amtmann. Das ist ein schlechter Kerl, einen solchen gibt's nicht mehr. (Zum Kohlenbauer.) Du kannst jetzt gehn. (Kohlenbauer ab.) Amtmann (zum Gerichtsdiener). Die Alte bringt! (Diener ab.) Amtmann (zu Rossi). Wenn Sie Geschaefte rufen -- Rossi. Nein, das ist mir aeusserst merkwuerdig. Dreizehnte Szene. Vorige. Alzinde. Hans. Sieh nur, Mirzel, unser fuerstliches Muetterl. Mirzel. Wenn ihr nur nichts g'schieht, mir ist recht bang um sie. Amtmann. Du stehst hier vor dem Amtsgericht. Wie heissest du? Alzinde. Alzinde heiss' ich. Amtmann. Wo geboren? Alzinde. Indien ist mein Vaterland. Amtmann. Wie alt? Alzinde. Zwanzig Jahre kaum vorueber. Amtmann. Ha! Ha. (Zu Rossi.) Ich muss lachen. Aktuar. Das sieht man ihr nicht an, fuer achtzehn haett' ich sie gehalten. Alzinde. O spotte nicht des Alters! Achtung jedem Menschen, der mit Ehren traegt den Orden hoher Jahre, womit die edle Zeit die Maessigkeit belohnt. Amtmann (verwundert). Das ist ein Wahnsinn von nobelster Gattung. Rossi. Sie dauert mich! Mirzel. Armes Mutterl! Amtmann. Was treibst du fuer Geschaefte? Alzinde. Wenn Jammer ein Geschaeft ist, treib' ich das. Amtmann. Bist du verheiratet? Alzinde. Ich bin es, mein Gemahl ist Hoanghu, der Koenig eines maecht'gen Reichs. Amtmann (schuettelt den Kopf). Eigene Ideen. Wie kommst du ins Gebirg'? Alzinde. Warum ersparst du dir die Frage nicht, wenn du der Antwort Unwert kennst? Warum besprichst du mit dem Wahnsinn dich? Wirst du mir glauben, wenn ich dir entdecke, dass mich ein boeser Geist mit einem Zauber hat belegt, der mir mein Reich verschliesst und unter euch mich elend macht? Amtmann. Sie klagt sich selbst der Zauberei an, diese Hexe. Kennst du diese beiden? (Auf Hans und Mirzel.) Alzinde (stuerzt freudig auf sie zu). Meine Wohltaeter! Ob ich sie kenne, fragst du mich? Mir ist, als wenn ich in Arabiens Wueste zwei fruchtbeladne Baeume faende, deren Schatten mich erquickend kuehlt. Ihr guten Menschen, wuesstet ihr doch, was ich alles hab' gelitten, seit man mich von euch gerissen hat. Mirzel. Du gute Alte. Hans. Sei die Fuerstin nicht so traurig. Amtmann. Das ist ein sonderbares Weib. Hierher tritt! (Zeigt ihr die Diamanten, die auf einer Tasse liegen.) Sag', gehoeren diese Traenen deinen Augen, hast du sie geweint? Alzinde. Wer gab euch diese Wundertraenen? Nein, so war es nicht gemeint; euch sind sie nicht geweiht. Ihr Aermsten, hat man euch entrissen, was die Dankbarkeit euch gab? O harter Mensch, gib sie zurueck, ich bitte dich, denn du verkennest ihren Wert. Was soll die Traene dir, ach du verstehst dich nicht darauf, gib sie zurueck, mach' mich nicht gar so arm und bring' dies Aug' nicht um sein schmerzlich Eigentum. Amtmann. Zaubertraenen sind's, ich brauche nur ein Ja von dir. Kannst du solche Traenen weinen? Alzinde. Nein, dies wirst du nicht erleben, eh brenn' ich diese Augen aus mit gluehndem Stahl. Ruehren soll die Traene, dazu hat die Sonne sie bestimmt, und koennt' ich sie auf eure Herzen weinen, so fiele Stein auf Stein und bliebe wirkungslos. Amtmann. Ich brauche deine Traenen nicht, ich will Gestaendnis, klar und deutlich: ob du sie geweint? Alzinde. Du brauchst sie schon, du heuchelst nur. Wenn euer Geiz hier Traenen presst aus des Bedrueckten Auge, deren Wert nur in der Groesse ihrer Wehmut liegt; wie unendlich muss die Wollust sein, mit der ihr diamantne fallen seht! Amtmann. Vergiss die Achtung nicht, die du mir schuldig bist. (Sehr zornig, doch durchaus edel.) Sie ist wahnsinnig, der Satan spricht aus ihr. Zum letzen Mal, hast du die Traenen hier geweint? Wenn du nicht antwortest, so werd' ich dich anders behandeln. Alzinde (faehrt empor). Anders? (Stolz.) Vergiss dich nicht, du Sklave, denke, ich bin eine Koenigin! (Sinkt in einen Stuhl, an dem sie steht.) Ach--(matt) ich war eine Koenigin, du beweisest mir, dass ich es nicht mehr bin. Nicht laenger will ich mich entweihn. (Mit Nachdruck.) Ja, ich habe sie geweint, ich schwoer' es bei der ew'gen Sonne dir. Amtmann. So beweisest du mir, dass du eine Hexe bist. Ins Gefaengnis fort, das Landgericht wird bald dein Urteil faellen, und vielleicht ist schon die naechste Sonne, die dein Blick begruesset, auch die letzte, die dir scheint. Verstehst du mich, verwegnes Weib? Alzinde. Ha! seht den stolzen Pfau, wie er mit schoenen Federn prahlet, und wie so haesslich seine Stimme toent. Leb' wohl und glaube nicht, du hattest mich gerichtet; die Goetter sind's, und du ein Werkzeug ihres grossen Plans. Darum vergeb' ich dir, du uebtest deine Pflicht, du hast mich nur verkannt. Und nun erlaube mir, dass ich zu diesen sprechen darf, zu diesen, deren schlichtes Kleid ein Herz bedeckt, das sich die Tugend hat zum Heimatland erwaehlt. Wie soll ich euch, ihr Teuren, danken, dass ihr mich aufgenommen und getroestet habt, als mich die Grausamkeit von ihrer Schwelle stiess? O Sonne, deren Strahl begluecken kann--(tritt in ihre Mitte, nimmt sie beide an der Hand), wenn du vergelten willst, was ich erdulden muss, so vergilt an diesen hier. Schenke Frieden ihren Herzen und lass ihre Ehe gluecklich sein, wie es die meine war. (Bricht ploetzlich ab; mit Schmerz.) Lebt wohl, ich bin bewegt, (leise) ich will bewegt sein, muss es sein. O ihr Goetter, lasst mich weinen! (Weint--leise.) Seht, es fliessen meine Traenen, hascht sie heimlich auf, dass es jene nicht bemerken. (Hans haelt den Hut, Mirzel die Schuerze auf, alle drei sind im Vordergrunde, damit der Amtmann nichts bemerkt, doch vermeide man allen Anstrich des Komischen.) So, so, behaltet sie, verberget sie, und wenn ich nicht mehr bin, erinnert euch der ungluecklichen Koenigin Alzinde. (Zu den Gerichtsdienern stolz.) Nun folg' ich ins Gefaengnis euch. (Mit zwei Gerichtsdienern ab.) Amtmann (steht auf und sagt zum Aktuar). Schliessen Sie,. und legen Sie es auf mein Pult. (Aktuar ab.) Vierzehnte Szene. Amtmann. Rossi. Hans. Mirzel. Rossi (der bewegt war unter dem Schluss der Szene). Was geschieht mit diesem Weib, Herr Amtmann? Amtmann. Sie wird verbrannt, wie sie's verdient. (Zu Hans und Mirzel.) Geht jetzt nach Hause und nehmt euch ein Beispiel an diesen ungluecklichen Menschen hier. Hans. Der Gluthahn ist ein schlechter Mensch, das haben wir schon lang g'wusst; aber was das Weib betrifft, verzeihen Euer Gnaden, das Weib ist g'wiss eine gute Seel', und in mein' ganzen Leben werd' ich die gute Fuerstin nicht vergessen. Mirzel. Und wenn s' verbrennt wird, du lieber Gott, so lass nur regnen Tag und Nacht, und wenn's doch g'schehn soll, lieber Hans, so nehmen wir ihr' Aschen, und bauen s' in unserm Gartel an, da werden viel tausend schoene Blumen draus entstehn. Rossi. Ihr wackern Leute, nehmt dies Gold, ich geb' es euch, weil es mich innig freut, dass ihr das alte Muetterchen bedauert, denn das muss ich auch. Hans. Wir kuessen d' Hand Euer Gnaden tausendmal, und kuessen Euer Gnaden, Herrn Amtmanns Kleid. Komm, Mirzel, geh, heut ist ein trueber Tag. Mirzel. Heut schmeckt mir g'wiss kein Bissen, lieber Hans. (Beide ab.) Rossi. Auch ich empfehle mich, Herr Amtmann. Amtmann. Wollen Sie nicht eine Suppe bei mir essen? Rossi. Ergebenen Dank, Herr Amtmann, heute bin ich zu bewegt, der Auftritt hat mich angegriffen; ich will die gruene Wiese suchen und den blauen Himmel, um ihn zu befragen, ob man, wie dieses Weib, so edel sein kann und so schuldig auch. (Geht ab.) Fuenfzehnte Szene. Amtmann. Ein Diener. Amtmann. Will er mir das Mahl verbittern? Haett' ich denn nicht recht getan an diesem Weibe? Wenn ich darueber mein Bewusstsein frage, sagt es mir, du hast noch nie verletzt des Richters, noch des Menschen Pflicht, und hast den Platz behauptet, auf den Bestimmung dich gestellt. Er fragt den Himmel, ich will alle Menschen fragen! Hier steht ein altes Weib, mit taet'ger Jugendkraft, das Haupt voll Eis, das Aug' voll Glut, spricht wie ein Xenophon und gilt fuer wahnsinnig; ist eine Bettlerin und schwaermt von einer Krone; hat ein Gemuet wie Samt und Traenen hart wie Stein; beschwoert die Sonne und verklagt die Hoelle; und alles dies bestaetigt durch vier unpartei'sche Zeugen; eigne Augen, eigne Ohren. Nun setz' ich Solon hin an meinen Platz, ob er nicht sprechen wird: Dies Weib ist eine Hexe.--Philipp, trag' Er auf. (Ab.) Sechzehnte Szene. Kurzer Kerker. Nacht. Alzinde, welche nach dem ersten Auftritt ihr Gesicht mit Falten bemalte, ohne eine Larve vielleicht zu nehmen, muss waehrend des vorhergehenden Auftritts sich jugendlich schminken, welches man bei der Dunkelheit der Buehne jetzt nicht bemerkt. Sie wird von dem Kerkermeister hereingefuehrt und setzt sich ermattet auf einen Stein. Kerkermeister. Hier kannst du bleiben, Hexe, bis dich die Flamme ruft. (Ab.) Alzinde. Hier kerkert man mich ein und zur Gefaehrtin gibt man mir die Finsternis. Seid mir gegruesst, ihr Ungluecksmauern, aufgebaut, um Elend zu betrachten; du feuchter Boden, von den Reuezaehren der Verbrecher nass, sei mir gegruesst; du melanchol'scher Ort, ich weihe dich zu meinem Prunksaal ein. Hier will ich meinen Gram mit duestern Bildern saeugen, hier will ich herrschen ueber kriechendes Gewuerm; von meinen Traenen will ich eine Krone flechten und denken, ich sei des Schmerzes Koenigin. Ich leb' allein von allen meinen Lieben. Mein Volk ist tot, versteinert ist's, und mein Gemahl,--o mein Gemahl, der erste stets an deines Heeres Spitze, betratest du den moerderischen Boden deines Reiches? Ja, auch er ist tot, alles tot, alles! (Springt auf.) So ist's recht, Alzinde, so ist's recht, denn herunter muss das Leben, wenn der Geist sich schwingen soll. O wie staerkt ein rein Gewissen! Goetter, fordert meinen Geist, jetzt bin ich dazu bereitet. (Kurze klagende Musik.) Siebzehnte Szene. Vorige. Der Genius der Vergaenglichkeit tritt ein, als ein grauer Mann, mit grauem langen Kleide, etwas kahlkoepfig und mit langem Bart, seine Miene ist sanft, und seine Sprache gemuetlich und troestlich. Genius der Vergaenglichkeit. Alzinde, ich bin hier. Alzinde. Wer bist du, bleicher, ungeladner Gast? Was willst du von der Dunkelheit und mir? Genius der Vergaenglichkeit. Ein Vater will ich von deinen Leiden sein. Alzinde. Ein Vater? ach, mein Vater ist dort oben. Genius der Vergaenglichkeit. So kehre heim zu ihm. Reich' mir deine Hand, Alzind'. Ich bin kein Juengling, der die Ewigkeit zum Liebesschwur missbraucht. Sieh, unsre Locken sind sich gramverwandt; darum schenke mir die teuren Reste des Vertrauens, die dein Unglueck dir gelassen hat. Sieh hin! (Die Mitte der Kerkerwand bildet einen Kerkerbogen. Diese Wand oeffnet sich und man sieht durch den finstern Bogen eine kleine Insel, von einem See umgeben, auf welcher ein indisches Monument steht, mit dem Namen Alzinde, von Zypressen umgeben. Die Gegend ist vom Mondlicht hell bestrahlt. Der Kerker bleibt finster.) Genius der Vergaenglichkeit. Nach jenem Eiland fuehr' ich dich, das kein lebend'ger Schiffer noch geschaut, nichts wird dort deine suesse Ruhe stoeren. Was immer dich aus dieser Welt betruebt, gekraenkt; -- Verfolgung, Neid und Undank bleiben fern von dir. Dort legt unter einsamen Zypressen der Ruhm beschaemt die goldnen Kraenze ab, der wutentbrannte Hass und alle Leidenschaften dieser Erde loeschen ihre Fackel schweigend aus. Ird'sche Freuden werden dir nicht winken, doch milde Sterne werden dein verklaertes Haupt umglaenzen, und der lichte Engel deiner reinen Tugend fuehret deinen Geist aus Himmelswolken zu dem Thron der ew'gen Wonne hin. Alzinde. Ja, ich verstehe dich. Es sinket eine maecht'ge Stunde nieder und gebietet einer Koenigin. Du bist der Friedensengel, der den boesen Streit beendet, den der Mensch mit seinem Glueck hier fuehrt; du bist das grosse Ziel, zu dem uns alle Wege fuehren. Genius der Vergaenglichkeit. Ich bin der kraeftige Magnet, der alles Leben an sich zieht. Wie du dich auszuweichen auch bemuehst, es ist umsonst! Denn koenntest du durch tausend Sonnen wandeln, du trittst auf einen Pfad, und eh du es noch ahnst, gelangst du in mein Reich. Alzinde. So nimm mich mit dir, guter Vater, an jenen Ort, wo ew'ge Freude herrscht, ich werde meinen Hoanghu dort sehn und alle meine teuren Lieben, die meinem Leiden vorausgeeilet sind. Komm, ich folge dir. (Der Genius haelt sie in seinem Arm und will sie fortfuehren, da ertoent Hoanghus Stimme, die hintere Wand schliesst sich. Kerker wie vorher.) Achtzehnte Szene. Vorige. Gleich darauf Hoanghu und der Genius der Tugend. Hoanghu (von innen). Hier soll ich meine Gattin finden? Alzinde. Goetter, welche Stimme! (Hoanghu und der Tugendgenius treten ein.) Hoanghu. Fast erblinden meine Augen, da ich statt den goldnen Wolken, die ich erst mit dir durchsteuert, dieses Abgrunds Tiefe schaue. Und hier muss Alzinde schmachten? Alzinde. Goetter, das ist Hoanghu. Hoanghu. Ja, dies ist ihr holder Ton. Zeig' dich, Brust, aus der er klinget, dass ich dich an meine druecke. Genius der Tugend. Siehst du dort die zwei Gestalten? 's ist Alzinde und der Tod. Hoanghu. Ist sie denn an ihn vermaehlt, dass sein Arm sie so umschliesst? Genius der Tugend. Er ist ihre eigene Wahl, weil sie dich verloren waehnte. Suche sie ihm zu entreissen, schnell, es ist die hoechste Zeit. Hoanghu. Sag' Alzinde, bist du's wirklich, denn ich kann dich nicht erkennen, sehe nur die Truggestalt, die mein Traum mir drohend wies. Alzinde. Ja, ich bin's, mein Hoanghu; lass mich los, du grauer Riese, der sich jetzt dem Blick erst zeigt, lass mich hin in seine Arme, nur dem Gatten schlaegt mein Herz. Warum haeltst du mich umklammert, niemals werd' ich deine Braut. Genius der Vergaenglichkeit. Hast du mir dich nicht verlobet? Du bist mein, ich lass' dich nicht. Alzinde. Nein, dies wendet den Vertrag. Du warst nur ein Rettungsmittel, doch ich hab' ihn hier gefunden, nun gehoer' ich dieser Welt. Ha, wie sich der duestre Kerker jetzt mit holden Farben schmueckt; wie das schaurige Gewoelbe nun auf goldnen Saeulen ruht; wie mir seine dunkle Kuppel hell erglaenzt wie Chrysolith; und dies alles schafft Hoanghu, der wie eine zweite Sonne nur fuer mich die Welt bestrahlt. Und ich soll ein Leben lassen, erst geboren durch die Liebe, soll mit dir, du duestrer Alter, in dein ernstes Schattenreich? Gib mich auf, du laest'ger Freier, nimmer wird Alzinde dein. Hoanghu. Lass sie los, du graue Schlange, oder ich zerhaue dich. (Will mit dem Schwert auf ihn dringen.) Genius der Vergaenglichkeit. Armer, sinnverlorner Kaempfer, mit dem Tod drohst du dem Tode? Durch mich selbst willst du mich morden? Senk' die Waffe, denn der leichtgewebten Luft kann sie keine Wunden schlagen. Hoanghu. O du stolzgesinnter Prahler, du bist dennoch meinesgleichen, bist ein Feldherr, ausgesendet, um das Leben zu erobern; bist ein Held, der sein Panier hin auf Leichenhuegel pflanzt und das grause Siegerhaupt sich mit Rosmarin bekraenzt; und so willst du an mir handeln, du des Undanks echter Sohn, willst ihr Leben mir versagen, eines schwachen Weibes Leben, und ich habe so viel tausend kraeft'ge Maenner dir geweiht? Genius der Vergaenglichkeit (ironisch). Und wie hast du dies begonnen? Lass doch hoeren, tapfrer Junge. Hoanghu. Was war Indiens Schlachtfeld anders, als dein blut'ger Opferherd? Warst du nicht in meinen Siegen stets das grosse Losungswort, das die Choere der gefallnen Krieger wimmerten zu deinem Lob? Hat die blutbespritzte Fahne deinen Ruhm nicht stolz verkuendet? Und die gift'gen Pfeile, die wir rauchend aus dem Leib der Feinde rissen, dass mit offnem Munde dich unheilbare Wunden priesen? Sieh, so habe ich gehandelt an dir, undankbarer Geist, hab' das mut'ge Sein bestohlen und den Schatz dir zugesendet; darum fordre ich ihr Leben als mein rechtlich Eigentum. Alzinde. O wie liebt mich mein Gemahl. Genius der Vergaenglichkeit. Du hast nur dein Recht verteidigt, das gibt dir kein Recht an mich. Von dem Leben magst du fordern, Leben fordern darf nur ich. Hoanghu. Nun, so will ich mit dir handeln, Wuchrer, der so bittre Zinsen nimmt. Schenke mir Alzindens Leben, und ich will von meinem dir gern die bessre Haelfte geben. Alzinde. Ha, mein Hoanghu, was tust du? Genius der Tugend. Goetter, staerket sein Gemuet. Hoanghu. Sieh, so gross ist meine Liebe, dass sie in den Staub mich zieht. So wardst du noch nicht geehret, dass ein Koenig vor dir kniet. (Er kniet.) Meine Waffen leg' ich nieder, meine Haende heb' ich auf, (Er bittet mit aufgehobenen Haenden.) Lass dich, guter Tod, erweichen, schliess den vorteilhaften Kauf. Was willst du mit ihrem Leben, das vor Alter bald zerfaellt? Nimm dir meine ruest'ge Haelfte, trotzig steh' ich noch der Welt. Sieh die festgestaehlten Muskeln, sieh die hochgewoelbte Stirn, Leicht ist der Gewinn zu rechnen, Kaufmann, frage dein Gehirn. Sei doch nicht so unerbittlich, sieh, mein Auge traent vor Schmerz, Es sind meine ersten Traenen, und sie schaenden nicht mein Herz. (Weint.) Alzinde (vor Freude ausser sich). Goetter, Sonne, all ihr Welten, seht, Hoanghu weinet hier, Schaut herab von euren Wolken, seine Traenen fliessen mir. Welche Gattin kann sich ruehmen, dass ihr Gatte so sie liebt, Dass er Freude, Glueck und Leben, dass er alles fuer sie gibt? Ha, wie alle Nerven beben, wie sein Anblick mich entzueckt, (Edel ausgelassen.) Wie ich gluecklich bin und lache, wie die Freude mich berueckt; Perlen treten in mein Auge, doch ich weine nicht aus Schmerz, Freudentraenen ist ihr Name, Freude sprenget mir das Herz. (Augenblicklich faellt rauschender Chor ein, vollstimmig und hehr.) Chor. Freudentraenen, Freudentraenen, Heisst das grosse Losungswort! (Der Kerker verwandelt sich in Alzindens Reich. Die Dekoration der Eingangsszene. Alles Volk ist entsteinert, die Tugendgeister knien um den Tempel. Der Genius der Vergaenglichkeit verschwindet. Alzinde hat sich in ihre vorige Gestalt verwandelt, doch im weissen einfachen Kleide. Alzinde und Hoanghu stuerzen sich freudig in die Arme.) Hoanghu. O Alzinde! Alzinde. Mein Hoanghu! Ewig, ewig bist du mein! Hoanghu. Nie soll uns der Tod mehr trennen! Alzinde. Denn wir sterben im Verein! Genius der Tugend. Heil der Tugend, die auf Erde Zaehlet solch' erhabnes Paar, Das ein edles Herz bewahrte In so schrecklicher Gefahr. (Schrecklicher Donnerschlag. Donnerwolken ziehen ueber die Buehne, aus welchen Blitze zischen.) Seht, schon zieht aus euren Landen Donnernd Moisasurs Geist. (Zum Volk.) Ihr seid frei von seinen Banden, Eure Koenigin hier preist! So laesst sich die Welt bezwingen, So wird Erdenneid versoehnt! Gross kann nur der Nachruhm klingen, Wenn er sich durch Tugend kroent. (Alzinde und Hoanghu knien nieder, der Genius der Tugend steht in ihrer Mitte und blickt gegen Himmel, von oben schweben Genien herab mit einer Lilienkrone und bleiben in der Mitte der Buehne. Das Opferfeuer im Tugendtempel flammt hoch auf. Priester, Volk und Tugendgeister bilden eine Gruppe.) (Der Vorhang faellt.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Moisasurs Zauberfluch, von Ferdinand Raimund. End of Project Gutenberg's Moisasurs Zauberfluch, by Ferdinand Raimund *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MOISASURS ZAUBERFLUCH *** This file should be named 7zaub10.txt or 7zaub10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7zaub11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7zaub10a.txt Produced by Delphine Lettau and Mike Pullen Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A preliminary version may often be posted for suggestion, comment and editing by those who wish to do so. Most people start at our Web sites at: http://gutenberg.net or http://promo.net/pg These Web sites include award-winning information about Project Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). 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