The Project Gutenberg EBook of Tunisias, by Johann Ladislav Pyrker This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Tunisias Johann Ladislav Pyrker's sämmtliche Werke (1/3) Author: Johann Ladislav Pyrker Release Date: November 30, 2017 [EBook #56086] Language: German Character set encoding: ISO-8859-1 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TUNISIAS *** Produced by richyfourtytwo, Heiko Evermann, Jens Sadowski, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net.
Pyrker
Johann Ladislav Pyker’s
sämmtliche Werke.
Neue durchaus verbesserte Ausgabe.
Erster Band.
Stuttgart und Tübingen.
J.B. Cotta’scher Verlag.
1855.
Tunisias
Ein Heldengedicht in zwölf Gesängen.
Eingang. Ein Eilbothe meldet dem Kaiser, die Schiffsmacht der Feinde sey gegen Barcellona im Anzug. Zugleich kommt Muley Hassan, der vertriebene König von Tunis, von ihm Schutz zu erflehen. Des Kaisers Abendgebeth im Dom zu Madrid. Die Stunde der Weihe. Muhamed in der Felsenhöhle des Aetna. Er erhebt sich mit seiner Geisterschar dem Hairaddin helfend zu nahen.
Der Kaiser beruft noch in der Nacht die Versammlung der Cortes, und eilt mit Muley Hassan nach Barcellona. Aus dem Schooße des Erdballs ziehen Hannibal, Hermann, und Regulus dem Kaiser zu Hülfe. Regulus eilt nach Tunis voraus, und haucht den gefangenen Christen Trost ein. Muhamed ruft aus dem übersinnlichen Raum noch den Attila zu Hülfe. Er erregt Mißtrauen in Muley Hassans Brust. Nächtliche Landung, und Raub der Corsaren.
Ein Theil der Seemacht versammelt sich vor Barcellona. Erst kommt Doria, dann Ludwig von Portugal, dann Ruyter mit den Niederländern. Der andere Theil an der wälschen Küste zu Porto Venere. Einschiffung der Wälschen und Deutschen. Aufzählung der deutschen Scharen. Ihre Abfahrt. Nacht. Muhamed erregt den Corsaren, Abdul, das nachsegelnde Schiff Sarno’s zu entern. Sarno gefangen. Die römische Macht vereint sich mit jenen. Ankunft vor Neapel. Toledo, des Vicekönigs Sohn, dessen von den Corsaren geraubte Gattinn, Mathilde, sich zu Tunis befindet, schließt sich mit Neapels Macht an. Abfahrt nach Cagliari.
Ankunft des Kaisers zu Barcellona. Einschiffung und Abfahrt nach Cagliari. Ausbruch des Aetna. Seesturm. Morgen. Die feindliche Schiffsmacht jener des Kaisers entgegen. Die Geister nahen. Muhamed eilt nach Afrika voraus. Die übrigen bleiben. Doria fordert vom Kaiser die Schlacht, und die Leitung derselben. Hermann will den Kaiser selbst zum Oberbefehle vermögen: dieser widersteht. Seeschlacht. Die feindliche Flotte anfangs im Vortheil. Regulus dringt in den Doria sie zu trennen. Die feindliche Schiffsmacht vernichtet. Sarno befreiet. Hannibal tritt bei dem Anblick des waltenden Römers auf die Seite Hairaddins, und eilt in sein altes Vaterland. Abfahrt nach Tunis.
Auf dem Wege schließt sich das Geschwader Maltha’s an. Drohende Wachfeuer an der afrikanischen Küste. Ankunft vor Buschatter (Utika), dann am Vorgebirge Karthago’s, und Goletta. Der Kaiser sendet zwei Späherschiffe die Landungsplätze zu erkunden. Hairaddin wird die Ankunft der Christen gemeldet. Er eilt nach Goletta. Muhamed erregt ihn, eines der Späherschiffe vernichten zu lassen. Drauf beruft er seine Feldherrn zum Kriegsrath, und kehrt nach Tunis zurück. Regulus zeigt Hugo, dem treuen Diener Mathildens, die Weise sie zu retten. Kurd.
Der Kaiser entläßt aus dem Kriegsrath die versammelten Feldherrn. Waffnet sich. Landung. Seine Rede an das gelandete Heer. Ordnung desselben. Dragut, in dessen Macht sich Mathilde befindet, nahet mit dem Vortrab. Vorkampf. Lichtstein verjagt die Feinde. Attila reitzt den Dragut zurückzukehren; er fordert den feindlichen Führer zum Zweikampf. Toledo ihm entgegen. Sie verwunden sich beide, und werden getrennt. Die Maltheser beschießen vom Meere heran die feindliche Stellung, landen, und verjagen mit Lichtsteins Reitern den Vortrab. Hairaddin, der ihm zu Hülfe eilt, wird mit fortgerissen. Das christliche Lager noch in der Nacht auf Karthago’s Stätte erbaut. Der Kaiser im Kreise der Krieger entschlummert. Ihm nahet Hermann, und kündet ihm seine Siege jenseits der Meere. Die Krieger entflammen die Lagerfeuer, kochen ab, und genießen das Nachtmahl. Kurd kündet Toledo die Rettung Mathildens. Attila erregt den Sinam das Lager der Christen zu überfallen. Viele Christen getödtet. Hardwins Opfertod. Rogendorf, der Feldzeugmeister, feuert mit Donnerröhren in die Feinde. Salis verfolgt mit den tyrolischen Schützen die Fliehenden, und wird von dem Kaiser ausgezeichnet.
Morgen. Der Kaiser auf den Ruinen Karthago’s. Muhamed und Attila mit ihren Scharen erregen im Cedernwald von Zafrano eine Riesenschlange, die Christen an der Errichtung der Schanzen zu hindern. Viele durch sie getödtet. Ludwig eilt ihnen zu Hülfe. Regulus. Die Riesenschlange durch Ludwig erlegt. Die Schanzen gegen Goletta erbauet. Sarno mit den Wälschen besetzt die äußersten Schanzen. Alba als Friedensgesandter zu Tunis. Der Friede von Hairaddin verworfen. Mathilde. Hugo macht ihr die Anstalten zu ihrer Rettung bekannt. Die Beschießung Goletta’s beginnt. Große Hitze. Saleck greift die Schanzen der Wälschen an. Sarno, aus den Schanzen gelockt, tödtet den Saleck, aber auch er wird durch eine Kugel getödtet. Seine Krieger kehren mit seiner Leiche fechtend zurück.
Der Kaiser tröstet die Krieger Sarno’s, und gebiethet der Veste durch Schanzen und durch bedeckte Wege näher zu rücken. Hugo hilft Mathilden entfliehen, und wird gefesselt in die Kerker der Hochburg geschleppt. Mathilde in der Höhle des Olivenwaldes empfindet die Wehen der nahen Entbindung. Cornelia. Hairaddins Unruhe. Muhamed erregt den Verschnittenen Memi, ihn durch Tanz und Spiele circassischer Jungfrauen zu erheitern, aber vergebens. Hairaddin heißt den Tobukes die Schanze der Spanier stürmen. Die Spanier überwältigt, fliehen. Der Kaiser, von Hermann gewarnt, eilt heran, und die Feinde werden zurückgetrieben. Tobukes ermordet sich selbst. Hairaddin rückt durch das Olivengehölz vor. Toledo mit Kurd auf dem Wege zur Höhle, kehrt bei Erblickung der Feinde zurück in das Lager, wo der Kaiser eben Heerschau hält. Dieser sendet den Lichtstein mit erlesenem Volk die Bergschanze zu erstürmen, und rückt mit einem Theile des Heeres dem Feinde entgegen.
Muhamed und Attila treiben die Feinde eilender vor. Angriff Hairaddins in dem Olivengehölz. Die Spanier weichen. Mendoza führt sie wieder vor. Er wird verwundet. Garzia Lasso führt ihm die Reiterschar zu Hülfe. Erstürmung der Bergschanze. Hairaddin gebiethet erneuerte Schlacht. Muhamed bringt Garzia Lasso in große Gefahr, aus welcher ihn der Kaiser errettet. Mathildens Tod. Toledo dringt zur Höhle vor, und findet dort seine entseelte Gattinn. Heftiger Kampf an dem linken Flügel des Heeres. Ursini, der römische Feldherr, weicht; doch Alba bringt ihm mit den schwergeharnischten Reitern Hülfe, und zwingt auch Hairaddin zum Rückzug. Der Kaiser kommt zur Höhle, und führt Toledo nach dem Lager.
Hannibal fordert den Sinam auf, das schwere Geschütz der Christen zu vernageln. Muhamed aber eilt mit Attila, und ihren Scharen nach dem Innern Aethiopiens, und erregt den Samum, daß er mit seinem Flammenhauch das christliche Heer vernichte. Giaffar stürmt die Schanze der Niederländer und Portugiesen, und vernagelt einiges Geschütz. Zweikampf. Don Ludwig tödtet den Giaffar. Sinam kommt den Seinen zu Hülfe. Heftiger Kampf. Der Samum nahet, wird aber von einem Unsterblichen zurückgetrieben. Erdbeben, Donner und Stürme wüthen. Der Kaiser befiehlt in denselben Goletta’s Erstürmung. Rückzug des Feindes. Die letzte Beschießung der Veste beginnt. Die geordneten Scharen der Christen dringen vor. Goletta erstürmt.
Nacht. Hairaddin sinnt auf Selbstmord. Muhamed dringt in ihn, die Christensclaven zu tödten. Sinam bringt ihn von seinem Entschlusse ab. Die Einwohner von Tunis werden entwaffnet. Regulus bewegt den Renegaten, Medelin, daß er den Christensclaven die Bande löse. Des Kaisers Trauer. Gespräch mit Eberstein, dem er seinen Entschluß entdeckt, einst in der Einsamkeit sein Leben zu enden. Toledo ermannt sich. Morgen, Feier des Abendmahls. Begrabung der Todten. Aufbruch des Heeres nach Tunis. Hairaddin nahet von dort mit dem Heere. Der Angriff wird auf den folgenden Tag verschoben. Er sendet den Abu-Sa-id, das Lager der Christen, im Rücken, zu stürmen. Hugo entkommt dem Kerker, und bringt dem Kaiser von den Christensclaven Kunde.
Morgen. Der Kaiser gibt das Zeichen des Angriffs. Salis vereitelt Abu-Sa-ids List, und tödtet ihn. Schlachtordnung der Christen. Der Kaiser hält eine Rede an sie, und führt sie dem Feinde entgegen. Die Geister der Schlacht entrückt. Vorgefecht. Heftiges Schießen aus dem großen Geschütz. Angriff. Dragut von Toledo getödtet. Allgemeine Schlacht. Toledo von Hairaddin erlegt. Die Feinde dringen vor, und umzingeln del Guasto, der sich in der Stellung des Vierecks wehrt. Der Kaiser kommt ihm zu Hülfe, und verwundet den Hairaddin. Letzter mörderischer Kampf. Flucht der Türken. Hugo findet seinen getödteten Herrn, und begräbt ihn in der Höhle des Olivenwaldes, an der Seite seiner Gattinn. Der Vortrab dringt in die Stadt. Der Kaiser langt an den Thoren an, wo ihm die Aeltesten entgegen kommen. Befreiung der Christensclaven. Einzug zu Tunis!
Tön’ o Heldengesang, die Waffenthaten des Kaisers
Carol, die er vollbracht’ auf dem wogenden Meer’ und dem Festland,
Als er vom schmählichen Joch tunisischer Räuber die Christen
Lös’te mit Siegers Hand, Europa’s zagenden Völkern
Frieden errang, und dem Meer’ erkämpfte die heilige Freiheit.
Haben Unsterbliche jetzt, in der Stunde der Weihe, vor allen
Mir das Auge berührt? Ich seh’ urplötzlich der Geister
Schauderumnachtetes Reich erhellt, und im freudigen Eilflug
Zahllos schreiten einher die Heldensöhne der Vorwelt,
Die in dem Schlachtengefild’, entzweiet, die Völker empören;
Sehe den Kaiser zuerst, im Sturm des Donnergeschützes,
Werfen des Feindes Schiffheersmacht in den brausenden Abgrund;
Dann ihn, laut umjauchzt von Tausenden, landen vor Tunis,
Schimmern die Fahne des Siegs von Goletta, vom blutigen Schlachtfeld
Fliehen den Feind, und dort in dem Staub die entfesselten Sclaven
Knieen, und netzen des Retters Hand mit glühenden Thränen,
Der, o Wonne, sie heim in das Vaterland, und entgegen
Segnenden Lieben führt aus Schmach, und Qual, und Verzweiflung!
O wie bebt mir die Brust: herauf aus den Tiefen des Herzens
Strömt der Gesang, und kündet der Thaten erhab’ne Vollendung!
Hoch auf dem Erker der Burg, im Duft der Acacienblüthen,
Sanftumschimmert vom Abendgold, saß jetzo der Kaiser,
Sinnend allein. Er dachte des eilegebiethenden Heerzugs;
D’rüben vor Tunis der Schlacht, und des wechselnden Schlachtengeschickes
Ernstumhülleten Blick’s. Gestalten der mächtigen Vorzeit
Schwebten ihm, dräuend, vorbei; er sah die verödeten Felder
Einstigen Ruhms, wo Hannibals Stolz dem gewaltigen Römer[1]
Huldigte, und für den Sieg des weltversöhnenden Kreuzes
Frankreichs Ludwig starb: fürwahr ein heiliger König![2]
Und ihm pochte die Brust laut auf in der Stille des Abends.
Siehe, da scholl entlang die Wölbung des drönenden Thorwegs
Hufesgerassel, und Leben erwacht’ in den untersten Hallen!
Näher die Stufen herauf, im Klirren des Waffengeschmeides,
Kam ein Ritter: Alonzo-Cid, des spanischen Fußvolks
Führer, das an dem Meer’, unferne dem Strand Barcellona’s,
Harrte des heiligen Kampfs für Recht, für Glauben und Freiheit.
Jetzo dem Herrscher genaht, sprach er, empört in dem Busen:
„Herr, von Mendoza gesandt, dem tapferen Heldengebiether,
Komm’ ich, ein eilender Bothe heran: uns nahen die Gegner!
Hairaddins[3] Seemacht kreuzt vor Hispania’s schönen Gestaden,
Jetzo gerüstet zur Schlacht, dann wieder unendlichen Jammer
Dräuend dem Küstenvolk und den heereversammelnden Schiffen.“
„Wie,“ so rief ihm der Kaiser, erstaunt: „noch wagte der Räuber
Uns in Europa zu nah’n, da wir nach Afrika’s Küsten
Wenden den Kiel, und lösen die schimmernden Segel zur Abfahrt?
Wehe dem Wüthrich, denn dort, wo empor aus blutigem Raubwust
Sein entsetzlicher Thron sich hob, und unzählige Christen
Decket in Kerkersnacht: dort treff’ ihn die Rach’ und Verderben —
Treffe Fluch ihn, und Schmach zur Vergeltung unendlichen Jammers!
Eile zurück’, und entbiethe von mir dem tapferen Feldherrn,
Daß er versammle sein Volk an dem Meer’, und wehre den Räubern
Dort den Ueberfall und die Landung: denn nur im Dunkeln,
Wie der hungernde Wolf, der Nachts die Hürde bestürmet,
Dräu’n sie Schrecken dem Feind, nicht im Lichte der brausenden Seeschlacht,
Die mein Doria[4] kämpft, ein Adler im Fluge zum Himmel.
Gehe mit Gott! Ich folge dir schnell zu dem Strande des Meers hin.“
Und er winkte mit Huld dem gepriesenen Führer zum Abschied.
Aber er zögerte noch, und begann: „Dem Räuber entfliehend,
Wie vor dem grimmigen Luchs ein Reh durch Schnelle sich rettet,
Stieg, erst heute vom Bord des raschhersegelnden Schiffes
Muley-Hassan[5] an’s Land, dem Hairaddin, schnaubend vor Herrschsucht,
Jüngst die Krone von Tunis geraubt. Er folgte mir schweigend
Nach Madrid, zum Palast, ein Flehender, daß du ihn hörest.“
Jetzt erhob sich, bewegt, der hochgesinnete Kaiser;
Eilte die Wendeltreppe herab, und sah nach dem Fremdling
Forschend umher. Er saß an der Marmorsäule der Halle,
Selber ein Marmorbild, auf die kreuzenden Beine gesunken,
Die das räumige Kleid umfing, und der wallende Kaftan
Deckte, mit Zobel umbrämt. Sein finsteres Auge, beschattet
Tief von des Tulbans Bund, hing starr am glänzenden Estrich,
Und er regte sich nicht, voll Grams hinbrütend, ein Schaubild
Wechselnden Erdenglücks und leichtentschwindender Hoheit.
Jetzo vernahm er den Tritt des nahenden Herrschers. Er bebte,
Sank auf die Knie’, und rief, mit tiefergreifender Stimme:
„König des Abendlands, dir wirft sich ein König zu Füßen,
Gleich den Sclaven, die einst vor ihm zum Staube sich bückten!
Ach, ein König nicht mehr: ein Flüchtling zu Land’ und zu Wasser,
Freundlos, reich nur an Gram und an Haß unzähliger Gegner,
Fleht er um Hülfe zu dir — ein Würdiger, so du verzeihest,
Christenbeherrscher, daß er im Gesetz des Propheten geboren ...“
Also der König: da hob, im Innern erschüttert, der Kaiser
Schnell von dem Boden ihn auf. Er drückte, freundlichen Blickes,
Ihm die zitternde Recht’, und entgegnet’ ihm rasch und entschlossen:
„Sey willkommen im Abendland! Den Glauben, o Fremdling,
Wägt ein Höh’rer, denn wir; doch Menschen ist heilig das Unglück:
D’rum verkünde das deinige jetzt mit Muth und Vertrauen!“
Hassan staunte mit Thränen ihn an, und als er, zum Zeichen
Innigen Dankes, den wogenden Bart mit der Linken berührte —
Segnend die Recht’ erhob, begann er mit Muth und Vertrauen:
„Gott, der Alles erschuf, und die Erde mit allen Gestirnen
Lenkt, allmächtigen Winks, gewähre dir Fülle des Segens,
Weil du, o Herr, den Flehenden ehrst, den mitten im Frieden
Hairaddins Meuchelschwert, noch rauchend vom Blute der Fürsten,
Jüngst aus dem Erbe der Väter vertrieb. Er raubte Telmessans,
Algiers Thron: hier Selim Euthemi, den König, erdrosselnd,
Dort erwürgend zugleich Abu-Hamu, den Herrscher, und Masud,
Dem er die Krone verhieß, mit sieben aufblühenden Söhnen.
Soll, Hohn biethend dem Recht, noch Huldigung lohnen dem Frevel?
Wehe, Suleyman,[6] der große genannt von niedrigen Seelen,
Ehrte des Räubers That, und gab mein herrliches Erbland
Ihm zum Lohn’, als schändlicher Treubruch auch in des Bruders
Herzen die giftigen Keime geweckt! Al-Raschid, der Frevler,
Zwillinggeboren mit mir, denn liebend säugt’ uns die Mutter
Selbst an der zärtlichen Brust, dem grauenden Vater zur Wonne,
Eilte nach Istambul,[7] ein Flüchtender, frecher Empörung
Strafe scheuend. Sie ward ihm dort: denn meuchlingsgemordet,
Fröhnt’ er nur Hairaddins List, der schnell Goletta, die Festung,
Dann auch Tunis gewann, im Nahmen des Todten gebiethend,
Welchem das Volk anhing, das immer der Neuerung hold ist.
Schwer entrann ich des Wüthrichs Hand, und beuge mich jetzo
Tief im Staube vor dir, Hispania’s mächtiger König,
Daß mir werde der Väter Thron im Kampfe der Rettung
Tausender, den du beginnst! Dein sey von Tunis die Herrschaft —
Muley Hassan, Mehemeds Sohn, dein treuer Vasall nur.“
Doch mit der Recht’ an der Brust begann dann jener, betheuernd:
„Frei zu kämpfen mein Volk — zu rächen die Schmach und die Freveln,
Die von dem frechen Korsaren es litt an den heimischen Küsten
Und auf dem Meer, das segenspendend die Welten vereine,
Sey mir das heilige Ziel im Waffengefilde vor Tunis.
Dein ist der Ahnen-Thron, und soll dir werden in Freiheit:
Deß’ sey Gott, der allwissend’, ein Zeug’, und ein Rächer des Meineids!“
Also rief er, bewegt, und Hassans finsteres Antlitz
Leuchtete gleich dem Mond, der Wetterwolken entschwebte.
Gastlich sah er sich dann im hohen Palaste beherbergt.
Aber zum heiligen Dom’ hinwandelte jetzt in des Abends
Stille der Kaiser allein, um dort, auf die Kniee gesunken,
Seine Seele mit Muth und Stärke zu rüsten. Er flehte:
„Ewiger, dein allmächtiger Arm hat Israels Scharen
Durch die Tiefen geführt des seitwärtsweichenden Meeres,
Daß sie die Fluthenwand entlang, wie auf grünenden Matten
Wandelten! Schnell, wie ein Sturm herbraust, so stürzte dein Odem
Ueber Pharao’s Macht die Wässer zusammen, daß alle,
Mann, und Wagen, und Roß, wie Blei versanken im Abgrund.
Deinem allmächtigen Hauch’ erbebten Jericho’s Mauern,
Und versanken in Schutt, als Josua’s Volk sie im Sieg’sruf
Seiner Drometen umfing. Ich ziehe zu Felde: gewähre
Mir ein Zeichen der Huld und der beifallwinkenden Allmacht!“
Also bethet’ er leis’. Aus den farbigen Scheiben des Fensters
Flog ein leuchtender Strahl der Abendsonn’ ihm vorüber;
Aber zugleich ein Glanz, dem tausende Sonnen verlöschen,
Flammte mit Donnergetön’ in dem Allerheiligsten nieder,
Und des unendlichen Doms aufthürmende Säulen erbebten.
Leise wogte der Grund. Aus der silbernstrahlenden Orgel
Töneten hehr’ Accorde heran, und Gesänge des Himmels,
Wie kein Sterblicher sie noch vernahm, verhallten im Luftraum.
Aber der Bethende schloß die lichtgeblendeten Augen:
Denn nur ein leises Weh’n, die erblassenden Wangen vorüber,
Fühlt’ er noch, und Schauder der nahen Vernichtung ergriff ihn.
„Ha, welch’ Wunder,“ er rief’s, „da sinkt die sterbliche Hülle,
Die mich im Staub’ umgab, entseelt in lieblichen Schlummer,
Und ich entschweb’ ihr verzückt? Wie, wär’s ein täuschender Traum nur,
Oder ein Nachtgesicht, aus Himmelsdufte gewoben?“
Wie der schwebende Flaum, gerafft vom Hauche des Windes,
Schnell zum Gewölk auffleugt: so hob sein geistiger Leib sich
Leicht von der Erd’ empor, und schwebt’ im sausenden Eilflug
Ueber dem Luftraum schon, den keiner der Erdebewohner,
Lebend, durchschifft’: er mißt’, urplötzlich, Besinnung und Odem.
Jetzt an dem holden Gestirn, das sonst die Nächte des Erdballs,
Wechselnd, mit silbernem Schimmer erhellt, erbrauste sein Aufflug.
Dunkeles Land mit glänzenden Meeren, und Strömen, und Flüssen,
Däucht’ ihn, umgeb’ auch hier den rastloskreisenden Mondball,
Und ihn däucht’: er hörte das Rauschen der brandenden Wogen,
Mächtigbevölkerter Städte Getös’, und, dem Brüllen der Heerden
Rings vermengt, Geschrei der befiederten Lüftebewohner.
Doch er verweilt’, und staunte, daß alle die Länder des Erdballs
Und das umgürtende Meer ihm jetzt ein schimmernder Punkt nur
Schien in des Weltalls Raum, dem Ozean flammender Sonnen,
Sonder Gestad’ — endlos nach oben, nach unten, und ringsum:
Denn, wie in heiterer Nacht, wo jegliches Lüftchen verstummet,
Und im sanftergossenen Licht der silberne See ruht,
Innig bewegt, ein Wanderer bald den schimmernden Aether
Ueber sich schaut, und bald in des See’s hinfluthendem Spiegel,
Tiefhinuntergewölbt, ihn erblickt mit den goldenen Sternen:
Also ersah der Bebende dort die unzähligen Welten,
Schimmernd, und dacht’, ohnmächtig im Aethergefild zu vergehen!
Aber ihm nahete jetzt, voll Hast, der Himmlischen Einer.
Lieblich strahlte sein Aug’ und sandte dem Erdebewohner
Zärtliches Mitleid zu. Holdseliges Lächeln umschwebte
Seinen rosigen Mund; es wehten die goldenen Locken
Ihm um die denkende Stirn’ und die Flammensäule des Nackens,
Und vom glänzenden Leib, in Fülle der ewigen Jugend,
Wallte das Strahlengewand wie morgenröthlicher Schimmer.
Als er den Fremdling sanft erhob, begann er, voll Anmuth:
„Fürchte dich nicht! Unzählbar blüh’n in den Auen des Himmels
Dir die Blumen der ewigen Huld: du pflückst sie mit Andacht,
Und sie duften dir noch, erquickend, im irdischen Leben,
Daß du erringest das Ziel auf gottgefälliger Laufbahn.“
Sagt’ es, und faßt’ ihn, und schwang sich mit ihm, urplötzlichen Fluges,
Eilender stets, im Glanz’ ätherischer Räume herunter.
Nicht das lastende Blei, von der Zinne des Thurmes geschleudert,
Sinket zur Erde so schnell; nicht der Sturm umbrauset des Erdballs
Unermeßliche Reiche so rasch, und des Menschen Gedanken
Dringen nicht also geschwind vom eisigen Nord- zu dem Südpol:
Als der Hocherhobene jetzt, an der Seite des Freundes
Aus ätherischen Höh’n zur heimischen Erde herabsank.
Und, als hätt’ er Jahrhunderte schon in des schnellen Herabflugs
Augenblicken durchlebt, so wähnt’ er: ein irrender Fremdling
Diesseits noch, und gebannt in des Fleisches umschränkende Hülle.
Da, wo in engerer Bahn, an Siciliens Felsengestaden
Und Calabriens Klippen vorbei, sich die salzige Meerfluth
Strömend ergießt: traf jetzt mit sanften, melodischen Tönen,
Brausender Wogen Gebrüll’ und wirbelnder Fluthen Getümmel
Sein aufhorchendes Ohr, und seine erheiterten Augen
Hafteten sehnsuchtsvoll an der dampfenden Kuppe des Aetna:
Denn, nur eben entrückt dem mildbefreundeten Leben,
War ihm die Erde noch stets die liebe, die trauliche Heimath.
Doch auf den schwindligen Höh’n, wo Stille herrscht, und des Wand’rers
Ohren kein Laut erschallt, wenn dort nicht der einsame Gemsaar,
Von dem mittleren Raum, mit kreischender Kehle, sich aufschwingt;
Wo in des Frühwinds frostigem Hauch nur gelbliches Steingras
Rauschet, und gleißt, und am Felsenkamm kein Rasen ergrünet:
Dort erblüheten jetzt rings her die erlesensten Blumen —
Nickten, und trugen die beiden vereint auf den schimmernden Kelchen
Sanft von der Erd’ empor, und verbreiteten Düfte des Himmels.
Doch der Unsterbliche sank auf die Knie’, und sah zu dem Lichtreich
Flehenden Blickes empor, die Stimme des Herrn zu vernehmen.
Und sie erscholl leis’ erst, wie ein Frühlingslüftchen die Blüthen,
Lispelnd bewegt; dann ähnlich dem Sturm, der hoch zu den Wolken
Stäubet die Felder, entwurzelt den Forst, und empöret den Waldstrom,
Daß er mit schwellendem Grimm’ ausbricht in die Fluren und wüstet
Thäler und Hügel umher, zu trauererregendem Anblick;
Wie der furchtbare Donner, der des umnachteten Himmels
Eh’rnes Gewölb, weithin, durchbrüllt, und mit krachenden Schlägen
Dumpf fortrollt, und murrt, daß die Vesten erzittern des Erdballs:
Also, Vernichtung drohend, erscholl’s dem sinkenden Fremdling,
Als der Ewige sprach; doch jener vernahm’s mit Entzücken.
Wie der leis’ Erwachende horcht, wenn nächtliche Lüftchen,
Flisternden Hauchs, die Saiten der Aeolsharfe durchsäuseln,
Und der entzückende Klang in den stillen Räumen dahinstirbt:
Also horchte der Himmlische. Doch nun hob er den Fremdling
Liebend an seine Brust, und drückte die rosigen Lippen
Dann mit erweckender Gluth an seine geschlossenen Wimpern.
Staunend blickt’ er umher: er sah durch Thränen der Wonne,
Fest an den Busen des Holden geschmiegt, die Gefilde des Himmels
Plötzlich enthüllt, und stand verloren in seliger Anschau.
Wie in des eisigen Winters Zeit, wenn düstere Nebel
Lange die Thäler umher, dicht lagernd, verhüllten, der Ostwind
Sausenden Flugs anstürmt, und die lästigen ferne verscheuchet:
Da glänzt herrlicher noch der hochaufwölbende Luftraum,
Und der bereifte Wald erhebt von den starren Gebirgshöh’n,
Schimmernd, das Haupt — hell glühet der Strom im sonnigen Thal fort:
Also zerfloß auch hier, vor den Augen des staunenden Fremdlings
Leise die Wolkennacht, und er sah ... wer wagt’ es zu sagen,
Was er geseh’n, gehört, und gefühlt in den Tiefen des Herzens?
Nur in dem Augenblick, wie er uns auf Erden entschwindet,
Wurden die hohen Gesicht’ ihm enthüllt: im duftigen Goldglanz
Schwanden sogleich vor seinen Blicken die Räume des Himmels.
Aber er stand, und starrte noch immer, erschüttert, vor sich hin,
Wie der Wand’rer im strahlenden Blitz die nächtliche Gegend
Plötzlich erhellet schaut, dann blind hinstarrt in die Sturmnacht.
Und der Unsterbliche rief ihm jetzt ermunternden Blickes:
„Sohn des Staubes, o nie vergiß der Huld des Erbarmers,
Die zu Gefilden dich hob, wohin kein sterbliches Aug’ noch
Drang. Lobsinge dem Herrn, dem einigen Lenker des Weltalls!
Hier auf den dampfenden Höh’n verkünd’ ich dir seine Beschlüsse,
Wie erst zuvor mein Ohr sie vernahm in unsäglicher Wonne.
Er durchschaute dein Herz, das heiß für unzähliger Völker
Wohlfahrt schlägt, und jetzt den Sclaven Errettung bereitet.
Schön ist der Kampf für Recht und des Menschen heilige Freiheit;
Gottgesegnet der Muth, die schmähliche Kette zu brechen,
Die der freche Tyrann, im Wahnsinn höhnenden Stolzes,
Jenen ersann, die Brüder ihm sind, und Erkor’ne des Himmels.
Herrlichen Sieg gewähret dir Gott; erkenne dieß Zeichen
Seiner unendlichen Huld und der beifallwinkenden Allmacht.“
Jener beugte die Stirne zum Staub’; erhob sich, und sah dann
Freudig empor: sein Aug’ erglänzte von Thränen des Dankes.
Jetzt ergriff er die Hand des Himmlischen, starrte verwundert
Noch in die Lüfte hinaus, und sprach mit leiserer Stimme:
„Ringsum sah ich die Luft von Scharen unsterblicher Geister
Wimmeln, und dort die Wege der Sterblichen gierig erforschen.
O, verhehl’ es mir nicht: was sollen die hohen Gestalten,
Die, verdunkelt, nicht dir, nicht mir, dem Fremdlinge, gleichen?“
Und der Unsterbliche rief mit ernstumwölketen Augen:
„Erdebewohner, du wolltest erschau’n des unendlichen Weltalls
Tiefen und Höh’n; dich kühn auf der Stufenleiter der Wesen
Schwingen hinauf und hinab, und erkennen, wie Glied sich auf Glied dort
Reih’ an der Kette, mit dem die allmächtige Rechte des Ew’gen,
Alles, was athmet, und lebt, und was nicht lebet, noch athmet,
Liebend umschlungen hält? Du sänkest zurück’ in den Urstaub
Vor dem Geheimniß des All’s, dem selbst der Cherub erbebte.
Sieh’, in des Himmels Höh’n ist Seligkeit; tief in des Abgrunds
Höllengefilden ist Qual: auf immer dort dem Gerechten
Unaussprechlicher Lohn, hier Strafe verhärteten Frevlern!
Aber inmitten der scheidenden Bahn des Heil’s und Verderbens
Dämmert der Pfad der Läuterung noch: ihn wandeln die Seelen,
Schuldig des leichteren Fehl’s aus Irrthum, oder Verblendung,
Dem auch jene Unglücklichen dort einst fröhnten auf Erden,
Daß sie, gereint, der hohen Erbarmungen würdig erscheinen,
Wenn in des Richters erhobener Hand, an dem letzten Gerichtstag,
Furchtbar die Wag’ ertönt. Sie wandeln den läuternden Weg noch.“
Sagt’ es, und jener begann voll Hast: „Wo weilen die armen?
Ueber der Erd’ umher, nicht ferne der Menschen Gemeinschaft,
Oder fern’ im Verborgenen?“ Doch, die lichte Gestalt rief:
„Als das „Werde!“ erscholl: da brausten die endlichen Wesen
All’, erschaffen aus Nichts, von des Herrn allmächtigem Odem
In den unendlichen Raum geschleudert, mit Donnergetös’ hin!
Aber im kreisenden Flug vereinte sich Sprödes und Weiches,
Erd’ und Gestein, und strebte hinaus, zur äußersten Rundung
Sich zu dehnen. So ward im finstern Schooße des Erdballs
Weitverbreitete Leer’ umwölbt, die nimmer der Sonne
Strahlender Blick erfreut, nie Sterngefunkel und Mondglanz.
Dort verweilt nicht selten die Schar der trauernden Geister,
Deren so manchen du erst in den schimmernden Lüften erblickt hast;
Doch sie nah’n, zuweilen den nächtlichen Räumen entschwebend,
Gerne dem Menschen als Freund’, und suchen ihm Hülf’ und Errettung,
Kraft, und Muth, und, was sie noch sonst an edler Gesinnung
Einst in dem Leben erhob, in die horchende Seele zu hauchen:
Denn sie erkennen schnell der Seelen geheimste Gedanken,
Sterblicher Hüll’ entrückt; sie schauen des irdischen Lebens
Reinern Gehalt, und ihr Herz erglüht in heiliger Sehnsucht
Nach dem erquickenden Segensborn des Guten und Wahren.
Bald in dem Schlachtengemeng’, umschweben sie dich und die Deinen
Hülfreich; aber du kennest das Wort des ewigen Lebens:
Solchem vertraue allein mit nie zu erschütterndem Herzen.“
Sprach’s, und die Stimme des Holden erklang, wie Harfengelispel
Tönt in des Mondes Zauberlicht, wenn alles entzückt horcht;
Doch sie erscholl, wohl hundert vereinten Donnern nicht ungleich,
Welchen die Erd’ erbebt, als, über dem flammenden Abgrund
Schwebend, er jetzt die tieferschütternden Worte hinabrief:
„Geister, herauf! Euch winkt die ersehnete Stunde vor Tunis.“
Und ein lautes Getös’ erscholl in den Tiefen des Erdballs.
Wie, vom stürmenden Wind’ empört, sich Wogen auf Wogen
Stürzen; Geheul und Gebrüll der schrecklichen schallt, und die Küsten
Ringsumher dem wilden Tumult stets lauter erdrönen:
Also erhob, und mehrte sich tief in der Wölbung des Erdballs
Dumpfes Gemurmel zuerst, und sofort unendliches Jauchzen.
Schauernd wogte der Grund; aufrauschten des Meeres Gewässer;
Finsterer quoll der Rauch aus dem Schlunde des Berges; die Flammen
Prasselten hoch in die Luft, und die glühenden Fluthen der Lava
Braus’ten herauf und hinunter, im Flug durchwüthend den Abgrund.
Eilend erhob sich nun der Herrliche, der ihm der Geister
Reich enthüllt’, in die schimmernde Luft, und, leiseverhallend,
Tönten vom Aethergefild noch die lieblichen Worte herunter:
„Senke dich durch den Schlund, durch Qualm und flackernde Flammen
Muthig hinab zur Höhl’ im Schooße des dampfenden Aetna,
Und erringe das Ziel nach der hehren Geistesverzückung.“
Weinend hob nun jener den Blick zu dem seligen Freund’ auf,
Der, umstrahlt vom Glanz unsterblicher Seelengemeinschaft,
Fern’ in den Lüften schwand, und fuhr jetzt, brausenden Fluges,
Nieder im finstern Schlund, durch Qualm und flackernde Flammen,
Bis in dem Zwielicht weit vor seinen Augen der Eingang
Klafft’, und die Höhle sich wies in angsterweckender Anschau!
Furchtbar wölbte die Felsenwand aus schwindligen Höhen
Höher sich auf. Es jagte zuweilen der wirbelnde Zugwind
Tief in den Riesendom die Flammensäule; sie hob sich,
Züngelnd, die Wände hinan, und leuchtete hoch in die Nacht auf;
Doch erflog ihr fernster Schimmer des nächtlichen Dunkels
Hälfte noch kaum, das endlos herrscht’ in des Felsens Umwölbung.
Hier nicht weilet die Ruh’, und athmet nicht liebliche Stille;
Rastlos tobt — aufbraus’t im Sturm, der kochenden Lava
Urstoff: Erz im Gestein, und Schwefel, mit dunkelem Erdharz
Gährend, zur Wolkenhöh’, an des Berges geöffneten Rachen.
Donnernde Ström’ entstürzen rings den Schluchten; sie rauschen
Tief in des Abgrunds Nacht, und wälzen, dem berstenden Kerker
Unten entfloh’n, zum Meeresgestade die finstere Fluth fort.
Ihrem Sturz’ erdrönet die Höhl’, und vom eisigen Abgrund
Fleugt Entsetzen, Frost, und Schauder in Windesgeheul auf.
Dorthin, kommend herab aus dem übersinnlichen Luftraum,
War ihm Muhamed erst, umringt von Scharen der Geister,
Die er entboth, voraus in die schaurige Höhle geflogen.
Ueber der allbelebenden Luft, die rings an dem Erdball,
So an dem Mond’, und den endlos hin entflammten Gestirnen,
Schwimmt umher, erhebt sich der übersinnliche Luftraum
Dräuend in seiner Leer’, und unwohnbar sterblichen Menschen:
Denn, wie, umhüllt vom glockengestalten Glase, der Sperling
Schnell das Leben verhaucht, wenn wißbegierige Forscher
Schonungslos ihm rauben die Luft mit den künstlichen Pumpen
Also würd’ in des Menschen Brust urplötzlich das Leben
Stocken, der in das Uebersinnliche kühn sich erhöbe;
Aber des sterblichen Leibes beraubt, bewohnen die Fürsten,
Mächt’, und Gewalten des ewigen Feind’s, auf Arges gesinnet,
Solches mit Lust: Verworf’ne vom Herrn, die am letzten Gerichtstag
Dann mit dem Tode zugleich, dem letzten der Uebel, vergehen.[8]
Dorther schwang mit Gefolg sich Muhamed, glühenden Blickes,
Jetzo herab. Er saß in der Höhl’, auf dem ragenden Felsblock,
Ueber die Scharen erhöht. Der dunkelröthliche Schimmer,
Welchen der Flammenstrom entsandt’ aus der Ferne des Eingangs,
Schwebt’ in flatterndem Flug’ an seinem blässeren Antlitz.
Feuer sprühte sein Aug’; in silbernkräuselnden Wellen
Floß ihm der Bart in den Busen herab, und die luftigen Glieder
Hüllet’ in Schatten das Unterkleid und der wallende Kaftan.
Jetzt erhob er die Recht’ an des Stirnbunds Zier; mit der Linken
Wühlt’ er die Blätter des Korans auf: sie rauschten, den Stürmen
Aehnlich im Herbst, da ihr Hauch die trauernden Wälder entblättert.
„Hör’ es, mein Volk,“ so rief er, „was dir im nächtlichen Dunkel,
Ferne vom spähenden Blick’ uns feindlichgesinneter Geister,
Meine Zung’ enthüllt, und zeige dich würdig des Herrschers!
Unheil droht von Hesperiens Küsten dem Lande g’en Aufgang —
Dieser erwählten Blum’ im Kranz der Schöpfungen Gottes,
Dieser Perle der Welt, und der Wiege des Menschengeschlechtes.
Jüngst erhascht’ es mein Ohr auf Deutschlands gährenden Gauen,
Die der Neuerung Flamme durchtobt: es sinne der Kaiser
Jenem ein schmähliches Joch, und sich weltherrschende Hoheit.
Seh’t, was mich, den heimlichen Forscher, nur Täuschung bedünkte,
Fügt sich in Wahrheit schon! Er ruft, und rüstet die Völker
Rings zum Kampf, von den schimmernden Höh’n zu Tunis den Halbmond
Niederzuschmettern, und ha, fällt Afrika jetzo, gebändigt,
Seiner Gewalt: dann lechzt er wohl gar nach Asia’s Herrschaft,
Daß er die heiligen Städt’, und dort der gläubigen Pilger
Freudiges Ziel, mein Grab, mit stolzer Ferse zerstampfe?
Aber nicht also gescheh’s! Wir zieh’n, des edelsten Welttheils
Söhn’, ihm entgegen, nicht scheuend den Trotz der Gegner im Luftraum,
Welche zuvor des Erdballs Schooß’ entschwebten, und uns stets
Feindlichgesinnt, ihm bald mit thatenerweckendem Eifer
Beisteh’n: denn auch Hairaddins Brust, des treuen Bekenners
Meiner Lehre, will ich mit Kraft erfüllen und Kühnheit.
Jetzo nach Tunis geeilt, und nie vergesset des Wortes:
„Wer das Eine nur will, fest will, der wird es erringen!“
Sagt’ es, und hob sich empor. Ihm folgten unzählige Geister,
Jauchzend; aber es zischt’ ihr Schrei nur schwach im Gewölb hin.
So, wie in dunkler Gewitternacht der einsame Wand’rer,
Keuchend, die Leucht’ in der Hand mit halbverlöschendem Flämmchen,
Endlich die Höhle betritt im verborgenen Raume der Felswand:
Ihm umschwirren sogleich die Fledermäuse, geblendet,
Rings das Haupt, und er wankt erschrocken zurück nach dem Eingang:
Also bebte vor Angst der leis’aufhorchende Fremdling
Vor den flüchtenden Geistern zurück’, und eilt’, in des Tages
Lichte Gefilde zu schau’n nach schrecklicher Nacht der Verbannung.
Tief zerfleischte sein Herz, voll himmlischer Milde, des Sehers
Haßverkündendes Wort. Er saß, und drückte die Augen
Fest in die Hand, und sieh’, es schwebten aus kommenden Tagen
Dunkler Ahnung Gebild’ ihm vor: das wilde Gebären
Thatenschwangerer Zeit, und zerstörendes End’ im Beginne!
Schatten floh’n, und kamen, und eilten vom wechselnden Schauplatz;
Aber, weit durchströmt von den schimmernden Fluthen der Elbe,
Hüllte sich Mühlbergs Heid’ ihm auf. Er horchte dem Siegsruf;
Sah die ihn höhnten, besiegt, ihm die Knie’ umfassen, und wähnte
Schon die Deutschen vereint nach des Glaubens schrecklichem Zwiespalt:
Wie, und er flieht dann bald im Grau’n der finsteren Sturmnacht,
Wehrlos, alt, und krank, dem nimmergeahneten Undank
Weichend, fort aus Tyrols, der Treue geheiligten Thälern?
Und so bald versah er das Ziel weltherrschender Hoheit?[9]
Aechzend erhob er den Blick: die trüben Gesichte der Zukunft
Schwanden in Nacht; er floh, und kehrt’ in die sterbliche Hülle.
Sieh’, und es regte sich nun der schlummernde Kaiser! Ihm pochte
Hörbar die Brust; sein Athem flog, und häufiger Schweiß rann
Ihm von der glühenden Stirn’. Er blickte lange verwundert
Rings in den Hallen umher, und sann, ein wachender Träumer.
Jetzt ein dämmernder Strahl, und jetzt — kaum wagt’ er’s zu denken,
Was so erhaben und groß vor seinem Geiste dahinschwand,
Und ihn entzückte zuvor: ihm drohte vernichtende Wonne,
Und, was unerhörbar war den Ohren sterblicher Menschen,
Barg für immer sein treues Gemüth. Nie lächelt’ er wieder
Und sein sehnender Blick hing stets an dem Bilde des Grabes.
Doch nun kehrt’ er heim in die Burg, und Stille war ringsum.
Siehe, der Kaiser entboth im mitternächtlichen Dunkel
Noch in die Königsburg Hispania’s hohe Cortezza:
Denn kein Schlummer umfing sein glühendes Auge; des Kampfes
Nahender Augenblick und die drängende Sorge der Rüstung
Scheuchten ihn fern’: er sah, und hörte nur Sieg und Errettung!
Jene harrten im prächtigen Saal des edelsten Herrschers.
Nun, da er kam, entfuhren sie alle den schwellenden Pfühlen;
Blößten vor ihm, verneigend, das Haupt, und deckten es wieder,
Würdigen Ernstes voll, nach altherkömmlichem Vorrecht.
Aber er schritt im Gefolg der Großen und Edeln zum Thron’ auf,
Deß’ erlesene Pracht mit Staunen erfüllte den Fremdling.
Schwarz aufragte vom Dach der Doppel-Aar, mit dem Zepter
Und mit der Krone geschmückt, voll hellaufblitzenden Demant’s,
Den der Hindou dem Schacht’ entriß, und der bataver Künstler
Glättete, ringsumher verzierend mit schimmernden Kanten;
Doch an dem Purpurtuch, vom Dach zu dem Sitze herunter
Glänzten die Wapen, vereint, von Gott gesegneter Länder,
Die er beherrscht’: ein Meisterwerk kunstfertiger Nadel.
Dreizehn Königreich’, umschlingend Castiliens Kronen,
Wies, vorstrahlend, das Tuch zum Ruhme der spanischen Herrschaft;
Unter ihm Austria’s Schild: den schneeigen Gürtel im Blutfeld,
Der in dem Kampf rein hielt von feindlichem Blute den Panzer
Leupold, des Tugendhaften, vor Ptolemais: sein Denkmahl![10]
Rechts, im schönen Verein von sechs verbrüderten Reichen,
Ungerns doppelten Schild; vier Ströme durchfluthen den einen —
Aber das Haupt der Karpathen hebt, dreizackig, im andern
Ueber dem fruchtbar’n Land, das tapfere Völker bewohnen,
Schimmernd, die Kron’ und das Doppelkreutz, von Silber, zur Luft auf.
Links, in dem rothen Feld Bohemia’s silbernen Löwen:
Eines löwenmüthigen Volks hochrühmliches Zeichen.
Tiefer, im grünen Feld den flammensprühenden Panther:
Stiria’s eisenerzausschmelzenden Essen zu Ehren;
Dann Carinthia’s Leu’n und Pfeile, des trefflichen Landes,
Wo das Blei ausbeutet der Bergmann: schrecklich ersetzte
Tödlichschmetterndes Blei die Pfeil’ im Felde der Waffen;
Dann, aufstrebend zur Sonnenbahn, Carniolia’s Adler —
Morawa’s Aar, und Tyrols, der Treue geheiligter Länder.
Aber der Löwe Brabants, im Schooß umgränzender Gauen,
Zeigt uns im hehren Ruhm des edelsten Kaisers Geburtsland.
Ihm zur Seite verschlingt Lombardia’s Schlange den Mohren;
Ihn umgibt Neapoli’s Lilienglanz, und ihm huldigt,
Jugendlich schön aus des Meeres Fluth aufschwebend, des Morgens
Freundlicher Strahl, und erhellt Amerika’s winkenden Meerstrand.
Dort die Stufen hinan, die ein niederländischer Teppich
Hüllete, schön im Geweb’ darstellend die Freude des Weidwerks,
Schritt der Kaiser. Er stand, gewendet, im Glanze des Thrones;
Blickte nach Allen umher, und, als er auf blähenden Purpur
Nieder sich ließ, begann er mit sanfterglühenden Augen:
„Edle des Reichs, und Räthe! Der Tag der Christenerrettung
Ruft zu dem heiligen Kampf Europa’s vereinte Geschwader,
Und, entfaltend am Maste die Flagg’ und die wehenden Wimpel,
Harren die Völker, vereint, der Abfahrt donnerndem Wink nur,
Daß sie im Felde des Ruhms, vor Tunis, am frevelnden Räuber
Rächen die Schmach, und dem schrecklichen Joch’ entreißen die Brüder.
Laut ruft uns Barcellona’s Gestad, wo dort auf des Meer’s Höh’n,
Nun gerüstet zur Schlacht, nun wehrlosen Küstenbewohnern
Jammer dräuend und Noth, sein Raubgeschwader sich zeiget.
Gottes Segen mit uns und dem Lande! Mein endlicher Wille[11]
Liegt gefertigt im Schrank: so im heiligen Kampf’ ich erläge,
Und nicht wiederkehrte zu euch, zur liebenden Gattinn,
Und zu dem Sohn, der einst, so Gott will, würdig den Zepter
Führe nach mir, vor allen Hispania’s Ländern zum Frommen.
Eurer Sorgfalt, Treu’, und Liebe vertrau’ ich die beiden
Jetzt, und scheide getrost: sie sind da trefflich geborgen.“
Also der Fürst. Da quoll’s von Thränen im Auge der Edeln;
All’ entfuhren der Bank, und streckten die Händ’ ihm entgegen.
Wie der Gießbach rauscht, der hoch vom dauernden Regen
Angeschwollen, dem Felsenbett’ entstürzet, und rastlos
Rasselnde Kiesel wälzt, und Felsengerölle mit fortreißt:
Also erscholl in dem Saal’ ihr lauterbrausender Zuruf;
Doch bald hier, bald dort ertönt’ er vernehmlicher, lauter:
„Kehre beglückt uns heim, und herrsch’ in dem Segen der Völker,
Allgeliebter, noch lange! Mit strahlenden Lorbern des Sieges
Kommt Europa dir bald, dem Retter, entgegen, und jauchzt dir
Lauten Triumph in der Glocken Getön’ und des ehrnen Geschützes
Freudigen Donnerhall: dein Ruhm erfüllet den Erdkreis.“
Aber er stand, erschüttert, am Thron’, und sandte nach Allen
Heißen Dank aus der Himmelsbläue der glänzenden Augen,
Eilte die Stufen herab, und ging. Aufflogen der Thüren
Mächtige Flügel vor ihm; er schwand mit seinem Gefolg dann
Fern’ im Gang. Da kehrten zugleich die Großen des Reiches
Nach der heimischen Flur, um dort in der einsamen Felsburg,
Oder in menschenversammelnder Stadt noch heute zu fördern,
Was zu dem Rettungskampf des Herrschers Wille gebothen.
Eh’ in des Erdballs Schooß, in die düstere Wohnung der Trauer,
Noch der Ruf des Unsterblichen drang, erlesenen Geistern
Dort zu verkünden den bald umwüthenden Kampf in Karthago’s
Rühmlichem Feld, schwang Hermann,[12] einst der kühnen Cherusker
Tapferer Hort, sich herunter. Ihm flogen die goldenen Locken
Weit von dem Nacken, sein blitzendes Aug’ und die glühenden Wangen
Kündigten freudigen Muth und trostverheißende Bothschaft.
Gierig forscht’ er umher, die Freunde sogleich in den Scharen
Gleichgesinneter Geister zu schau’n, und er fand sie vereint dort.
Hannibal,[13] der dem Regulus[14] nah’, auf schwellendem Mooswuchs
Ruhte, erhob das Haupt, und rief ihm finster entgegen:
„Freude verkündet dein Flammenblick, unbändiger Krieger!
Wie, nur Kampf, Gewürg’, und Schlachtengetümmel ergetzt dich
Noch, das rastlos fort im Geschlechte der Sterblichen wüthet?
Aber ich athme nicht Erdenluft, und meide, voll Unmuths,
Seit Jahrhunderten schon, der Sonn’ erfreuenden Anblick.
Siehe, wir führen erneueten Streit: ob würdiger Roma,
Oder Karthago gedacht, und gehandelt, als Herrscherinn? Roma
Trat mit ehernem Fuß’ allwärts die Blüthe der Menschheit
Nieder, als Siegerinn, da Karthago der milderen Herrschaft,
Segen pflanzend rings an den Küsten des Meer’s, sich erfreute.
O, ich hätte mein Vaterland und die Welt, die ergrimmend,
Sie in dem Sclavenjoch ausmordete, schrecklich gerächt noch:
Hätte nicht Haß und niedriger Neid die Scharen verweigert,
Die ich entboth, euch, Wolfesbrut, ganz niederzuschmettern!“
Regulus schwieg; doch Hermann rief den zürnenden Helden:
„Schon seit lange versöhnt, und verbunden in traulicher Freundschaft,
Wollet ihr euch denn heut’ entzwei’n durch Worte des Haders?
Laßt die Vergangenheit; nur, wie im zaubergewaltigen Spiegel,
Gaukelnd, kommen, und flieh’n die buntvermengten Gestalten,
Stehe vor eurem Gemüth’ ihr grau’numhülletes Bild noch.
Hört, was, tröstend für uns, der Erde Bewohner beginnen!
Schon ist dem Heldenvolk zum fernentlegenen Tunis
Offen die glänzende Bahn; schon waffnet der edelste Kaiser
Scharen der Krieger am Meeresstrand, wo unzählige Schiffe
Decken die schimmernde Fluth, und entfalten die Segel zur Abfahrt.
Ein Welttheil entboth die Tapferen gegen den andern;
Ringsum regt sich die Erd’, und ihr denkt hier müßig zu weilen?
Auf, wir wollen vereint hinzieh’n, und entflammen die Krieger
Oben im Kampf! Gedenket des Ruhms entflohener Zeiten!“
Hannibal schwang sich empor, und rief mit gewaltiger Stimme:
„Fort, auf die Oberwelt! Ich will in dem Felde der Waffen
Schauen die Helden der neueren Zeit. So herrliche Krieger,
Als am Trasimen und vor Cannä die Erde gewahrte:
Staunend den Söhnen des Sieg’s, die werd’ ich wohl nimmer ersehen.“
Regulus stand, verdüsterten Blicks, und sagte den Beiden:
„Möget ihr immerhin dem furchtbar’n Schlachtengetümmel
Horchen mit Lust, und drängen, und treiben mit stachelnden Worten
Eure Erwählten: nur wenig frommt’s, nur wenig genügt’s euch!
Aber mich reizet ihr nicht, zu entfliehen den nächtlichen Räumen.“
„Wie,“ rief Hermann, „du bliebest zurück’, und rings in Karthago’s
Hehrem Gefild tönt bald Siegsruf im Getümmel der Waffen?
Sehntest dich nimmer zu schau’n die Heldenmaale der Vorwelt?
Zwar es fing dich im Kampf der hochgesinnte Spartaner,
Xanthippos,[15] dem Volk Karthago’s gebiethend als Feldherr:
Doch du sühntest die Schmach, gabst hin die unschätzbare Freiheit
Für dein Vaterland, und auf immer preist dich die Nachwelt.
Komm’, und folge mir, dort zu entflammen den Muth in den Schlachtreih’n!“
Also der Held: da erscholl des Unsterblichen donnernde Stimme,
Die von des Aetna Schlund durch wirbelnder Flammen Geprassel
Brausend, die Scharen der Geister hinauf zum erwachenden Kampf lud.
Neunmal umkreis’te der Donnerruf den unendlichen Raum dort;
Neunmal erwiedert’ ihn auch der Geister empörterer Jubel,
Und die beiden entschwebten, vereint, und von Kriegern umgeben,
Welchen sie einst gebothen im Kampf, dem Schooße des Erdballs.
Aber Regulus stand, verlassen von seinen Gefährten,
Sinnend, allein, und blickte starr in die Tiefe hinunter.
Jetzo wollt’ er entflieh’n, um fern’ in des eisigen Nordpols
Wölbung den glühenden Durst, der mächtig ihn drängte, zu stillen;
Doch er entbrannte noch mehr: das Schmettern der Kriegesdrometen,
Dann das Wiehern der stampfenden Ross’, und der Würgenden Schlachtruf
Töneten, wechselnd, um ihn, und von tausend Gebilden ergriffen,
Stand er, triefend von Schweiß, und zitternd vor steigender Kampflust.
Sieh’, nun ballt’ er die Faust, und rief mit gewaltiger Stimme:
„Deutschlands Hort, so sagte zuvor der kühne Cherusker,
Kommend herab von der oberen Welt, entboth Europa’s
Völker zur Heldenfahrt: viel tausend gefangene Menschen
Aus des Räubers Gewalt, aus Schmach und Fesseln zu retten? ...
Weh’, auch ich trug einst die schmähliche Kette! Sie both mir
Ruhm und Lohn; doch fühlt’ ich es oft in vernichtender Schwermuth,
Wie in dem dumpfen Gewölb sie lastete, wo mich die Stunden
Länger als Tag’, und diese zu trägen Jahren gedehnet,
Dünkten. Auch mir erscholl die höhnende Stimme des Wüthrichs —
Drohte sein finsterer Blick stets größere Qualen; ich fühlte
So die entsetzlichste: fern von der hochgesinneten Gattinn
Und den Erzeugten, das Leben in Kerkersnacht zu verhauchen.
Jetzo hinauf, hinauf nach Tunis, dem einstigen Schauplatz
Dort unsterblichen Ruhms und herzzerreißenden Jammers,
Daß ich vielleicht noch selbst Unglücklichen Hülfe gewähre!“
D’rauf schwang er sich empor zu den sonnigen Fluren des Erdballs,
Dort vor allen zuerst die düstern Gefilde von Tunis
Wiederzuseh’n. Nicht wandt’ er den Blick nach dem Felde der Waffen,
Wo der Griech’ ihn bezwang, Xanthippos, der in die Schlachtreih’n
Sein’ Elephanten gestellt — das Heer im Rücken bestürmend,
Schnell die Reih’n durchbrach, ihn fing, und Karthago den Sieg gab.
Nahe der Stadt, auf Felsen, erhob sich die thürmende Hochburg,
Die in dem finsteren Schooß viel tausend gefangene Christen
Eisern barg: die Wohnung der Qual und des Jammers Behausung!
Dorthin eilt’ er, und senkte sich leis’ auf die Zinne der Burg hin.
Ach, aus der Tief’ erscholl der unglückseligen Sclaven
Jammergestöhn! Wie ein Falk, der schnell aus den Lüften herabfährt,
Weil er die girrenden Küchlein sah im Schatten des Hofraums,
Fuhr der Lüftebewohner hinab, und schauderte, bebte:
Denn in des Kerkers Nacht, in der Felsentiefe der Hochburg,
Sah er, beim düsteren Schein der mattaufflimmernden Lampen,
Bleiche, durch Moderluft und Hunger entfleischte Gestalten;
Sah dort Qual und Verzweiflung zugleich auf den zuckenden Wangen
Und im erloschenen Blick, der endlich zum grimmigen Hohn ward;
Hörete Ketten-Geklirr, und dumpfes Aechzen und Stöhnen
In dem Gewölb. Sie rückte heran, die Stunde des Jammers,
Wo Medelin, der Renegat aus Genua’s Landen,
Forschend die Höhlen des Graun’s durchschritt, und mit eherner Geißel
Peitschte die Murrenden dort, nach Hairaddins schrecklichem Machtwort.
Zorn erglüht’ im Blick des edelgesinneten Geistes.
Doch nun brauset’ er über sie hin, und rief im Gelispel
Dunkelen Geisterrufs: „Euch nahet ein Retter, erhebt euch!“
Alle fuhren empor, und schreckliches Kettengerassel
Scholl im Gewölb: nicht wußten die armen die Tröstung zu deuten.
Doch er kehrte zurück, Hispania’s Erd’, und den Retter
Dort zu erschau’n, der jetzt nah’ war Barcellona’s Gestaden.
Muhamed sah ihn. Er schwebt’ im Gefolg’ unzähliger Geister
Auf von des Aetna Schlund, und hieß die Empöreten harren,
Bis er vom übersinnlichen Raum mit dem Bundesgenossen
Kehrete: denn er ging, dort Attila’s[16] Brust zu entflammen —
Ihn zu erregen zum Kampf’ und zu wichtiger Thaten Vollendung.
Bald erspähte sein forschender Blick den König der Hunnen.
Ueber dem caspischen Meer, wohl tausend Meilen erhoben,
Saß er im Wolkenzelt, so wie einst, von den Helden umgeben,
Nach vollendetem Mahl. Der Söhne geliebtester, Ellack,
Neigte sein Haupt ihm sanft auf die Schulter; der wilde Tuhutum
Saß ihm zunächst; Zombor, der schreckliche Krieger, mit Tursol,
Und mit Retel und Bojt, unbändigen Würgern im Schlachtfeld,
Saßen im Kreis’ um ihn her, dem liedergewaltigen Sänger
Horchend, der, im Sturm des pochenden Busens, der Zither
Saiten empörender schlug, und jetzt der herrlichen Vorzeit
Helden pries in dem Lied’, unsterblicher Thaten gedenkend,
Daß sich des Ahnenruhms, gleich tapfer, erfreue der Enkel.
All’ aufhorchten ihm still’. Auf die bärtigen Lippen der Krieger
Stürzte die schimmernde Thräne herab; sie wiegten das Haupt oft
Bei des Gesangs Allmacht ergriffen von stürmischer Wehmuth.
Muhamed braus’te herein; der Sänger verstummte; die Krieger
Fuhren vom Sitz, da er so zum Kampf’ aufboth den Beherrscher:
„Attila, auf, zur Rache, zum Sieg! Die mächtigsten Geister
Hieß des Unsterblichen Ruf entfahren dem Schooße des Erdballs,
Daß sie dem Christenvolk, nur uns zu verhöhnen entschlossen,
Stehen als Retter im Kampf. Wir sollten es dulden? Der Blutschuld
Denkest du noch, die Roms entartete Söhne nicht büßten,
Wie dein eisernes Herz es gewollt? Und fuhr nicht der Römer,
Trotzigen Blicks, erst hin, den Christen als Helfer zu nahen?
Nun sey List dem Muthe vereint, stets wachsam die Rachgier,
Schmach auf die Feinde gehäuft, und errungen der herrlichste Sieg uns.“
Attila winket’ ihm Beifall zu. Des schrecklichen Rohrwolfs
Zähne, deß’ zottiger Pelz ihm Rücken und Fersen umhüllte,
Starrten von seiner Stirn’, und tief, wie aus nächtlichem Schacht her
Strahlet des Bergmanns Grubenlicht, ihm glommen die Augen
Aus dem finstern Gesicht’. Er faßte den blutigen Säbel
Tyrs,[17] den einst (so kündet die Sage) der furchtbare Kriegsgott
Selbst auf der Heide vergrub, daß seiner Gewalt nicht die Völker
All’ erlägen: umsonst! Der Schreckliche, der sich die Geißel
Gottes im furchtbar’n Trotze genannt, entriß ihn des Feldes
Tiefverhüllendem Schooß’. Auch jetzt aufschwang er das Eisen,
Jauchzend, und eilte Muhamed nach. Unzählige Scharen
Folgten ihm, dürstend nach Blut und brausendem Kampfesgetümmel.
So durchstürmten die Luft ringsher die empöreten Geister.
Aber der Kaiser drückte voll Hast, Isabella, die Gattinn,
Noch an die pochende Brust, und mengte die Thräne mit Thränen;
Segnete, tiefbewegt, sein störrischblickendes Söhnlein,
Schwang sich auf’s wiehernde Roß, und flog aus dem drönenden Thorweg,
Mitten im Ehrengefolg fünfhundert erlesener Reiter,
Schnell g’en Barcellona hinaus, der prächtigen Seestadt.
Nah’ ihm spornte das Roß der einst gewaltige König,
Muley Hassan, und sann, verstummend, und düster, den Pfad hin.
Muhamed naht’ ihm ergrimmt. Er sah, wie finsteres Mißtrau’n
Ihm zerwühlte die Brust vor Furcht und banger Erwartung:
Ob der Christ ihm dereinst, wenn Hairaddins Macht er bezwungen,
Treu dem heiligen Eidschwur, noch den Zepter von Tunis
Frei gibt — oder ihn selber behält, mit räub’rischen Händen?
Sah’s, und schwang sich herab. Gleich einem gewaltigen Uhu,
Der vom Hunger gequält, mit erblindeten, feurigen Augen
Harrt in der Felsenkluft der Dämmerung; dann, sich erhebend,
Leis’ in dem Thal’ umher, mit weitgebreiteten Flügeln
Flattert, nach Beute zu späh’n: so naht’ auch Muhamed jetzo
Hassans geistigem Leib, der leicht wie die Strahlen der Sonne,
Jegliche Nerve durchdringt, und schnell, wie in dumpfer Betäubung,
Und wie entkörpert, vernahm er den Geist im Seelengelispel:
„Träumender, ha, du sankst erst jüngst dem ungläubigen Fürsten
Feig zu den Füßen, und hoffst, auf die Rechte des Siegers dich stützend,
Den, nach schrecklichem Mord’ ererbeten Thron zu besteigen?
Thor, der also sich täuscht: der Christ, und ein Christenbeherrscher
Zöge für dich in den Kampf, und opferte dir zu Gefallen
Menschen und Gold, daß du dich dann erfreuest der Herrschaft?
Wiss’ es: er sinnt dir Schmach und Verrath, und gibt dich der Rachgier
Hairaddins hin — vielleicht als Preis für die Veste Goletta.
Solltest du nicht, bald heimgekehrt, auf täuschendem Pfad’ ihm
Jammer bereiten, und ihn verderben, dir selber zur Rettung?“
Hassan horchte verwundert, und sann, wer ihm in dem Herzen
Solch’ Empörung erregt, das sonst schon zweifelerfüllt war?
Doch nun hemmt’ er das Roß mit dem Zaum’: im zögernden Schritte
Sich zu entzieh’n der Schar, die rasch zum rühmlichen Ziel fort
Eilete; sah dann zurück, nach Mosul, dem Sclaven, und sagte:
„Mosul, vernimm, wie dir des Busens geheimste Gedanken
Dein Gebiether enthüllt: denn ach, so beugete Hassans
Haupt das Geschick, daß er selbst dem niedrigen Sclaven sie kund thut!
Siehe, wie dort hineilt der mächtige Christenbeherrscher,
Bald an der Spitze des Heeres zu steh’n, zu entfalten die Segel,
Und zu entschiffen, im Flug nach Tunis, dem herrlichen Erbland.
Hoffst du, er werde des Schwurs, des heiligen: mir das Entriss’ne
Wieder zu schaffen mit Waffengewalt, auch drüben gedenken?
Ach, mir sinnet er Schmach und sich unendlichen Vortheil,
So er dem schrecklichen Feind mich verräth, dem solches ersehnt ist!“
Sagt’ es, bewegt. „Nicht zürn’, o Herr,“ so entgegnete jener,
„Daß ein niedriger Knecht vor deinem erhabenen Antlitz
Sich zu reden erkühnt. Hast du nicht am dämmernden Abend
Gestern geseh’n, wie mildgesinnt der Christenbeherrscher
Dich aufnahm im Palast, wie gütig sein thränender Blick war?
Nicht vernommen den Eidschwur dort, beim einigen Gotte
Dir geschworen, daß er den entrissenen Zepter der Väter,
So er den Räuber besiegt, dir wieder zu geben bereit sey?
Ach, nicht brächt’ ihm die Täuschung Gewinn: ein irrender Fremdling
Stehst du vor ihm ... vertrau’ im edelen Herzen dem Edeln!“
„Schweig,“ so rief der Zürnende jetzt, „im lächelnden Antlitz
Lauert der Trug — dein lacht im freundlichen Auge die Falschheit!
Hat das unselige Volk nicht Hairaddins List mit Al-Raschids
Leiche getäuscht? Droht mir, dem Muselman, nicht von dem Christen
Größeres Unheil noch? Merk’ auf! Im engenden Schiffsraum,
Nicht wie im stolzen Palast durch weite Hallen gesondert
Von dem Beherrscher selbst und den Seinen, erhaschest du leicht wohl,
Achtlosscheinend, ein Wort, das uns die schändliche Täuschung
Aufhüllt: nicht mißtraut sein Gefolg dem niedrigen Sclaven.
Angelangt an dem heimischen Strand’, erseh’ ich den Vortheil
Mir dann schnell, und entflieh’ in der Dämmerung; oder ich heische,
So er von Tunis den Thron mir wieder zu geben gesinnt ist,
Selber von ihm das Schiff, Hülfsvolk aus den Bergen von Kabesch[18]
Ihm zu schaffen, wo mir die tapfern Bewohner noch treu sind.“
Und er spornte das schnaubende Roß, der Seite des Kaisers
Wieder zu nah’n, der eilender g’en Barcellona hinausritt.
Doch, ach, welch Geschrei erschallt unferne der Seestadt,
Drüben am Strand’ Areny’s, des hainumsäuselten Dörfchens?
Wer betrübte so tief des Dörfchens stille Bewohner,
Daß sie mit Thränen im Blick’, entfärbete Todesgestalten,
Stumm, und bebend vor Angst, aufschau’n zu dem nächtlichen Himmel,
Ob er sie schirm’, ob Flammen speie sein rächender Donner?
Heiter entschwand die Sonn’ im rosigen Duft’, und der Himmel
Lächelte mild. Wie ein Säugling am Busen der liebenden Mutter
Schlummert, so lag, entzückend, am Saume der luftigen Berghöh’n
Abendröthliche Gluth. Im Gesang heimkehrten die Schnitter;
Laut ertönte des Hirten Schalmei, und die blöckenden Heerden
Eilten durch Wolken Staub’s, der hoch in den röthlichen Himmel
Aufquoll, hüpfend zum duftenden Stall, nach Ruhe sich sehnend.
Als sich die Müden getrocknet den Schweiß, und die dämmernde Kammer
Alle versammelt’ umher, da tischte die sorgliche Hausfrau
Jenes zur Abendkost, was ihr der Garten gespendet,
Was die Heerd’ ihr both aus strotzenden Eitern. Sie stillten
Fröhlich den Hunger, und bald verstummte des Tages Getümmel
Ringsum; nur vom Thurme herab noch mahnte das Glöcklein,
Fromm zu erheben das Herz. Sie betheten, eilten zu ruhen,
Und der erquickende Schlaf umfing sie mit süßer Betäubung.
Glückliche, wacht: denn nah’ ist der Sturm, der plötzlich den Himmel
Eures Friedens bewölkt mit schwarzumnachtender Trauer!
Lauernd durchpflügte die See, mit hundert gerüsteten Schiffen,
Hairaddins Liebling, Al-Mansor, dem, scheidend, am Bord’ er
Noch in die Seele gelegt: so draußen auf offener Meersfluth
Kühn dem Feind’ entgegen zu steh’n, so rings an den Küsten
Furchtbar’n Ueberfall in nächtlicher Stunde zu wagen,
Und zu entwinden das Schwert des Feindes Hand in Europa,
Das er nach Afrika, dräuend, gezückt, ihm selber zum Unheil.
Wühlend im röthlichen Bart, der ihm zu dem Gürtel herabfloß,
Sprach nun Al-Mansor zu Omrah, dem tapferen Aga:
„Omrah, Mustapha’s Sohn, vernimm mich jetzt, den Gebiether!
Bald entsinket die Nacht dem erdumwölbenden Himmel;
Spanne die Segel dem Wind’. Unferne der Stadt Barcellona
Landend, raub’ entschlummertes Volk der niedrigen Hütte,
Oder dem stolzen Palast, daß wir erkunden in Wahrheit:
Ob in die thürmende Stadt der Christenbeherrscher gekommen,
Kampfgerüstet, ob nicht? denn eilig geböth’ er die Fahrt dann.
Tapferer, was du beginnest mit Muth, vollende mit Kühnheit!“
Omrah gehorchte dem Wort’. Er löste dem Winde die Segel,
Und aus dem dunkeln Schooß Verderben dräuend und Jammer,
Flog sein Schiff dem Strand’ entgegen am dämmernden Abend.
Dort in der Felsenbucht, nicht ferne den Marken Areny’s,
Harret’ er, lauernd, der Nacht. Sie kam: rings schwanden die Lichter;
Jeglicher Laut erstarb; nur die Wellen rauschten am Schiffskiel
Leis’ empor, nur die Brandung scholl an den fernen Gestaden.
Eilig umschifft’ er den bergenden Fels; dann flog er zum Strand hin,
Landete, trieb sein Volk zum Raub’, ihm Eile gebiethend.
Und, wie in dunkler Mitternacht aus säuselndem Schilfrohr,
Plötzlich, die wilde Schar langhungernder Wölfe sich aufmacht,
D’rauf, der Hürde genaht, einstürmt, und die zitternden Lämmer
Raubet in Hast; wie jährige Stier’ im blutigen Rachen
Tragend, die Jaguar, Westindiens schreckliche Tieger,
Fliehen den Berg aufwärts: so drangen die furchtbaren Räuber,
Gräßlichen Mord im Blick, durch berstende Thüren und Fenster
Ein in die Hütten; so raubten sie dort den blühenden Jüngling,
Grauender Aeltern einzigen Trost, und des liebenden Weibes
Theuern Gatten, und floh’n zum Bord des harrenden Schiffs hin.
Wehklag’ scholl. Als jetzt sie erweckte des Dörfchens Bewohner,
Die, noch solchem Geschick’ entronnen, der Spur der Geraubten
Folgten, ächzend vor Schmerz und drängender Sorge der Rettung,
Tönte schon fern’ ihr Schrei von den rauschenden Wogen herüber.
Schrecklich zu schau’n! Da steht mit fliegendem Haar, mit Verzweiflung
In dem Gesicht, mit Gluth in der Brust, die Gattinn, und breitet
Zitternd die Arme dem Gatten nach: mit bebenden Lippen
Will sie noch einmal zurück, mit Gewalt, ihn rufen, und stöhnt nur.
Dort auf den Sand hinstürzet der Greis, und rauft sich die Haar’ aus
Ob des Töchterchens, ob des Sohn’s. Da knie’t an dem Ufer,
Schaudernd im Fieber, die Braut, und blickt mit wilden Geberden
Jetzo dem Vater, und jetzt der weinenden Mutter in’s Antlitz;
Horcht nach den Fluthen hinaus, erhebt sich, und läuft auf dem Sandpfad
Plötzlich dahin. Ein gellender Schrei aus dem fliegenden Busen
Füllet die Luft und die Herzen des Volk’s, mit starrem Entsetzen.
Ach, sie stürzt’ in die Fluth; doch hängen die zarten Geschwister,
Wimmernd, an ihrem wehenden Kleid’, und rufen ihr liebvoll
Trost in das Herz, vereint dem Fleh’n des weinenden Volkes,
Das an den Vater im Himmel sie mahnt, den Rächer der Unschuld!
Aber schon nahte der Rächer, im Flug, Barcellona’s Gefilden,
Glühend im Herzen dem Ruf’ erhabener Christenerrettung.
Siehe, wie stolz erhebt Barcellona, die herrliche Seestadt,
Heute die Stirn’ in die Luft; wie schimmert so hell in des Meeres
Fluthendem Spiegel ihr Bild; im freudigen Lärm und Getümmel
Jauchzt in den Gassen das Volk, und jauchzt in dem hallenden Hafen:
„Heil uns, Doria kommt, der langersehnete Seeheld!“
Dreißig der Schiff’ erkennet das Aug’ an den flatternden Segeln
Fern’ auf dem Meer. Sie führen fünftausend erlesene Krieger,
Genua’s tapferes Volk, zum heiligen Kampfe der Rettung.
Dreißigmal grüßt das Donnerrohr von dem Walle den Helden:
Also schallt von dem Meere sein Dank im Donner herüber;
Doch, wie die Echo, geweckt in der felsumstarreten Bergschlucht,
Einen gewaltigen Ruf erst laut und mächtig erwiedert,
Dann nur leis’ aushaucht, und wieder verstummt in der Stille:
So von des Meeres Höh’n herflog, mit ermattenden Schwingen,
Dreißig Grüßen zum Dank, der dumpfummurrende Nachhall.
Jetzt aufrauschte die Fluth: sie sprang an dem schwärzlichen Schiffskiel,
Schäumend, umher, und wogte sie all’ in den schirmenden Hafen.
Jetzt entsank dem Busen des Schiff’s der gewichtige Anker,
Rasselnden Schwungs, und ihm, geschleudert vom kreisenden Wellbaum,
Folgte das mächtige Seil, bis er haftete fest in dem Boden.
Lange wiegte die Fluth das eiserngeheftete Schiff noch.
Doch nun schwang sich der Held, mit den obersten Schiffesgebiethern,
Schnell in das zierliche Boot, und eilte dem Ufer entgegen:
Ihn umbraus’te des Volks ringsher auftobender Jubel.
Aber es scholl erneut in dem wimmelnden Hafen der Zuruf:
„Heil dem nahenden Freund!“ denn Ludwig,[19] der Bruder der Kais’rinn,
Und Lusitaniens Stolz, kam jetzt mit zwanzig der Segel
Näher dem Port’. Er warb viertausend tapfere Streiter
Drüben am Tajo, und kam, Siegsruhm zu erringen entschlossen.
Als er, gelandet, am Strand hinging: da staunte mit Ehrfurcht
Jegliches Aug’ ihm nach, da er schon im Lenze des Lebens,
Heiter die muthige Brust darboth des Krieges Gefahren.
Wieder erscholl’s: „Heil dort den nahenden Schiffen!“ und sechzig
Zählte des Strandes Wart von dem hochaufthürmenden Leuchtthurm.
Ruyter[20] kam, der jüngst die flandrischen durch Gibilterra’s
Enge geführt, und auf Malaga’s Höh’n mit jenen vereinte,
Die Hispania’s Städte gesandt, im rühmlichen Wettstreit.
Hundert Krieger am Bord trug jedes der räumigen Schiffe —
Trug in dem dunkeln Schooß Geräthe des dauernden Krieges,
Mundvorrath und Geschoß, mit den ehernen Schlünden und Mörsern.
Rastlos brüllten die Donnerschlünd’, als jetzt in des Morgens
Stunden sich eint’, im Port, zu dem Heldenzuge die Heersmacht.
Aber auch drüben an Wälschlands weitumkreisenden Ufern
Wogten des Krieges Banner, erhöht, in dem Wind’, und die Völker
Harrten der Siegesfahrt. In Genua’s äußerstem Hafen,
Den im holden Gefild schon längst entschwund’ne Geschlechter
Weihten der Liebesgöttinn zum Sitz,[21] einschiffte die Scharen
Genua’s — auch Hetruriens und Lombardia’s Krieger,
Guasto, der tapfere Greis, des Fußvolks oberster Feldherr.[22]
Finster blickte sein Aug’. Ergraut in den eisernen Waffen,
Nährt’ er im stetsumwölkten Gemüth’ unziemliches Mißtrau’n
Gegen die Welt: ihn scheuten — nicht liebten die Waffengefährten.
Jetzt von der einsamen Burg von Ischia rief ihn der Kaiser
Wieder zum Kampf, nach erkorener Ruh’ im grauenden Alter:
Denn er kannte die Kraft des schlachtanordnenden Greises.
Als er vom Meeresstrand’ einschiffte die Völker: da nahte
Eberstein,[23] zehntausend erlesene Krieger aus Deutschland
Führend im freudigen Muth zu dem rühmlichen Kampfe der Rettung.
Eine Ros’ in dem Schild’, enthüllete, schimmernd, sein Fähnlein —
Sie, des trefflichen Ahns Stammzier, den ehrend der Kaiser
Heinrich, der Finkler genannt, zu der hohen Roma gesendet,
Daß er der Völker Wohl mit dem Hirten der Kirche berathe.
Dort an dem festlichen Tag, wo, Flammen gleich, von dem Himmel
Sich auf die Jünger herab, der Geist, der Heilige, senkte,
Ward ihm die Rose gereicht von dem Heiligen Vater, und Heinrich
Pflanzte die Ros’ in den Wappenschild des tapferen Ritters,
Welcher die Freiheitsschlacht auf Mörsburgs sandigen Fluren
Kämpfte mit ihm, das Volk zu erretten vom Joche der Ungern.
Solchen Ahnen entsproß der Führer germanischer Völker.
Aber er einte vor Mailand jüngst die kühnen Gefährten,
Die er in Deutschland warb — in dem Vaterlande der Helden:
Denn in Schwabens freundlichen Gau’n, wo silbernergossen
Schimmert der Bodensee, und die rühmliche Quelle der Donau,
Unversiegbar, nährt des Schwarzwalds heiliges Dunkel,[24]
Daß sie, ein Ries’, auf siebenhundert Meilen entlang hin
Netze den Bord unzähliger Städt’, und Dörfer, und Vesten,
Fröhlicher Traubengebirg’, und erblühender Gärten und Wälder,
Und in dem Schwarzen-Meer, des Schwarzwalds Höhen entsprossen,
Stets nach Osten gewandt, vollende die herrliche Laufbahn:
Dort begrüßten zuerst zwölfhundert erlesene Krieger,
Lanzenbewaffnetes Volk, mit Römhild, dem tapferen Führer,
Ebersteins Panier mit lautaufschallendem Jubel.
Doch wo des Spessarts Grau’n, so wie auch des lieblichen Mainstroms
Schimmer das Herz erhebt, im schönen Lande der Franken,
Flatterte hoch in die Luft des Führers erhobenes Fähnlein,
Werners: ihm folgte die Schar achthundert trefflicher Schützen.
Also das muthige Volk der bergbewohnenden Hessen
Folgete Wittekind nach, dem Helden: er zählte der Krieger
Tausend um sich, und kam, ruhmdürstend, heran in dem Kriegszug.
Und an den Ufern der Isar hinab zu dem freundlichen München,
Reihte sogleich die Schar zweitausend gerüsteter Bayern
Sich an den schwellenden Zug. Gedenkend der trefflichen Heimath,
Schwur ein jeder ihr herrlichen Ruhm zu erkämpfen vor Tunis.
Radburg führte sie an, des Herzogs tapferer Sprößling.
Auch wo im Sande die Spree der brandenburgischen Hauptstadt
Blässere Fluthen entgegenrollt, und die Oder des Landes
Blühende Fluren durchströmt, ertönte der mächtige Heerruf.
Schnell erhob sich die Schar von tausend erlesenen Kriegern,
Löwenbeherzt, und folgete Siegfrieds winkendem Banner.
Und wie folgte nicht, Stollberg, dir, im Muthe der Helden,
Sachsens edeles Volk, das mächtig umher an der Elbe,
So an der Pleiß’ und der Ilm, ruhmwürdige Städte bewohnet;
Wo den Musen ihr Kranz erblüht’, und die forschende Weisheit
Glänzende Höhen errang. Sie sendeten freudig nach Mailand,
Ueber Tyrols Berghöh’n, achthundert gewaltige Krieger.
Treues Tyrol, auch deinen Gebirgen und Thälern entströmte,
Jauchzenden Muthes, die Schar gepriesener Schützen! Sie nahten,
Tausend an Zahl, und, vereint fünfhundert muthigen Bündtnern,
Führte sie Salis zum Kampf, Oestreichs hochherziger Feldherr.
Ha, nicht weilten daheim die Helden des glücklichen Reiches,
Das in dem Bruderbund’ unzählige Völker vereinet,
Und den Vereinten durch Weisheit, Mild’, und Gerechtigkeit obherrscht:
Denn es entsandte zum Heer fünfhundert geharnischte Reiter:
Böhmens tapferes Volk, das, eisern, im eisernen Schlachtfeld
Ausharrt, und im entscheidenden Kampf den Feind in den Staub wirft;
Sandte der Ungern muthige Schar, die auf feurigen Rossen,
In der gewaltigen Faust den blinkenden Säbel erhebend,
Schnell, wie der Blitz, im Flug, die feindlichen Reihen zerschmettern.
Jenen geboth Waldstein, und diesen Hunyadi’s[25] Enkel,
Der, Europa’s Hort, die Macht der Osmanen gebrochen.
Ihnen gesellt, annahte das siegsruhmdürstende Fußvolk,
Das sich aus deinem Wall’ und Fluren erhob, Vindobona,
Austria’s herrliche Kaiserstadt! Wer rühmte dich würdig?
Ha, wie lieblich bespühlt die breitherrollende Donau
Deinen erhabenen Sitz! Wie stolz dir winken die Berghöh’n,
Säuseln die Hain’ umher, und die lustaushauchenden Gärten!
Herrlich umglänzt dich der Aehren Gold, des fröhlichen Weinbergs
Labende Frucht; dir blüh’n rings Edens wonnige Fluren!
Nun entbothst du die Schar fünfhundert erlesener Krieger.
Aber noch dreimal die Zahl entsandten die trefflichen Länder,
Welche die March, die Muhr, und die Drau durchströmet, und jenes,
Das in dem freundlichen Schooß der Zirknitz[26] zaub’rischen See birgt:
Wo in den Tagen des rollenden Jahrs bald emsige Fischer
Jubeln der Beut’ in dem Netz’, und bald die Schnitter und Jäger
Strecken die Halm’ und das Wild auf dem fluthentblößeten Raum hin.
Lichtstein führte dieß Volk. Hoch flattert’ im Winde sein Fähnlein,
Wo das purpurne Feld, vom güldenen Felde gesondert,
Auf dem Schilde sich wies, und des Helms hochragender Fittig.
Hinter den zahllosen kam, von schnaubenden Rossen gezogen,
Näher die Wucht von hundert donnernden Schlünden und Mörsern.
Rückwärts gähnet’ ihr dräuender Mund, und jeglichem folgte,
Rasch, mit der Lunt’ an der Brust, der Wurfschütz — folgten Gehülfen,
Sonder Scheu, an dem Wagen, voll tödlicher Feuergeschosse.
Rogendorf, der Feldzeugmeister im Heere des Kaisers,
Führte des Feldzeugs Macht. Er hemmte zuweilen mit Vorsicht
Sein gluthschnaubendes Roß, daß all’ ihm folgten in Ordnung.
Trauer erfüllte sein Herz. Ihm sank der Gefährte der Jugend,
Salm, auf Wiens hochragendem Wall, wo beide, den Leu’n gleich,
Kämpften gegen Suleymans Wuth.[27] Dort schwand ihm des Glückes
Freundlicher Strahl: vom Grau’n des nächtlichen Kummers umgeben,
Sah er schweigend hinaus nach des Lebens verödeten Räumen.
Also lenkte zum Meeresstrand die tapferen Völker
Ebersteins Heerruf. Laut wirbelte, drönte die Trommel;
Schmetternd erklang die Dromet’, und das Wiehern der stampfenden Rosse
Scholl aus dem Waffengeblitz herüber vom stäubenden Fahrweg.
Doch nun rollt’ er die Reih’n am tosenden Strande des Meers auf:
Guasto’s Feldherrnauge zur Schau. Sie jagten hinunter,
Jagten herauf das muthige Roß, die herrlichen Scharen
Musternd, und staunenden Blicks ersah der oberste Feldherr
Deutschlands Heldenvolk, das, trefflichgerüstet, daherzog:
Diese bewehrt mit dem Helm’ und dem Panzerhemde von Eisen,
Haltend die hochaufragende Lanze gelehnt an die Schulter;
Jene, das Feuerrohr im Arm, dem krachend des Todes
Kugel entfleugt, und fern’ aus den Reihen die Männer in Staub wirft.
Allen umhüllte die Brust der todabwehrende Koller,
Von dem Felle des Elennthiers, und die eisernen Hauben
Schirmten vor tödlichem Hieb ihr Haupt im Gemenge der Waffen.
Aber die Reiterschar, gleich Flügeln umgebend das Fußvolk,
Hob den blinkenden Stahl in der nervigen Rechte zur Schulter.
Alle blickten nach Eberstein: Die rechts, und die Ander’n
Links, wie er nun, zur Mitte gekehrt, vor den Scharen das Wort nahm:
„Seht uns am Strande des Meers! Verkünden die thränenden Wimpern,
Kündet die Stille mir, wie jetzt des herrlichen Anschau
Euern Busen ergriff in spracherstickender Wonne?
Endlos wogt es dahin, in des Himmels umwölbenden Busen
Schwindend: ein Bild der allumfassenden Liebe. Gesegnet
Sey uns die Fluthenbahn: nach dem fernentlegenen Welttheil
Führe sie schnell die Helden zum Kampf für Rettung und Freiheit!
Brüder, wir kämpfen ihn dort, als Deutsche, der heiligen Pflicht treu,
Glühend von edelem Muth’, und denkend des heimischen Ruhmes!
Gott und der Kaiser mit uns, die stets den Tapferen hold sind!“
Tausende schrie’n, aufjauchzte das Heer: „Gebiethe die Abfahrt:
Gott und der Kaiser mit uns, die stets den Tapferen hold sind!“
Hastig drängten sich alle zum Strand’, und sah’n auf die Meer’sfluth,
Schweigend, hinaus. Erschüttert bückte sich Dieser, und tauchte
Freudig die Hand in die Fluth des schauererregenden Abgrunds;
Jener staunte der Pracht der Kriegesschiff’ und Galeeren —
Auch der Menge der Tau’ und der Höhe des thürmenden Mastbaums.
Rastlos fuhren die Boot’ umher. Da schifften am Ufer
Haufen sich ein; dort stiegen auf hänfenen Leitern die andern,
Eiliger, auf zu dem Raum des hochgewölbeten Schiffbords.
Aber die Reiter und Ross’, Feldzeug und Geräthe des Krieges
Faßte der breitere Raum der offenen, niedern Galeeren,
Wo das muthige Roß, das erst, voll schnaubenden Ingrimms,
Tobte, bezähmt, und zitternd stand, und den mähnigen Nacken
Furchtsam erhob: zu schau’n die ringserhellten Gewässer.
Jetzt erscholl der Abfahrt lauterdonnerndes Zeichen.
Freundlich weht’ aus Osten der Wind, und führte die Schiffe
Auf die unendliche Fläche hinaus. Die Menge des Volkes
Sah den herrlichen Zug von hundert Segeln, und jauchzt’ ihm,
Lange vom schwindenden Strand, die Wünsche der günstigen Meerfahrt
Und des ersehnten Wiederseh’ns mit gewaltigem Laut nach.
Abend nahte heran. In den weitvorstrebenden Segeln
Säuselte sanfter der Wind; die goldenstrahlende Sonne
Sank g’en Westen hinab: sie taucht’ ihr breiteres Antlitz
Leis’ in die Spiegelfluth, und blickt’ auf der flammenden Bahn dort,
Scheidend, heran, die, im Wellengeblitz erzitternd, ihr nachflog,
Und an des Himmels Rand’ entschwand. Im rosigen Aether
Flatterten Wölkchen empor, die an ihrem verglühenden Saum noch
Lange den huldausstrahlenden Wink der Lieblichen zeigten.
Aber die Krieger ergriff die süße Wonne der Wehmuth:
Lautlos starrten sie hin, und dachten des lieblichen Schlafs nicht,
Mahnte nicht Guasto’s ernster Wink und die Stimme der Führer.
Siehe, der finstere Schleier der Nacht umhüllte des Heeres
Fluthenbahn! Eintönig rauschten die schwankenden Wogen
Jetzt an dem Kiele des Schiffs umher; scharf hauchte der Fahrwind,
Und in Eil’ entschwand die Heersmacht Genua’s Küsten.
Aber nicht achtlos sah der Christen ergrimmtester Gegner,
Muhamed, her aus dem Wolkenreich: wie drüben die Völker,
Lautaufjubelnden Rufs, entfalteten Segel auf Segel,
Und vom hohen Verdeck die funkelnden Blicke des Kriegers
Grause Vernichtung drohten dem Volk, das gläubig ihn ehret.
Gierig forscht’ er umher, ob nicht ein wüthender Sturmwind
Fern’ an des Himmels Rand’ aufgährete? Doch in den Lüften
Herrschte liebliche Ruh’, und hell erglänzte die Sternflur;
Forschte zugleich: ob Al-Mansors vereintes Geschwader
Nahete, den erst jüngst aus Algier Hairaddin sandte,
Daß er des Kaisers Macht hintilg’ in brausender Seeschlacht?
Aber der Schreckliche trieb noch fern’ auf den Fluthen des Meers um,
Das, Sardiniens Strand von Siciliens lieblichen Ufern
Trennend, die Bahn ihm wies, wo bald (so wähnt’ er vermessen)
Ihm erliege, besiegt, der erhabene Herrscher der Christen;
Dennoch entsandt’ er erst heut zwei leichthinsegelnde Schiffe,
Die, von Abdul beherrscht, vor Wälschlands schönen Gestaden
Kreutzten, und spähten umher: wohin sich wende Del-Guasto?
Abdul gewahrte des Heer’s Abfahrt: denn zahllose Ruder
Peitschten die See, und die Luft durchfächelten Segel auf Segel.
Alsbald eilt’ er nach Elba[28] hinaus, dem felsigen Eiland,
Wo von dem Schacht, gehaltreich, schillerndes Eisen der Bergmann
Fördert zu Tag’, und steuerte, bald aus der dunkelen Felsbucht,
Bald aus dem Eisenport, des Feindes Fahrt zu erkunden.
Muhamed sah ihn ergrimmt, und naht’ ihm, scheltenden Ruf’s, so:
„Bebend schaust du das Christenvolk die Meere beherrschen?
Sinne vielmehr ihm Leid, ein schwacher dem stärkeren Gegner.
Denke der List: denn sieh’, wie dort ein zögerndes Fahrzeug
Einsam die Wogen durchschifft! Ihm wirf dich muthig entgegen;
Halte die Enterhaken bereit; mit der Sprache der Heimath
Täuschend, raubst du dem Feinde noch heut den tapfersten Feldherrn.“
Abdul blickte verwundert um sich: wer Worte des Muthes
Ihm in die Seele gehaucht? und lenkte sein kühnes Geschwader
Gegen das einsame Schiff, am Mast’ erhöhend die Flagge
Genua’s, und entflammend zum Trug den listigen Korsen,
Der, geboren ein Christ, dem falschen Propheten sich hingab.
Sarno, den tapferen Hort und Gebiether lombardischen Volkes,
Trug das einsame Schiff: ein schlechterer Segler. Vor Ingrimm
Ballt’ er die Faust, daß nur er, der jüngste der Führer, zurückblieb.
Wie vor dem rauheren Herbst der Störch’ unendliche Scharen,
Fliehend dahin durchsausen die Luft; doch einer aus allen
Folgt aus der Ferne dem Zug (den Zögernden lähmte der Weidmann
Jüngst auf dem Stoppelfeld) und schreit, da jene verschwinden:
Also schwand ihm das Heer im Schleier der dunkelen Nacht hin.
Jetzo vernahm er Geräusch’ annahender Schiffe: die Wogen
Klatschten, geschleudert vom Kiel’, und laut ersausten die Segel.
Ahnend Gefahr, aufboth der tapfergesinnete Feldherr
Schnell sein muthiges Volk. Der Wurfschütz harrte des Winks nur,
Gegen die Feind’, im Donnerhall, Verderben zu senden.
D’rauf rief er: „Wer naht?“ So schrie’n die Krieger zugleich auf.
Aber vom nahenden Bord begann der Korse voll Arglist:
„Kennt ihr Genua’s Flagge nicht mehr? Uns sandte der Feldherr,
Daß in dem zögernden Lauf kein Gegner die eure gefährde.“
Also stürmten die Feinde zugleich, auf beiden den Schiffen,
Dieß, und auch jenseits an, und enterten, jauchzenden Rufes,
Sarno’s Schiff, an mächtigen Tau’n fünfklauige Haken
Schleudernd: sie hafteten fest im Gebälk’, und mit schrecklichen Blicken,
Hoch in der nervigen Faust den blitzenden Säbel erhebend,
Schwangen sie sich dann auf zum Bord. Doch Sarno, der Feldherr,
Nahte, das Schwert in der Hand, nicht feige zu sterben, entschlossen.
Erst dem Korsen durchstieß er das Herz, das falsche; zerschmettert
Schnell an der Stirn’, ihm sank Atha’r, und Ismail stürzte
D’rauf, in der Lunge durchbohrt, die tapfersten Aga der Scharen:
Orta genannt dem Muselman, die hundert und fünfzig
Krieger vereint. Doch jetzt, unedel im Rücken bestürmte
Jenen die Meng’, und riß mit wildem Getös’ ihn zu Boden.
Wie der Waldurochs, den wüthende Rüden umdrängen,
Rings mit lautem Gebell, ergrimmter die Stirne vor ihnen
Senkt, und den einen durchstößt mit tödlichen Hörnern, den andern,
Rasch mit den ehernen Klau’n zermalmt, und immer empörter
Rache schnaubt; doch jetzt, an den blutenden Ohren verbissen,
So an dem zottigen Halse zugleich und den kräftigen Schenkeln,
Zerrt die tobende Schar, bis überwältigt er hinsinkt
Vielen, allein: so stürzte der Held, und, schmählich gefesselt
Ward er mit seinem Volk’, aus Haufen erschlagener Gegner,
Nach dem feindlichen Schiffe geschleppt. Sein eigenes trieb nun,
Menschenberaubt, umher, als Beute den stürmischen Wogen.
Dort im finsteren Schiffsraum lag der edelste Feldherr;
Preßte die Stirn’ an die Wand, und heißentquellende Thränen
Perlten, fort und fort, an seinen Wangen herunter:
Thränen, dem feindlichen Schicksal geweint, das jetzt, ihn der Freiheit
Schnödeberaubend, der Bahn entriß, auf welcher die Brüder,
Dürstend nach Sieg und Ruhm, forteilten nach Afrika’s Küsten.
Aber mit Freud’ im Blick’ und Stolz in dem Busen entschiffte
Abdul zu Al-Mansor, der fern durchpflügte die Meerfluth.
Sarno’s Jammergeschick nicht ahnend, flog in dem Nachtwind
Guasto dahin, und siehe, von Ostia, wo sich der Tiber
Vielgepriesene Fluth ergießt in des Meeres Gewässer,
Und aus der Vorwelt, nun erhabenen, männlichen Sinnes
Herzerhebendes Bild, nun namenloser Entartung
Schaudergestalten uns weckt, daß wir, sie schauend, erbeben:
Dorther führte der Held Ursini, altrömischen Stammes
Edeler Zweig, ergraut im Kampf und Schlachtengetümmel,
Sieben der Schiffe heran, mit tausend erlesenen Kriegern,
Welche zu Guasto’s Heer entsandte der Heilige Vater.
Nahe dem westlichen Rand des meereinmündenden Stromes
Thürmt sich, Warten gleich, ein Fels hoch über die Fluth auf,
Und beschirmt g’en Wind und Wogen die herrliche Seestadt.
Dort auf dem ragenden Fels, umgeben von wimmelnden Scharen,
Stand im Feiergewand, mit den dienenden Priestern und Laien,
Auch der erhabene Hirt in schauererregender Hoheit:
Denn er harrte der Kommenden schon. Als endlich sie nahten,
Theilend die Meeresfluth mit dem gleitenden Kiele, da hallten
Donnernde Schlünd’ umher; harmonischer Glocken Getön’ klang;
Liebliche Düft’ aufhaucht’ in die Luft das silberne Rauchfaß,
Und weit brannte das Meer in zahlloslodernder Fackeln
Mächtigem Wiederschein: denn Finsterniß deckte die Welt noch.
Jetzt, ergreifend schnell mit der Linken den hirtlichen Krummstab,
Den ihm der Gute Hirt vertraut’, zu des Heiles Gefilden
Hinzuleiten die Heerd’, in Treu’ und liebender Sorgfalt,
Hob er zugleich die Recht’ empor, und segnete dreimal,
Rufend zum Vater, und Sohn’, und Heiligen Geist, die Erwählten
Drüben, im Herrn. Hochfeierlich scholl der segnende Zuruf
Auf die Gewässer hinaus, und jen’, auf die Kniee gesunken,
Senkten die Flagg’ und Gewehr’, und sandten ein stilles Gebeth auf.
Aber die schimmernden Segel, geschwellt vom günstigen Fahrwind,
Führten das jauchzende Heer im Eilflug fort nach Neapel.
Lichter wurd’ es in Osten. Des Morgens schauriger Odem
Flog auf den Fluthen heran. Am dämmernden Saume des Himmels
Schwamm ein zartes Gewölk, das, erst nur dunkelgeröthet,
Dann allglühend sich hob: der Sonne geflügelter Herold.
Wonne, sie kam: die rosenumflossene Stirn’ aus der Meerfluth
Tauchend mit ernstem Hoheitsblick — dann schnell, in Verklärung,
Heller und strahlender stets, aufschwebend am bläulichen Himmel,
Schön, wie ein Sieger geschmückt, zu durchlaufen die herrliche Laufbahn!
Ringsum jauchzte die Welt. Die gleitenden Wellen erhoben,
Hüpfend vor Freud’, ihr Haupt, und, unabsehlich und endlos
Flammten sie all’ im hehren Glanz’ ätherischen Lichtes.
Aber mit pochender Brust, in stürmischer Seelenentzückung,
Sah’n die Krieger hinaus auf die schimmernden Fluthen — vor allen
Jene, welch’ erst jüngst dem Meer’ als Fremdlinge nahten;
Doch bald hob ein jeder den Blick zu dem Vater im Himmel,
Der das Meer und die Sonne, so schön und so herrlich erschaffen.
Fröhlich wähnten sie schon sich entrückt dem schrecklichen Unhold,
Dem auch der tapferste Mann, seekrank, in schwindelnder Ohnmacht,
Feig’, auf dem niedrigen Lager erliegt; doch, als das Gesäusel
Schiffentführender Wind’ in heißerer Stunde des Mittags
Leise verscholl, und schlaff an dem Maste das Segel herabhing;
Als das geschaukelte Schiff auf unstättreibenden Wogen,
Kreisend umher, nicht vorwärts kam: da fielen besiegt ihm
Alle zugleich, die jüngst dem schwankenden Rücken der Salzfluth
Sich vertrauten zur Fahrt. Sie dachten, zu sterben. Die Schiffer
Sah’n, mit Lächeln, des Kriegers Furcht: denn wieder erhob sich
Nun der günstige Wind, und trieb sie im sausenden Flug fort.
Aber vom Jauchzen des Volks und dem Jubel des eh’rnen Geschützes
Freudig begrüßt, kam jetzt vor Neapolis schimmerndem Hafen
Glücklich die Heersmacht an, und lud, mit gewaltiger Stimme,
Jene zur Heldenfahrt, die dort der Kommenden harrten!
Wie in dem Föhrengehölz, durchwühlt vom grausamen Wand’rer,
Wimmelt ein Ameisennest von geschäftigem Volke: sie laufen
Auf und nieder, voll Hast, zu schirmen die glänzenden Eyer;
Oder sie bauen ihr thürmendes Haus von Neuem mit Sorgfalt:
So lief hastig das Volk in dem Hafen umher: das Geschwader
Rüstend, das an dem Bord dreitausend erlesene Krieger
Zählte. Den Kriegern geboth Toledo,[29] Don Pedro’s Erzeugter,
Der, des Kaisers Vasall, statthaltend herrscht’ in dem Land dort.
Ach, unsäglicher Jammer zerriß des edeln Toledo’s
Heldenbrust, und stieß ihn schnell aus dem rosigen Morgen
Täuschenden Erdenglücks in die Nacht endloser Verzweiflung!
Jüngst erst reicht’ ihm die Hand, am Altar, des salernischen Herzogs
Einziges Kind, Mathilde, die trefflichste, schönste der Frauen,
Und sie entfloh’n der Stadt, in Calabria’s Zaubergefilden
Suchend die meerbeherrschende Burg, in lieblicher, stiller,
Seliger Einsamkeit die süßesten Stunden zu leben.
Dort in dem Schatten umher des meerangrenzenden Fruchthains,
Den im grünlichen Abendgold die säuselnden Lüftchen
Wiegten, und rings durchtönte der Nachtigall wonniges Flöten,
Dort lustwandelten, Arm in Arm, in Liebe verschlungen,
Beide die glücklichen jetzt. Nur Hugo, ihr redlicher Diener,
Folgt’ entfernter, und band die Bäumchen, voll üppigen Wuchses,
Die er im Herbste gepflanzt, an die stützenden Pfähle mit Bast an.
Aber sie ließ, ermüdet, im schwellenden Grase sich nieder,
Kehrend den Rücken dem Meer’, und sah mit thauenden Wimpern,
Wie der Gatt’ im Orangengehölz die Zweige durchspähend,
Fern hinschwand: denn immer die schöneren sucht’ er mit Vorsicht
Ihr aus der Fülle der goldenen Frucht, erlesend, zu pflücken.
Wehe, da lag in der Felsenhöhle des hallenden Ufers,
Von dem blühenden Genst und der Thränenweide verhüllet,
Dragut, der freche Korsar, und harrte des nächtlichen Dunkels,
Lauernd, im schwärzlichen Schiff’! Als fern’, in dem schattenden Fruchthain,
Forschend, Toledo entschwand: da brachen des Räubers Gefährten
Plötzlich heran, und schleppten die schöne, die hohe Gestalt fort;
Doch sie verstummte vor Angst, und verging vor Todesentsetzen.
Wie die Schar ergrimmter Schakal’, aus finsteren Höhlen
Kommend, und dürstend nach Blut, die erschrockene, sanfte Gazelle
Fahet im Lauf — da fällt mit dem Unschuldsblick sie im Sandstaub
Lautlos nieder: so sank die arm’ am Borde des Schiffs hin.
Hugo gewahrte den Jammer. Er schrie; flog hin zu dem Ufer,
Stürzt’ in die Fluthen, und schwang, ein rüstiger Schwimmer, zum Schiffsbord,
Eines der Thau’ umklammernd, sich auf. Da zückte der Wüthrich
Dreimal den blitzenden Stahl, das grauende Haupt ihm zu spalten:
Dreimal entsank ihm der Stahl: ihm brach des redlichen Dieners
Treue das Herz. D’rauf hieß er ihn selbst, mit sanfterer Stimme,
Wecken die holde Frau aus seelenumschattender Ohnmacht.
Schaudernd vor Angst und Entsetzen, vernahm ihr Gatte des Greises
Kläglichen Ruf, er schrie, noch die Räuber im Aug’, auf die Fluthen
Lautaufjammernd, hinaus, und both unendliche Lösung.
Ha, schon wähnt’ er, entzückt, die kehrenden Segel zu schauen —
Freundliche Laute zu hören vom Bord: da brauste der Sturmwind
Plötzlich aus Westen heran: die triegenden Laute verhallten,
Und an des Himmels Rand, wie ein leis’ entfliehendes Wölkchen,
Schwand ihm das Schiff! Der Mond erneute sein wechselndes Licht schon
Siebenmal, seit er an dem Küstenlande der Räuber,
Forschen, und biethen hieß des Goldes die Fülle zur Lösung.
Doch nun sandte von ihrem Geschick die entsetzliche Bothschaft
Hugo: zu Tunis, in Draguts Gewalt, des wilden Korsaren,
Lebe Mathild’, und wieg’, als unglückselige Mutter,
Bald den Säugling im Schooß: denn nimmer zur Wonne des Vaters,
Ach, und voll Liebe nach ihm, erduld’ unendlichen Jammer!
Alsbald ahnet’ er diesen im Geist’, und kaltes Entsetzen
Fuhr ihm durch Mark und Gebein. Doch jetzt dem rühmlichen Heerbann
Bebte vor Freude sein Herz. Er nahte mit leuchtenden Augen —
Trieb, und drängte die Krieger zugleich, und die hurtigen Schiffer
Eilig an Bord: nicht hörend des Volks umschallenden Jubel,
Nicht des Vaters segnenden Ruf, dem nimmer die Hand er,
Fromm, und kindlich gesinnt, mehr küßt, nicht die silberne Scheitel,
Oder das freundliche Aug’: da er bald hinsinket vor Tunis.
So, mit Guasto vereint, entschiffte Neapels Geschwader,
Gegen Sardinia’s Höh’n, des ringsumflutheten Eilands,
Steuernd, dort in dämmernder Frühe die herrliche Seestadt
Cagliari zu schau’n, und zu harren des mächtigen Kaisers:
Denn ihr wurde der Ruhm, aus dem schimmernden Port Europa’s
Furchtbare Macht, vereint, zu entlassen nach Afrika’s Küsten.
Horch, Barcellona’s Thürmen entschallt mit jubelndem Wohllaut
Glockengetön’; erschütternd rollt des eh’rnen Geschützes
Freudendonner vom Wall’, und im Port, wo unzählig die Masten,
Gleich dem entblätterten Wald, aufragen zum Himmel, erglänzen
Flaggen und Wimpel umher, die bald im bläulichen Luftraum,
Von umgaukelnden Winden gerafft, wie silberne Wölkchen
Flattern, und bald, am thürmenden Mast heruntergesunken,
Schlängelnd, über den Bord hinsäuseln zum schäumenden Abgrund.
Unabsehlich, die Straßen entlang, erglänzt von den Erkern
Festlich der Teppiche Pracht. Dort winken aus jeglichem Fenster
Blumen in Meng’, und hauchen elysische Düft’ an den Häusern
Lieblich umher. Doch welch’ ein Lärm auftobenden Jubels
Füllet die Fenster zugleich, und die Erker; die schwindligen Höhen
Ragender Zinnen und Thürm’, mit unzähligen Menschen? Es starren,
Wang’ an Wange gepreßt, ein Haupt aufragend vom Haupt noch,
Alle, mit leuchtendem Aug’, in die wimmelnde Straße herunter,
Während die wogende Menge hinaus auf den stäubenden Heerweg
Braust, wo Ludwig, der Held, und Doria, mächtigen Anseh’ns,
Ordnen die Krieger in Reih’n, dem nahenden Herrscher zu Ehren.
Jetzo noch lauter erschallt, wie unendliches Rauschen der Sturmfluth,
Schön und furchtbar zugleich, ein Ruf: „Hoch lebe der Kaiser!“
Sieh’, er kam! Von Mendoza geführt, dem tapferen Feldherrn,
Schritten vor ihm achttausend Krieger — im Heere die Alten,
Die, in der Reihe der Jahre versucht, und gestählt in Gefahren,
Siegbeherrschenden Muths und entscheidender Stärke sich rühmten.
Jetzo nach Wirbel und Schlag der heerebewegenden Trommel,
Nahten sie all’ im gemessenen Schritt, die Gewehr’ an die Schulter
Pressend im Arm, und zum Schall der Feldschalmeien und Flöten,
Ehernen Klange des Horns und des Brummrohrs tiefen Gewaltton
Mengend, im schönen Verein, ihr fernhinhallendes Schlachtlied.
Schauder ergriffen das Volk. Den Altgedienten am Fuß nach
Folgte die herrliche Schar viertausend erlesener Reiter,
Welch’ erst jüngst in Hispania’s Gau’n die Stimme der Cortes
Aufboth, Jünglinge noch, doch lechzend nach Kampf und Gefahren.
Hufesgerassel erscholl in’s Geklirr des Waffengeschmeides
Und in den ehernen Ruf der schmetternden Kriegesdrometen.
Doch was schleudert noch helleren Glanz in den sonnigen Straßen,
Blendend, umher? Wer nennte die Rossebändiger würdig,
Die von silbernen Rüstungen blank, die ragenden Lanzen
Nervigen Rechten vertrau’n? Zweihundert der edelen Ritter
Sind es: die „Blüthe“ genannt des hohen, hispanischen Adels.
Aber vor allen hervor, ein Viergestirn in der Heersmacht
Strahlen: Alba[30] der stattliche Held, der kühne Alarcon,
Welchem zur Huth Frankreichs gefangener König vertraut ward,
Vor Pavia im Sieg;[31] Sarmento, und Garzia Lasso,[32]
Der, ein Sänger und Held, das blitzende Schwert und der Lyra
Gold’ne Saiten mit einem Kranz zu umschlingen, sich sehnte.
Jetzt entflammte sich jegliches Aug’. Der mächtige Kaiser
Folgte der edelen Schar, und grüßte das jubelnde Volk dort
Links und rechts, mit freundlichem Blick. Sein feuriges Prunkroß
Wölbete stolzer den mähnigen Hals, und tanzte die Straßen
Munter hinab: nun hin, nun her sich wendend, im Halbkreis.
Dort, wo in festlichgeordneten Reih’n sein harrte das Fußvolk,
Hemmt’ er den Rappen, und sah: wie fertig das blanke Gewehr sie
Schwenkten mit einetem Schlag’. Er winkte den schaltenden Führern
Dank, die rasch zur Stirne den Degen erhoben, und senkten,
Huldigend; dann aufschrie’n laut: „Marsch!“ durch die hallende Stadt hin.
Und in dem Jubelgedräng fortwogten die trefflichen Scharen:
Eilend hinab in den Hafen, am Bord der harrenden Schiffe,
Nun zu beginnen die Fahrt nach Afrika’s fernen Gestaden.
Staunend ersah die Meng’ im Gefolge des mächtigen Kaisers
Muley-Hassan. Er hob die trauerumflossenen Augen
Nicht von der Erd’ empor, und schwieg; doch inniges Mitleid
Weckte der Jammer des heimathlosumirrenden Königs.
Jetzo dem Herrscher genaht, rief Doria laut vor den Scharen:
„Sehnest du dich schon heut nach dem Raum’ Karthago, des Heerschiffs,
Das vor jeglichem groß und kunstbeflissen gezimmert,
Prangt in dem Port, und vom Schilde den Kranz unsterblichen Ruhmes
Weist, der dir erblüht auf Karthago’s rühmlicher Stätte?
Oder gefällt dir’s mehr, zu ruhen im schönen Palast hier,
Den dir schmückte die Stadt, Barcellona, mit liebender Sorgfalt?“
„Nichts von Ruhe noch Rast mir gesprochen,“ so sagt’ ihm der Kaiser,
Eifernd, „jetzt, wo mir’s nur lauter im glühenden Busen
Pocht, und stürmt; kein Schlaf die ermüdeten Augen erquicket,
Die nur Tunis im Grau’n der einsamen Nächte, nur Tunis
Schau’n in der Helle des Tags, und Schlacht, und Sieg, und Errettung!
Spannet die Segel! Uns winkt, gebiethend, Afrika’s Meerstrand.“
Doria führt’ ihn an Bord. Ihm folgte der munteren Schiffer
Hurrahgeschrei und unzähligen Volk’s nachjubelnder Segen,
Bis er vom hohen Verdeck die Treppe hinunter im Schiffsraum
Leis’ entschwand. Und siehe, dem Staunenden öffnete dort sich,
Prunkend, ein hoher Saal, auf deß’ aufwölbenden Himmel
Titian selbst ein Meisterwerk mit zaubrischem Pinsel
Schuf, nach Doria’s Wink! Ein Schlachtfeld hatt’ er gebildet.
Fern, wie in Nebel gehüllt, erspähet der schärfere Blick nur
Fliehende Feind’ am Gebirg: so winzig ist Alles und Jedes
Dort mit dem zarten Duft der dämmernden Ferne, verschmolzen.
Näher heran, am Rain des saatdurchschlängelnden Baches,
Wirft sich die Reiterschar auf Reiter, zum letzten Gemetzel
Spornend das Roß, und es fleugt, und schnaubet, mit wallenden Mähnen,
Flammendem Aug’ — fort über zerschmetterter Leichen und Waffen
Blutigen Wust, an des Gegners Roß. Die schrecklichen Kämpfer
Schleudern den blinkenden Speer, und schrein, und brüllen den Schlachtruf —
Und uns däucht: als töne Geschrei von dem klaffenden Mund her.
Aber schon kommen vom Waffengefild, dem dräuenden Sieger
Folgend, mit Schmach im Blick’, und die Händ’ am Rücken gebunden,
Scharen Gefangner herauf, wo Constantin,[33] Kaiser des Weltreichs,
Von dem Rosse sich wirft, die Kniee zum Staube zu beugen:
Denn, noch schaut er, in Wonne verzückt, das Kreuz an dem Himmel
Flammen im Sternenkranz; noch sieht er der hohen Verheißung
Himmlische Wort’ in dem strahlenden Kranz: „Du siegest mit ihm nur.“
Dort zu dem herrlichen Bild’, erschüttert tief in dem Herzen,
Sah der Kaiser empor, und trocknete schweigend die Thränen.
Abendröthlicher Glanz ergoß durch leuchtende Fenster
Strömend, sein heiliges Licht in dem Saal’, und liebliche Stille
Herrschete. Jetzt geboth sein flammendes Auge der Abfahrt
Donnernden Ruf: er scholl vom Borde der hohen Karthago
Freudig dem horchenden Krieger an’s Ohr; durchbrüllte der Seestadt
Thürmende Straßen, der Felsenhöh’n verborgenste Schluchten
Rings im Gefild’, und verhallte mit oft auftobendem Grimm noch,
Fern’ am drönenden Rand des bläulichen Himmelsgewölbes.
Plötzlich erwachte Getös’ und geschäftige Hast in dem Hafen.
Zahllos flattern die Segel vom Mast’; an den ächzenden Winden
Knistert das Seil umher, und bald enttauchet der Anker
Zackige Wucht den Wogen, und ruht in die Quer’ auf dem Balken,
Vorn’ an des Schiff’s Brustwand. Die leitende Nadel betrachtend,
Sitzet der Steuermann bedächtig am Ruder, und rauschend
Folgt ein jegliches Schiff dem Ruderboot’, an dem Schlepptau,
Fort auf des Meeres Höhen hinaus, wo ein günstiger Fahrwind,
Sausend von Mitternacht, vorwölbet die schimmernden Segel.
Aber es drängte das Volk sich am Strand’, und bethete, weinte,
Jauchzte den Schwindenden nach. Wohl Mancher lief an dem Ufer,
Keuchend, noch hin, und schwenkte das wehende Tuch in den Lüften —
Schwenkte den Hut, „zum Lebewohl,“ den theuern Bekannten!
Zwar nicht jauchzte die liebende Braut, nicht die zärtliche Mutter
Mehr an dem Strand; doch muthig bezwangen sie dennoch die Thränen:
Denn auf rühmlicher Bahn enteilten die Lieben der Heimath.
Freudig schiffte des Kaisers Macht im sausenden Wind hin;
Eilte den Balearen, im Flug, g’en Osten vorüber,
Und umkreisete bald im Süden Sardinia’s Vorland:
Nahend der herrlichen Stadt Cagliari, mit Guasto’s Geschwader
Sich zu der Heeresfahrt nach Afrika’s Küsten zu einen.
Doch nun schwebte die Nacht mit weitverbreiteten Flügeln,
Leiseren Fluges, herab, und umhüllte des Meeres Gewässer.
Guasto’s Macht trieb noch, auf der wogenden Wüste verschlagen,
Fern Cagliari’s ersehnetem Port, in der dunkelen Nacht um:
Denn jetzt führt’, unhemmbaren Flugs, ein brausender Nordwind
Ihn nach dem meereinengenden Thal hinunter, wo vormals
Stets, der Charybdis zugleich und der furchtbarn Scylla der Schiffer
Zitterte. Dort erscholl ihm jetzt urplötzlicher Aufruhr
Von dem Schooße des Aetna heran. Mit Entsetzlichem schwanger
Lag er, kreißend, in Weh’n. Er wüthete: stürzende Felsen
Schleudernd mit lautem Gekrach’, Orkanengetümmel, und Gluthsturm,
Weit in den Tiefen umher, daß rings das Meer und der Erdkreis
Schwankte vor Angst, bis er jetzt aus- des Grauens Geburt warf.
Erst aus dem finsteren Schlund’, in meilenmessendem Umfang,
Quoll Rauch auf: weithin am Himmel die Sterne verschlingend,
Und in dem wirbelnden Flug durchzuckt von bläulichen Blitzen;
Dann aufbrauste wie Staub, vom Winde gerafft an dem Kreuzweg,
Odemberaubender Schwefelqualm und Aschengestöbers
Dichtes Gewölk, und jetzt, in wüthender Eile geschleudert,
Rasselten glühende Stein’ ihm nach; jetzt hob sich die Flamme
Himmelempor, und leuchtete fern’ in die finstere Nacht hin.
Rings erglühte das Meer. So hoch die Flamm’ an die Wolken
Loderte, sank ihr Bild so tief in’s dunkle Gewässer
Nieder, und warf in die Unterwelt hellleuchtende Funken.
Aber den kreißenden Berg durchwühlten noch stärkere Wehen.
Unterirdischer Donner rollt’, aufrauschten die Wogen —
Schlugen das schäumende Haupt im Kampfe zusammen; des Aetna
Scheitel erbebte: denn, o des grausenerweckenden Anblicks,
Jetzt ausspie sein Schlund die glühende Lava: sie wälzte
Breiter und flammender stets, die feurigen Wogen herunter;
Laut aufheulten die Lüft’, und die Schöpfung schauderte ringsum!
Doch Del-Guasto’s Heer flog dann im sausenden Sturmhauch
Eiliger fort auf dem Meer, Sardiniens Küsten entgegen.
Aber nicht war in des Berg’s Abgründen allein der Empörung
Wildes Getümmel erwacht: auch hoch in den Lüften begann jetzt
Furchtbardräuender Kampf und seelenerschütternder Aufruhr:
Denn von des Aetna Fluren umher, unendlich verbreitet,
Hob der Flamme Gewalt auf rastlos fächelnden Schwingen
Schnell die Dünste der Erd’ empor zu des Aethers Gefilden.
Wie, der stützenden Balken beraubt, ein Schacht in dem Erzberg
Plötzlich zusammenstürzt: da rollen zertrümmerte Felsen,
Rollet die Erde, der Wald in die Tief’, und weit aus dem Abgrund
Fleugt Staub auf, und Getös’ einsinkender Berge: so stürzte
In den verdünneten Raum, vom glühenden Süden herüber,
Dann sich die Meeresluft, und weckt’ im Fluge des Sturmwinds
Kaum besänftigte Wuth an Afrika’s Felsengestaden.
Dort auf des Atlas[34] Höh’n, des himmelanthürmenden Berges,
Lag Gewittergewölk’, und sandt’ in die finsteren Thäler
Röthliche Blitze herab. Nur leis’ ummurrte der Donner
Noch in dem Schooß des Gährenden; doch von dem brausenden Sturmwind
Näher gejagt, aufflog’s am funkelnden Himmel, und hüllte
Plötzlich des Kaisers Wogenpfad in schreckliches Dunkel.
Früh’ erkannten die Schiffer, vom Bord die perlenden Fluthen
Schauend: es nahe der Sturm. Sie zogen die dichtesten Segel
Auf an den Mittelmast, und ordneten sorglich die Thau’ all’.
Doch nun brauste der Wind fern her: dem thürmenden Wall gleich,
Hob sich vor ihm die Fluth, und rauscht’ auf die gleitenden Schiffe
Nieder, und dann aufwogten sie rings unendlich und furchtbar.
Jetzo in Wolkenhöh’n auf dem Saum der heulenden Wogen
Schwebten die Schiff’, und jetzt, in des Meer’s Abgründe geschleudert,
Deckte sie dunkler Fluthen Nacht, wie verloren auf immer.
Ueber das hohe Verdeck hinüber, herüber ergoß sich,
Schäumend, der Wogen Meng’, und netzte die flatternden Wimpel.
Muhameds Aug’ erglänzte vor Lust, nach den gährenden Blitzen
Schauend im Donnergewölk, das über den Schiffen der Christen
Grau’nvoll hing. Er winkte, voll Hast, den grimmigen Geistern
Attila’s — winkte den Seinen zugleich: sie brausten im Eilflug
Näher, und, wie die Schar der schwarzbefiederten Raben,
Aufgeschreckt vom Knall todtschmetternder Büchse, vom Anger
Laut, mit Geschrei, sich erhebt, und immer in engeren Kreisen
Ueber des Schützen Haupt durchrauscht den sausenden Luftraum:
So durchstürmten auch hier die unzähligen Geister der Wolken
Gährenden Schooß, bis solcher in feindlicher Reibung entbrannt war.
Siehe, da zuckte der Blitz, und zerriß den finsteren Himmel
Schnell von Westen bis Osten hinauf! Dem rollenden Donner
Drönte die Welt umher, und Ströme des sausenden Regens
Peitschten, mit eh’rnem Geprassel, die Fluth. Fort krachte der Donner —
Krachte durch Sturmgeheul und Gebrüll der empörten Gewässer,
Endlos fort. Wie links und rechts die Schiffe sich beugten,
Hoben zum finstern Gewölk ringsher, entsetzlich zu schauen,
Flammende Wogengebirg’ ihr Haupt: denn strahlender Blitzglanz,
Schwärze der Nacht, traf wechselnd das Aug’ des erblindeten Volks hier!
Sieh’, und allen umher auf dem Bord’ erblaßten die Wangen
Jetzo vor Angst: sie harrten, verstummt, des nahen Verderbens;
Doch der edele Kaiser sah nach dem Grauen des Meersturms
In erhabener Ruhe hinaus: der hohen Verheißung
Tröstender Strahl erfüllte sein Herz, das niemals gebebt hat.
Bald entschwand im eilenden Flug das grause Gewitter.
Regen sauste nicht mehr; die Winde verstummten; der Donner
Wüthete nicht; nur fern’ am Rande des wölbenden Himmels
Murrt’ er dumpfer noch fort, wo flatternde Blitze zuweilen,
Kehrend, und fliehend zugleich, die dunkeln Gewässer erhellten.
Aber noch lange tobte das Meer, bis leise zu Hügeln
Schwanden die Wogengebirg’, und die Hügel zu fluthenden Eb’nen.
Als die Sonn’ ihr Strahlenhaupt aus den duftenden Wogen
Aufhob; ringsum das Meer, und über dem Meere der Himmel
Golden erschien: da rief vom Korbe des schwindligen Mastbaums
Laut der Späher herab: „Uns nahen des Feindes Geschwader.“
Sieh’, und des Himmels Rand’ entschwebten die feindlichen Segel,
Gleich dem Gewittergewölk’ in glühender Stunde des Mittags!
Jetzt auf jeglichem Schiffsverdeck war Lärm und Gewimmel
Spähenden Volks. Es bebten vor heißem Verlangen die Krieger,
Bald in des Feindes Auge zu schau’n, und im Kampf der Entscheidung
Ihm zu vergelten die Schmach der verheereten Küsten der Heimath.
Aber vor allen sah Held Doria gierig vom Bord hin:
Prüfend des Fernrohrs Wundermacht, das selber der Künstler,
Janssen von Middelburg[35] zum Ehrengeschenke dem Kaiser
Both: er lohnt’ ihm’s reichlich mit Gold und ehrendem Beifall,
Schätzer alles Verdiensts, und Würdiger solcher Erfindung.
Attila brauste heran, und sah nach den wogenden Schiffen
Finster hinab; doch jetzt dem spähenden Doria nahend,
Drängt’ ihn die Neugier mächtiger hin, voll Hast zu erforschen:
Was sich im schimmernden Rohr dem Helden für Wunder gestalten?
Als er gebückt, ihm gleich, das Auge dem Glase genähert,
Fuhr er betroffen zurück. Er bückte sich wieder, und forschte
Jetzo mit freiem und jetzt bewaffnetem Aug’ auf dem Meer’ um,
Schauend nach Al-Mansors Schiffsmacht, die weit in dem Anlauf
Deckte das Meer. Er lächelte sinnend, und wiegte das Haupt oft;
Doch nun hob er ergrimmter sich auf in den schimmernden Luftraum,
Wo der Scythen erlesene Schar sein harrte. Dem Geist war
Schnell das Geheimniß enthüllt: wie hier auf dem wölbenden Glasfeld
Sich des Entfernten Bild abspiegelte, dann in des Auges
Krystallfluth der Strahl, gebrochen, vom Glas’ zu dem Glas’ fort
Strömt’: im helleren Wiederschein, der Seele zur Anschau.
Zorn entflammte sein Aug’. Er rief den Geistern ergrimmt so:
„Sey es der Nachwelt Ruhm: nur Trug zu ersinnen, und Arglist!
Was die Ferne verhüllt, bannt dieß erfindende Volk sich,
Herrschend in seine Gegenwart mit dem schimmernden Fernrohr.
Daß sein Donnergeschoß hinstreckt in der Ferne die Reihen
Tapferer, däucht ihm Gewinn. Es rühmt sich: die Höllenerfindung
Kürze den Krieg, und spricht von Schonung im blutigen Schlachtfeld.
Ha, nicht also kämpften wir einst: denn nah’ in die Augen
Sah’n wir gerne dem Feind! Wohlan, nun laßt uns die Scharen
Al-Mansors empören zur Wuth und mordender Blutgier!“
Jene entfloh’n. Doch Doria sah die bläulichen Wogen
Schäumen am stürmenden Kiel wohl hundert feindlicher Schiffe,
Die von dem Bord Schlachtruf herdonnerten, trotzend auf Kühnheit
Kampferfahrenen Volks und auf Sieg’, errungen im Raubzug.
Jetzt auf den Höhen des Meer’s, unferne der Stadt Cagliari,
Hemmte der Kaiser die Schiff’ im Lauf, die anstürmenden Gegner
Dort zu erwarten bereit. Ihm einte sich Guasto’s Geschwader,
Jauchzend, und weit umher bedeckten die Schiffe die Meersfluth.
Auf den Zinnen der Stadt, auf den Warten der Berg’ und der Hügel,
Harrt’ unzähliges Volk; so harrten im schimmernden Luftraum,
Hingegossen auf zartes Gewölk (doch feindlich geschieden)
All’ die Geister, voll Gier, der grauenerregenden Seeschlacht.
Aber nur Muhamed sah mit herzzernagendem Kummer
Al-Mansors verderblichen Trotz. Von Thränen umflossen
Glänzte sein Aug’, und er rief den Seinen, ein heuchelnder Seher:
„Eben vernahm mein Ohr den Flug des nächtlichen Schicksals,
Dem, ach, ewig bestimmt, vorschwebt des sterblichen Menschen
Wohl und Weh’ — dem Al-Mansor mit seinem Geschwader
Nimmer entflieht! Nach Afrika fort, wo Hairaddin freudig
Unserer Stimme gehorcht: ihm wollen wir Rettung ersinnen!“
Brausend schwebt’ er, mit seinem Gefolg’, in der heulenden Luft hin;
Doch in den schimmernden Höh’n, des nahen Kampfes gewärtig,
Harrten die übrigen all’, und sah’n auf die Fluthen hinunter.
Doria lenkte sein Schiff dem Borde der hohen Karthago
Näher, und rief dem erhabenen Herrscher mit leuchtendem Antlitz:
„Gönn’ es, erlauchtester Herr, daß hundert feindlichen Segeln
Fünfzig der unsern entgegen sich reih’n; daß hier auf der Meerfluth
Doria kämpf’, und siege, wie du auf dem eisernen Schlachtfeld!“
Aber da schwang aus der bläulichen Luft sich Hermann herunter.
Hell wie Sterne der Sommernacht ihm flammten die Augen,
Als er dem stattlichen Kaiser genaht, ermuthigend, ausrief:
„Wie, du wolltest, ein Held, nicht selber verlangen des Sieges
Lorbern? Lenke die Schlacht: so wird unsterblicher Ruhm dir!“
Also bestürmt’ er das Herz des leis’aufhorchenden Kaisers,
Der, erschüttert im Geiste begann: „Wie hebt sich der Mißgunst
Schmachgebährender Streit in meinem bewegten Gemüth’ auf?“
Schnell erkämpft’ er den heiligen Sieg, der edlere Seelen
Krönt in dem Kampf g’en Trug und Bethörungen niedriger Selbstsucht,
Und sein schützender Engel sank in hoher Verklärung
Ihm an die Brust. Doch Hermann sah in dem Herzen des Edlen,
Staunend, den hehren Sieg: er sah die himmlische Klarheit
Leuchten um ihn, und floh betroffen zurück’ in den Luftraum:
Denn nicht durft’ er schau’n den Himmlischen. So nach des Sommers
Heiß entschwundenem Tag’, seh’n wir den zuckenden Blitzstrahl
Flammen im Sternenzelt, und sprechen: der glühende Himmel
Kühle sich ab — nicht hörend den fernverhallenden Donner:
Also entwich, von dem hehren Glanze geblendet, der Geist hier.
Aber der Kaiser sprach zu Doria lächelnden Blickes:
„Zwar ersehnte mein Herz, die Schrecken der stürmenden Seeschlacht
Hier zu besteh’n, und die Kraft zu versuchen in neuen Gefahren;
Aber nicht Sorg’ um des Herrschers Haupt erschlaffe die Schwingen
Deines erhabenen Muths, und das siegerringende Schiffsheer
Reiche nicht ihm den Kranz, der dir umwinde die Scheitel.“
Sieh’, und mit Thränen im Blick’, entschiffte der treffliche Seeheld
Jetzt an dem Borde des doppelten Aars, deß Fittig’ er liebend
Wählte, sich aufzuschwingen zum Glanz’ unsterblichen Ruhmes.
D’rauf erlas er, behend’, aus den schimmernden Reihen der Schiffe
Fünfzig, bemannt mit tapferem Volk, das oft auf dem Meer schon
Lorbern errang: die Schiffe der furchtbar’n Räuber besiegend.
Wie der mächtige Aar, ausbreitend die rauschenden Flügel,
Schnell hinfleugt in dem Wind, so flog die erlesene Schiffsmacht
Fort auf der schimmernden See: denn rechts entfaltete Ruyter
Fünfzehn flandrische Flaggen, und links, der kühne Moncada,
Mit Hispania’s acht, Lusitania’s sieben vereinend,
Fünfzehn. Doch zu Wälschlands Ruhm, dem feindlichen Andrang
Muthig entgegen zu steh’n in der Mitte des Heldengeschwaders,
Pflanzte Genua’s Flagg’, und zugleich, die Rom und Neapel
Einte der Heeresmacht, an zwanzig trefflichen Schiffen,
Doria auf. Jetzt allen umher verständliche Zeichen
Donnernd, erscholl vom Bord sein rüstunggebiethender Aufruf.
Wie Gewitterstoff von der kreisenden Scheibe des Glases,
Prasselnd, durch saugendes Messingrohr einströmt in der Flaschen
Dunkelen Schooß, und ein Mann, die leitende Kett’ in der Linken,
Reichet dem Nachbar die Recht’, und dieser dem Nachbar, und so trifft
Hunderte dann erschütternder Schlag urplötzlich, auf einmal,
Wenn der glimmende Funk’ aufflammt am entladenden Kolben:
Also bewegte die Führer zugleich des Schlachtengebiethers
Donnerruf, und, nahe dem Maste die rühmliche Stelle
Wählend, geboth ihr Schrei dem Volke die Rüstung. Am Mastbaum
Kletterten Schiffer empor, und ordneten eilig die Segel,
Während die Krieger in Reih’n ihr Feuergewehr auf dem Schiffsbord
Luden. Sie gossen zuerst entflammendes Krot in des Zündlochs
Pfanne; schmetterten Krot und Lot, mit dem glänzenden Ladstock,
Fest in das Rohr, bis auf er hüpfte vom klemmenden Läppchen,
Und umspannten mit fröhlichem Schlag’ es am kräftigen Kolben.
Auch in die furchtbar’n Donnerschlünd’ eindrängte der Wurfschütz,
Dann mit dem Krote, die Wucht der eisernen Kugel; er bohrte
Kundig das Brandrohr ein, und facht’ an der Lunte die Gluth an.
Aber mit tieferem Ernst’ und erhöhtem Vertrau’n in den Augen,
Sah der Kaiser vom Bord dem schlachtanbiethenden Volk nach.
Jetzt aufrauschte das Meer: es nahten die Feinde. Wie Nebel,
Vom Herbstwinde gejagt, weithin verhüllen der Sonne
Liebliche Bahn: so flogen der Feind’ unzählige Segel
Her auf der See. Doch Al-Mansor ergrimmte des Gegners
Minderzahl, und Wuth, und Hohn verzerrte sein Antlitz.
Doria’s Stimme geboth vom Bord’ in donnernden Lauten:
„Jegliches Schiff erwähle sich zwei der feindlichen — trenne,
Muthig, des Gegners Macht,“ und stürmte, der erste, zum Angriff.
Jetzt, wie zwei Sandhosen, gerafft vom Hauche des Aethers,
Schweben im Luftraum hin, durchblinkt von der trauernden Sonne,
Bis, von dem stürmenden Ost und West sie plötzlich vermenget,
Stürzen zur Erde zugleich, und dort mit Orkanengetümmel
Wüsten die Fluren umher, und die wimmelnden Städt’ und die Dörfer
So, daß bald nur Entsetzen und Grau’n die Gefilde verhüllet;
Wie der feurige Blitz, im nächtlichen Donnergewitter,
Weitgesonderte Häuser der Stadt entzündet auf einmal:
Furchtbar hebt sich der Rauch; hoch lodert die prasselnde Flamme:
Denn unbändig herauf, unbändig hinunter, im Eilflug,
Wüthet das Feuer die Straß’ entlang; stets näher und näher
Wälzt sich der Gluthenstrom entgegen dem kommenden Gluthstrom;
Bald — schon sind sie vereint, und schlagen entsetzlich zusammen:
Also trafen sich hier die feindlichen Schiffe. Gehorchend
Doria’s Ruf’, erkor ein jeglicher Führer der Christen
Zwei der Gegner zum Kampf’. Und jetzt aus dem donnernden Schiffsraum
Flog durch Rauch und Flammen der Tod in die feindlichen Reihen —
Flog vom hohen Verdeck hinüber der schmetternden Büchsen
Tödliche Saat. Weit deckte der Rauch die Fluthen, und weithin
Hallte Geschrei der Gedrängten und Dränger im Donnergetümmel.
Leichen schwammen umher, von den Wogen geschaukelt, und trieben
Näher an’s Land; zerrissene Segel flogen im Wind hin;
Berstende Mast’ entstürzten dem Bord’; aufrauschte die Meersfluth,
Als sie die Maste verschlang, und schäumend wieder heraufstieß.
Sieh’, Abdallah gelang’s, der drüben, dem Feinde zur Linken,
Lenkte die Schlacht, das Schiff des kühnvordringenden Ruyters
Schnell zu umzingeln! Doch er harrt’ auf dem Borde, der Gegner,
Glühenden Muth’s, wie ein Leu, der fern’ ein paar Elephanten,
Durch aufqualmenden Staub, mit furchtbar dräuenden Rüsseln
Kommen sieht, zu rächen die jüngst gemordeten Jungen;
Nicht erbebt ihm das Herz: genaht wuthfunkelnden Blickes,
Sträubt er die Mähnen, und haut um sich mit den schrecklichen Klauen:
Also bestand er die Menge. Da fiel, an der Stirne zerschmettert,
Neben ihm Otto, sein Freund und Waffengefährt’. In der Kindheit
Gold’nen Tagen vereinte sie schon des liebenden Herzens
Mächtiger Zug. Nun sah er ihn kaum. Ein schmerzlicher Ruf drang
Ihm aus der Brust; er drängte die Thräne zurücke; nur Eines
Galt dem Tapferen jetzt; des heiligen Kampfes Entscheidung.
Schnell, mit siegender Kraft, durchbrach er der feindlichen Schiffe
Ringsumzingelnden Kreis, und bohrte noch zween in den Abgrund,
Rechts und links abfeuernd das Donnergeschütz aus dem Schiffsraum.
Doch g’en Doria hielt, ausdauernden, schrecklichen Muths noch
Al-Mansor: denn Attilas herzblutdürstende Geister
Drängten sein Volk mit stets empörterem Grimm’ in das Feuer
Mordender Schlünd’ und Gewehre. Nicht rauschten die Wogen der See mehr,
Leichen- und trümmerbedeckt, und vom gährenden Blute gesättigt.
Und schon wankte der Sieg wie das Zünglein schwankt mit der Wagschal’,
Gleichem Gewichte zum Spiel. Dreimal erhob sich der Kaiser,
Schauend die wankende Schlacht, den Seinen errettend zu nahen;
So oft bezwang er sich wieder, und sah, dem Helden vertrauend —
Ehrend sein tapferes Volk, in die grau’numnachtete Schlacht hin.
Doria’s Wurfschütz traf, wohlzielend, den Sarg mit dem Zündstaub,
Der von der Wucht unzähliger Bomben und Kugeln umhäuft war.
Jetzt aufflammte die Welt. Ein Brand, entsetzlich und furchtbar,
Hob sich von Al-Mansors entzündetem Schiff’ in den Luftraum.
Gleich dem feurigen Luftgebild, dem Völker erbeben,
Blutigen Krieg weissagend, und Pest, und schrecklichen Hunger,
Flog das berstende Schiff, und schwand in den höheren Räumen
Fern mit lautem Gezisch. Nur spät, nur langsam, und einzeln,
Sank zertrümmert’ Gebälk, und sanken zerschmetterte Leichen,
Jetzo entfernt, jetzt nah’ in die dumpfaufplätschernden Fluthen.
Stille herrschte umher: da schien des kreisenden Weltalls
Odem gehemmt, des Windes Fittig erschlafft, und des Meeres
Wogende Fluth erstarrt: da sah’n die Krieger am Schiffsbord
Starrend sich an, und lalleten unverständlichen Laut nur.
Doch nun hob sich die Wuth im Busen der feindlichen Führer;
Einer dem andern rief’s mit schrecklicher Stimme: „Wir entern!“
Und, alsbald mit dem sausenden Seil fünfklauige Haken
Schleudernd, stürmten sie an, die Gegner in wilder Verzweiflung
Niederzuschmettern, und laut erhob sich des Kampfes Getümmel.
Schaudernd sah’n die Geister zuvor der wüthenden Seeschlacht
Grauen empört. Nun sprach zu Hannibal Regulus also:
„Dort in des Erdballs Nacht, wo wir Jahrhunderte schwinden
Sah’n, erfüllet von Gram, und von Banden gefesselt des Unmuth’s,
Sagten umwandernde Geister uns oft von dem schrecklichen Zündstaub
Wunder, der, dem Blitz und dem furchtbarn Donner nicht ungleich,
Tod und Vernichtung sä’et, und traun, sie redeten Wahrheit;
Doch, wie schmählich ereilt den Helden der Tod in dem Kampf jetzt,
Wo er die Brust ihm wehrlos beut, und von ferne besiegt fällt!“
Siehe, da ließ sich Regulus schnell vor Doria nieder,
Ihn zu erregen gesinnt, und lispelt’ ihm leis’ in die Ohren:
„Trenne des Feindes Reih’n: so stritt der kühne Spartaner
Xanthippos in dem Kampf mit Regulus, nahe vor Tunis.
Ach, er fiel ihm besiegt: du erringst unsterblichen Ruhm dir!“
Doria griff an das Herz, das laut dem kühnen Entschlusse
Pocht’, und heller flammte sein Aug’, da er jetzo den Degen
Hoch in die Luft aufschwang, und die Führer durch wehende Flaggen
Schnell zum Sturmgang rief: denn all’ aufmerkten den Zeichen
Mitten in grau’numhülleter Schlacht. Die siegenden Flügel
Wichen zurück’, und plötzlich, zum spitzigen Keile gestaltet,
Brach nun Doria’s Schiffsheersmacht des Feindes Geschwader,
Stürmend, entzwei, daß Mast’ an Mast’, und Segel an Segel
Schlugen im wilden Gekrach, und dumpf ertönte der Schiffsraum.
Aber, von Rach’ entflammt, vordrang der kühne Moncada,
Jetzo zuerst: ihm tödteten jüngst algierische Räuber
Nächtlich am einsamen Ufer den Freund. Er traf im Gemeng dort
Wüthend auf Abdul selbst, der Sarno, den Helden, gefesselt
Barg im Raume des Schiffs, und rasch bestürmten sich alsbald
Beide vom Bord zum Bord’, im Kampf der wilden Verzweiflung,
Daß ringsher der Lanzen Geklirr’ erscholl, und die Leichen
Schwammen im Blut. Doch, glühend vor Zorn, erfaßte Moncada
Eines der Tau’, und schwang sich behend’ zum feindlichen Bord’ auf,
Dort zu erringen den Sieg. Ihm folgten der kühneren Krieger
Sieben, jauchzenden Ruf’s, zum schreckenvollen Gewürg nach.
Aber, geschmiegt an den Mastbaum, stand, und wehrte sich Abdul
Gegen die Sieben zugleich, und rannte den Speer in Moncada’s
Heldenbrust, da er, kühn vordringend am schirmenden Mast’, ihm
Blößte die Seit’: er sank, und röchelte sterbend. Nicht länger
Freute sich jener der blutigen Rach’: ihn erlegte der Tapfer’n
Heilige Schar, mit dem Volk, das kämpfend das Leben verschmähte.
Doch aus dem Raume des Schiff’s drang nun die flehende Stimme
Sarno’s den Kriegern an’s Ohr: sie lösten die Bande dem Helden,
Zitternd in freudiger Hast. Er drückte den kühnen Gefährten
Schweigend die Hand, und erhob die thränenden Blicke zum Himmel.
Als er zum hohen Verdeck aufstieg, und in seliger Freiheit
Himmel, und Erd’, und Meer, lautjauchzend, begrüßte: da blinkt’ ihm
Aus dem blutigen Wust sein treffliches Schwert in die Augen,
Das ihm der Räuber entriß. Nicht der pflanzenkundige Wand’rer
Freut sich so sehr, da er oben in Wolkenhöhen der Alpen
Blühende Matten durchspäht, und dort die seltenste findet,
Als der Held sich erfreute, sein Schwert auf dem Boden gewahrend.
Eilig rafft’ er es auf, und schwang es empor in den Luftraum,
Gegen den Feind urschnell die tödliche Waffe zu kehren.
Doch schon war errungen der Sieg, und des Feindes Geschwader
Strich die Segel vor Doria’s Macht. Wie dort auf dem Thronstuhl
Sitzend im herrlichen Prunk, der neugekrönte Beherrscher
Ringsher schaut das versammelte Volk, und jetzo mit Ehrfurcht,
Mann für Mann, die Erwähleten nah’n, die Hand ihm zu küssen,
Huldigend: so in des Sieges Glanz’ ihm huldigt’ in Demuth,
Ueberwunden der Feind. Da jauchzten unzählige Menschen
Rings von den Zinnen der Stadt, von den Warten der Berg’ und der Hügel —
Jauchzten umher vom Gewölk die feindlichgetrenneten Geister.
Doch, der einst Karthago’s Ruhm zu den Sternen erhöhte,
Hannibal, sah voll Zorn, wie Regulus erst dem Gebiether
Doria Hülfe erwies: da erwachten der düsteren Vorzeit
Trauergebilde in seinem Gemüth’, und zürnend begann er:
„Wie, der Römer, und ich, vereint in dem Kampfe der Helden?
Nimmer gescheh’s! Eh’ soll das zitternde Lamm an der Wölfinn
Saugen — der brausende Bach zurück zur Quelle sich heben,
Ehe der Pune dem Römer sich eint. Er nah’ ihm als Feind nur!
Jetzt in Eile hinaus nach Karthago’s Jammergefilden,
Daß mich erneut empöre der Rach’ unendliches Drängen,
Die ich ihm schwur: ein Feind dem Freund’, den er sich erkoren.“
Also rief er den Seinen, ergrimmt, und flog in den Lüften
Schnell g’en Süden hinab. Ihm folgten die stürmischen Geister.
„Lenkt,“ rief Doria jetzt, „die Schiff’ in den freundlichen Hafen,
Daß die Verwundeten all, und auch die gefangenen Gegner,
Sorglich gepflegt, der menschenehrenden Milde sich freuen.“
Rauschend wogten die Schiffe zum Strand. So manche des Siegers
Mißten den Mast und die Segel; so manche, durchbohrt von Geschossen,
Tauchte der Fluth einströmende Last. Viel tapfere Christen
Both, aufschäumend, das Meer als Beute den gierigen Fischen.
Jetzt, annahend im Boot’, erklomm mit Gefolge der Kaiser
Doria’s glänzenden Bord, und schloß ihn mit heißer Umarmung
Lang’ an das Herz: hochehrend vor allem Volke den Helden.
Siehe, da flog auch Sarno heran! Mit leuchtenden Augen
Sah er den Sieger belohnt, und sprach zu dem Herrscher sich wendend:
„Heil und Segen mit dir, Erlauchtester, daß du den Helden
Hoch vor allen erhebst, der mich aus schmählichen Banden
Rettete; doch nun sollen für mich die tapfern Gefährten
Zeugen: nicht hab’ ich durch eigene Schuld die Bande getragen!“
Aber ihm zürnete, seit dem Sieg’ auf dem Felde Bicoccas,[36]
Guasto, der tapfere Greis: dort hemmt’ er des feurigen Jünglings
Stürmische Hast, und sogleich stieß dieser verwundende Wort’ aus.
Jetzo mit finsterem Blick’ erhob er die tadelnde Stimme:
„Wahrlich, der Feind erhascht’ ein träghinsegelndes Fahrzeug,
Weil es ein Feiger lenkt’, und ihn nicht tapfer bekämpft hat!“
Todesbläss’ umzog, und flammende Röthe bedeckte
Sarno’s Wangen im wechselnden Flug’. Er faßte des Degens
Griff in zitternder Hast, trat vor ... da hemmt’ ihn des Kaisers
Ernster Blick, der, Guasto’s ergrauete Haare betrachtend,
Ruhe geboth. Ihm sank die ermattete Rechte vom Griffblatt.
Schweigend stand er im Kreis’, und an seiner Wange herunter
Glänzte die Thrän’. Alsbald bezwang Del-Guasto des Busens
Leichtaufwallenden Zorn, er seufzte vor innigem Herzleid,
Trat vor Sarno, und reicht’ ihm, versöhnend, die Hand, und der Edle
Nahm sie versöhnt. Doch bald umwölkt der nächtlichste Kummer
Sein verwundetes Herz, und schwindet im rühmlichen Tod nur.
Jetzt aufboth der Kaiser sogleich die versammelten Feldherrn:
„Gott, deß mächtiger Arm, die Feinde zerschmetternd, uns Ruhm gab,
Leit’ uns beglückt zum Ziel’! Entfaltet dem Winde die Segel,
Daß in des Sieges aufstrahlendem Glanz wir, landend vor Tunis,
Ernten noch schöneren Ruhm: die Wonne der Christenerrettung.“
Also geschah’s. In Eil’ auf die schimmernden Fluthen des Meeres
Wogten die Schiffe hinaus; das Geschütz erdonnerte rastlos,
Und in dem sausenden Wind’ entschwand g’en Tunis die Heersmacht.
Schon entschwebten dem Meer des heißersehneten Welttheils
Küsten im Abendduft; schon thürmten im rosigen Westen
Berge sich auf, ringsher umlagernd den Gürtel des Atlas,
Dessen schneeiges Haupt anstaunt die glühende Sandwüst’,
Als in die Reih’n des meerdurcheilenden Heers ein Geschwader
Vier schnellsegelnder Schiffe noch kam, von dem felsigen Eiland
Malta gesandt. Aurel, die erlesenste Zierde des Ordens,
Führte der Christenheit verherrlichte Kämpen am Schiffsbord:
Hundert Rittern gesellt, zweitausend tapfere Krieger.
Ihnen zu Eigen gab der erhabene Kaiser das Eiland,
Als sie von Rhodus Suleymann vertrieb, der, rings von den Leichen
Seines Volks umhügelt, den Greis, und Heldengebiether,
Villiers Lisle Adam,[37] dort ehrte mit würdigem Lobspruch.
Grüßend mit Donnergetön’ und wehender Flagge den Herrscher,
Schifften sie freudiger fort im Verein des mächtigen Heeres.
Jetzo, der Küste genaht, hinstarrten die Krieger, vor Sehnsucht
Glühend: den Palmenhain in den fremden Gefilden zu schauen,
Oder das seltene Thier im Gefild’, und die Hütte des Menschen.
Doch bald hüllte das Land sich rings in des sinkenden Nachtgrau’ns
Düsteren Schleier, und barg dem staunenden Fremdling sein Antlitz.
Attila war im Gefolg des Geisterheeres im Eilflug
Afrika’s Fluren genaht. Wie an trüberen Tagen des Winters
Endlos, Schwärme der Kräh’n und der schwarzbefiederten Raben,
Laut vereinten Geschrei’s, vor dem Schneegestöber heranzieh’n:
Also nahten im Grau’n der Nacht die empöreten Geister.
Attila stand, und forscht’ in den Herzen der Landesgebornen,
Welchen die Küste umher zur Huth von dem Herrscher vertraut war;
Aber sie ruheten all’ an dem Strand, vom Schlummer gefesselt.
Zürnend sprach er darum den leis’ aufhorchenden Geistern:
„Weckt entsetzliche Träume sogleich, aus dem Schlafe zu rütteln
Dieß entnervte Geschlecht, und donnert: „Es nahet der Feind uns!“
Ihm in die Ohren, daß rings auf den luftigen Höhen und Warten
Lodre die Flamm’ empor, und schrecke die feindliche Schiffsmacht.
Selber erreget die brausende Loh’, und zeigt euch des Königs
Würdig, dem, als der Geißel Gottes, erbebte der Erdkreis.“
Also rief er: da fuhr sein Volk, wie der brausende Sturmwind,
Ueber die Schlafenden hin. Sie sah’n im Traume die Meerfluth
Wildempört; sie hörten aus ihr Scheusale des Abgrunds
Heulen: „Es nahet der Feind!“ und taumelten auf von dem Boden.
Erst, mit seitwärtsgewendetem Ohr’ im finsteren Nachtgrau’n
Horchend, standen sie all’, und hörten Geräusche (die Wellen
Klatschten am schwärzlichen Kiel) dann, laufend umher an dem Meerstrand,
Sah ihr, geschärft vor Gier umspähendes Aug’ in den Lüften
Näher und näher heran den Wald hochthürmender Masten
Schweben, und jetzt mit den flatternden Wimpeln unzählige Segel,
Von dem Winde gebläht, anstürmen im freudigen Eilflug.
Aber mit lautem Geheul erklomm die bebende Volksschar
Jäh’ am Gestade, die Felsenhöh’n: der Drohung gedenkend,
Die jüngst Hairaddins Grimm aussprach, des schrecklichen Herrschers,
Und erweckte die Gluth im knisternden Reis, auf des Felsens
Hochaufragenden Warten umher. Den Feigen im Rücken,
Brauste die Geisterschar, und, als der schlummernde Nachtwind
Noch den geschüreten Brand nicht in Flammensäulen empörte,
Fachten die Geister, vereint, mit starrvorquellenden Augen
Und gebläheten Backen, erhellt vom Feuer, die Gluth an.
Siehe, und bald erhob sich die wirbelnde Loh’ auf den Höhen,
Hellte die Nacht, und warf, urschnellfortrollenden Schimmer
Ueber die schwankenden Fluthen des Meers. Weit brannte der Abgrund
Unter dem Wogenpfad der völkertragenden Schiffe.
Endlos schien der Brand auf den Höh’n: denn, leuchtendem Blitz gleich,
Hüpften vor jedem umher die Flammengestalten der Geister.
Solches vermögen sie noch, und necken den Wand’rer die Nacht durch,
Mit Irrlichtern vereint am Moor’, und feurigen Männern.
Leise geweckt entfuhr der Hängematte der Kaiser,
Stieg auf das hohe Verdeck, und sah nach dem leuchtenden Meerstrand,
Lächelnden Blick’s, hinüber. Er hieß den sorglichen Guasto,
Der ihn gewarnt, annahend im Schiff, zur Ruhe sich legen:
Denn er kannte die List des täuschungsinnenden Feindes.
Aber nicht senkte der liebliche Schlaf mit fächelnden Schwingen
Auf sein Auge sich mehr: er sah nur Kampf und Errettung.
Als im rosigen Duft der heilige Morgen heraufstieg,
Himmel und Erd’, und Meer der freundlicherwachenden Sonne,
Schauernd vor Lust, entgegen streckten die Arme: da flogen
Eilig die Krieger im Frühwind hin, umkreisten den Vorberg
Gomert:[38] Apollo’s vordem genannt, und blickten nach Bona’s
Halbeiland, das einst dem schirmenden Hermes geweiht war,
Und in die spiegelnde See sein Klippengestade hinausdehnt.
Nun Buschatter genaht, wo mächtig in Tagen der Vorwelt
Utika stand, aufseufzete laut der edelste Kaiser;
Sah, mit Trauer im Blick, nach dem kühnaufstrebenden Helden
Ludwig, und sagte zu ihm, noch tiefbeklommen im Busen:
„Weh’n nicht der Vorzeit heilige Schauer dich an aus den Mauern
Dort, wo Kato, der Knechtschaft zu groß, in das eigene Schwert sank?
Achtung gebeut sein hohes Gemüth, und die Liebe zur Freiheit,
Der er gelebt, unwandelbar stets. Doch, dünket sein Tod dir
Beifallswürdiger als ein Sieg, dem feindlichen Leben
Abgerungen durch Kraft ausdauernden, muthigen Strebens?
Frommt’ es dem Vaterland, dem langentarteten, etwa,
Daß er, der Vorzeit Sitte getreu, verfolgte den Einen,
Der mit mächtiger Hand das, mitten im Brausen der Sturmfluth
Leckumtreibende Schiff vom Bruche zu retten vermochte —
Daß er den schrecklichen Dolch in die Hand des Sohnes gegeben?
Schwer, ach, büßte die Welt den Mord des Edeln: er bahnte
Furchtbarn Wüthrichen nur den Weg zu frecher Verachtung
Jeglichen Rechts. Und wurde nicht strenge Vergeltung den Mördern?
Brutus kannte die Ruhe nicht mehr; nicht erquickte der Schlummer
Mehr sein Aug’; auch wachend sah er Gespenster, und immer
Hört’ er die Wort’: „„Auch du, mein Sohn?““ in zermalmenden Tönen.“
Jetzt an dem Halbeiland, Karthago’s verödeter Stätte,
Wogten die Schiffe vorbei: beklemmende Schauer erfüllten
Jegliche Brust, und Stille herrscht’ am Bord und im Schiffsraum;
Eileten erst an dem Salzthurm hin: von der reichlichen Salzfluth
Also genannt, die im Schooß der thürmenden Mauer emporwallt,
Dann an dem Wasserthurm, deß’ silbernfluthende Kühlung
Auch aus dem fernen Gefild’ anlockt den dürstenden Wandrer.[39]
Aber unzähliges Volk rann fort am Gestad’, in der Rechten
Schwingend den Speer im Geschrei der wildauftobenden Kampflust,
Und schon sausten mit Donnergetös gewaltige Kugeln
Her von dem Strand; doch, so wie, im garbenbeladenen Wagen
Sitzend, die Schnitter fern’ im Gebirg den strömenden Regen
Schauen, mit lächelndem Blick, da im heiteren Glanze der Sonne
Sie von dem Aehrenfeld heimführen den Segen des Sommers:
So, nur lächelnd, ersah’n die Schiffenden, wie die Geschosse
Harmlos sanken umher, von den schäumenden Wogen verschlungen.
Doch, im Schooße der Bucht, die aus felsumstarreter Mündung
Eint vor Tunis den See mit des Meeres Gewässern, erhob jetzt,
Schimmernd im Morgenroth, ihr Haupt die Veste Goletta,[40]
Und einhelliges Jauchzen erscholl von den Schiffen: die Krieger
Sehnten sich lange nach ihr, dem Ziel’ unsterblicher Thaten.
Hoch in die bläuliche Luft aufragte die herrliche Festung,
Und in die Fluth, die, sanftergossen, im Schimmer des Morgens
Ruhete, sank ihr Bild, doch häuptlings hinunter zum Abgrund.
Jetzo schwankt’ es umher, da, erregt von den nahenden Schiffen,
Kräuselnd, der Wellenzug nach dem Felsengestade sich wälzte,
Und es ertönte zugleich der Feinde Geschrei aus den Mauern;
Aber der Kaiser rief nach Doria selber hinüber:
„Tapferer, send’ alsbald auf zwei leichtsegelnden Schiffen,
Wohlerfahrnen Führern gesellt, versuchtere Krieger,
Dort zu erspäh’n die Lag’ und die Stärke der Veste — zu finden
Günstigen Landungsplatz für den Reiter zugleich und das Fußvolk;
D’rauf erschalle der Donnerruf zur stürmischen Landung!“
Also geschah’s. Weit vorwärts bog sich der Mast, und die Wellen
Schäumten nach jeglichem Ruderschlag’, in kräuselnden Ringen,
Hinter dem eilenden Kiel. Wie zwei langhalsige Schwän’ oft,
Männchen und Weibchen, den silbernen Teich umrudern im Spätlicht:
Jetzt, annahend dem Strand, wohlduftende Kräuter zu pflücken,
Jetzo, kehrend zur Mitte des Teich’s, die schimmernden Furchen
Ziehen die Fluth entlang, und mit stolzergewölbeten Hälsen
Ihr Gefieder, wie Schnee, den Lüftchen des Abends entfalten:
Also erforschten die zween, bald nah’, bald ferne dem Meerstrand,
Jegliches so, wie zuvor der waltende Herrscher gebothen.
Hairaddin ging auf dem Söller der Burg, hoch über der Hauptstadt
Tunis, sinnend umher. Nicht die würzigen Düfte der Blumen
Ringsum schufen ihm Lust, nicht des Springborns holdes Gesäusel
Reizte sein Ohr: er starrte, die Hände zum Rücken gefaltet,
Stets mit trüberem Blick’ auf den glänzenden Estrich vor sich hin.
Wuth erfüllt’ ihm die Brust: denn Omrah, der Räuber Areny’s
War ihm genaht an dem Abend. Ihm Siegesverheißung zu bringen,
Sendet’ ihn Al-Mansor; doch sah er noch fern’ auf des Meers Höh’n,
Wie er dem Feinde, besiegt, hinsank mit all dem Geschwader.
Schnell erwürgt’ er im Zorn den jammerverkündenden Bothen.
Doch nun kam ein Sclav’, und rief, zur Erde sich beugend:
„Herr, die Christen sind da! Nicht nährt des ragenden Oehlwalds
Grund der Bäume so viel’, als feindliche Maste die See trägt.“
Hairaddin schnob vor Wuth: „Hinweg du feiger Geselle,
Eh’ dich mein Fuß zermalmt! Die Furcht erschuf dir die Gegner.
Hat ihr Schiff die Schwingen des Aars und die Sehnen des Straußes,
Der auf dem Sand hinfleugt, und den Preis auch dem hurtigsten Rosse
Raubet im Lauf? Nicht sollst du hinfort mir lügen: hinweg — stirb!“
Jener entfloh, und stürzte sich angstbetäubt in die Fluthen.
Hairaddin ging nun hastiger hin auf dem Söller; er kehrte
Nun ergrimmter zurück’, und sah lautknirschend zum Himmel.
Aber ein Zweiter begann: „Die Macht unzähliger Gegner
Wogt an dem Vorgebirg Buschatters in Eile vorüber.“
Und kaum war er entflohn, da kam ein Dritter, und sagte:
„Sinam kündet dir, Herr: fünfhundert feindliche Segel
Hab’ er gezählt von den Zinnen der Vest’, und nicht alle gezählt noch.
Nah’ an Goletta dem Feind die günstige Landung zu wehren,
Stehe versammelt das tapferste Volk; doch mächtige Scharen
Harren nur deines Geboths; du winkst: sie gehorchen in Demuth.
Sende daher ihm noch die erlesensten Krieger, daß jenes,
Minder an Zahl, nicht im Kampf’ erliege der feindlichen Mehrzahl.“
Hairaddin schrie: „Erliegen meinte der Feige? So meint er?
Eile, bescheide mir Giaffar her, den tapferen Aga.“
Jener gehorchte; doch Hairaddin sann, und rief in den Hofraum:
„Hört! Die Feldherrn all’ entbiethet ihr schnell nach Goletta;
Aber daß keiner verzieh’: denn traun, er würd’ es bereuen!“
„Wie,“ so murmelt’ er jetzt, ergrimmt, die Worte für sich hin,
„Wie, sie kommen heran, mir zu rauben das edelste Kleinod,
Tunis, dieß jüngst’ und theuerste Kind? Nicht Telmessan, nicht Algier
Acht’ ich so hoch ... Den Frevel büßen sie einst in Europa
Furchtbar, wo nicht der Greis, nicht das Kind in der Mutter verschont sey!“
Dann aufschrie er: „Mein Roß!“ Die Mauern des hohen Pallastes
Drönten hinab zu dem untersten Grund’, und die bebenden Sclaven
Taumelten durcheinander vor Angst. Der stattliche Läufer
Stand alsbald gesattelt im Raum des hallenden Thorwegs:
Glänzend schwarz, von Arabia’s edelstem Schlage; der Schneeschaum
Flog von dem blanken Gebiß, wie er nagt’ an dem Eisen, und rastlos
Scharrt’ in dem Sand; wie er schnob, und bald auf den hinteren Füßen
Stand, erhebend die vordern, und bald aufwiehert’, und ausschlug.
Aber den Feurigen hielt der Sclav’ am goldenen Zaum fest;
Streichelt’ ihm leise den Hals, und klopft’ an die Decke von Purpur,
Die den Sattel umhüllte, mit Gold und Perlen verzieret.
Hairaddin hob sich im kreisenden Schwung’ auf das Roß, und der Reiter
Hundert jagten ihm vor, so viele ihm nach, in dem Eilflug.
Fernhin tönte Geklirr’ und Getrab’, und es bebte der Boden
Unter dem stampfenden Huf’ — aufflog der flimmernde Sandstaub.
Jetzt durchbraust’ er voll Hast die eröffneten Thore Goletta’s,
Und erstieg den gewaltigen Thurm, der nahe dem Meerstrand,
Auch die Mündung des See’s von Tunis, erhöhet im Viereck,
Schirmt: denn landeinwärts, wohl vier gemessene Meilen
Dehnt sich der See, am Rand des Olivengehölzes zur Stadt hin.
Hairaddin rettete dort, besorgt, viel hundert der Schiffe
Noch; er hieß die Mündung des See’s mit lastenden Ketten
Sperren, und pflanzte Geschütz, Abwehr ersinnend, am Strand’ auf.
Jetzt erklomm er die Zinne des Thurms, und sah nach der Gegend,
Glühenden Blickes, hinab, wo unzählige Schiffe des Gegners
Deckten die schimmernde Fluth, und zwei vordringende Segler
Spähten: er sah’s, und finsterer Groll zernagte die Brust ihm.
Aber schon lang’ umflog, dem christlichen Heere Verderben
Sinnend, Muhamed ihn, und hoffte der Wünsche Gewährung,
Als er das Herz erwog des thatengewaltigen Mannes.
So wie im düsteren Flug, den Ohren nicht hörbar, die Nachtschwalb’
Ueber uns flatternd schwebt: so flog um Hairaddin jener,
Forschend, und sah ergrimmt, wie jetzt ihm der feindlichen Heersmacht
Furchtbare Schau das Herz erfüllte mit nagendem Kummer.
Leise dem Ohre genaht des Sinnenden, sprach er ihm Muth ein:
„Solltest du beben, Hairaddin, du, ruhmwürdiger Krieger,
Deß’ zermalmender Kraft die Völker erzittern? Nicht denkst du:
Wer das Eine nur will, fest will, der wird es erringen?
Heiß den Wurfschütz dort vernichten den feindlichen Späher,
Der tollkühn vordrang, und erreg’ in der hohen Versammlung
Deine Feldherrn. Horch, dieß kündet der große Prophet dir!“
Alsbald stieg, der muthempörenden Worte gedenkend,
Jener die Stufen herab, und eilte hinaus nach dem Walle,
Wo der Wurfschütz saß, und gehäuft die Donnergeschosse
Lagen, unferne dem ehernen Schlund. Mit Zorn in den Blicken
Und in dem Laut, rief er den bombenwerfenden Söldnern:
„Memmen ihr! Auf trüglicher Fluth, die Freunden und Feinden
Willig den Rücken beut, erblickt ihr die feindlichen Späher:
Wie sie erkunden die Furt, die Macht und die Schwäche der Mauern,
Euch, ihr Feigen, zur Schmach. Zertrümmert mir eines der Schiffe —
Jenes gleich, das dort vordringt, mit euren Geschossen.“
Alle zugleich, gehorchend dem zürnenden Herrscher, erhoben
Brennende Lunten, und senkten sie schnell an des furchtbaren Mörsers
Zündrohr. Rauch quoll auf, und, durch Rauch und Flammen sich hebend,
Flogen mit Donnergetös’ empor die entsetzlichen Bomben,
Fünfzig Mörsern entsandt, und Geheul des reißenden Luftraums
Scholl weit hin: die sinkenden wühlten vom Grunde das Meer auf,
Das, aufbrausend, schäumt’, und wirbelnde Wogen umherwarf.
Eine gewaltige Todeslast zerschmetterte Benno’s
Fahrzeug. Wie in der Jahr’ umkreisendem Lauf sich ein Felsblock
Still losreißt von dem Gipfel des Berg’s — alsbald in den Abgrund,
Laut, mit Gekrach, herrollt, und unten die dürftige Hütte,
Schmetternd, begräbt, daß weder die Spur der armen Bewohner,
Noch der Hütte sich weist’: denn Alles versinkt in dem Steinwust:
Also vernichtete hier die entsetzliche Bombe den Helden
Benno mit allem Volk’. Ach, vier unmündige Kinder
Ließ er in Genua’s Mauern daheim mit der weinenden Mutter!
Dort, in dem Heldenverein die schwankenden Bretter besteigend,
Drückt’ er noch einmal die Hand der zärtlichbekümmerten Gattinn,
Abgewandten Gesichts, daß selbe die Thränen nicht sähe;
Aber den Kindern, die ihm umfaßten die Kniee, verhieß er
Baldiges Wiederseh’n, und köstliche Gaben des Ostlands;
Doch nicht sollt’ er den Tag erblicken der fröhlichen Heimkehr,
Nicht die Kinderchen mehr, nicht die liebenswürdige Gattinn:
Denn ihn deckte die Fluth mit dreißig tapfern Gefährten.
Aber im Nebenschiff’, umhagelt von Todesgeschossen,
Floh Ulloa zurück, der Spanier, ähnlich dem Schwan dort,
Der, als, schmetternd, ein Ball ihm das Weibchen entriß auf dem Schilfteich,
Einsam flieht: sich fern’ im dunkeln Geröhre zu bergen.
Hairaddin jubelte; warf handvoll des schimmernden Goldes
Unter die Schützen, und ging, in der räumigen Halle die Feldherrn
Anzufeuern zum Todeskampf. Sie spornten die Rosse
Blutig im sausenden Ritt: wohl kennend den schrecklichen Herrscher,
Und betraten die Hall’ in drängender Hast und Verwirrung.
Erst kam Sinam, der Jud’. Entschlummert am Strande des Meeres,
Lag er in Smyrna, als Jüngling noch: da raubt’ ihn, gelandet,
Sahir, der wilde Korsar, und zwang ihn, ein Räuber zu werden.
D’rauf vertauscht’ er, als Mann, des Moses für Muhameds Lehren,
Nur für baaren Gewinn. Stets blieb er ein Jud’ in dem Herzen,
Schlauen Verkehrs. Doch füllt’ ein seltener Muth ihm den Busen
So, daß er bald durch Kunde des Kriegs, auf der blutigen Laufbahn
Schätze errang, und ihn Hairaddins Blick erkor zum Gebiether
Seiner erlesensten Schar. In staunenerregender Hoheit
Trat er heran; ihm floß der Bart, gleich silbernen Wellen,
Tief in den Busen herab, und Ernst umhüllt’ ihm die Augen.
Dragut kam, der Kilikier, der, ein Schrecken der Gegner,
Nur der „Satanbändiger“ hieß im Munde des Volkes.
Stets in dem schwarzen Gesicht, dem häßlichen, dreht’ er die Augen,
Spähend, umher, und nagt’ an seinen gedunsenen Lippen,
Heimlichen Grimms, der auch an der zuckenden Wange sich kund that.
Doch nun füllt’ ihm die Brust noch heißere Wuth: für Mathilden
Kam er entbrannt daher, Toledo’s herrlicher Gattinn,
Die dem edeln Gemahl, mit der himmlischreinen Gesinnung,
Treu bis zum Tod, des Wüthrichs Gier gewahrte mit Abscheu.
Ihm nachschritt der Bascha von Laodikea, Tobukes,
Der das Fußvolk lenkt’ in dem Heer’. Er haßte den Herrscher,
Hairaddin, da er ihn minder geehrt als Sinam, und er war’s,
Der ihm ersiegte den Thron von Algier in blutiger Feldschlacht.
Rache kochte sein Herz; doch treu dem falschen Propheten,
Nahet’ er jetzt, entschlossen die christlichen Völker zu tilgen.
Salek brauste herein, der Ionier, der in der Heer’smacht
Hairaddins reisigem Volk’ obherrscht’. In Syriens Wüsten
Lenket’ er einst, als Scheik, raubsüchtige Horden, und häufte
Fülle des Golds, Karavanen plündernd unseliger Pilger.
Wohl, in dem heimlichen Ueberfall die Feinde zu morden,
So wie im Grauen der Nacht Verwirrung zu schaffen, und Jammer,
Hatt’ er gelernt, und Hairaddin rief den Kühnen zum Kampf’ auf.
Aber auch Giaffar kam, der Aga der Janitscharen,
Stattlichen Gangs. Die flammenden Augen erhellten sein Antlitz,
Das ihm die Herzen gewann, voll blühender, männlicher Schönheit.
Spielend, ein Ries’ an Kraft, vermocht’ er des brüllenden Stieres
Haupt, mit dem sausenden Stahl’, auf einmal vom Rumpfe zu hauen;
Oder er faßt’ ihn am Horn, erhob ihn, und warf ihn zu Boden:
Tobt’ er auch noch so ergrimmt. Er griff in die Speichen des Rades,
Rollte der Wagen dahin, von feurigen Rossen gezogen —
Stand, und hemmte das rollende Rad, und hemmte die Rosse:
Dennoch war er so mild, als tapfer- und edelgesinnet.
Jetzo mit Abu-Sa-id, dem Scheik arabischer Reiter,
Trat in den Saal der landesgebornen Numiden und Mauren
Feldherr, Muhamed Temtes: voll List die freundlichen Mienen
Heuchelnd: denn glühenden Haß, dem Türkenvolke geschworen,
Nährten die beiden mit ihrem Volk’ im verschlossenen Busen.
Rechts, in der Ecke des Saals, dem Ehrensitz für die Moslems,
Setzte sich Hairaddin nun, mit untergeschlagenen Beinen,
Auf den schwellenden Pfühl, und um ihn, auf gebreitetem Teppich,
Saßen die Feldherrn all’, ihm dort aufhorchend in Demuth.
Eh’ er begann, durchfuhr sein Flammenauge den Halbkreis,
Forschend in jeglichem Blick’, und der Kühnst’ erbebte dem Furchtbar’n.
Jetzt durchwühlt’ er den röthlichen Bart, tiefsinnend, und jetzo
Faßt’ er des Tulbands Bund, des Kaftans glänzenden Zobel;
Doch nun ruhte die Link’ an des Säbels goldenem Griffblatt —
Ruhte die Recht’, auf den Schenkel gestützt, und also begann er:
„Ehre dem einigen Gott, Ruhm sey dem großen Propheten!
Gott, der Gläubige schirmt, Ungläubige schnell in den Staub wirft,
Wie, herbrausend im Donnersturm, der prasselnde Hagel
D’raußen im Saatenfeld die wogenden Halme zerschmettert,
Hat nun eurem entsetzlichen Schwert den mächtigsten Fürsten
Unserer Gegner, am Bord viel hundert gerüsteter Schiffe
Nahe gebracht, und ihn der Rache zum Opfer erlesen:
Denn so will der Prophet sein Volk, nach seiner Verheißung,
Jetzt verherrlichen, so schlug er den Gegner mit Blindheit:
Daß er den Angriff wag’ in diesen gefürchteten Monden,
Wo in des Himmels Gluth auch die Landesgebornen verschmachten?
Und ihm erläge der Fremdling nicht in der lastenden Rüstung?
Sprech’t, wie soll dieß feige Geschlecht, im Sande versinkend,
Halten im blutigen Kampf die hochgepriesenen Reihen?
Wie begegnen zugleich den Säbeln der Janitscharen
Und dem mordenden Stahl der Araber, Mauren, Numiden,
Welch’ im Grauen der Nacht, in der Helle des Tages ihn drängen?
Wir ersiegen uns bald ein unvergängliches Denkmaal
Heldenruhms, wenn Carl, der größte der Christenbeherrscher,
Büßend die Kühnheit, mit seinem Heer’ in Stücke gehau’n wird,
Oder, als ein Gefangener, uns erliegt auf dem Schlachtfeld.
Hebe dich, Abu-Sa-id! Dir folg’ auch Muhamed Temtes:
Eil’t, und verkündet den Euren, ein jeglicher freudigen Aufrufs,
Daß sie, der Beute bedacht, zum entscheidenden Kampfe sich rüsten!“
Aber die beiden erhoben sich schnell, und Muhamed Temtes
Sprach, sich beugend zuvor, mit demuthheuchelnden Blicken:
„Er, der Himmel und Erd’ erschuf, verläng’re dein Leben
Fern’ in die kommende Zeit. So wie die Sterne des Himmels,
Wie der Sand an dem Meer, sey deiner Erzeugten Erzeugung,
Und es erfülle dein Ruhm die fernsten Räume des Weltalls!“
Jen’ enteilten, und Hairaddin sprach: „Wohl kenn’ ich die Falschen.
Trugvoll ist ihr Gemüth, und keines ausharrenden Muthes,
Fähig ihr Volk, das unzählige, das, uns feindlich gesinnet,
Nur durch Verheißungen großen Gewinns zum Heere gelockt ward.
Aber uns ziemt: die Krieger Suleymans, des Prächtigen, Großen,
Welchem die Erde sich beugt, uns ziemt die Heldengesinnung,
Kämpfend mit eisernem Muth’, ihm hier zu erhalten die Herrschaft,
Und zu erhöhen den Ruhm der Söhne des großen Propheten.“
All’ aufschrie’n, das Schwert von der Hüfte sich reißend, und riefen:
„Gott ist Gott, und Muhamed sein erhab’ner Gesandter:
Hairaddin sey die Treu’ und dem Feinde die Rache geschworen!“
Froh des dräuenden Schwurs, begann jetzt Hairaddin wieder:
„Sinam, dir werde Goletta vertraut, dieß herrlichste Kleinod
Unseres Reichs, und ruhig schlummr’ ich, weil dir es vertraut ward;
Dragut, Unwiderstehlicher, dir gehorche des Heeres
Vorderzug, und dir, Tobukes, dem Schrecken der Gegner,
Freudig, des Fußvolks Macht; doch du, Reih’nbändiger, Salek,
Lenke die Reisigen kühn zum Sieg’! Ich führe den Nachzug.
Sammelt die Scharen, vom Strand zu entfernen des Feindes Geschwader,
Oder sogleich die Gelandeten dort zu erwürgen: denn wißt es:
Wer sich zuerst die Stirn’ umflicht mit dem Lorber des Sieges,
Raubet oft dem Besiegten den Muth in dem Felde für immer!“
Aufsprang Dragut, und rief mit lautumschallender Stimme:
„Ha, nicht wehre dem Feind die kühnbeschlossene Landung:
Leicht entflöh’ er uns heut, geschreckt, auf dem rettenden Schiff noch!“
„Eitele Furcht,“ sprach Hairaddin, „o, dem christlichen Herrscher
Schlägt ein tapferes Herz in dem Busen, und eiserner Starrsinn
Drängt ihn fort auf erkorener Bahn: ihm wird er erliegen!“
Jetzt erhob er sich rasch, und ging, sich in Eile zu rüsten;
Aber die Feldherrn all’, enteilten in’s lärmende Lager.
Regulus schwebte herbei: er sann den Sclaven der Hochburg,
Rettend, zu nah’n, und ließ in der wimmelnden Straße von Tunis
Sich im Fluge herab. Da saß vor Draguts Behausung
Hugo, und weinte vor Schmerz. Ihm war die Kunde gekommen,
Freudig und furchtbar zugleich: daß heute der Kaiser mit Heer’smacht
Vor Goletta erschien, und wie nun befreien Mathilden,
Listig umstellt von Draguts stets auflauernden Spähern?
Regulus haucht’ ihm, genaht, alsbald den tröstenden Rath ein:
„Treugesinnter, du weinst, und weißt nicht, die Gattinn zu retten
Ihrem Gemahl? Wohl kam er heran, dem heiligen Aufruf
Folgend des Vaterlands, und folgend dem Rufe des Herzens:
Hier in dem Kampf, voll Muths, zu ersiegen die liebende Gattinn.
Such’ im Olivengehölz den einsamlebenden Fischer,
Der, ein Christ, der Heimath entfloh, wo ihm Jammer zu Theil ward.
Viele der Höhlen sind dort, einst Gräber berühmter Geschlechter,
Als Karthago’s Ruhm noch erfüllte den staunenden Erdkreis.
Dort um die Mitternacht, in eine derselben geborgen,
Möge Toledo sie wiederseh’n in beglückender Freiheit.“
Schnell erhob sich der Greis, und flehte, mit thränenden Augen
Schauend empor, um des Himmels Huld: in der That zu vollbringen,
Was ihm so wunderbar vorschwebte — die Rettung Mathildens:
Denn er kannte schon lang den menschenfeindlichen Fischer,
Der am Strande des See’s, umschattet vom säuselnden Oehlwald,
Wohnt’ in der Grabes-Höhl’, und die Beute der Netz’ und der Angeln
Ihm feilboth vor den Thoren der Stadt am dämmernden Abend.
Jetzt gewann er die Höhl’ auf seltenbetretenen Pfaden,
Keuchend vor Hast, und sah in des Eingangs Felsenumwölbung
Liegen auf dürrem Moos’ den unglückseligen Fremdling.
Drüben im Frankenland, von edeln Geschlechtern entsprossen,
Sah in des Lebens aufdämmerndem Strahl der treffliche Jüngling
Blühen holdselig die Braut, die liebende; preßte den Freund auch,
Treu und warm an die Brust, und jauchzte dem zweifachen Segen.
Siehe, da rief ihn das Vaterland in den Kampf, und er folgte
Freudig dem Ruf! Doch, als er nach Jahren, mit ehrenden Narben —
Lohnenden Kränzen geschmückt, heimzog im Kreise der Tapfern,
Trat im festlichen Zug die Braut an der Seite des Freundes
Froh zum Altar’. Er eilt’ aus dem brausenden Jubelgedräng weg,
Fern in der neuern Welt ein Grab und den Frieden zu suchen.
Doch auf Siciliens Meereshöh’n von Korsaren gefangen,
Ward er nach Tunis geschleppt, und ein Räuber schenkt’ ihm die Freiheit,
Ehrend sein Jammergeschick, zum Hohne des schändlichen Undanks.
Tief in der Brust den finsteren Menschenhaß und der Heimath
Abscheu nährend, erkor er ein Grab zu seiner Behausung.
Jetzt ihm genaht, sprach Hugo mit herzerschütternder Stimme:
„Kurd dein Nahm’, Unglücklicher? Ha, nicht gabst du des Korans
Täuschung dich hin, ein Christ! D’rum wird, wie schmachtende Fluren,
Säuselnd, der Regen erquickt, Mitleid mit himmlischer Wonne
Laben dein blutendes Herz, und Gott, der über uns waltet,
Allerbarmend, Lohn und Frieden dir geben. Vernimm jetzt
Größeres Wehe denn dein’s. Geraubt dem tapfersten Helden,
Schmachtet sein edles Weib in Draguts grauser Gewahrsam.
Kennst du nur eigenes Leid? Rechtfertige, Mensch, mit Ergebung
Duldend, vor deinem Geschlecht die dunkelen Wege der Vorsicht,
Neig’ auch fremdem Jammer dein Ohr, und den eig’nen versüße
Mitleid dir! Denn, horch, auf dem Meer mit unzähligen Schiffen
Kamen die Christen heran, zu strafen den Räuber, und siegend
Ihm zu entreißen den Herrscherthron, der Hassan geraubt ward.
Bald erschallt Sieg’sruf — erschallt geretteter Menschen
Jubelnder Dank. Zieh’ hin in das Lager der Brüder, zu treffen
Dort Toledo, und sprich: „Wenn uns an dem Himmel der Vollmond
Strahlt, da rettet in Grabesnacht ihm Hugo die Gattinn,
Und du lenke den Liebenden her zur Höhle des Waldes.“
Jener regte sich nicht, und starrte hinab in die Fluthen,
Aehnlich dem Felsenriff, das starr aufragt an dem Meerstrand.
„Kurd,“ so sagte der Greis, „entfernt zehn Jahre der Trauer
Bist du vom Vaterland; vergeudet wurde dein Erbtheil:
Dürftig kommst du zurück’, ein Bettelnder unter den Deinen;
Sieh’, er spendet, willfahrest du ihm, dir Goldes die Fülle,
Dankbargesinnt, und freudig erblickst du die heimischen Fluren!“
Aber noch finsterer starrete Kurd: da umschlang ihm der Greis dort,
Weinend, die Knie’, und rief mit leis’erbebender Stimme:
„Hast du geliebt? Wie solltest du nicht, verstummender Dulder!
Jammert die Gattinn nach dir? Welkt’, ach, die Geliebte dir früh hin?“
Jetzt aufriß sich vom Boden der Mann, der schrecklich geschwiegen,
Taumelte wild umher, als sollt’ er den Flehenden morden.
Dennoch konnt’ er nicht, tieferregt, von den Thränen des Greises
Mehr verwenden den Blick, und die ewige Huld, die, erbarmend,
Lenket des Menschen Sinn gleich fluthenden Bächen, zerschmolz ihm
Nun durch Thränen das Herz, das, qualenbelastet, erstarrt war,
Und ein glänzender Strom quoll ihm aus den Augen; er faßte
Hugo’s Recht’, und sprach: „Du siegtest; ich stehe bereit dir.“
Aber der Greis entfloh, von der Wonne der Rettung beflügelt.
Siehe, schon war die Stunde der heißersehneten Landung
Jetzt an dem Abend genaht; schon rief, vom Borde Karthago’s,
Schimmernd, die Kaiserflagge zum Kampf! Von dem Zug’ an den Küsten
Kehrte Ulloa zurück’, ein Trauernder, ob des Gefährten,
Der, mit dem Schiff’ in den Grund gebohrt, dem Heere geraubt ward.
Selber bewegt, rief doch den am Bord versammelten Feldherrn,
Wo er des Angriffs Weise berieth, der Kaiser, erheitert:
„Jetzo, das Höchst’ im Blick, laßt uns die Trauer beherrschen,
Die uns die Brust erfüllt — jetzt muthig und rasch an die Landung!
Gegen Zafrano hinaus, an der Meer’sbucht östlichem Saum hin
Schiffen, den Feind zu täuschen, wir erst; dann, kehrend im Eilflug,
Bleib’ uns zur Linken der Wasserthurm, zur Rechten der Salzthurm:
Wir erringen das Ziel, wo Ulloa erspähte die Anländ.
Segen mit euch im schrecklichen Sturm und Drang der Entscheidung!“
Jen’ enteilten. Ihm trat, voll demuthheuchelnden Mißtrau’ns,
Muley Hassan entgegen im Raume des Schiffs, und begann so:
„Herr, dich dränget dein Herz in den Kampf! Der Weltenerschaffer
Gebe dir Ruhm; doch soll ich, indeß du im Felde dich abmühst,
Müßig weilen am Bord? Gewähre mir eines der Schiffe,
Das mich schnell nach der Meeresbucht von Kabesch, dem Städtchen
Führe, wo mir, zum Trost, die tapfern Bewohner noch treu sind,
Auch das kühne Gebirgsvolk dort schon harret des Aufrufs:
Abzuschütteln das Joch von Hairaddins grausamer Herrschaft.
Dorther schaff’ ich dir bald Hülfsvölker, und schaffe dir reichlich
Mundvorrath für das Heer, das solchen entbehrt in Karthago’s
Wüstem Gefild, wenn fern des Krieges ersehnetes Ziel winkt.“
Sagt’ es mit scheuverwendetem Blick’. Ihm entgegnete jener:
„Hassan, du bebst, und starr’st umher im zweifelnden Mißtrau’n?
Fasse nur Muth! Gleich soll das schnellhinsegelnde Schiff dich
Führen nach Kabesch hinauf; dann kehr’ im Glücke mir wieder.“
Also der Kaiser, und sah dem raschenteilenden Fürsten,
Sinnend, nach: er hatt’ ihn errathen. Doch jetzt ihn zu rüsten
Trug ihm mit heiterer Stirn’ Ernest, der grauende Reiter,
Den der herrliche Max, sein ruhmvollthronender Vorfahr,
Liebte mit Vaterhuld, das treffliche Schwert und die Spornen,
Auch den Harnisch und Helm aus dem hüllenden Schranke herüber.
Silbern strahlte die Wehr’, umrändert mit goldenem Laubwerk,
Ihm von der Brust; hell blitzte der goldene Kamm von dem Helm her,
Deß’ stahlblinkendes Dach kein damaszenischer Säbel
Je durchhieb’, und das Schwert umfaßte des Wehrgehängs Purpur,
Funkelnd von Perlenreih’n, und blitzend in Edelgeschmeides
Wechselndem Farbenglanz. So stieg er, gerüstet, zum Bord’ auf.
Dort entblößt’ er den Stahl: ein Ruf erscholl aus dem Schiffsraum,
Donnernd rings in dem Busen des Meers. Wie am glühenden Mittag
Wetterschweres Gewölk’ auffleugt: da regt sich kein Lüftchen;
Brüllend kehren die Heerden heim; die kreischenden Vögel
Flieh’n zum Gehölz’, und es fährt die häusliche Schwalb’ in dem Hofraum,
Wechselnden Fluges, umher, dem Boden nah’, und die Lachen
Streifend mit fächelndem Fittig — der Mensch, im Busen beklommen,
Stehet verstummt; doch jetzt aufblitzet es, kracht es herunter:
Flammen entprasseln dem Dach’, und fernher sauset der Hagel:
Also die Stille zuvor, eh’, landunggebiethend, der Aufruf,
Donnernd, erscholl, und d’rauf, wie ein Strom entstürzet der Schleußen
Weiteröffnetem Thor’, und Wogen auf Wogen sich drängen:
Also strömten vom hohen Verdeck’ in die flachen Galeeren
Drängende Scharen herab, und ordneten schnell sich in Reihen,
Während der Reiter das Roß festhielt an dem Zaum: denn gewahrend
Drüben das Land, umtobt’ es im Raum des engenden Fahrzeugs.
Gegen Zafrano hinaus, dem spähenden Feinde zur Täuschung,
Strebten sie erst, und eilig dahin entsandt’ er die Horden
Seines Volks: da flog an dem fernen Gestade der Staub auf
(Aehnlich dem Nebel, der, nach dauerndem Regen des Herbstes,
Dicht am Gebirg fortwallt) durchblitzt von den Waffen der Krieger,
Und verwirrtes Getös’, und Geschrei, und das Wiehern der Rosse
Brausete laut von der staubverhülleten Küste herüber.
Wieder ertönt’ ein donnernder Ruf vom Borde des Kaisers:
Siehe, und dieser galt, zum Sturm’ aufbiethend die Krieger!
All’ aufschrie’n zugleich vor jubelndem Muth’, und, die Seiten
Wendend, flogen vereint die Galeeren zum herrlichen Ziel hin.
Von den Rudern gepeitscht, aufschäumte das Meer, und der Fahrwind
Saust’ in dem Segelgewölk der dichtnachfolgenden Schiffe.
Solches gewahrend, sandte der Feind unzählige Kugeln
Von dem fernen Gestad’ und den Wällen der Veste Goletta.
Schrecklicher Donner erscholl. Doch als die Gegner, dem Salzthurm
Nah’, vorstürmten im eilenden Lauf: da wendete blitzschnell
Wechselnd, der Steuermann die räumigen Seiten des Schiffes
Nach dem bevölkerten Land. Sie spie’n aus flammenden Schlünden,
Wie der Hagel prasselt, und saust, die Saat des Verderbens,
Brüllend, hinaus: von nah’ und fern aufbrannten die Hütten,
Und des Feindes Geschütz lag rings, vernichtet, im Staub dort;
Seine Horden entfloh’n, und Goletta’s Donner verstummte.
Dreimal die Länge des Manns, schied noch ein Raum die Vereinten
Von dem Gestad’, als Deutschlands Volk,[41] den ragenden Speerschaft
Senkend hinab in den Grund, im sausenden Schwunge der Glieder,
Allen zuvor, den feindlichen Boden errang, und es wähnten
Dort die Krieger noch lang’: es schwanke der Boden, und weiche
Unter den Füßen zurück. Rasch hüpften die muthigen Rosse
Nach dem Strande hinaus; der sandigen Bahn sich erfreuend,
Hüpften, und sprangen, und schlugen sie aus, und wieherten laut auf.
Scharen auf Scharen entstiegen dem Bord’, und bedeckten das Ufer
Weitumher, wie im Morgenwind’ aus tieferen Thälern,
Kräuselnd, der Nebel sich hebt, und des Bergs Abhänge verhüllet.
Doch nun trat im schimmernden Waffenschmucke der Kaiser
Freudig an’s Land, und hob sich im kreisenden Schwung’ auf das Streitroß,
Das, von erles’nem Blut und Geschlecht’, und herrlich gestaltet,
Auf Andalusiens blühender Flur, freiweidend, heranwuchs.
Als er, die Reihen entlang, hinflog auf dem schnaubenden Rosse,
Tönte Gejauchz’ ihm nach; er rief den Geordneten also:
„Krieger, wir stehen auf Feindes Land, wo herrlich des Ruhmes
Laufbahn glänzt, und Gott uns ruft zur Christenerrettung!
Schweben die Sieg’ euch vor entschwundener Jahre? Gedenk’t ihr
Eures errungenen Ruhms, nicht harrend entflammenden Aufrufs
Tapfer zu seyn? Ihr denkt’s: denn Muth in den glühenden Augen
Seh’ ich, der nur vorwärts strebt, und voll Todesverachtung
Lächelt im brausenden Sturm der Donnergeschosse. Nur haltet
Eisern auf Mannszucht stets, und auf Ordnung. Wer solche verschmähet,
Schafft Unheil sich selber, und schafft dem Heere Verderben.
Ha, schon nahet der Feind! Jetzt vor: in geschlossenen Reihen
Greift die Unzähligen an, und erringt euch herrlichen Siegsruhm!“
Sagt’ es, und hieß nun links und rechts die Flügel des Heeres
Rasch vorgeh’n, und eilen, gesondert, des Vorder- und Nachzugs
Ordnungen, er in der Mitte zugleich mit dem tapferen Guasto,
Ueber Hispania’s Volk, und Oestreichs Scharen gebiethend.
Siehe, den Vorderzug, der tausend tyrolische Schützen
Zählete — sie, vor allen geübt, das Schwarz’ in den Scheiben
Und in dem Busen das Herz aus dem schmetternden Rohre zu treffen,
Führete Lichtstein vor, und es folgten ihm, leuchtenden Blickes,
Tausend Reiter, Bohemia’s Söhn’, in Eisen gehüllet;
Aber das Fußvolk, das in dem Heere das Leichte benennet,
Und aus den Reih’n der allvereinten Völker erwählt war,
Rief Toledo in’s Feld: fünftausend erlesene Krieger.
Links an dem Flügel des Heers, Lusitania’s Krieger und Flanderns,
Einend, schaltete Ludwig, der Held, und zehenmal tausend
Krieger zu Fuß gehorchten ihm. Rechts, an der Zahl und an Kampfmuth
Gleich, gehorchten Alarkons Ruf Italia’s Völker.
Diesem zur Seit’, entboth dreitausend geharnischte Reiter
Alba zum Kampf’, und, jenem gesellt, beherrschte der Sprößling
Hunyadis, gleich an der Zahl, roßtummelnde, kühne Magyaren.
Aber im Nachhalt stand, mit dem tapfern Mendoza, der Ritter
Edele Schar, und zugleich den Blick auf den Heldengebiether,
Eberstein, gerichtet, der Hauf’ gewaltiger Deutschen.
Jetzo mit Allah-Geschrei und wildauftobender Mordgier
Nahte der Feind, und Staub quoll auf. Wie im Laufe des Lenzes
Hoch im Gebirg’ ein Brand durchwüthet die Waldung: da glimmt nur
Dunkel die Gluth aus dem saftigen Holz, nur qualmender Rauch steigt
Auf in die bläuliche Luft: so umhüllte der Staub die Umgegend.
Dragut jagte die Scharen heran. Voll glühender Mordlust
Sah er nur Feindes Blut, und dachte, die landenden Haufen
Schnell zu erwürgen im Kampf; doch jetzt, die Geordneten schauend,
Saß er erstarrt, und stumm in dem Sattel: ihm stockte der Odem.
Dann aufstöhnet’ er laut, und rief zu den folgenden Scharen:
„Mußte sie heute so bald entflieh’n die neidische Sonne,
Uns nicht gönnend den Ruhm, des Feindes verächtliche Haufen
Schnell mit würgender Hand vom Antlitz der Erde zu tilgen?
Aber sie schaue noch hier mit den letzten, verlöschenden Blicken
Unseren Sieg, und die Erde, von feindlichem Blute geröthet.“
Und er entriß alsbald dem Numidier, fluchend, den Bogen,
Zielte, und schoß: da schwirrte der Pfeil in der sausenden Luft hin,
Und durchbohrte die Brust Waldsteins, des tapferen Feldherrn,
Der aus den Mauern Prags, Bohemia’s glänzender Hauptstadt,
Kühn in den Kampf auszog, und daheim die Mutter und Gattinn,
Jammernd, verließ. Sie harren, und schau’n durch quellende Zähren
Oft nach der Straße hinaus, die er ging, und harren vergeblich
Freudigen Wiederseh’ns: ihn decket die Erde von Tunis.
Seitwärts sprang sein Roß, und er sank, festhaltend den Zaum noch,
Häuptlings hinab, und färbte mit glühendem Blute den Boden.
Draguts Hohngelächter erscholl; zu den Seinen sich wendend,
Rief er grimmig: „Seht, der Himmel verkündigt den Sieg uns,
Der die mordende Spitze gelenkt! Ein feindlicher Führer
Schläft dort, blutend, im Staub’, und wird wohl nimmer erwachen.
Ha, nichts sehnlicher wünschte mein Herz, als alle mit einmal
Also vernichtet zu schau’n, daß keiner entrönne dem Tod hier!“
All’ aufbrüllten zugleich: Numidier, Mauren, und Türken;
Schwangen den ragenden Speer, und tummelten feurige Ross’ um.
Dicht, wie Flocken des Schnees herstürmt der heulende Nordwind,
Flog ihr Geschoß: hellschwirrende Pfeil’ und schmetternde Kugeln,
Sausenden Lanzen vermengt. Da fiel in den Reihen des Vortrabs
Mancher der Männer — es wälzten sich blutende Ross’ in dem Staub dort.
Doch schon brauste mit reisigem Volk’ und verhängetem Zügel
Lichtstein hin, um mächtiger, vorgebeugt aus dem Sattel,
Einzuhau’n, links, rechts, in die wimmelnden Haufen, und Haufen
Sanken in Ströme von Blut. Tyrols kampfrüstige Schützen,
Mit Toledo’s erlesener Schar den Reisigen folgend,
Eilten im Sturmschritt vor, und feuerten rasch in die Reihen
Tödliches Blei: nun einzeln, dann vereint, im Gekrach, hin.
Hunderte stürzten, und jetzt, ergriffen von Angst und Entsetzen,
Wandte den Rücken der Feind: er floh in dem stäubenden Feld fort.
Bald schied unabsehlicher Raum die Streitenden. Guasto,
Nahend dem Herrscher voll Hast, erhob die warnende Stimme:
„Schnell entfloh der Feind; doch wie, so er, sinnend auf Unheil,
Uns zu erlauern im Hinterhalt, den Rücken uns wendet?
Hemme des Vortrabs Lauf, und gebiethe des Lagers Umwallung,
Da noch Rogendorf an dem Strand des Meeres sich abmüht,
Auszuschiffen die Wucht des ehernen Donnergeschützes,
Auch die dunkele Nacht, gefahrendräuend, herabsinkt.“
Also der Greis, und Gewährung ersah er im Auge des Kaisers.
Einer der Herolde, die, rittfertig, und stets an der Seit’ ihm
Harrten des Winks, hinüber, herüber zu jagen im Schlachtfeld,
Eilt’ im Fluge hinaus, und rief sein „Halt!“ an die Scharen,
Die, an die Stelle gebannt, zugleich dem Worte gehorchten.
Drüben auf schmählicher Flucht riß Dragut den schnaubenden Läufer
Plötzlich am Zaum, daß er, lautaufstöhnend, sich bäumt’, und zurück sank.
Attila war ihm genaht: es reizte der schreckliche Krieger
Ihn, den Schrecklichen einst, und noch erbebt’ er vor Ingrimm,
Daß er, des sterblichen Leibes beraubt, nicht lenkte die Feldschlacht
Mehr, nicht Gemetzel geboth, und gräßliche Länderverheerung.
Leise haucht’ er ihm jetzt an die Seele den schmähenden Vorwurf:
„Dragut, du fliehst, nicht erwägend den Ruhm des entschwundenen Lebens,
Nicht die Worte voll Muths und glänzender Siegesverheißung?
Kehr’ in Eile zurück: so folgen die fliehenden Scharen
Schamerfüllt, dir alle; wo nicht, so suche dir selber
Ruhm in dem einzelnen Kampf. Vielleicht gelingt es dir heut noch,
Glücklich bewahrt, hier deinen ergrimmtesten Gegner zu tödten.“
Als er des Geisterruf’s erregende Laute vernommen,
Wüthete Dragut noch mehr: er spornte den fliehenden Haufen
Oft sein Streitroß vor, und trieb noch diesen und jenen,
Scheltend, zurück’. Ihm horchte der Maur’ und muthige Türk nur:
Denn der Numidier floh g’en Tunis in Eile hinüber.
Sieh’, oft naht in dem Feld der Furcht erstarrendes Schreckbild
Nur dem Feigen: er wankt; dann fleugt es vom Gliede zum Glied hin,
Und der Tapfere wankt mit dem Feigen: sie wenden den Rücken
All’, und entfliehn. Wie fern auf dem Meere der brausende Sturmwind
Wogen auf Wogen wirft, und Schiff’ an Schiffen zerschmettert:
Also stürzen sie fort, verderbend, und weder des Führers
Scheltender Ruf, noch Strafe dereinst hemmt jetzo die Flucht mehr:
Denn unbändige Furcht ergriff die ausreißenden Scharen.
Aber so weit wie ein Ball, vom schmetternden Rohre geschleudert,
Fleugt, schied drüben ein Raum nur mehr Toledo’s und Lichtsteins
Krieger vom Feind’, als Dragut, von starrendem Staunen gefesselt,
Hemmte das feurige Roß. In fest geschlossenen Reihen
Harrten die Christen sein, und der zahllosen Scharen, und standen
Ruhigen Blicks. Da rief er die schmähenden Worte herüber:
„Seh’ ich vor Todesfurcht in Stein verwandelt die Helden?
Kommt, wenn Einer es wagt, ja zehen, und dreißig, und fünfzig,
Gegen mich anzukämpfen im Feld, wie dort auf Granada’s
Flur mein Volk, der Rittersitte wohl kundig, mit euch focht,
Eh’ uns Verrath und Uebermacht Hispania’s Herrschaft —
Fluch dem Frevel, entriß! Nun kommt, mir werde der Ruhm dann:
Keiner obsiegte der Macht des Satanbändigers Dragut!“
Schon aufbrauste zuvor des Prahlers Worten Toledo’s
Heldenbrust; doch, als ein Nahme von drüben heran scholl,
Welcher der schrecklichst’ ihm war, und verhaßteste aller auf Erden,
Da hielt er sich nicht mehr; er spornte sein schnaubendes Reitroß
Auf die Fläche hinaus, und schrie dem Wüthrich entgegen:
„Ha, nur dich, den Räuber des edelsten Weibes, des meinen,
Suchte mein glühendes Aug’: nicht wirst du künftig mehr prahlen!“
Also mit lautem Gejauchz’ aufschwang er den blitzenden Degen
Ueber des Gegners Haupt, und es wäre, zerschmettert, gesunken,
Wenn nicht Attila schnell, wie ein Blitz, der oben im Nachtgrau’n,
Leuchtend die Wolken durchzischt, heruntergeflogen, sein Streitroß
Drängte zum Seitensprung: denn fühlbarer nahen dem Thier noch,
Und in den Nächten zumal, des Geisterreiches Bewohner,
Bald vom Zorn gereitzt, und bald nur neckenden Launen
Folgend: da schmiegt sich die winselnde Dogg’ an die Füße des Menschen,
Der mit Verwunderung horcht, und hinaus in das schweigende Nachtgrau’n,
Schaudernd, starrt; im Gehöft’ aufflattern die kreischenden Hühner;
Laut mit Geschrei entstürzen die Vögel dem Wald’, und die Hirschkuh
Fährt aus dem rauschenden Laub’ in die Höh’, und horchet mit Beben:
Denn hell blitzte der Geist an dem Auge des schlummernden Thier’s hin:
So, von dem Geiste geschreckt, aufsprang der schnaubende Rappe
Draguts. Ihm zerhieb Toledo’s sausender Mordstahl
Nur die bärtige Wang’, und sie blutete. Siehe, nicht säumte
Dragut, und vorgebeugt, durchrannt’ er die Linke Toledo’s
Jetzt mit dem mächtigen Speer, daß schnell der leitende Zügel
Ihr entsank! Ein schrecklicher Kampf, und im Kampfe der Tod nur,
Hätte die beiden getrennt: da flog, gesendet von Lichtstein,
Hanno, der Stabs-Herold, an die Seite Toledo’s; er faßte
Dort sein Roß an dem Zaum’, und führt’ es zurück’ in die Reihen.
Jammernd folgt’ ihm der Held: er dachte den Gegner zu tödten.
Dragut knirschte vor Wuth, und entwich: das Strömen des Blutes
Raubt’ ihm die Kraft. Nun rief er dem maurischen Scharengebiether:
„Muhamed Temtes, ein Hort sey du des tapfersten Volkes,
Und ein Zeuge vor Hairaddin mir: nicht erbebend in Feigheit
Wär’ ich gewichen dem Feind. Die blutende Wunde zu stillen,
Eil’ ich zur Stadt, wo mir der kräuterkundige Diener,
Hugo, umhüllen sie soll mit dem weheinschläfernden Balsam,
Und bald kehr’ ich zurück’, allwärts ein Schrecken der Gegner.“
Also jagt’ er davon: doch jener den kommenden Scharen
Kühn entgegen zu kämpfen, bereit, sah forschend zum Rückhalt:
Denn er hörete dort unfreundlichen Donner; vernahm auch
Würgender Feinde Geschrei, und ihm pochte das Herz in dem Busen.
Doch, wer ordnete dort die entscheidende Rückenbestürmung?
Traun, ein Held, Aurel, der erst mit den herrlichen Schiffen
Malta’s nahend dem Strand, die feinddurchwimmelte Gegend
Mächtig bestreichen ließ aus ehernen Schlünden und Mörsern!
Donnergebrüll’ erscholl ringsum; aufwirbelte Sandstaub
Nah’ und fern’, und die Feind’ entstürzten vor Schrecken den Reihen.
D’rauf verließ er den Bord mit fünfzig der tapfersten Ritter,
Tausend Kriegern gesellt, drang vor, und wüthete, mordend,
Jetzt in dem Rücken des Heer’s. So wüthet die nächtliche Windsbraut
Durch das Föhrengehölz: der Eigner jammert am Morgen,
Schauend die Stämm’ auf Stämme gehäuft, in grauser Verwüstung.
So im Gesicht von Lichtstein, so in dem Rücken von Malta’s
Kühnem Helden bekämpft, ausriß in wilder Verwirrung
All’ das unzählige Volk, und wandte nach Tunis den Lauf hin.
Hairaddin trabte den stäubenden Weg mit den Schrecklichen näher:
Also hieß er die Schar viertausend erlesener Türken,
Die er sich selber erlas aus den kühnsten und tapfersten Kriegern.
Wohl erwies sich ihr Muth; wohl waren die Muthigen furchtbar:
Denn wo es galt, und, gehemmt, die Wage des Schlachtengeschickes
Schwankte, da mußten sie vor, zu erringen des eisernen Feldes
Herrlichen Preis, und zu steh’n, muthfest, im Kampf der Entscheidung.
Als er den wirbelnden Staub, und im Staube die fliehenden Haufen
Gegen sich kommen sah: da erwog er im Herzen, noch zweifelnd:
Ob er den Schrecklichen erst die Losung gebe zum Morden,
Um in dem Blute der Feigen den Grimm zu sänftigen; oder,
Scheuend den Wankelmuth der Tunisier, heute noch schone?
Gleichwie im Aethergefild der schiffaufstürmende Luftball,
Jählings vom Flammenhauche gerafft, des mächtigen Windes
Wechselndem Strom’ zu Beut’ umfleugt, und nimmer des Schiffers
Leitung gehorcht, nun hier- nun dorthin schwebend im Luftraum
So, daß Grauen ihn faßt, und sinnverwirrender Schwindel:
Also wankt’ er umher. Ihm nahete Muhamed Temtes
Jetzt mit dem flüchtenden Volk’. Er riß sich, ergrimmter, den Säbel
Von der Hüft’, und schlug mit der Breite der Klinge den Feldherrn
Ueber die Stirne, daß ihm aus den Augen sprühten die Funken.
Aber der Sclave lächelte nur, und folgte von weitem:
Denn auch Hairaddin floh, und das Volk nachbrausete zahllos.
Schon sank tiefer die Nacht; schon gaukelten kühlere Lüftchen
Ueber die See, und ringsumher aus unzähligen Augen
Sah der funkelnde Himmel, als die Reisigen Lichtsteins,
Kehrend, mit Staunen ersah’n, wie sie, nur im Blute zu ernten,
Hier die Garben gehäuft in des Todes entsetzlichem Saatfeld.
Auch die Helden des Felseilands mit dem kühnen Gebiether,
Kehreten heim in die meerumwogte Behausung (am Bord nur
Schlummert der Seemann süß) und dort aufzählend die Scharen,
Mißten sie dreißig, im Streit gefallene Krieger mit Wehmuth.
Also rang in dem Vorkampf jetzt der erhabene Kaiser
Gegen Hairaddins Macht, und der treffliche Lagergebiether,
Guasto, begann, im vereinten Müh’n unzähliger Krieger,
Dort die schirmenden Wälle zu bau’n, wo er forschenden Blickes,
Erst die Stell’ erkor, auf welcher Karthago gestanden:
Auf daß ihr herrliches Bild, aus Schutt und Trümmern sich hebend,
Waffne des Kriegers Herz mit eisernem Muth’ in der Feldschlacht.
Gegen den Salzthurm hin, im sternnachbildenden Vorsprung
Hob erlesenes Volk mit schimmernder Haue das Erdreich,
Dämmend, zum Wall. Vor ihm aufgähnte der dunkele Graben,
Und das ehrne Geschütz, von schnaubenden Rossen gezogen,
Rasselte näher, und stand alsbald, in gemessenen Fernen,
Aufgefahren umher, zu wehren dem feindlichen Andrang.
Schnell erfüllten des Lagers Raum die jauchzenden Krieger,
Dort zu erhöh’n in Hast die luftigen Zelte. Sie bohrten
Pfähl’ in den Grund; dann spanneten sie die schimmernde Leinwand
Vom Querbalken des Daches hinab, an haftenden Pflöcken,
Gegen der Stürme Gewalt sie festigend, dieß- und auch jenseits.
Tausende standen erhöht, und flatterten, tönend, im Nachtwind.
Aber vor allen ragte das Zelt des edelen Kaisers,
Hochgewölbet, empor. Des höckergestalteten Lastthiers
Wolle schirmte von außen das Zelt g’en Wetter und Regen;
Innen deckte die Wände Damast, und ein eisernes Feldbett
Stand in dem Hintergrund’, umhüllt vom seidenen Vorhang.
Aber mit Lächeln im Blick, der, rühmend, des Werkes Vollendung
Würdigte, sprach der Kaiser, erfreut, zu Guasto, dem Feldherrn:
„Herrlicher, so geling’ es dir auch am kommenden Morgen,
Schnell die Schanzen umher an Goletta zu bauen! Für jetzo
Heiß’ das Volk ausruh’n in des schirmenden Lagers Umwallung;
Nach gehaltener Rast empöre der fröhliche Krieger
Zahllos Flammen im Feld, bereite sein Mahl, und gedenke
Heiterer Lust: nur möge der Wall nicht ermangeln der Wachen;
Auch den Graben entlang mit hellumschauenden Blicken
Forschend, die Vorhuth steh’n. Ermüdet will ich hier schlummern,
Wenn nicht feindlich Geschrei mich weckt im nächtlichen Anfall.“
Sagt’ es, und ließ sich, gehüllt in den wolligen Mantel, im Sandstaub
Nieder. Weder den schwellenden Pfühl, noch köstliche Speisen
Kannt’ er im Feld’: erduldend jegliche Noth und Entbehrung
Froh mit den Kriegern. Er lag in dem Kreis’ umlärmenden Volkes
Dort auf dem Sand’, und bald umfing ihn der liebliche Schlummer.
Gleich dem brausenden Sturm flog jetzt der Römerbesieger,
Hermann, mit seinem Gefolg’, aus Amerika’s Fluren herüber:
Denn ihn lockte des Kampfes Getös’ mit freundlichem Wohllaut.
Wie der muthige Falk’, auf Beut’ erpicht, in des Himmels
Blauem Gezelt nun auf sich schwingt, nun eilender abwärts
Fleugt, im wogenden Gras’ und im schaurigen Dunkel des Fruchthains
Sie zu erspäh’n: so erforscht’ auch Hermann das Lager. Sein Haupthaar
Quoll aus dem duftigen Helm ihm golden herab auf den Nacken,
Und des Ur’s aufstarrende Mähn’ umfing ihm die Schultern.
Muthig schwang er die Keul’, und aus trotzigbläulichen Augen
Sah er herab, die jetzt, gleich flammenden Sternen, erglänzten:
Schauend Germania’s Volk und den schlummernden Kaiser, des Volkes
Edelsten Hort. Er haucht’ ihm, genaht, die erregenden Wort’ ein:
„Ruhig schlummerst du hier im Kreise der Helden, Erzeugter
Meines gewaltigen Stamms! Von den fernen Meeren herüber
Kommen die Bothen des Siegs dir spät. Ich künde den Sieg dir
Nun zur Freud’, und zugleich den Jammer der Wilden, zur Trauer.
Dein ist die Herrschaft der Welt: nie wendet die leuchtende Sonne
Mehr die Blicke von deines Reichs endlosen Gefilden.
Schon dient Mexiko dir; nun bändigt Peru, das Goldland,
Deß’ unschuldiges Volk der Sonne Kinder sich dünket,
Dein Pizarro.[42] Er nahm Atahualba gefangen, den Inca,
Und erwürgt ihn vielleicht: nicht hunderttausende scheuend,
Nicht Millionen Volk’s, von wenigen Tapfer’n umgeben,
Wild, und grausamgesinnt. O, hemme die wüthende Blutgier
Jener Verblendeten, die in dem Wahn, Halbmenschen zu würgen,
Also freveln! Ich sehe dein Herz erbeben dem Jammer,
Den die Ferne dir birgt. Ein gottbegeisterter Priester
Deines Volks,[43] der Kränz’ erlesensten würdig, bewaffnet
Sich mit erhabenem Muth, die armen, ein rettender Anwald,
Kühn zu beschirmen: ihn höre: so wird unsterblicher Ruhm dir.
Schlummere ruhig und süß, in dem Kampf dir nah’ ich ein Helfer!“
Dann aufschwang er sich rasch in die Lüfte: das tosende Lager
Hier zu erforschen, und dort des Feindes gewaltige Heersmacht.
Aber der Kaiser stöhnt’ in dem Schlaf’; erhob von dem Boden,
Staunend, das Haupt, und sprach halbleise die Worte des Kummers:
„Künden, düsterer Ahnung vereint, auch Träume so schrecklich,
Meiner Krieger unmenschliche Wuth? Führ’t, günstige Wind’, ach,
Schnell das ernste Geboth der Schonung und christlichen Sanftmuth,
Das ich gesandt in dem eilenden Schiff, zu dem fernen Gestad hin!“
Lispelte so, und versank von neuem in lieblichen Schlummer.
Jetzt nach gehaltener Rast erhoben sich wieder die Krieger:
Dürres Reis, und die Trümmer längstgestrandeter Schiffe,
Tragend herbei, unzählige Flammen im Feld zu empören.
Wie die Sternenheer’ erglüh’n am nächtlichen Himmel,
Glänzten die Lagerfeuer umher. Da knüpfte der Reiter
Sorglich das Pferd an den Pflock, und both ihm den Hafer im Vollmaß;
Oder er brachte vom rieselnden Born, in räumigen Kübeln,
Ihm die erfrischende Fluth. Nicht enthob er ihm jetzo den Sattel,
Wie daheim, als ihm versiegte der Schweiß nach dem Ritte:
Denn in dem Felde gebeut des Augenblickes Entscheidung,
Fertig zu stehen zur Wehr’ und zum raschvorstürmenden Angriff.
Andre besorgten den Brüdern das Mahl. Des eisernen Kessels
Rußigen Bauch umschlang die Loh’, und die emsigen Krieger
Hatten das Reismus gar gekocht, die Hämmel gebraten,
Und vertheilet den Wein mit dem wohlernährenden Kornbrot
Jeglichem treu und gerecht. Bestrahlt von der freundlichen Flamme,
Schmaus’ten sie dort, und wechselten stichelnden Scherz und auch Possen,
Lautem Gelächter vermengt, und kriegerischtönenden Liedern.
Also war auftobender Lärm und Getös’ in dem Lager.
Aber, gesondert im Kreis’, kaum achtend des Mahles und Trunkes,
Oder des herzerfreuenden Worts, ergaben die Einen,
Heißerpicht auf Gewinn, sich dem trüglichen Locken der Würfel:
Schüttelten erst in der hohlen Hand die klingenden lang’ fort,
Warfen sie dann querhin auf den weitgebreiteten Mantel,
Sah’n, und zähleten laut die gewinnaufweisenden Augen.
Andre langten die Karten hervor, vieljährigen Ansehns
(Hätt’ ein Fremder doch kaum den Buben vom König, die Grünen
Kaum von den Rothen erkannt) vertheilten die klebenden Blätter,
Netzend oft mit der Zunge den Daum, von der Linken zur Rechten,
Allen umher, und spieleten Brand, und Bettel, und Mordbrand,
Mit aufschlagender Faust und fröhlichem, lautem Gelächter.
Sieh’, in dem einsamen Zelt, entfernt von fröhlichen Menschen,
Lag Toledo, verwundet am Arm; doch blutet’ ihm heißer
Noch die Wund’ in der Brust, versetzt vom grausamen Schicksal,
Das ihn so furchtbar jüngst der edelsten Gattinn beraubte.
Jen’ empört’ um ihn her die schwarzen Gebilde des Unmuths.
Grimmig umdrängten sie ihn, und weckten in seinem Gemüth nur
Angst und Verzweiflung: er lag, erblindet bei offenen Augen,
Dort auf dem Lager, und starrt’ in die Nacht, und stöhnte vor Jammer.
Jetzt anlandete Kurd mit dem Kahn, und flog nach dem Lager,
Eilenden Laufes, herab. Ein „Wer da?“ scholl ihm entgegen:
„Gut Freund“ gab er zurück, und frug nach Toledo, dem Feldherrn.
Aber gewahrend des Mauren Tracht, und feindlicher Arglist
Denkend, führeten ihn zwei tapfere Krieger mit Vorsicht
Nach Toledo’s Gezelt. Nun, dort den Leidenden schauend,
Wollten von seiner beklommenen Brust sich die Worte des Trostes
Lange nicht lösen. Er stand, erschüttert, und leise begann er:
„Hugo’s Worte vernimm: „„Wenn hoch an dem Himmel der Vollmond
Strahlt, da berg’ ich in Grabesnacht, errettet, Mathilden!““
Und ich lenke dich dann zur Felsenhöhle des Oehlwalds.“
Forschend irrte Toledo’s Aug’ an dem seltsamen Fremdling
Auf und nieder: er sann, in düstere Träume verloren;
Aber ein leuchtender Blitz auf des Jammers nächtlichem Irrpfad
War ihm die Vollmondsnacht, der Fels, und die Höhle des Waldes.
Stöhnend hob er sich auf, und hing am Halse des Fremdlings,
Lautaufweinend. Ein Strom von glühenden Thränen benetzte
Diesem die Brust; er floh zum Strand’, im gleitenden Fahrzeug
Heimzuschiffen, und dort der rettenden Stunde zu harren.
Sinam sah schon lang vom ragenden Thurme Goletta’s
Nach dem feindlichen Lager hinaus, und erbebte den Feuern,
Welch’ unzählig umher aufloderten. Wie auf des Meeres
Sturmempöreter Fluth die, aus Wolken brechende Sonne,
Plötzlich die Wogen entflammt, daß sie endlos, hüpfend, erblitzen:
Also erschienen ihm dort die Lagerfeuer, unzählbar,
Und er dachte für heut’ auf keine entscheidende That mehr.
Unmuthsvoll erforschte sein Herz der Hunnen Beherrscher
Attila; flog um ihn her, und reitzt’ ihn mit stachelnden Worten:
„Sinam, unkriegerisch, träg, und feig’, erbebst du den Feinden?
Wie, ist dem furchtbar’n Ueberfall nicht günstig die Nachtzeit,
Der, verderbender oft als blutige Schlachten, dem Gegner
Jammer gebiert? Wie schwach erscheinst du dem Volke; wie haßt dich
Hairaddins Seele hinfort, der dir vertraute mit Unrecht!“
So vernahm, im Geist, die dräuenden Worte des Geistes
Sinam, und blickte, verwundert, umher: wer also gesprochen?
Doch er fand sich allein; besann sich der Angst, und es färbte
Schnell sein blasses Gesicht der Scham hellröthendes Feuer.
Jetzo murmelt’ er leis’: „Ich, Thor, vergrüble die Zeit hier
Müßig. Wohlan, der kühne Gedank’ — er werde zur That jetzt!“
Sagt’ es, und kam, und sprach zu Giaffar glühenden Blickes:
„Giaffar, stets entflammt dir die Brust die Heldengesinnung,
Daß du nicht Tausende scheu’st, wenn rings umdrängender Gegner
Schlachtruf schallt, und, empört, der Waffen Getümmel ertönet!
Siehe, schon schwinden umher die Lagerfeuer des Feindes,
Und schlaftrunken, vom Weine betäubt, hinsinken die Feigen!
Auf, wir stürmen in Hast mit den Janitscharen das Lager,
Und erwürgen das wehrlose Volk in dumpfer Betäubung!“
Jener begann: „Ha, nicht unwichtige Thaten ersinnst du,
Schlachtenerfahrener Greis! Bald tilgt, entsetzlich, im Nachtgrau’n
Unser Eisen die Schlummernden. Zwar in der Helle des Tages
Mir ersehnt’ ich den Kampf, nicht auf nachtumhülleten Pfaden;
Dennoch will ich dir folgen: gebieth’, und ich ordne die Scharen.“
Sinam geboth: aufflogen die mächtigen Thore Goletta’s,
Und die gerüstete Schar zehntausend muthiger Krieger
Drang, von Sinam geführt, und Giaffar, eilenden Laufes,
Jetzt an die Wälle heran. So weit, als ehrner Drometen
Klang dem Horchenden tönet im Feld, noch waren die Krieger
Von dem Lager entfernt: da duckten sich alle zum Boden
(Sinam geboth’s) und schlichen, gebückt, gleich listigen Füchsen
Welch’, einkrümmend die Ruthe, mit weitvorgreifenden Pfoten
So, daß am Gras’ ihr Bauch hinstreift, den stillen Gehöften
Nahen bei Nacht, um dort die befiederten Schläfer zu fahen.
Jetzo, der Vorhuth nah’, aufsprangen die Scharen, und furchtbar
Tönete Allah-Geschrei, entsetzlich der Stürmenden Schlachtruf,
Und, dem Säbelgeklirr vermengt, das Schmettern der Büchsen.
Aber nicht schliefen die Schützen Tyrols: sie wachten, der Pflicht treu,
Als die erlesene Huth an dem Graben, und weckten im Lärmschuß
Eilig, den Wall entlang, die kühnen Gefährten zum Kampf auf.
Giaffar stürmte der erst’, und hieb dem kühnen Ramiro,
Führer des Schützenvolks, die Stirn’ entzwei mit des Säbels
Sausendem Schlag: er sank, und verhauchte das Leben. In Trident
Sah er im Handlungshaus, an der Seite des grauenden Vaters,
Reichthum die Fülle gehäuft, der köstliche Waaren des Ostlands
Vom venediger Freunde bezog, und versandte nach Deutschland;
Aber ihn lockte zum Kampf gar mächtig der Kriegesdrometen
Schmetternder Klang, auf Afrika’s fernen Gefilden, und freudig
Hofft’ er, mit Siegeslorbern geschmückt, die heimischen Fluren
Wieder zu schauen, und dort die Tage der schöneren Zukunft;
Doch ihn ereilte des Todes Geschick, und lachenden Erben
Wurden die Güter zu Theil des, in Gram hinschwindenden Vaters.
Giaffars schreckliche Kraft, verstärkt von kühnen Gefährten,
Würgt’ auf dem Wall noch drei tyrolische Schützen vom Innthal —
Brüder, und stets in dem Heere genannt „das rühmliche Kleeblatt“:
Denn, als Jörg, der jüngste, zu Freundsbergs[44] Fahne geschworen,
Eilten auch Günther und Jost ihm nach, zu schwören den Kriegseid
Vor dem Vater des Volks, Freundsberg, dem Jeglicher hold war.
Immer hielten sie treu und fest zusammen im Leben,
Und wo im eisernen Felde Gefahr den einen bedrohte,
Bothen die andern die Brust zum Schilde dem Bruder, und dachten,
Liebend, des Bruders allein. Am herrlichen Tag vor Pavia
Knüpft’ an die Heldenbrust der Tapfern ein ehrendes Zeichen
Freundsbergs Hand; doch jetzt im nächtlichen Grau’n, an des Grabens
Weitaufgähnendem Schlund verhauchten sie, kämpfend, das Leben.
Also hätt’ in dem Ueberfall noch viele der Christen
Tod und Verderben ereilt, und der Feind erstiegen die Wälle;
Aber da brach Hardwin, der tapfere Führer der Schützen,
Hohes beschließend im Geist, durch Reihen der Gegner. Er hatte
Sinam erseh’n, der vor- die Würgenden trieb. Ihn zu tödten —
So von den Brüdern zu fernen die Noth, vorbraust’ er, und zückte
Rasch auf Sinam das Schwert. Doch Giaffar, schauend des Feldherrn
Grause Gefahr, entboth die Seinen sogleich, und sie flogen
Jenem zu Hülf’. Zwar fiel der Schützen gewaltiger Feldherr,
Salis, mit eiliggeordneter Macht dem Feind in den Rücken —
Drängt’ ihn zurück von dem Wall, und häufte Leichen auf Leichen;
Aber es wühlten in Hardwins Brust unzählige Säbel
Schon: der Tapfere sank, und lächelte heiter im Tod noch.
Rogendorf, der stattliche Feldzeugmeister des Heeres,
Hörte des Kampfes Getös’. Er saß in dem einsamen Kriegszelt,
Trauernd noch stets um den Freund, den ihm entriß das Verhängniß;
Doch, wenn Schlachtruf scholl, und ihn hieß, unzähligen Feinden
Kühn entgegenzusteh’n: da blitzt’ aus den finsteren Wimpern
Ihm der Muth, da brachte sein Wink dem Feinde Verderben.
Eilig erstieg er den Wall, und geboth dort jeglichem Wurfschütz,
Fertig zu harren des Winks zu feuern, mit mächtiger Stimme:
„Männer, vor allem gebeut uns die Nacht, dem Donnergeschütz erst
Ein untrügliches Ziel zu ermessen im finsteren Blachfeld.
Werf’t aus dem Haubitzrohr Leuchtkugeln, sausenden Fluges,
Ueber die Feinde hinaus, zu erhellen die Gegend, und furchtbar
Wüthe sogleich das Donnerrohr in die wimmelnden Scharen.“
Sinnig erfand erst jüngst die erleuchtenden Kugeln der Feldherr:
Mengte den Salzen Harz, und Schwefel und Kohle dem Spießglas;
Dann umhüllt’ er mit Werg das Gemeng’, und rundete solches.
Jetzo des Brandrohrs Saum mit der brennenden Lunte berührend,
Warf der Schütz aus dem Haubitzrohre die leuchtenden Kugeln
Weit in die dunkeln Gefilde hinaus: sie erhellten, dem Mondlicht
Aehnlich, die Nacht. Wie entzündete Luft, urplötzlichen Fluges,
Schimmernden Sternen gleich, durchzieht den nächtlichen Himmel;
Oder vom lärmenden Kreis’ der Jünglinge, tönend dem Faustschlag,
Ein gewaltiger Ball, den Rindesblase geschwellt hat,
Stolz in die Luft sich erhebt, dann senket: so flogen die Kugeln
Ueber dem Feinde dahin. Er staunte dem Wunder, und jetzo
Faßt’ ihn erschütternde Furcht, als rings erhellet die Nacht war,
Die verrätherisch ihn preisgab nie geahntem Verderben.
Doch schon winkete Rogendorf: da brüllten auf einmal
Dreißig Schlünde vom Wall. In die wimmelnden Haufen geschleudert,
Warf der Achtzehnpfünder entsetzliche Wucht aus den Gegnern
Hundert zu Boden: die andern entfloh’n nach der Veste Goletta,
Schreiend, in keuchender Hast, nicht hörend die Stimme der Führer —
Sinams Stimme nicht mehr, nicht Giaffars, die in dem Nachzug,
Einend das kühnere Volk, dem raschverfolgenden Gegner
Bothen die Stirn’: denn Salis, der kühnen tyrolischen Schützen
Tapferer Hort, nachbrauste den fliehenden Feinden, dem Sturm gleich,
Der auf der Heid’ im Herbst die bärtigen Disteln dahinjagt,
Und er kehrte nur spät von der blutigen Feindesverfolgung.
Jetzt, vom Schlummer geweckt durch Kampfgetümmel und Schlachtruf,
Sprang der edelste Kaiser voll Hast vom nächtlichen Lager,
Nahte dem Wall, und sah, wie Rogendorf nach dem Feind hin
Sandte des Todes Geschoss’. Er winkt’ ihm lohnenden Beifall,
Und begann vor Salis, und seinen Gefährten voll Huld so:
„Eure Stirn’ umkränze des Ruhms niewelkender Lorber!
Muthig hab’t ihr gekämpft: vor euren zerschmetternden Büchsen
Floh’n in Eile die Feinde davon. Zum Lohne des Sieges
Sollt’ ihr auf jenen, so stolz sich erhebenden felsigen Höhen,
Wo in Karthago’s rühmlicher Zeit die mächtige Hochburg,
Byrsa[45] stand, aufpflanzen die Fahn’, und den Lagergenossen
Stehen zur Huth auf der weitumschauenden Warte des Landes.“
Und er kehrt’ in das Lager zurück. Doch jauchzenden Rufes
Klommen, von Salis geführt, die tapferen Bergebewohner
Jetzo die Felsen hinan. Gern weilt der sinnige Bergfreund
Auf den luftigen Höh’n, wo er all’ dem niedrigen Treiben,
Drängen, und Sorgen der Erd’ entrückt, des Himmels Gefilden
Näher, so frei und selig sich fühlt; wo das sehnende Herz ihm
Höher im Busen schwillt: da er bald des wölbenden Aethers
Dunklerer Bläue staunt, bald tief in den schwindligen Abgrund
Starrt, und, mit Thränen im Blick des Waldstroms silberne Fluthen
Eilen sieht, und des schnellentfliehenden Lebens gedenket.
Ach, der Gebirgssohn hängt mit kindlicher Lieb’ an der Heimath!
Wie, den Alpen geraubt, hinwelket die Blume: so welkt er,
Ihr entrissen, dahin. Stets sieht er die trauliche Hütte,
Die ihn gebar, im hellen Grün umduftender Matten:
Sieht das dunkele Föhrengehölz, die ragende Felswand
Ueber ihm, und noch Berg’ auf Berg’ in erschütternder Hoheit
Aufgethürmt, und glühend im Rosenschimmer des Abends.
Immer schwebt es ihm vor — verdunkelt ist alles um ihn her!
Aengstlich horcht’ er. Ihm däucht: er höre vom nahen Gehölz her
Wieder das Muhen der Küh’, und hoch von den Alpen herunter
Glöcklein klingen. Ihn däucht: er höre das Rufen der Hirten,
Oder ein Lied der Sennerinn, die, mit umschlagender Stimme,
Freudig zum Wiederhall aufjauchzt Melodieen des Alplands.
Immer tönt es ihm nach. Ihn fesselt der lachenden Ebnen
Anmuth nicht; er fliehet der Städt’ einengende Mauern,
Einsam, und schaut, aufweinend, vom Hügel die heimischen Berghöh’n:
Ach, es zieht ihn dahin mit unwiderstehlicher Sehnsucht!
Aber im Osten schwebte der Mond mit strahlendem Antlitz
Ueber die Berg’ empor. Auf des Meeres fernen Gewässern
Schwamm sein zitterndes Licht; er hellte des säuselnden Waldes
Dunkelen Saum, und goß den silbernen Schleier, aus Aethers-
Dufte gewoben, umher auf den sanftentschlummerten Erdkreis.
Drüben am östlichen Himmelsthor erglühte der Morgen.
Schaurig wehte der Wind, und fuhr mit eisigem Odem
Ueber das Heer. Von dem lockigen Haupt und dem Mantel des Kriegers
Träufelte fort und fort der Thau gleich schimmernden Perlen,
Und verwandelt’ in Grau die dunkele Farbe der Rosse,
Die, von Dampf umhüllt, mit schlotternden Seiten sich drängten:
Denn so glühend die Luft sich bei Tag auf Afrika’s Fluren
Senkt, so ergreifend haucht sie den Frost aus der schwindenden Nacht her.
Dort nach dem Felsenhorst, den erst zum Lohne des Kampfmuths
Sich errangen die Schützen Tyrols, erhob sich der Kaiser
Jetzo mit Ludwig allein. Er schwieg. Die umdüsterte Vorzeit
Schwebte ihm vor: denn, ach, er trat Karthago’s Ruinen!
Aermliche Dörfchen gewahrt’ er nur: El-Mersa, und Melcha
Näher dem Meer’ — entfernter: Sidji-Mosaid, und Darilschut,
Ruhend, Oasen gleich, auf Karthago’s wüsten Gefilden.
Stille herrschte umher in den Hütten des flüchtenden Volkes:
Denn o, furchtbar droht, und furchtbarer jede der Stunden
Vor dem nahenden Feindesheer’ in entsetzlicher Kriegszeit,
Wenn, entrissen dem Schirm der väterlichwaltenden Obmacht;
Hingegeben empörter Gewalt, unbändiger Willkühr,
Und unleidlicher Schmach, der Mensch nach Rettung umherschaut:
Jetzo der Gegenwart, dann wieder der nächtlichen Zukunft
Schrecken ihn faßt, und vernichtende Angst ihm raubt die Besinnung!
Als sie erklommen des Felsens Höh’n: da schwebte die Sonne
Aus dem glühenden Meer mit rosenumhülletem Antlitz
Freundlich herauf. Ihr hauchten die Fluthen, ihr dampften die Berghöh’n
Lieblichen Opferduft empor; sie grüßten die Fluren,
Funkelnden Blicks, und, freudigen Lautes, die Hain’ und die Wälder.
Nicht, wie sonst, erfüllte des holderwachenden Morgens
Schimmer des Kaisers Brust mit Wonne der seligen Geister:
Denn beklemmt war heute sein Herz, und düstere Schwermuth
Hüllt’ ihm die Stirn’ in Nacht: er dachte die Tage der Vorwelt.
Sinnend irrte sein Blick von der steilabstürzenden Felswand
Nach den schimmernden Fluthen hinaus; der säuselnde Frühwind
Wiegt’ am Nacken sein lockiges Haar, und wiegte des Mantels
Wogenden Saum. Nun setzt’ er, entfernt von des Lagers Getümmel,
Sich auf den moosigen Stein, und sprach zu dem horchenden Jüngling:
„Siehe, so ferne dein gieriges Aug’ erforschet die Fluren,
Rings den Felsen umher, wo Byrsa, die eherne Burg stand,
Lag Karthago, hehr, weitherrschend und mächtig verbreitet!
Aber nicht kündet der kärgliche Schutt, umwuchert von Mooswuchs,
Wo die Herrliche stand, und mit Staunen erfüllte den Erdkreis.
Wehe, sie sank, des blühenden Reichs gewaltige Hauptstadt,
Sie, der eisernen Roma zum Trotz, noch die Zierde der Welt, sank!
Blut durchströmte die Straßen umher; die prasselnde Flamme
Wüthete rastlos fort: im Schutt versiegte die Wuth nur.
Aber es lebt die Erhabene noch in der Kunde der Nachwelt.
Hehre Begeisterung schwellt den Busen des Sängers; nicht fremd mehr
Ist ihm des Helden Sinn, nicht die That, aus jenem geboren:
Ihr ertönt sein Gesang in vielfachwechselnden Weisen,
Die jetzt, brausenden Stürmen gleich, erschüttern des Hörers
Pochende Brust, und jetzt, wie liebliche Lüftchen des Abends
Säuselnd im Veilchenbeet, ihr sanfte Wonne gewähren.
Ha, Karthago lebt, und ewig ertönet ihr Nachruhm:
Meererforscherinn, Städt’- und Völkergründerinn heißend;
Lebt durch Hannibals Ruhm, des mächtigen, eidesgeweihten,
Furchtbar’n Rächer des Vaterlands, und blühet für immer
Ob dem erschütternden Muth: verschmähend die schimpfliche Knechtschaft,
Unterzugeh’n, auch im Falle noch groß, in würdiger Freiheit!
D’rum erhebe dein Herz, dem Guten und Wahren dich weihend:
Denn sie allein entführt der Zeit fortrollende Fluth nicht,
Und, umschwebend die Welt in ewigdauerndem Kreislauf,
Reichen sie dir zum Lohne den Kranz nie welkender Blüthen.“
Jetzt erhob er sich schnell, nach dem Lager zu kehren. Auch Ludwig
Säumte nicht; doch ihm quoll die Thrän’ aus den blitzenden Augen:
„Wohl ist es schön,“ so sprach er, „im Lauf enteilender Zeiten
Ueber der niedrigen Fluth, emporgehoben, zu stehen,
Und zu erringen den Kranz gefeierter Helden der Vorwelt;
Doch, ach, mich entreißt die sorgliche Liebe des Herrschers
Jeder Gefahr, und ruhmlos schwindet mir Leben und Thatkraft!“
Freudig erklang des Jünglings muthige Rede dem Kaiser,
Und er entgegnet’ ihm so: „Schon nahet die Stunde, wo, kämpfend,
Du in dem eisernen Feld die Schrecken der Schlachten bestehen,
Und als Sieger, umjauchzt von tapferen Kriegesgefährten,
Kehren, oder im Kampf erliegen sollst für die Rettung
Tausender: ein’s wie das and’re erhebt; doch leitet die Vorsicht
Dich nach der Heimath zurück, dort blühet ein schöneres Feld dir
Ewigen Ruhms: durch Herrscherweisheit im Segen zu walten
Ueber ein glückliches Volk, und, also der Mit- und der Nachwelt
Frommend, im Segen zu seyn den spätesten Menschengeschlechtern.“
Hannibal horchte mit Lust, wie ihn ehrte der mächtigste Herrscher.
Seit er dem irdischen Leben entrückt, unmuthigen Herzens,
Weilt’ im dunkelen Raum des nachtumwölbenden Erdballs,
Sah er zum erstenmal die trauten Gefilde der Heimath
Wieder. G’en Zama[46] hinaus erhob er die glühenden Augen,
Starrt’, und ballte die Faust des Jammers Gebilden entgegen:
Denn noch sah er die Miethlinge fliehn; durchbrochen die Reihen
Seines Volks, und, empört, die schreckliche Schar Elephanten
Wüthen im eigenen Heer — entrissen auf immer den Sieg ihm:
Sah’s, und wandte sich schnell nach Karthago’s Stätte hinüber.
Aber wohin entschwand die Herrliche? Neidischverschlungen
Hatte der Strom der Zeit auch die letzten Maale des Ruhmes.
„War auch sie mit dem Römer im Bund’?“ So seufzt’ er, und hob sich
Eilig den Felsen hinan. Dort hört’ er unsterblicher Thaten
Seelenentzückendes Lob aus dem Munde des edelsten Kaisers:
Ihm von der Stirn’ entfloh’n des Unmuths düstere Wolken;
Heiterer blickte sein Aug’, und der Groll, vom Römer empöret,
Schmolz aus seiner besänftigten Brust, wie schimmernder Frühreif
Schmilzt im sonnigen Strahl. Schon dacht’ er, den Christen ein Helfer
Künftig im Kampfe zu steh’n: da naht’ ihm jener im Eilflug.
Regulus sah auf den Felsenhöh’n um seinen Erwählten
Hannibals dräuende Näh’, und wähnte: verderbende Täuschung
Sinn’ er, ihm dort in die argloshorchende Seele zu hauchen.
Wie aus dem sonnigen Thal der rauberspähende Kondur —
Er, der Riese des Geiergeschlechts, in sausender Schnelle
Hoch empor sich schwingt zu dem Wolkennest, zu erforschen:
Ob nicht Gefahr dort drohe den kreischenden Jungen? so naht’ er,
Jetzo dem Kaiser im Flug, und wachte mit liebender Sorgfalt,
Wie er die Listen vereitle durch List, und vernichte die Täuschung.
Hannibal schnob, erneut vor Zorn: mit dräuenden Blicken
Schwebt’ er davon, und sann dem Christenheere Verderben.
Doch in die Zeltenstadt heimkehrte mit Ludwig der Kaiser.
Aber welch’ Getümmel erschallt an dem Strande des Meers jetzt?
Gegen Zafrano hinaus, auf Bona’s lieblichem Vorland,
Thürmt ein Cedernwald die dunkelen Wipfel g’en Himmel.
Noch in dem kühleren Hauch des sanftaufdämmernden Morgens
Schifften auf Ruderbooten dahin, von Guasto gesendet,
Tausend, des Zimmerwerks wohlkundige Krieger: zum Schanzbau
Stämme zu fällen. Da scholl in der hehren Stille des Morgens
Drüben des Beils dumpfschmetternder Schlag vom tönenden Stammholz:
Sausend entstürzte der Wald. Jahrhunderte sah er der Umwelt
Wandelbare Gestalt; er stand, und hob sich noch immer
Höher empor: nun streckt’ ihn die grausame Schärfe des Eisens
Nieder: in Trauer gehüllt aufragte das kahle Gebirgsland.
Aber sogleich ersah’n die feindlichgesinneten Geister,
Schwebend vor Muhamed her, und Attila, welche Gefahren
Ihren Erwählten der Christ bereitete: Schauder ergriff sie.
Siehe, da flog Ellack, des Hunnenkönigs Erzeugter,
Näher, und rief dem Vater zugleich, und dem heuchelnden Seher:
„Schauet die Riesenschlange dort im Schatten der Felskluft
Liegen: Unsterbliche selbst erbeben dem schrecklichen Anblick.
Weck’t sie vom Schlaf, und, empört, hintilgt sie die kühnen Gesellen!“
Muhamed sann umher; dann rief er den Zagenden also:
„Hebe dich, Muhameds Volk! Erhebt euch, Attila’s Scharen;
Fahr’t in des Unthiers Bauch, und erreg’t dem Feinde Verderben!“
Jetzo im sausenden Flug hinstürzten die stürmischen Geister,
Schrie’n, und fuhren zugleich in des Scheusals umringenden Bauch ein.
Tief in der Felsenkluft, zum furchtbarn Knäuel verschlungen,
Lag die gräßliche Schlange (dem Rad, das, weichend des Bergstroms
Riesengewalt, den Mühlstein dreht, im Kreise nicht ungleich)
Schlummernd, und barg ihr Haupt in des Knäuels Mitte mit Vorsicht.
Nur im Dunkel der Nacht, nur selten im Lichte des Tages,
Kroch sie lauernd hervor, um ein sorglosweidendes Hausthier,
Rasches Gewild, und auch Menschen zu fah’n; da hieß es: ein Berggeist,
Hausend im Felslabyrinth des schauerumhülleten Waldes,
Habe verschlungen den Raub, und der Iman heulte Gebet’ auf.
Als die stürmende Schar, des Herrschers Winken gehorchend,
Im unleidlichen Drang die furchtbarn Ringe des Scheusals
Füllte: da hob es in zitternder Wuth das gräßliche Haupt auf,
Warf es im Bogenwurf in der Höhl’ umher, und ihm zischte,
Flammengeröthet, die Zung’ aus dem weiteröffneten Rachen.
Schrecklich erglühte sein Aug’ aus den giftgeschwollenen Kreisen,
Und, gebläht, erfüllet’ es ganz die räumige Felskluft.
Doch, als jetzo die Schar erboßtumtummelnder Geister
Selbes noch wüthender drängt’, und stachelte, froh der Empörung:
Da durchfuhr’s die entsetzliche Höhl’ im sausenden Eilflug —
Attila bebte zurück mit Muhamed: denn an dem Felsen
Stand es, emporgethürmt, hoch über dem Haupte der Cedern.
Heulend entstürzte die Schar holzhauender Krieger dem Dickicht,
Eilte zum Strand’, in dem Ruderboot zu entfliehen dem Tod noch;
Aber nicht allen gelang’s. Den Flüchtenden jagten die Geister
Jetzo das Ungethüm nach, und es warf sich ergrimmter zum Boden.
Weithin bebte der Grund; rings schwankten die luftigen Cedern,
Welche die schnellhingleitende Schlange berührt’, und das Berggras
Welkte vor ihrem Flammenhauch, da Felsengeröll’ ihr,
Stäubend, nachrauschte vom Berg; doch dort, vom Strande des Meeres,
Fest mit dem Schweif umschlingend die weitnachbeugende Ceder,
Schwang sie sich über die Fluthen hinaus. Ihr bläulicher Rücken
Blitzt’ in dem Sonnenlicht, als, längs dem spiegelnden Meer hin,
Schlängelnd, ihr Schatten flog, und sieh’, da erhaschte sie pfeilschnell
Eines der Boot’, und warf’s, mit schüttelndem Grimm, in den Abgrund!
Nichtigem Spielwerk gleich, das zürnend der Knabe zertrümmert,
Flog des Schiffes Gebälk mit lautem Gekrach aus den Fugen.
Trümmer und Leichen bedeckten des Meer’s aufwirbelnde Fluthen;
Aber sie sank, ermattet, zurück, und rollt’ an dem Stamme,
Ringelnd, sich auf: wie ein Seil umringelt den kreisenden Wellbaum,
Wenn von des Meeres Grund die gewichtigen Anker sich heben.
Und die Ceder erbebte der Last des lauernden Unthiers.
Staunend vernahm der Kaiser den Lärm an Zafrano’s Gestaden,
Blickte nach Ludwig hin, und dieser enteilte gewaffnet,
Rasch dem Gezelt; dann schifft’ er auf Dorias herrlichem Fahrzeug
Eilig hinüber zur Bucht, wo, lauernd, das Scheusal der Ceder
Säul’ umschlang. Er hielt, und sann, wie er solches bezwinge.
Sieh’, und, brausenden Flug’s, naht’ ihm der edelste Römer,
Regulus: denn, begrüßend den ruhmverkläreten Schauplatz
Seines, der Weltstadt Rom heilbringenden Todes, gewahrt’ er
Attila’s Hohn, und Muhameds — auch des gestachelten Unthiers
Wüthenden Grimm, und des Jünglings Angst! Da rief ihm der Geist zu:
„Denke des Regulus doch, der einst durch Schleudergeschosse
Hier die Schlange besiegt, und dem Volk Errettung gebracht hat!“[47]
Und es erhob sich sogleich das Bild des edelsten Römers,
Schimmernd, vor seinem Blick: denn laut entboth er die Krieger:
„Windet die Wucht des ehernen Donnerrohres an Tauen
Auf an den Bord; scharf ziele der fernhintreffende Wurfschütz,
Und zerschmett’re das Haupt des unheilbrütenden Scheusals.“
Also geschah’s. Wohl zielte der fernhintreffende Wurfschütz,
Wendend den ehernen Schlund mit dem leichtbeweglichen Richtkeil,
Senkte die Lunt’, und wandte sich. Laut, mit Donnergetümmel,
Sauste die Kugel hinan, und riß den Wipfel der Ceder
Krachend vom Stamm: er bebt’, und still verharrte das Unthier,
Daß es die Schiffenden näher gelockt, erhaschte; doch Ludwig
Sann hochrühmlichen Kampf. Ihm funkelten heller die Augen:
Denn er geboth dem Steuermann urplötzliche Landung,
Schwang sich hinaus, um dort, auf die Kniee gesunken, zum Himmel
Flehenden Blickes zu schau’n, und sieh’, ein Glanz, wie im Nachtgraun
Flammt der Blitz, erhellete jetzo den schimmernden Luftraum;
Goß ihm freudigen Muth in das Herz, und hieß ihn nicht achten
Seines Volkes Geschrei; und als er den schrecklichen Degen
Hoch aufschwang: da glühte die Spitze des Eisens, wie nächtlich
Glühet die Wetterstang’ im Gewölk, wenn rings in den Lüften
Gährender Donner wogt! Er drang auf das Scheusal beherzt ein.
Schauder erfüllte die Welt. In dem ödverstummenden Blachfeld
Scholl nur leises Gezisch des Lauernden. Jetzo dem Gegner
Flog’s in schlängelndem Blitzesflug’ entgegen, und strebte
Ihn zu erhaschen. Er wich ihm behend’ nach jeglicher Seit’ aus,
Stets abwehrend mit blinkendem Stahl des offenen Rachens
Dräuende Wuth; doch jetzt in die Luft aufschwang er den Degen,
Hieb, und trennte das Haupt von dem Rumpfe des scheußlichen Unthiers,
Der, entsinkend dem Stamm, mit Blut umhüllte den Boden.
Heulend vor Schrecken und Angst, entfloh’n die Geister, und eilten
Muhamed nach, und Attila: fern in ätherischen Höhen
Größeres Unheil noch zu ersinnen dem Heere der Christen.
Ludwig kehrte gepriesen, zurück: da liefen die Männer,
Jubelnd, zum Strand’, und sah’n das kühnzerschmetterte Scheusal
Liegen im schwärzlichen Blut, und zucken, und schauern im Tod noch,
Schaudernd sie selbst: denn gräßlich war es noch immer zu schauen.
Dann mit des Waldes Raub belastend das räumige Fahrzeug,
Eileten sie, zu erbau’n die vest’umzingelnden Schanzen.
Wohl von den Reihen beschirmt gewaffneter Brüder — nicht achtend
Dicht im Donnersturm’ hersausender Feindesgeschosse,
Grub an den Schanzen das Volk, und, wo in dem sandigen Boden,
Hügelnd, kein Damm sich hob, und den kreischenden Spaten des Aufwurfs
Sinkende Last stets wieder ereilte: da fügten die Krieger
Stämm’ auf Stämme, dem Wall zur dauernden Stütze. Den Weiden
Raubeten andre ihr schlankes Gezweig, und flochten die Schanzkörb’,
Welch’, erfüllet mit Sand, und erhöht auf dem Damme, den Wurfschütz
Und die Donnerschlünde zugleich beschirmten im Feuer.
Also erbauten sie drei, verderbendräuende Schanzen
An Goletta umher, in Gestalt des wachsenden Mondes,
Wenn er, silbergehörnt, hinschwebt am sternigen Himmel.
Rechts an den Oehlbaumwald, und links an den felsigen Meerstrand,
Stieß ihr Horn, und umkreiste nur halb die trotzende Festung:
Denn auf dem Meer’ umfing sie, dem silbergehörneten Mond gleich,
Wieder die Schiffheersmacht: aus ihres verehrten Gestirnes
Bild, ihr kam der Jammer gesandt, und die grause Vernichtung.
Aber das ehrne Geschütz, von schnaubenden Rossen gezogen,
Rückte zögernd heran; die Räder, im Sande versinkend,
Knarreten unter der Wucht, und Schaum bedeckte die Rosse.
Guasto, im Ehrengefolg zu Thaten gerüsteter Feldherrn
Nahend, rühmte des Werk’s ersehnte Vollendung, und sagte:
„Dreißig eherne Schlünd’ und zehn bomb’schleudernde Mörser
Schirmt Alarkon, der Held, in der mittleren Schanze voll Thatkraft,
Und ihm gehorche die Schar viertausend hispanischer Krieger;
Aber, nicht minder an Zahl, erfüllen die Schanz’ an dem Meerstrand’,
Niederländern gesellt, Lusitania’s Krieger: ihr Hort sey
Ludwig, der tapfere Fürst; doch jen’ an dem säuselnden Oehlwald
Sey fünftausend Wälschen vertraut, und mein ist des Volkes
Schirmende Huth. Das ehrne Geschütz, in jeder an Zahl gleich,
Und an verderbender Macht, entsende zur Veste Vernichtung.“
Aber nicht dacht’ er im Ernst die Schanze der Wälschen zu schirmen:
Denn er versuchete nur den tiefverwundeten Helden
Sarno, den er der Feigheit zieh im unseligen Walten
Raschauflodernden Zorns, und nimmer lächelte seither
Sarno’s trauerumflossenes Aug’. Empört in dem Busen
Trat er nun aus dem glänzenden Kreis’, und sagte zu Guasto:
„Wolltest du mir, erlauchter Gebiether, die Stelle vertrauen
Dort am Olivengehölz, zunächst dem feindlichen Andrang:
Daß sich erweis’ in der That, ob ich feig’ erbebte dem Gegner?“
Guasto’s Aug’ umwölkte die Thrän’; er sagt ihm dagegen:
„Edler, die Schanz’ am Olivengehölz, dem feindlichen Andrang
Näher, sey dir vertraut zum Gewinn unsterblichen Ruhmes.
Ha, nicht des Wortes mehr, des unseligen, das in dem Zorn mir
Jüngst entfuhr, gedenk’: den Tapferen ziere die Großmuth!“
D’rauf both er ihm noch freundlich die Hand, und eilte von dannen:
Denn schon füllten den Raum der vest’umzingelnden Schanzen
Treffliche Völker im Freudengejauchz’, und rings von den Wällen
Gähnte der ehernen Schlünd’ entsetzendräuende Mündung.
Aber vor allen ereilten, im hurtigen Laufe die Krieger
Sarno’s ihr Ziel: sie erhob des wiedererheiterten Feldherrn
Siegverkündender Blick, den lange die Trauer umhüllte.
Dort auf des Wall’s vorspringendem Horn erhöht’ er voll Hast nun
Seines Volkes Panier, das blutroth auf in den Lüften
Flatterte; sah vom gehügelten Wall, mit steigender Sehnsucht,
Nach der Pläne hinaus, zu erspäh’n die feindlichen Scharen.
Tausende sollten ihm nah’n: er hatte beschlossen zu sterben.
Jetzo wäre der Donnerrohr’ und der ehernen Mörser
Schreckliche Wuth um Goletta erwacht; doch, sausenden Rittes,
Sprengte der Kaiser heran; ihm folgte der tapfere Alba,
Diesem die Heldenschar zweihundert Reiter, und schimmernd
Wehte das Friedens-Panier vor den Eilenden: denn in dem Busen
Schlug ihm das Herz voll Huld und menschenfreundlicher Schonung.
Nahend den Feuerwerkern im Flug’, erhob er die Stimme:
„Haltet ein! Nicht ertöne des Krieg’s entsetzlicher Mordruf,
Der in dem blindumwüthenden Grimm so vielfach des Jammers
Opfer häuft, und so viel schuldlose Herzen zermalmet,
Eh’ denn Alba gekehrt aus dem feindlichen Lager. Wir biethen
Auf errungenem Feld, zu furchtbarer Rache gerüstet,
Ihm versöhnend die Hand. So er, taub, und rasend im Unsinn,
Von sich stieße die Hand, und verschmähte des Friedens Bedingniß:
Dann auflodere ringsumher die Flamme des Krieges.“
Sieh’, und den stachelnden Sporn in die Seiten des Rosses versenkend,
Flog nun Alba davon mit seinem erlesenen Häuflein —
Flog, wie ein Sturm die Heide durchtobt! Doch jetzt, von Goletta
Kommend, scholl ihm Getös’ und Waffengerassel im Rücken.
Sinam war’s, der schnell mit tausend maurischen Reitern
Nahete: denn er sah in dem Wind das schneeige Fähnlein
Flattern: des Friedens Bild, den er ersehnt’ in dem Busen
Ob der Schätze daheim besorgt im grauenden Alter.
„Hemmet die Roß’, ihr Christen,“ so rief er, „den sühnenden Herold,
Wenn mich das Auge nicht triegt, gewahrt’ ich in eurem Gefolg dort!
Kündigt er uns, wohlweise berathen, die Worte des Friedens?“
„Ja,“ sprach Alba beherzt, „wir bringen euch heute den Frieden;
Nehmt ihn getrost: denn besseren Rath ersinnet ihr nimmer!“
Jener lächelte Hohn; doch hing in dem brausenden Ritt oft,
Seitwärtsblickend, sein staunendes Aug’ an dem christlichen Feldherrn,
Der im schimmernden Waffenschmuck, ein trefflicher Reiter,
Eisern im Sattel saß, und stolzverstummend dahinflog.
Jetzo die Straßen entlang von Tunis, im Donnergalopp fort
Jagte die Schar, und das wimmelnde Volk lief ihr mit Geschrei nach:
Denn wie im sonnigen Lenz, wenn voll von duftenden Blumen
Pranget der Hain, und pranget das Feld und der zierliche Garten,
Zahllos summen in würziger Luft die geschäftigen Bienen:
Diese, mit goldner Last an jeglicher Seite beladen
Kehren, im Korb zu erbau’n die künstlichen Zellen; die andern,
Ihm entschwirrend in Hast, fortzieh’n, auf den blühenden Matten
Lieblichen Honigseim mit zart eindringendem Stachel
Aus dem duftenden Kelch zu saugen, und kehren, und ziehen
Sonder Rast: so war des unzähligen Volkes Gewimmel.
Ueber der lärmenden Stadt, in Barda’s[48] Zaubergefilden,
Wo die herrliche Sommerburg die goldenen Zinnen
Aus dem dunkelen Grün umsäuselnder Hain’ in die Wolken
Thürmt, verweilte Hairaddin jetzt, und ordnete kundig
Heeraufstellung und Kampf, im Kreise der horchenden Feldherrn.
Dort im luftigen Saal, auf schwellende Pfühle gesunken,
Sprach er mit Salek, und sprach mit Dragut und Muhamed Temtes,
Eifernd, als Pferdegetrab in die Ohren ihm scholl, und die Nachricht
Kam: ein Friedensboth’ erscheine der christliche Herold.
Sieh’, ein Wink fuhr ihm, wie ein Blitz, aus den finsteren Wimpern,
Und im Waffengeklirr aufkrachten die Thüren; des Vorhangs
Purpur flog zur Seite gerollt: denn plötzlich umringten
Hundert Janitscharn, geführt von Hassan, dem Aga,
Schirmend des Herrschers Thron, und sah’n, verschlingenden Blickes,
Hin nach dem Fremdlinge, der an Sinams Seite herankam,
Und dem Throne genaht, erhob die muthige Stimme:
„Dir, großmächtiger Herr, entbiethet der Kaiser der Deutschen,
Und Hispania’s König, durch mich, den Herzog von Alba,
Freundlichen Gruß, und sendet, noch ehe der würgende Schlachtruf
Tunis Gefilde durchtobt, dir sanfte Worte des Friedens,
Daß unzähliger Völker Glück dem deinen vereint sey!
Nicht gedenket er, dir zu entreißen die Krone von Algier;
Aber er heischt, zum Ersatz, für Hassan jene von Tunis,
Die er, erst jüngst, mit heiligem Eid, ihm wieder zu schaffen
Schwur, aufbiethend unendliche Macht. Auch sollst du in Freiheit
Ziehen mit deinem Volk; entführen die Schätz’ und die Waffen,
Wenn du zuvor den Christensclaven die Bande gelöset,
Und gelobet ihm hast, zu entsagen der schrecklichen Willkühr,
Die nur auf Menschenraub und Plünderung gründet die Herrschaft.
Frei ist das Meer: ein Bild der ewigen Vorsicht, umher, rings,
Hält es die Erd’ umfaßt! Auf seinen unendlichen Bahnen
Fliege des emsigen Kaufmanns Schiff, mit schimmerndem Fittig,
Schnell von Port zum Port, im völkerverbindenden Handel
Freudig den Segen der einen Welt der andern zu spenden;
Willig trag’ es, wenn Noth es erheischt, ein muthiges Kriegsvolk,
Das sich erhob, des Wüthrichs Macht zu begegnen — zu wehren
Unterdrückung und Schmach, im blitzebewaffneten Bollwerk
Hin zum sicheren Sieg; doch mög’ es, empört, in den Abgrund
Schleudern das Schiff und den Räuber zugleich, der schnöden Gewinns froh,
Seine Fluthen entweiht, der Knechtschaft Opfer zu häufen!
Unsere Losung sey: des Meers allsegnende Freiheit!“
Dunkelröthliche Gluth flammt’ auf in den Augen des Wüthrichs,
Als er die Worte vernahm; er schwang auf dem purpurnen Pfühl sich
Rasch herum, und ballte die Faust, und knirscht’, und begann so:
„Ha, verwegener Christ, so trotzest du mir in das Antlitz?
Fluch sey dir, und auch ihm, der dich gesendet! Hinweg — stirb!“
Jetzo ereilt’ ihn der Tod auf hundert blitzenden Säbeln,
Rief nicht Sinam dem Volk: „Vergreife dich nicht am Gesandten!“
Alsbald bebt’ es zurück. Da stand voll ruhiger Hoheit
Alba, und starrte mit festem Blick dem Wüthrich in’s Antlitz,
Der, erblassend dem Blick, verstört zum Boden hinabsah.
Stille herrscht’ in dem Saal, und lange noch starres Entsetzen.
Aber der Milde bedacht, sprach Sinam: „Erwählter des Himmels,
Seiner Gläubigen Hort, und Liebling des großen Propheten,
Schone des Herolds: denn wie die Laute mit tönenden Saiten
Lautlos schweigt, bis ihr, nun frohe, nun traurige Weisen,
Wechselnd, des Künstlers Hand entlockt: so hat er auch jetzo
Nur getreu verkündet das Wort, das Herrschergewalt ihn
Sprechen hieß. Nur den verfolg’, ein furchtbarer Rächer,
Der ihn gesendet zu dir, so er stolz verschmähte den Frieden,
Welchen du noch aus dem Born reichströmender Huld ihm gewährest.“
Hairaddin rief: „Wohlan, vernehmet es, was ich beschlossen!
Erst schafft ihr in Banden herbei den schwarzen Verräther,
Muley Hassan, der, Ungläubigen selber zum Spott nur,
Feig der Rach’ entrann. Auch hundert der größeren Schiffe
Möget ihr ohne Verzug uns geben als rettende Sühnung,
Daß ihr noch frei heimkehrt, und entflieht der grausen Vertilgung.
Säumtet ihr, dann Weh’ euch: denn Hunderttausende harren,
Voll blutlechzender Gier, der schrecklichen Losung des Mordens
Nur, und ihr werdet vor ihnen wie Spreu vor dem Sturme zerstieben!“
Und er entließ ihn jetzt mit schnödem Winke der Rechten;
Blickte nach Dragut dann, und wieder nach Muhamed Temtes,
Lächelnd. Er that, als acht’ er ihn kaum, und ihm bebte das Herz noch
Wegen des todverachtenden, mutherhelleten Blickes,
Der ihm die Tiefen der Brust, gleich flammenden Blitzen, durchbohrte.
Aber noch weilte der Held, und sprach zu dem Herrscher noch einmal:
„Gönnet mir gnädig Gehör! Die Gattinn des edelsten Feldherrn
Schmachtet, seiner beraubt, in Draguts harter Gewahrsam;
Doch er gebe sie frei; die Lösung heischend nach Willkühr,
Daß sie des Wiederseh’ns unnennbare Wonne vereine.“
Schnaubend vor Zorn erhob sich Dragut, und rief ihm entgegen:
„Ha, du biethest mir Gold für sie, die schön ist wie Houris[49] —
Gold, das mir zur Beut’ Europa gespendet? Ich wähnte,
Kommen wird der Gemahl, das Weib zu ersiegen im Zweikampf.
Liegt ihm Tunis zu fern? Erzähl’ uns, ist er so furchtsam?“
Alba, des Spötters nicht achtend, ging. Der edlere Sinam
Folgt’ ihm schweigend, und gab, an dem Thor, die maurischen Reiter
Ihm zum Geleit, fern über Goletta hinaus zu dem Wall hin.
Hairaddin hob sich ergrimmt von dem Pfühl, und sagte den Feldherrn:
„Eilt an das blutige Werk, und sucht im stürmischen Angriff,
Heimlich und offenbar, in der Kühle der Nacht und des Tages
Menschen- und thier’ermattender Gluth, dem Feinde zu schaden,
Bis die vereinte Macht unzähliger Bundesgenossen
Uns auf das Schlachtfeld ruft, zum schrecklichen Kampf der Entscheidung!“
Jeglicher eilte zum Heer; doch Dragut, empört in dem Busen
Flog zu Mathilden heim, zu Toledo’s unglücklicher Gattinn.
Ach, sie duldete dort jetzt unaussprechlichen Jammer!
Wie die Rose, dem wonnigen Lenz entfaltend die Knospen,
Rings Entzücken weckt, und freudiges Staunen: so war sie;
Aber, der Lilie gleich, da auf ihre, noch sprossenden Blüthen
Sengender Mehlthau fiel, hinschwand die zarte Gestalt nun,
Nahe dem Leidensziel’, in des Lebens herber Vollendung:
Denn nicht ahnte sie noch in der Stund’ entsetzlicher Trennung
Von Toledo, die größere Qual: dem Kranken nicht ungleich,
Der in des Fiebers Gluth, von Schreckgebilden umgeben,
Noch die Schmerzen nicht ahnt, die bald, nach der Wiederbesinnung,
Seinen, vom Fieber entfesselten Leib empfindlicher stacheln.
Erst in Draguts Gewalt, des Wüthrichs, gewahrte sie, bebend,
Fülle der Schmach, wo seine, nach ihr verlangenden Augen
Sprachen, sein Mund ihr rief: sie werde, des Kindes genesend,
Lagersgenossinn ihm seyn. Da schwand ihr plötzlich der Hoffnung
Letzter, leitender Stern vom graunumnachteten Himmel;
Furchtbar gähnte vor ihr der Abgrund; schauderergriffen,
Bebte sie matt und matter zurück, und Ströme von Thränen
Kühlten das brennende Weh’ in ihrer zerrissenen Brust nicht.
Hugo, der Treue, gewahrt’, und hörte den Jammer Mathildens.
Völlig war ihm gebrochen das Herz vor lastender Wehmuth;
Dennoch log sein Greisengesicht stets heiteren Trost noch:
Daß nicht dem wankenden Stamm die einzige Stütze geraubt sey;
Doch als nun der Kaiser mit Heeresmacht vor Goletta
Stand, den Regulus ihm als Retter verheißen: da schien ihm
Blauer die Luft, die Sonne viel glänzender, grüner das Erdrund;
Da durchzuckt’ ihm das Herz der Freude verjüngendes Feuer,
Und er stürzte herein, und rief der Dulderinn also:
„Segen mit dir! Erheitere schnell dein trauerndes Antlitz:
Draußen am Strand erschien der Christen unendliche Heersmacht,
Hairaddins Frevelgewalt zu vernichten im Kampf der Entscheidung,
Und wo Siegsruhm winkt, auf dem Felde der Ehre, da sollten
Wälschlands Helden nicht seyn? Nicht mit ihnen der edle Toledo?
Hört’ ich es — hört’ ich es nicht: er sey zugegen? Er ist es.
Himmlische Wort’, o möchten sie Muth und freudige Hoffnung
Wecken in deiner Brust! Dem Jammer mußte sein Ziel steh’n;
Kränze des Sieg’s reicht euch, erbarmend, die ewige Vorsicht
Nun am Ziel, in der Wonne der seligen Wiedervereinung.“
Staunend erst, dann zürnend vernahm Mathilde des Greises
Jubelnde Worte. Sie wähnte betrübt: unwürdigen Scherz nur
Sinne der Greis; doch jetzt entzückenstrahlende Wahrheit
Schauend in seinem Gesicht, ergriff sie vernichtender Schrecken.
Bleich entfuhr sie dem Stuhl, ihr bebten geöffnet die Lippen,
Wankte näher, und stand, und hielt den pochenden Busen,
Aechzend; wankte zurück, und starrte durch quellende Zähren.
„Wie, und du weinst?“ sprach Hugo erstaunt, „das gönnt’ ich dir endlich:
Denn oft stillet die Thrän’ unendliches Weh’ in dem Herzen;
Aber nicht Thränen der Freud’ ersieht mein Aug’ in den deinen,
Die es zu sehen gehofft, und ach, vergeblich gehofft hat!“
Und sie begann: „Nicht Thränen der Freud’ erblickst du für jetzt noch,
Redlicher; doch versiegen wird nun jene des Kummers!
Nein, ich weine nicht mehr: denn soll ich den Ewiggeliebten
Wiederseh’n, o, dann, dann werden die heißesten Wünsch’ all’
Mir in dem einen gewährt: daß ich sterb’ an dem Herzen Toledo’s!“
„Ach,“ so schluchzte der Greis, „den Tod ersehntest du jetzo?
Heimwärts schiffet ihr bald, und spät im grauenden Alter
Schlummert ihr beide beglückt zum schöneren Leben hinüber!“
Aber sie schüttelt’ ihr Haupt, und begann in sinnender Schwermuth:
„Wie die unschuldige Taube, verscheucht, und im Fluge gemordet
Von dem schmetternden Blei, ihr Nestchen verödet zurückließ:
So aus der öden Brust entfloh mir die Hoffnung für immer;
Nie kehrt sie mehr zurück. Des Ewigen Wille geschehe!“
Und noch hellere Fluth entstürzte den Augen Mathildens.
Jetzt ertönte Geräusch, und Dragut, der Schreckliche, stürmte
Hastig herein: sie erbebte vor ihm, und wandte sich seitwärts.
Häßlicher noch von der Wund’ im Gesicht’, die gestern Toledo
Ihm versetzte, begann er vor ihr mit grimmigem Lächeln:
„Thränen umhüllen dein Aug’, nun dir der zärtliche Gatte
Nah’ ist? Die Schulter durchrannt’ ich ihm, kämpfend, erst; von dem Nacken
Hätt’ ich gehauen sein Haupt, und dir vor die Füße geworfen;
Wär’ er nicht feig entfloh’n vor dieser gefürchteten Rechten.“
Flammende Röth’ umzog die Lilienwangen der Edlen,
Und sie erhob die, sonst zur Erde gehefteten Augen
Ob des schmähenden Wort’s nun stolz, und voll kühner Verachtung
Gegen den Wüthrich, und schwieg. Da sprach er von neuem ergrimmter:
„Wähn’t ihr thöricht im Geist: wir sollen erliegen im Schlachtfeld
Euerem Volk? Welch eiteler Wahn! Und sollt’ es geschehen,
Dann, ich schwör’ es zu Gott und dem großen Propheten, erwürg’ ich
Dich mit eigener Hand, eh’ dich dein Gatte mir raube!“
Also droht’ er, und ging. Mathilde erforschte den Treuen,
Aengstlichen Blicks; sie rang die Händ’, und sagte vergehend:
„Seine Schulter durchrannt von Draguts tödlichem Eisen?
Weh’, er starb: nicht an seiner Brust verhauch’ ich das Leben!“
Hugo spähet’ umher, und sagte mit leiserer Stimme:
„Traue dem Lügner doch nicht. Toledo’s blitzendem Degen
Wär’ er genaht, und lebete noch? Bald leuchtet der Vollmond
Dir auf dem nächtlichen Pfad zur Felsenhöhle des Waldes.
Staune nicht so: das Schiffchen harrt, und trägt dich, errettend,
Ueber den See, Toledo’s geöffneten Armen entgegen.“
„Hugo, und du,“ sprach jene bewegt, „willst du mich verlassen?“
Unstät irrte sein Blick umher, dann sprach er im Abgeh’n:
„Lauern des Wüthrichs Späher nicht auf? Nur diese zu täuschen,
Harr’ ich des Morgens noch, und werde dir, Gütige, folgen.“
Sagt’ es, und ging voll Hast, als drängten ihn wichtige Sorgen;
Aber sie stand, und bebte: sie hatte den Treuen errathen.
Drüben im Lager vernahm der Kaiser von Alba mit Staunen
Hairaddins Trotz: wie er ihm auf Tod und Leben den Kampf both.
Ernst umwölkte sein Aug’, und jetzt, erhebend den Degen,
Hieß er beginnen den Sturm, von den Wällen umher, auf Goletta.
Sieh’, als wären der Hölle zugleich entronnen die Schrecken
All’, so wüthete Lärm und Getös’ um die Veste! Der Wurfschütz’
Rührte des Brändchens Rohr mit der Lunt’: im bläulichen Rauch flog
Flamm’ empor; zurück, dann eilender wieder zur Stelle
Rollte der eherne Schlund, und warf durch Feuer und Flammen,
Donnernd, im Bogenwurf die Kugel zur Veste hinüber.
So von den Schanzen, und so von dem Meer hinsausten die Kugeln;
Aber nicht minder zurück von dem Wall der trotzenden Festung
Sausten sie hin und daher, voll Grau’ns: denn hoch in des Himmels
Bläulichem Zelt durchkreuzten sich oft die feindlichen; bebend
Drönte die Erd’ umher, und laut aufheulte der Luftraum.
Herrschend mit Allmacht saß die goldenstrahlende Sonne
Nun auf ihrem mittäglichen Thron, und schleuderte rastlos
Glühende Pfeil’ auf Afrika’s Sandgefilde herunter.
Nicht die befiederten Sänger der Luft, nicht das zahmere Hausthier,
Noch das Gewild, belebten die Welt; sie suchten des Hofraums
Schatten, die Nacht der Höhl’, und des säuselnden Waldes Umlaubung.
Auch der Städter zugleich, und der niedrigen Hütte Bewohner
Schlummerte sorglos jetzt in der Kühle der dunkelen Kammer.
Aber nicht weht’ in des Lagers Raum erfreuende Kühlung,
Wo das luftige Zelt nicht schirmte den lechzenden Krieger
Gegen den glühenden Hauch des Tag’s, und nirgend ein Bäumchen,
Nirgend ein Strauch ihm both die Zweige zum schattenden Obdach.
Schweraufathmend und träg’, umwandelten dort auf dem Walle,
Und den Graben entlang, die Wachen; des blanken Gewehrs Last,
Sonst dem Krieger ein Spiel, lähmt’ ihm den Arm und die Schulter.
Düster blickte sein Aug’ aus den halbgeschlossenen Liedern
Hinter dem glühenden Helm hervor; in gewichtigen Tropfen
Rann ihm der Schweiß von der schmerzgefalteten Stirne herunter,
Und die schmachtende Zung’ erstarrt’ an dem trockenen Gaumen.
Deutschlands Söhne, vor allen zuerst, entnervte der Sonne
Sengender Strahl: sie wähnten sich all’ in der Fremde verloren.
D’rum rief Siegmar jetzt, der Hesse, zu Walther dem Bayer:
„Welch ein Geschick ereilt uns hier in dem Lande des Fluches:
Wären wir nie ihm genaht! O Deutschland, edele Heimath,
Schön vor jeglichem Land, das rings im kreisenden Umschwung
Irgend die Sonne bescheint! Den Deutschen, der dich nicht ehrte —
Liebte vor jeglichem, ha, den treffe nur Schmach und Verachtung!
Siehe, wie lästig dahier der ewigheitere Himmel
Lächelt, und o wie entzückt mich dort des stürmischen Winters
Ernste Stirn’, umhüllt von schneebelasteten Wolken:
Denn sie entschütteln die Last, und ringsum schimmert die Gegend
Hell bei Tag und bei Nacht, im Sterngefunkel und Mondglanz.
Eisern faßt mich am Morgen sein Hauch, und unter den Sohlen
Knarrt der Schnee; mein Odem wallt, gleich Nebeln, um mich her.
Bald ergreift mich die Lust, mit höherer Gluth auf den Wangen,
Hinzugleiten auf spiegelndem Eis, das unter den Schlittschuh’n
Ehern tönt; bald spann’ ich mit Freuden das schellenbekränzte,
Dampfende Roß an den Schlitten, und flieg’ in dem windenden Thal hin
So, daß das frohe Geklingel umher von den Bergen zurückhallt;
Doch heimkehrend, erseh’ ich, bewegt, wie im rosigen Abend
Glühen die Berg’, und fern’ im Gefild vom lastenden Schneedach
Wirbelt die Säule des Rauchs, der dort mich zu Freuden des Lebens
Ladet im Kreise der Lieben, beim herzerheiternden Festmahl.
Deutschland, edeles Land, stets sollst du vor jedem mir werth seyn!“
Unmuthvoll ihm sagte darauf der mürrische Walther:
„Froh gedenkst du des Schnee’s, und der Freuden des eisigen Winters
Nun; doch kühlest du mir die Gluth der schmachtenden Brust nicht.“
So besprachen sich dort die tapferen Kriegesgefährten.
Auch die muthigen Ross’ erschlafften des heißeren Mittags
Glühendem Hauch: sie beugten, und hoben ihr Haupt in die Luft auf,
Rastlos; suchten, gedrängt im Kreis’, des eigenen Schattens
Kühl’, und stampften, und scheuchten, gequält, die lästigen Fliegen
Sich mit dem tönenden Schweif, von der Seit’ und dem zuckenden Bauch fort;
Aber nur gieriger summten sie auf, und kehrten erboßter.
Muhamed sah vom Gewölk, wie Salek, der listige Feldherr,
Ordnend den Hinterhalt, von Goletta herüber im Hohlweg
Mächtige Scharen barg, und mit tausend numidischen Reitern,
Spähend den Wald entlang, herzog dem Feinde zum Unheil.
Jetzt auf dem Wall erblickend die Wache besorgenden Christen,
Hemmt’ er, vor Angst erbebend, den Zug, und wäre geflohen.
Doch, wie die lauernde Spinne hervor aus dem Winkel am Fenster
Dorthin fleugt, wo im schwebenden Netze die Fliege, gefangen,
Nun vergeblich sich müht zu entkommen den klebrigen Fäden:
Denn sie ergeußt der Bande noch mehr, sie ganz zu umspinnen:
Muhamed stürzete so zu Salek herunter, und nimmer
Konnt’ er entflieh’n, bethört von des Geistes verderbenden Worten.
„Salek,“ so rief er ihm zu, „die Söhne der Fremde besiegte
Frühe schon Hitz’ und Durst; erkämpfe den leichteren Sieg dir
Heut’ in dem furchtbar’n Hinterhalt! Du lockest des Feindes
Tapferen Hort, der dort umwandelt in sinnender Schwermuth,
Durch verstellete Flucht in des Hohlwegs tödliche Falle.“
Also der Geist. Da flog, gehorchend, der Zögernde vorwärts.
Sarno war’s, der hoch auf dem Wall’, in sinnender Schwermuth
Wandelte. Jetzt, aufqualmenden Staub in der Ferne gewahrend —
Hörend der Pferde Getrab, entriß er der Scheide den Degen
Halb, und stand, und harrte der Kommenden; aber voll Unmuths
Drängt’ er den Stahl in die Scheide zurück: denn viel zu gering’ ihm
Dünkte des Feindes Macht, und rief zu Belindo, dem Hauptmann:
„Eile den Frechen dort mit hundert erlesenen Kriegern
Muthig entgegen; sie flieh’n vor eurem zermalmenden Blick schon.“
Jetzt, wie im dunkeln Forst der leis’auftretende Weidmann,
Schauend die weidende Schar der Hirsch’ auf den blumigen Matten,
Die, an der Schnur gekoppelten Hund’, entledigend, vortreibt:
Diese entfahren mit lautem Gebell dem felsigen Abhang,
Jene erheben ihr ästiges Haupt, und fliehen geschreckt fort:
So, von Belindo geführt, entfuhren die tapferen Krieger,
Brausend, dem Wall’, und streckten mit mordenden Feuergewehren
Aus der fliehenden Schar wohl dreißig, getödtet, zu Boden.
Bald entschwanden sie all’, und jauchzend kehrten die Sieger.
Aber nicht lange, da kam, von mächtigen Scharen umgeben,
Salek zurück, und rief die höhnenden Worte herüber:
„Traun, nicht unhold ist’s, dort hinter den schirmenden Wällen
Ruhig im Mittagsschlaf die faulen Glieder zu dehnen;
Hinter gethürmetem Bollwerk sucht der feigere Krieger
Gerne sein Heil — der tapfere Mann in dem eigenen Muth nur!
Kommt, wir sandten die Reiter zurück, vor welchen ihr bebtet;
Laßt uns in gleicher Zahl versuchen des Kampfes Entscheidung!“
Sarno schrie ergrimmt: „Fünfhunderte mögen mir folgen!“
Sagt’ es, und stürzte vom Wall’ — ihm folgten die tapferen Krieger.
Kaum entbrannte der Kampf; nur sparsam benetzte den Sand erst
Maurisches Blut: da floh’n, ablenkend, die listigen Scharen
Vom Olivengehölz zu dem trugverbergenden Hohlweg.
Rastlos wüthete Sarno’s Schwert dem Feind in dem Rücken,
Und er häuft’ ergrimmt die Leichen: dem Schnitter nicht ungleich,
Der mit dem blinkenden Stahl die Garben häuft auf dem Saatfeld;
Doch, da stürmte vom Walde heran, von Goletta herüber,
Und aus den Tiefen herauf des schlauverborgenen Feindes
Wimmelnde Meng’ auf Sarno: er stand, und es bebt’ ihm das Herz nicht,
Das nur Schlachten ersehnt, und Gefahren des Todes gewollt hat.
Salek kam, wie ein Hagelgewölk im brausenden Sturmflug,
Näher mit seinem Volk. Nie hatt’ ihn das feurige Streitroß
Also getragen: so schnell, so wild empört, und vor Ingrimm
Schnaubend. Muhamed war’s, der jetzt mit seinen Erwählten
Jeglichen Reiters Pferd durch schreckende Gaukelgestalten
Vorwärts trieb: denn solches vermögen die luftigen Geister.
Salek ersah das Weiß’ im dräuenden Auge des Gegners
Schon, und riß sein wüthendes Roß zurück mit dem Zügel:
Aechzend bäumt’ es sich auf, und bog, umlenkend im Sandstaub,
Gegen Sarno die Brust, der, eh’ es den vorderen Huf noch
Senkte, den blinkenden Stahl ihm tief in die Weiche des Bauches
Stieß, daß es laut hinkracht’ im Fall, und den Reiter herabwarf.
Salek raffte sich auf, und schwang den blitzenden Säbel
Ueber des Gegners Haupt; doch, ehe der tödliche Streich fiel,
Bohrt’ er auch ihm den rauchenden Stahl mit der nervigen Rechten
Fest in die Brust. Sein Auge brach; die geöffneten Lippen
Bebten ihm; bleich im Tod hinsank er, und regte sich nimmer.
Muhamed floh, und ihm heulte, bestürzt, sein luftiges Volk nach.
Auch erstarrten die Mauren vor Angst: den sterbenden Feldherrn
Schauend in seinem Blut; doch bald erwachte des Mordens
Wüthende Gier in allen zugleich; sie schrie’n zu dem Himmel
Fluch und Verwünschungen auf, und umbrausten den Sieger. Nicht anders,
Wenn der Jäger im Hain, todsinnend dem kleinen Gevögel,
Einen stattlichen Uhu mit List an den ragenden Lockbaum
Aufstellt, wüthen die Vögel um ihn, und kreischen, und schreien,
Rach’erfüllt: denn oft raubt’ er im nächtlichen Dunkel,
Von dem belaubten Zweig die Entschlummerten, oft aus der Felskluft;
Aber er schaut, aus großen, der Sonn’ erblindeten Augen,
Ruhig umher, und scheuchet die furchtsamen hin und herüber:
Also umdrängten auch hier den edeln Sarno die Gegner,
Rache schnaubend, und links, und rechts sank Reiter und Fußvolk,
Das ihm genaht. Auch kämpften um ihn die treuen Gefährten,
Heldenmüthigen Sinns, und tilgten die feindlichen Haufen.
Jetzt an des Todes grimmigem Fest, umhügelt von Leichen,
Triefend von Schweiß und Blut, erwachte die Liebe des Lebens
Mächtig in seiner Brust. Er wollte sich fechtend zurückzieh’n,
Da er im rühmlichen Kampf, hier weichend der schrecklichen Mehrzahl
Nur, so dacht’ er, bewies: ihn schmäht’ einst Guasto mit Unrecht.
Sieh’, und als er das Volk in dem Rückzug ordnend, sich wandte,
Und verrätherisch sich vom Helm’ der glänzende Harnisch
Sonderte, da durchfuhr mit schmetterndem Schlage die Kugel
Ihm das Genick; er sank, und röchelte sterbend am Boden!
Feindliches Jauchzen erscholl, und es droht’ ihm entsetzlicher Frevel;
Aber Belindo sprang vor ihn hin, und rief den Gefährten:
„Ewige Schande für euch, laßt ihr die Leiche des Helden,
Feiggesinnet, dem Feind’ zum Gespött’ und frevelnden Unfug.“
Schon umstürmt’ ihn der Feind; doch so wie die säugende Bärinn
Sich vor der Höhl’ aufstellt, wenn rings die grimmigen Rüden
Von dem Jäger gehetzt, ihr nah’n, und immer zurückschaut,
Immer den nächsten erhascht, und mit furchtbarrüstigen Klauen
Ihn umklammernd zerreißt, daß heulend die andern entfliehen:
Also hielt er die tobende Schar von der Leiche des Feldherrn,
Fechtend, zurück, bis zween, an Kraft gepriesene Krieger,
Ihn, zur Erde gebückt, auf die Schultern erhoben, und heimwärts
Trugen voll Eil’ und Hast, nach den trefflich geschirmeten Wällen.
Ihnen folgten am Fuß die schnellverwaisten Gefährten —
Auch von Belindo verwaist: denn ach, unzählige Lanzen
Wühlten in seiner gewaltigen Brust, und, vom Rumpfe gehauen,
Sollte sein edeles Haupt zur Schau dem gaffenden Volk seyn!
Aber die Christen floh’n nicht feig’ und in wilder Verwirrung:
Denn sie wendeten oft die trotzige Stirne dem Gegner,
Feuernd aus schmetterndem Rohr, entgegen. Da brausten die Scharen
Wieder zurücke mit lautem Geschrei: wie die Hunde des Schäfers,
Die den muthigen Stier mit Gebell verfolgen im Blachfeld,
Heulend entflieh’n, so oft er, gesenkt, die furchtbaren Hörner
Gegen sie wendet, und brüllt, und Sand aufschleudert zum Himmel.
Jetzt ersah’n vom Wall die wachebesorgenden Krieger
Unheilkündenden Staub; dann näher die flüchtigen Scharen
Ihres Volks, von dem Feinde gedrängt; sie hörten vernehmbar
Kampfesgetös’ — o Jammer, sie sah’n und erkannten den Todten!
All’ entfuhren zugleich dem Wall, den theuren Gefährten
Rettend zu nah’n, und es bebte der Feind den Dräuenden. Alsbald
Wandt’ er den Rücken, und floh nach Goletta’s Mauern hinüber.
Schweigend nahten die Krieger dem Wall. Zur Erde geheftet
Starrete jegliches Aug’: es blickte zuweilen mit Angst nur
Nach dem Entseeleten hin, und goß dann hellere Tropfen
Ueber die bebende Wang’, auf die bärtige Lippe herunter.
Doch vor seinem Gezelt, auf zwölf, untadligen Schilden
Lag er jetzt mit der Fahne des Ruhms, die er einst vor Pavia’s
Mauern errang, wo Frankreichs Stolz dem siegenden Kaiser
Huldigte. Dort sollt’ ihm ein Ehrenmaal sich erheben:
Denn sie erhöhten den Schaft hochragender Speere: zum Haupt hin
Zween, und zween zu den Füßen, gebohrt in den Rasen, im Viereck;
Hingen zum Wappenschild gewehrdurchkreuzende Degen,
Schimmernde Panzer und Helm’, in der Mitte des ragenden Speers auf;
Kehreten dann g’en Mitternacht, und kehrten zum Mittag,
Auch zum Auf- und zum Niedergang des ehrnen Geschützes
Dräuende Mündung hinaus. Er lag, das Antlitz zum Himmel
Wendend; die Linke bedeckte die Brust, und den tapferen Degen
Hielt die Rechte umfaßt, noch wie zu dem Kampfe gerüstet.
Rings umstand ihn das Volk. Ein Tapferer rühmte mit Thränen
Allen umher den Heldenmuth des edelsten Führers,
Als Amino gesprungen kam, der treffliche Spürer
Hochgewilds: sein Liebling, ihm treu, und ergeben, und wachsam.
Winselnd roch er das bleiche Gesicht und die schneeige Hand ihm;
Sah zu den staunenden Kriegern empor, und heulte dann laut auf,
Und von neuem begann Wehklag’ um den edelsten Feldherrn.
Stets erschütternder scholl ob Sarno’s Tod in dem Lager
Lärm aufjammernden Volks: denn erst nur ein leises Geflister,
Dann der Rache Geschrei flog schnell vom Zelt zum Gezelt hin
Brausend. Wie der nahende Sturm das Laub in dem Hochwald
Erst nur leise bewegt; dann bald, empörteren Grimmes,
Schüttelt, und wüthender, Zweig’ auf Zweig’, und Wipfel auf Wipfel
Schleudert, daß zwei, zur Reise gesellt, hineilende Wand’rer,
In dem Gebraus’, auch schreiend, nicht hören das eigene Wort mehr:
Also erscholl Wehklag’ und Lärm umher in dem Lager,
Bis er erreichte des Herrschers Ohr, der, stehend am Eingang
Seines Gezelts, dem nahenden Guasto voll Ungeduld zurief:
„Haben die Feinde gesiegt? Uns irgend Verderben bereitet?“
„Unser die Schuld!“ sprach jener. „Vom Feind, in die Falle gelockt, starb
Sarno den selbsterkorenen Tod; der tapfersten Krieger
Fünfzig fielen mit ihm; Verwundete zählen wir hundert.“
Und er kehrte zurück mit trauerndem Herzen. Des Helden
Jammergeschick, den er im eifernden Zorne der Feigheit
Zieh, schmolz nun sein starrendes Herz, und ihm thauten die Wimpern.
Aber der Kaiser schwang sich rasch in den Sattel, und jagte
Brausend zur Schanze hinaus, wo Sarno erhöht auf dem Schildbett
Lag. Nicht erkühnte sich jetzt sein Volk, das, trauererfüllet,
Ihn umgab, zum Herrscher den düsteren Blick zu erheben:
Denn es erbebte der Schmach, den Lorber verwelket zu schauen,
Der ihm die Fahn’ umwand zum Lohn errungenen Sieges.
Innig bewegt ersah der edelste Kaiser des Volkes
Trauer; er lächelte mild, und rief mit ermunternden Blicken:
„Wandelbar ist der Schlachten Geschick. Wer schildert den Unhold,
Der es beherrscht, und oft von dem früheren Günstling das Antlitz,
Schön und furchtbar zugleich, zu dem Letzterkorenen wendet?
Aber ihn halte der muthige nur mit eisernen Sehnen
Fest: er kehrt, und jauchzt mit donnerndem Schlund ihm den Sieg zu.
Soll euch schmäh’n der Tapf’re, daß ihr, gedrängt von der Mehrzahl,
Und des Gebiethers beraubt, mit zögerndem Schritte gewichen?
Ferne sey’s! Doch jetzt versenket die Leiche des Feldherrn
Schnell in das Grab; verhüllt es mit grünenden Zweigen und häuft dann
Erde darauf, bis wir ihm erhöh’n ein dauerndes Denkmaal.“
Eiliger ritt er zurück: da priesen die Krieger des Kaisers
Unbegrenzete Huld, der statt verwundenden Tadels
Worte des Trostes sprach, und den Tapferen Ehre gewährte.
Und sie bestellten die Leich’ alsbald, dem Herrscher gehorchend.
Aber es wüthete fort und fort des schweren Geschützes
Donnernde Macht um Goletta: denn bald von den kreisenden Schanzen,
Bald von dem wogenden Meer hinsausten die Bomben und Kugeln,
Und nicht minder zurück von den Wällen der trotzenden Festung
Sausten im Donnersturm die schrecklichen her nach den beiden.
Stets verderbender warf die Macht der entsetzlichen Mörser
Mauern und Schanzen in Schutt, und häufte zermalmend die Leichen.
Dort in dem grausen Getös’ umhagelnder Donnergeschosse
Sprengte der Kaiser den Wall entlang, und erweckte die Völker,
Ruh’ausstrahlenden Blick’s, zu freudigem Muth in Gefahren.
D’rauf, zu Guasto gekehrt, aufboth er ihn, scheidend, noch also:
„Sieh’, bald dämmert die Nacht: dann strebe, noch ehe der Vollmond
Ueber die schlummernde Welt sein Strahlenantlitz heraufhebt,
Durch Laufgräben[50] und Schanzenbau Goletta zu nahen,
Daß sie uns neige das Haupt, erstürmt am kommenden Morgen!“
Sieh’, und als er jetzt zu dem Grab, das eben die Krieger
Sarno erhöheten, kam, da däucht’ ihn: ein Stöhnen und Aechzen
Komm’ aus dem schattenden Laub! Er sprang aus den stählernen Bügeln,
Innigbewegt: denn einen verwundeten Krieger zu schauen,
Wähnt’ er, und, ach, ihm kroch, aufheulend, der treue Amino
Sarno’s entgegen, und leckt’ ihm die Hand! Er streichelt’ ihm freundlich
Rücken und Haupt, und lockt’ ihn fort, enteilend, und kehrend;
Doch er schleppte sich langsam zurück, und senkt’ auf die Pfoten
Hin sein müdes Haupt; dann winselt’ er sterbend am Grab noch
Seines getödteten Herrn. Heiß rann an den Wangen des Kaisers
Jetzo die Thräne herab; er kehrte beklommen in’s Lager.
Abendlich zitterten schon die riesigen Schatten der Krieger
Auf dem glühenden Sand; schon hauchte die schimmernde Meersfluth
Kühlere Luft, und es blickte die scheidende Sonne noch einmal
Ueber der Flammenbahn endloser Fluthen herüber —
Nickt’, und sank in ihr Wogenbett im rosigen Westen.
Aber sie hauchte noch lang, mit sanftverglühendem Antlitz,
Purpurröthlichen Duft nach Osten: des kommenden Morgens
Heitre verkündend, und, sieh’, in langen Zügen der Hochlust,
Sog ein jeglicher Mann im Heere die liebliche Kühlung
Ein, und jubelte laut: denn schnell versiegte der Schweiß ihm
Jetzt an seinen, vom Abendwind umsäuselten Gliedern!
Diese besorgten das Mahl, unzählige Flammen empörend;
Jene gruben die blitznachahmenden Weg’ in dem Zickzack,
Sonst Laufgräben genannt, die Erde zur schirmenden Brustwehr
Gegen die Vest’ aufdämmend, und dort, dem Ziele genahet,
Gruben sie auch die Schanzen umher, und führten Geschütz ein.
Furchtbarer drönte die Erd’; aufheulte der flammende Luftkreis:
Denn von neuem begann der vestenzertrümmernde Donner.
Jetzt umhüllte die Nacht mit dunkelem Schleier die Gegend:
Jene, so langersehnete Nacht, des lieblichen Vollmonds
Stille Verkündigerinn, die jüngst, mit der Freiheit, Mathilden
Himmelswonne verhieß, und, ach, voll Jammers dahinschwand!
Sieh’, in dem schattenden Laubengang des zierlichen Gartens,
Der an des See’s Gestad’, von thürmenden Mauern umfangen,
Lag, lustwandelte sie in des Abends heiliger Stille
Täglich umher! Sie erzählete dort lautweinend den Bäumen
All ihr Wehe: sie säuselten Trost, und den Blumen ihr Unglück:
Ihr erglänzte die Zähr’ aus dem duftenden Kelch, und ihr Wehruf
Scholl, dem klagenden Laut der Nachtigall ähnlich im Lenzmond.
Keiner der Männer betrat, die Straf’ urplötzlichen Todes
Scheuend, den Laubengang am dämmernden Abend; nur Hugo
Durfte der Einsamen nah’n, dem Dragut vertraute vor allen.
Aber es hatt’ erst jüngst ein Fischer die dürftige Hütte
Nahe der furchtbar’n Mauer erbaut aus duftendem Schilfrohr;
Zog im Grauen der Nacht das weitumschwimmende Fangnetz
Nach dem gleitenden Kahn, und both den kärglichen Vorrath
Morgens, am Strande des See’s dann feil, laut rufend, und rühmend.
Nicht verdächtig erschien dort Kurd, der trauernde Fremdling.
Emsig trocknet’ er heute sein Netz am heimlichen Pförtchen,
Das im dunkeln Gebüsch, in der Mauer der spähende Hugo
Fand, und harrte mit Angst der Stunde der Flucht und Errettung;
Doch von dem Minaret verkündete jetzt die ersehnte,
Heiseren Ruf’s, der finstere, stundausrufende Iman.
Heftig bebte Mathild’, als Hugo’s eilender Fußtritt
Näher erscholl. „Was pocht dieß trauernde Herz so gewaltig?“
Sprach sie, und hielt sich die Brust, und schritt nun hin- und herüber
Eilend, als sollte sie flieh’n. Dann rief ihr flehender Blick noch:
„Lass’ an des Gatten Brust es brechen, o ewige Vorsicht!“
Hugo ergriff Mathilden am Arm, und führte sie schweigend
Durch verschlung’nes Gesträuch zu dem leis’eröffneten Pförtchen,
Sank auf die Knie’, und drückte mit langem, mit innigem Kusse,
Seinen Mund auf den Saum von ihrem wehenden Kleid noch.
Aber sie stand todbleich, und faßte mit zitternden Händen
Hugo’s grauendes Haupt, und weint’, und konnte nicht sprechen.
Nun geboth er die Flucht, und eilte zurück in den Hofraum:
Keiner gewahrte die Thrän’ an seinen zuckenden Wangen.
Siehe, der Vollmond hob sein silbernstrahlendes Antlitz
Eben in Osten herauf, als Dragut zur eiligen Heimkehr
Spornte sein schnaubendes Roß; im Klirren des Waffengeschmeides
Sprang er vom Sattel, und schrie, daß rings erbebten die Hallen:
„Hugo, weilt die Gebietherinn noch lustwandelnd im Schatten?
Wehe dir, thörichter Arzt, wenn, kühlumschwärmend, des Lüftchens
Hauch ihr Leiden erregt, und nagender Gram mir zu Theil wird!“
Schweigend winkt’ ihm der Greis, und lang’ umirrend, mit Absicht,
Durch des laubigen Hains verschlungene Pfade, nur spät erst,
Kam er zum Pförtchen im Busch, und sprach: „Die erbarmende Vorsicht
Zeigte den Ausweg mir zur Rettung der edelsten Gattinn
Meines Gebiethers: sie floh im gleitenden Kahn, und Toledo
Trägt auf den Armen sie heim, wo im seligen Bunde der Herzen
Sie vergesse des Raubs, und der schrecklichen Nähe des Räubers.
Wüthe nach Willkühr jetzt: hier liegt dein williges Opfer.“
Sagt’ es, und both, auf beide Kniee gesunken, das Haupt ihm
Lächelnd zum Tode dar. Im himmlischen Siege der Großmuth
Schwelgte sein edeles Herz auf jener geheiligten Stelle,
Wo er des scheidenden Engels Kleid an die Lippen gepreßt hielt.
Leblos stand, und starrt’, an jeglicher Miene verzerret,
Dragut nach Hugo hinab; nur langsam löste der Wuthkrampf
Seiner Glieder sich auf: sie bebten, vernehmlich den Ohren,
Und das Knirschen der Zähn’ erscholl in dem Laubengewölb’ dort.
Endlich begann er — nicht mit des Zorns zermalmenden Lauten,
Dennoch schrecklicher: kalt, und grimmig, so vor dem Alten:
„Elender, wie, durch Draguts Hände zu sterben, verlangst du?
Keiner ersann noch den Tod, der dir, Verruchter, zu Theil wird!“
Schnaubend floh er von ihm; bald klirrten die lastenden Ketten
Näher. Mit lächelndem Blick darboth er den Knechten des Wüthrichs,
Die ihm nur schüchtern genaht, die Händ’ und die Füße zur Fess’lung,
Und sie schleppten ihn fort in die Todeshöhlen der Hochburg.
Aber die sanfte Dulderinn lag im eilenden Fahrzeug
Dicht mit Netzen verhüllt, und starrte hinauf in des Vollmonds
Liebliche Helle: der Gegenwart zermalmende Leiden
Schwanden vor ihrem Blick. Wie, fern verschlagen, der Schiffer
Freudig den Hafen schaut durch schwindende Nebel des Morgens,
Sah sie entzückt des Friedens Gefild’, und hörte mit Wonne
Sanft verhallen im Sternenzelt Harmonieen des Himmels.
Jetzt, entronnen des Wüthrichs Macht, am felsigen Ufer
Landend, hob sie sich auf aus der Tiefe des schwankenden Kahnes.
Kurd erschrack: denn ein’ Unsterbliche wähnt’ er zu schauen:
Also erhaben an Huld ihn dünkte die Gattinn Toledo’s.
Doch an der schroffen Bahn aufwärts zur Höhle der Felswand
Klimmend, ruhte sie oft, gestützt auf den redlichen Führer,
Der mit heiliger Scheu an der Seite der Hehren emporstieg.
„Hier,“ so sprach er, „im stillen Schooß der räumigen Felskluft,
Mögest du ruh’n; bald kommt, auf Flügeln der Liebe getragen,
Dein erlauchter Gemahl; du folgst ihm zur Wonne der Zukunft.“
Aber die Augen, von Thränen schwer, erhob sie noch einmal,
Dankend, zum Himmel, und stieg in die schaurige Höhle hinunter.
Jener häufte den Schutt und die Felsentrümmer mit Vorsicht
Auf an dem gähnenden Schlund, und bog das Laub mit den Zweigen
Ueber ihn hin, daß kein umspähendes Aug’ ihn gewahre.
D’rauf durchflog er im eilenden Lauf des schauernden Oehlwalds
Schattenpfad, und kam Toledo die Rettung zu künden.
Nicht erfreute die Nacht mit holdem Schlummer die Augen
Hairaddins jetzt, und schon lange nicht mehr: des nahenden Kampfes
Grau’n umschwebte sein Haupt, wie donnerschwangere Wolken
Schwimmen des Alpbergs Höh’n umher. Auf schwellenden Pfühlen
Saß er, und starrt’ in die leuchtende Flamme, welch’ in dem Prunksaal,
Duftend von Rosenöhl aus der goldenen Lampe sich aufhob.
Muhamed war ihm genaht, und sucht’ ihm Muth und Vertrauen
Einzuhauchen — umsonst! Er dachte des falschen Numiden
Schlangenlist, den Haß des Mauren, des Arabers Feigheit,
Und die erlesene Schar, so klein im Gedränge der Feldschlacht,
Wenn nicht Hülfe erschien, die er jüngst entbothen aus Algier.
Aber der stürmische Geist entschwebte dem Saal, in der Burg dort
Memi, des Harems Hort, und Hairaddins Lieblingsverschnittnen
Suchend. Er saß in der Hall’, und ballte mit sinnenden Blicken
Grimmig die Faust: er wußte nicht, wie zu verscheuchen des Unmuths
Dauernde Wolkennacht von Hairaddins finsterem Antlitz!
Als ihn der Geist umflog, da hob sein wehendes Kleid sich
Ihm an der Brust: er sah im nächtlichen Dunkel der Halle
Lange, verstört, umher; doch Muhamed schalt ihn ergrimmt so:
„Wie, nicht Hülfe, nicht Rath ersinnest du, heilloser Schwächling,
Daß entschwinde der Gram aus der Seele des Völkergebiethers?
Wurde das Thor der Wonne[51] nicht jüngst, vor allen Erwählten,
Dir zur Sorge vertraut, und schlummern nicht rosige Mägdlein,
Die der Handelsmann aus Cirkassia’s[52] Thälern gesendet,
Hier in dem Harem, so hold und schön, wie liebliche Houris,
Die sich Muhamed einst in himmlischen Fluren erträumte,
Ach, und erwachend, nicht fand? Wem red’ ich die Worte vergeblich?
Gehe, verstümmelter Sclav’, und heiße die zartesten Jungfrau’n
Eilig durch Tänz’ und Spiele der bergumschlossenen Heimath,
Holdem Getöne vereint, erfreuen die Seele des Herrschers!“
Dem gleich, welcher um Mitternacht vom leuchtenden Blitzstrahl
Aus dem Schlummer geweckt, in Hast auffährt von dem Lager,
Fuhr auch Memi vom Stuhl, und, eilig die Pforte des Harems
Oeffnend, schritt er, die Hallen entlang, zur entlegensten Kammer,
Wo die erlesenen Drei, auf schwellende Pfühle gesunken,
Schlummerten; sah, wie dort des Mondes lieblicher Schimmer
Zart die Holden umfing, die Welle des schneeigen Busens
Rastlos stieg, und sank; er hörte, hinübergebogen,
Ihres Odems melodisches Weh’n, und erdrückte, vor Ingrimm
Aechzend, die Thrän’, die empor aus seinem zerrissenen Herzen
Drang, und im eilenden Lauf’ dem trüberen Auge genaht war.
Jetzo weckt’ er sie, sanft an der Schulter berührend, mit leisem,
Lispelndem Ruf. So folgten sie, die Gefährtinnen scheuend,
Die, an der Zahl zweihundert, und mehr noch, in räumigen Kammern
Ruheten: all’ erwählt des Herrschers Lüsten zu fröhnen.
Sclavinnen nur, nicht Frau’n. Nicht im Worte des Heiles geschlossen
Ward ihr Bund, wo die Einzige treu verharret dem Einen
Bis in den Tod, und treu die Bürde des Lebens ihm tragen
Hilft, als Mutter der holdaufblühenden Kinder, als Gattinn,
Und als Freundinn zugleich, in seliger Einung der Herzen.
Eilen hieß er sie erst zur badumwölbenden Halle
Unten im Schooße der Burg. Sie tauchten die reizenden Glieder
Dort in die liebliche Fluth, und salbten mit duftendem Oel sie.
Dann aufschloß er mit lächelndem Blick den Schrank in der Mauer,
Weisend die Pracht der Edelstein’ und der festlichen Kleider.
Freudige Röth’ umzog die Wangen der Mädchen, als Memi
Jetzo das Tuch darboth, gewebt von dem emsigen Hindou
Aus der Wolle des Baums. So zart und duftig wie Nebel,
Die in dem Morgenroth umfließen die blühenden Rosen,
Hüllet’ ihr Unterkleid das zarte Geweb’, und er both dann,
Lächelnd, den Gürtel dar, der unter dem schwebenden Busen,
Schimmernd von Gold, den Leib umfing; den wallenden Kaftan
Von blaßrother Seide, verbrämt mit bräunlichem Zobel,
Auch die Saffianschuh’, des Hauptes Zierde, den Kalpack,
Dem des Reihers Gefieder entstieg, und die köstlichen Perlen
Für den Lilienhals — für die Ohren Gehänge von Demant.
Also geschmückt nachfolgten sie jetzt dem winkenden Aga.
Leise die Pfort’ eröffnend, und erst mit spähenden Augen,
Ueber die Schwelle gebeugt, vorschauend, sah er des Herrschers
Leblosstarrenden Blick. Er drängte die schüchternen Kinder
Eilender vor: sie nahten mit Angst dem Sinnenden. Memi
Weckte zugleich auf dem Schrank die flötenbeseelende Kunstuhr,
Die an dem Strand Amalfi’s jüngst erbeutete Dragut,
Plündernd die fürstliche Burg, und Hairaddin dann zum Geschenk gab.
Auch stand, Wunder zu schau’n, auf dem Schrank ein goldener Käfich,
D’rinnen ein Vögelchen saß, ein Hänfling, wie lebend gestaltet.
Als nun Orgelgetön im Schooße des zierlichen Schrankes
Weckte die Uhr: da sang das Vögelchen zart, wie im Lenzmond
Flötet der Hänfling im Busch; die tönende Kehle bewegend,
Wandt’ es den Kopf nun links, nun rechts, und breitete fächelnd
Oft die Flügelchen aus, und wühlt’ in der Brust mit dem Schnabel.
Weder des Hänflings Sang, noch Getöne der künstlichen Orgel
Traf nun Hairaddins Ohr: er starrte noch immer vor sich hin;
Doch, als jetzt, verschlungen im Kreis’, die Mädchen ihm nahten,
Ihm zu erheitern das Herz mit Tänzen der Heimath, und Memi
Schon aufhüpfte vor Lust: da fuhr er vom Lager, und schrie laut:
„Fort, ich zertret’ euch!“ Und sie entfloh’n, wie schüchterne Tauben
Flieh’n vom Feld, wenn Geiers Geschrei aus den Lüften herabtönt.
Schnaubend ging er umher: ihm scholl von dem fernen Goletta
Donnergemurmel an’s horchende Ohr, und er sandte dann endlich
Nach Tobukes, nach Abu-Sa-id, und Muhamed Temtes.
Doch sie nahten im Flug, und bebten der Rede des Herrschers:
„Führer der Völker, die zu Fuß, und auf feurigen Rossen
Mächtige Heere zerstreu’n, vernehmt es, was ich gebiethe:
Ehe des Morgens Dämmerlicht den östlichen Himmel
Röthet, stürmst du, Tobukes, gewohnt im heimlichen Anfall
Sieger zu seyn, mit zwanzigtausend Erwählten des Feindes
Mittlere Schanz’, und ich, von den schrecklichen Kriegern umgeben,
Dringe durch das Olivengehölz, wenn, schimmernd, des Meeres
Fluthen die Sonn’ entsteigt, und dort auch Muhamed Temtes
Von Goletta heran, zu erstürmen des Lagers Umwallung,
Während uns Abu-Sa-id, Arabia’s treffliche Reiter
Führend, gleich dem Orkan, dem sinkende Wälder erkrachen,
Rasch nachdringt, und den fliehenden Feind vernichtet auf einmal.
Also gewahrt ihr im Sieg den Segen des großen Propheten!“
Jene, entflammt in der Brust von den Worten des furchtbaren Herrschers,
Eilten zum Kampf. Entlang Medscherda’s Ufern (Bagrada[53]
Hieß der mächtige Strom in Karthago’s verschollenen Tagen)
Wogten des Arabers bräunliche Zelt’ im Hauche des Windes
Weit umher. Er bauet sein Zelt, dem höckrigen Lastthier
Gleich an Gestalt, das fort, ein lebendes Schiff, in des Sandmeers
Wüsten wandelt: ihr Sohn, so fromm und so duldend. Es ruhte
Noch entschlummert das Volk, und die losgebundenen Rosse
Weideten frei im Gefild. Doch als nun die ehernen Becken
Abu-Sa-ids erschollen; als laut ertönte der Schlachtruf:
Da fuhr jeglicher Mann gerüstet vom Lager, und rief dann
Vor dem Gezelt sein edeles Roß bei’m Namen. Sie flogen
Wiehernd herbei, und bothen dem wolligen Sattel den Rücken —
Bothen die Zunge dem Zaum, und bäumten sich hoch mit dem Reiter.
Aber Afrika’s bräunliche Söhn’ erweckte Drometen-
Schall, und Barda’s Höh’n entströmten die lärmenden Scharen,
Wie im thauenden Lenz von der schimmernden Kuppe der Alpen
Schneefluth kommt, und laut herrauscht in die Thäler. Sie führte
Muhamed Temtes zum Kampf, des Fußvolks kühner Gebiether.
Scheidend senkte der Mond im Westen sein blässeres Antlitz
Jetzt in Nebelgewölk, und dämmernd erhob sich der Morgen.
Hairaddin hielt am Olivengehölz mit den Schrecklichen. Allen
Kam er zuvor, und hieß, des Kampfs wohlkundig, die Schanzen
Eilig erbau’n auf den Höhn des ragenden Felsengebirges,
Das Mathilden im Schooß der schaurigen Höhle, seit gestern
Barg. Dort lag die unglückliche Frau (der nahen Entbindung
Wehen durchzuckten ihr Mark und Gebein) unsägliche Qualen
Duldend, und harrend mit Angst des heißersehneten Gatten.
Eilenden Laufs war Kurd dem Lager der Christen genahet,
Trat in Toledo’s Gezelt, und sprach, tiefathmend, und bebend:
„Hugo’s Worte verkündet mein Mund: ihn mögest du hören.
Siehe, der Morgen grau’t, der langgetrennete Herzen
Wieder vereint! Schon harrt in traulicher Felsenumhüllung
Dein die Gattinn mit Angst: o trage sie jetzt auf den Armen,
Freudigerrettend, heim zu nimmer versiegender Wonne —
Heim in das Vaterland! Ein liebender Vater den Waisen
Hugo’s mögest du seyn, der dich in der hülflosen Kindheit
Oft auf den Armen trug, dich fröhliche Spiele gelehret,
Und die Treue dir stets in dem redlichen Herzen bewahrt hat.“
„Kurd,“ so jauchzte Toledo ihm zu, „Kurd, waffne dich eilig,
Du mein Freund fortan, mein Bruder und Waffengefährt’ jetzt;
Säume nicht, schnell geleite mich hin zur Höhle des Waldes!“
Hastig reicht’ er die Waffen ihm dar. Die finsteren Augen
Kurd’s entflammten sich hell, und des Kummers tiefere Furchen
Schwanden von seiner Stirn’ und Wange: nur Jauchzen des Sieges
Scholl um ihn her aus den Tagen des Ruhms erretteter Heimath,
Und, im versöhnten Gemüth gedacht’ er nicht seines Geschicks mehr.
Jetzo, im Waffenschmuck auf feurige Rosse sich schwingend,
Jagten die Helden hinaus, entgegen der Höhle des Waldes.
Lauter säuselte schon aus Osten der schaurige Frühwind;
Purpurröthlicher Glanz entfloß des goldenen Morgens
Weiteröffnetem Thor; aus den dämmernden Wolkengefilden
Sah die wirbelnde Lerche zuerst erwachen die Sonne,
Und, jungfräulichverschämt, mit höherer Gluth auf den Wangen,
Dort dem rosigen Lager entflieh’n: als schauernde Wälder,
Noch in Dunkel gehüllt, mit leisem Zwitschern und Flistern
Ihr anstimmten den Morgengruß, und die Wellen des Meeres,
Hocherhebend das Haupt, sich sehnten, die Holde zu schauen;
Aber nur Blut, nur Mord, nur sterbender Menschen Geröchel
Wallt’ ihr zum Morgengruß aus Goletta’s Fluren entgegen.
Eilender stürmte Tobukes heran. Wie ein reißender Bergstrom
In der Gewitternacht anschwillt, und des Landes Bewohner
Schnell vom lieblichen Schlaf erwecket zur Angst und Verzweiflung:
Denn sie vernahmen es nicht, daß fern im finsteren Waldthal
Sausend die Wolke zerbarst, und Fluth entstürzte dem Abhang:
So, von Tobukes geführt, herströmten die Scharen, und stürzten
Auf Hispania’s Macht. Da gaben die spähenden Wachen,
Staub gewahrend, und Volk in dem Staub, durch Büchsengeschmetter
Zeichen der Noth und Gefahr: aufrafften sich eilig die Krieger,
Und sie folgten beherzt dem trefflichen Führer Alarkon.
„Brüder,“ so rief er laut, „nun vorwärts! Eiserngeschlossen
Haltet die Reih’n, und dränget den Feind vom Rande des Grabens
Muthig zurück; besiegt entflieh’ er vor unseren Augen.
Denket der Wälschen, die erst vorschnell, nur flammender Kühnheit,
Nicht vorschauendem Muth gehorchend, im Felde der Waffen
Bluteten. Auf, Hispania’s Volk: du stehe, dem Felsen
Gleich im Sturme der Schlacht, des sicheren Sieges gewärtig!“
Und er führte die Reih’n zum schanzumkreisenden Wall hin.
Aber wie dort an dem Mohrenstrand, hoch über der Meersfluth,
Schwebt die schreckliche Wassertrompet’, ein winzig Gewölk erst;
Dann urplötzlich mit Donnerschall auf die Fluthen herabfährt,
Wirbelnd sie faßt, in die Luft aufhebt, und brausend im Jähsturz,
Hier die Schiffe zerschellt auf dem Meer, und dort an dem Ufer
Wüthend, unseliges Volk, und Hütten, und Saaten vernichtet:
Also erstiegen die Feinde den Wall im schrecklichen Anlauf.
Allah-Geschrei und Gekrach der stürzenden Pfähl’ an dem Graben
Brauste vor ihnen daher; geschwungener Säbel Gezisch scholl;
Staub flog auf. Schon wandten sich eilig die Christen: die Vorschar
Stürzt’ auf die folgende, wie, vom wüthenden Sturme gehoben,
Wog’ auf Woge sich stürzt, und trennte die Ordnungen weithin.
Jetzt vom Schrecken betäubt, nicht hörend die Stimme des Führers,
Wichen sie all’. Er stand, und bohrte den Flüchtenden links, rechts,
Zürnend, das Schwert in die Brust, und ging, und wär’ er allein nur,
Rühmlichen Kampf und Tod im Sinn, den Feinden entgegen.
Aber, glühend vor Scham, gewahrten die Krieger sich alle
Fortgerissen zu schmählicher Flucht. Sie kehrten im Sturmschritt
Wieder zurück; dann schnell die Gewehr’ an die Wange sich pressend,
Zielten, und drückten sie los, und Stein und Stahl an dem Schlosse
Schleuderte Blitz’; aufflammt’ an der Pfanne das Pulver: hinausfuhr
Krachend die Kugel — sie flog in die stürmenden Haufen, und Volk sank.
Dann mit glühendem Muth, stets unaufhaltsamer, jauchzend,
Drangen die Tapferen vor, und warfen die stürmenden Haufen
Wieder zurück auf den Wall. Dort stand Alarkon vor allen.
Sieh’, ihm nahte, beherzt, der einzige Sohn Abdul Hamids,
Des zu Tripoli herrschenden Dey’s! Ihn sandte der Vater,
Daß er in Hairaddins Heer’, erringend die Kränze des Sieges,
Kehre zur Freud’ ihm heim, und zum Trost im grauenden Alter.
Aber er freue sich nicht, den Tag der fröhlichen Heimkehr
Seines Erzeugten zu seh’n: ihn hüllet die Erde vor Tunis.
Weitvorhaltend den Speer, eindrang er mit Wuth auf Alarkon,
Daß ihm der Schaft in der Faust erzitterte; dennoch, dem Kampf schon
Lange geübt, vermied im Sprung’, Alarkon des Speeres
Tödlichen Stoß. Er hieb, mit kräftiger Rechte den Degen
Schwingend, den Schaft entzwei, und rannte den blitzenden Stahl ihm
Jetzt so tief in die Brust, daß er, scharfgeschliffen, ihm alsbald
Auch die Schulter durchfuhr: er sank, und stöhnt’ in dem Tod noch.
D’rauf, entreißend den Stahl, zerschlug er dem Bascha von Tarsus,
Ahmet, die ragende Stirn’: er taumelt’ am Rande des Walles
Nieder, und fiel, die Händ’ ausbreitend, hinab in den Graben.
Wie der flüchtige Hirsch, den heiß verfolget der Schweißhund,
Nah’ an des schwindligen Abgrunds Rand, erlegt von dem Weidmann,
Jählings entstürzt: dumpf kracht sein Geweih an dem Felsen hinunter:
Ahmet entstürzte so schnell: ihm krachten im Falle die Glieder.
Aber da schlich Tobukes, ergrimmt, an den Rücken Alarkons;
Jauchzt’, und bohrt’ ihm, weitausholend, den Dolch in den Nacken.
Sterbend lag er am Wall, doch winkt’ er dem kühnen Sarmento,
Führer zu seyn des Volk’s in entsetzlicher Stunde des Wuthkampfs.
Zärtliche Freundschaft wand die Blüthen der fröhlichen Jugend
Immer noch frisch und duftend um beider Herzen: sie wallten,
Innigvereint, des Ruhmes Pfad im Leben und Tod noch.
Ob des Freundes Geschick aufstöhnend, brauste Sarmento
Vor, und schrie, und erweckte den Muth der zagenden Krieger,
Und von neuem begann auf dem Walle das grause Gemetzel.
Warf Sarmento den Feind, vordringend, zurück in den Graben,
Stürmte Tobukes ergrimmter herauf, nicht achtend der Haufen
Seines getödteten Volks: denn viele der Christen erlegt’ er.
Gleich dem Nebelgewölk, das hoch in den bläulichen Luftraum
Aufschwebt; dann von zween sich bekämpfenden Winden ergriffen,
Hier- und dorthin treibt: so schwankte des Kampfes Entscheidung.
Einst Germania’s Hort, und im Kampf: Legionenzertrümm’rer,
Hermann, sah die Gefahr, und fuhr im sausenden Eilflug
Nach des Kaisers Gezelt, der dort, tiefsinnenden Blickes,
Einsam saß, und erregt’ ihn so mit den muthigen Worten:
„Säume nicht: heiß bestürmet der Feind Hispania’s Krieger;
Eile hinaus: dein Blick gebiethe den Sieg in dem Schlachtfeld.“
Hastig entfuhr er dem Stuhl’, und blickte, verwundert, um sich her.
„Ahnt mir Gefahr?“ so dacht’ er, dem Zelt enteilend. Er schwang sich
Draußen auf’s feurige Roß, und flog nach der Schanze hinüber.
Ihm nachjagte Gefolg’, und unter den stampfenden Hufen
Drönte der Boden umher; aufquoll der flimmernde Sandstaub.
Jetzo der Schanze genaht, begann der zürnende Kaiser:
„Wie, Hispania’s Volk, dich nannte die staunende Mitwelt,
Rühmend, das Erst’ im Feld, und du weichest dem feindlichen Andrang?
Auf, und rette den heimischen Ruhm! Ein glänzender Leitstern
Sey er dem Krieger im Kampf: nur mit ihm verlösche sein Leben!“
Lodernden Flammen gleich, ergriff die Herzen des Kaisers
Zornausruf: da brannt’ auch der schwächere Mann in den Reihen,
Gegen die Feinde des Kriegs vernichtende Schrecken zu tragen,
Und sie kehrten sogleich. Wie ein bergabtaumelnder Felsblock,
Dem die Wälder erkrachen, Geröll’ und Erde zerstäubt weicht;
Oder vom dauernden Regen geschwellt hinbrauset ein Bergstrom
Durch die Fluren, und Hain’ und blühende Saaten zerstöret:
So in des Feindes Reih’n umwütheten jetzo die Krieger,
Rächend des Rückzugs Schmach. Doch wehe, da stürzte Sarmento,
Von Tobukes durchbohrt, und haucht’ an dem Busen des Freundes,
Der auf dem Walle getödtet lag, den muthigen Geist aus!
Glückliches Los, das so die liebenden Freunde vereinte!
Ueber ihn hin (betrübt zwar, doch des eisernen Krieges
Stimme geboth’s) und über die Hügel erschlagenen Volkes,
Eilten die Reihen auf Reih’n jetzt vor, und warfen die Gegner
Von dem Wall’ in den Graben — aus ihm hinüber in’s Blachfeld,
Raschverfolgend. Nicht half das Schrei’n des Führers, Tobukes,
Nicht die knirschende Wuth des Volks: denn, Hagelgewittern
Aehnlich, folgte der Sieger ihm nach, und grause Vertilgung.
Unter den Letzteren floh Tobukes, und stöhnte vor Ingrimm.
Furchtbar war sein Arm in dem Kampf, und, glühend vor Sehnsucht,
Gohr ihm die Brust, daß Hairaddin bald vom Olivengehölz her
Nahend, ihm eine die Macht, zu vernichten die feindlichen Scharen.
Aber er harrt’ umsonst, und jetzo, von Wunden ermattet,
Sann, und erwog er im finstern Gemüth’: ob Hairaddins Rach’ ihn,
Da er ihn haßte, vielleicht dem sicheren Tode hier preisgab?
Unerträglich erschien dem Zweifler des nächtlichen Irrwahns
Täuschendes Licht; er riß ergrimmt von der Seite den Mordstahl,
Stieß ihn tief in die Brust, und fiel, und röchelte sterbend.
Aber, vor Schrecken erstarrt, gewahrten die Krieger des Feldherrn
Blutige That, und floh’n jetzt eilender fort nach Goletta.
Hairaddin hörte des Kampf’s grau’nvolles Getös’ in dem Waldthal;
Doch ihm scholl’s erfreuender, als in dem silbernen Mondlicht
Liebenden tönt Harmonikaklang und Harfengelispel.
Vorwärts drängt’ ihn der Muth und die Blutgier; aber er hielt noch,
Bis er die Schanz’, erbaut auf den Felsenhöhen, gewahrte,
Und das eh’rne Geschütz, das weit in die Ferne hinüber
Schleudert den Ball (Feldschlange genannt), in jene geschafft war.
D’rauf begann er so, vor dem Meister des schweren Geschützes:
„Bujukdur, Sohn Hafis, horch! wenn außer dem Oehlwald
Schimmert die Fahne des Vorderzugs: dann feu’re, verderbend,
Nach dem Lager hinaus. Abdallah, der muthige Feldherr,
Sey dir schirmend gesellt mit tausend erlesenen Kriegern.“
Und nun führt’ er das Heer, ihm tiefere Stille gebiethend,
Durch den Olivenwald, dem Lager der Christen entgegen.
Siehe, da jagte mit Kurd, auf schnaubendem Rosse, Toledo
Näher. Es hing sein thränendes Aug’ an den Höhen der Felswand,
Welche die Gattinn ihm barg, und im rosigen Morgen die Scheitel
Glühend erhob. Wie dort dem leidenerfahrenen Jüngling,
Den ein feindlich’ Geschick aus den Armen der liebenden Aeltern
Riß, das Herz erpocht, so nach Jahren der schmerzlichen Trennung,
Er, heimkehrend im Schiff von Amerika’s wüsten Gestaden,
Jetzo die Thürme der Vaterstadt in der Ferne gewahret,
Jetzt sein väterlich Haus, und jetzo den Hügel und Anger
Wieder erkennet, wo ihm die seligen Jahre der Kindheit
Schimmernd entfloh’n: nur vorwärts strebt er, und weiter entfernet
Däucht ihn das Ziel, als einst von des Meer’s endlosen Gewässern:
Also pocht’ ihm die Brust, und eilender jagt’ er das Roß hin:
Schauend den Fels, der hell vom Morgenschimmer ihm winkte.
Plötzlich hemmt’ er das Roß, und starrte mit tiefem Entsetzen
Vor sich hin, da er nun die raschvordringenden Scharen
Nahe der Höhl’ ersah. Kurd rief mit leisem Gelispel:
„Kehr’ in Eile zurück: dort nah’n unzählige Feind’ uns!“
„Kurd,“ entgegnet er sanft, „ich sehe die Feind’ an dem Felsen:
Hin ist die Hoffnung — Mathild’ ist todt! Nun will ich im Kampf hier
Sterben, dem Schicksal zum Hohn, den Tod des tapferen Kriegers.“
Schnell entblößt’ er den blinkenden Stahl, und flog auf das Blachfeld
Muthig hinaus: da erfaßte noch Kurd das Roß an dem Zügel,
Riß es gewaltig zurück, und rief dem Tobenden also:
„Soll die unglückliche Frau vergehen in schrecklichem Jammer,
Deiner beraubt? Sie ruht in der dunkeln Höhle geborgen.
Lass’ uns, des Ueberfalls Verkündiger, eilen in’s Lager;
Wecken die Brüder zum Kampf’, und erretten im Sieg’ auch Mathilden!“
Hastig trieb er sein Roß, und mit diesem den Renner Toledo’s
Wieder zurück, der, tiefverstummend, die Augen zuweilen
Gegen den Himmel erhob, und laut aufseufzte vor Herzleid.
Aber in stürmischer Hast hinflogen die schnaubenden Rosse;
Staub quoll auf in die Lüfte, der Wald, die Berg’ und die Hügel
Wichen im Fluge zurück, und die Helden durchbrausten das Lager.
Dort des Ueberfalls, des nächtlichen, denkend mit Unmuth,
Hatte der Kaiser das Volk ringsher gerufen zur Heerschau.
Rastlos schmetterten fort die eh’rnen Drometen; die Trommeln
Wirbelten dumpf, und riefen verständliche Laute den Kriegern.
Wie das unzählige Volk der Schwalben im sonnigen Spätherbst
Rings mit lautem Geschrei, vorahnend die Stürme des Winters,
Sich anschickt, entgegen zu zieh’n besonnten Gefilden:
Meng’ an Menge gedrängt, versammeln sich eilig die Scharen:
Also vereinten sich hier die tapferen Krieger zur Heerschau.
Ernsten, musternden Blicks, hinritt an den Reihen der Kaiser.
Jegliche Fahne sank; die Feldherrn all’, und die Führer,
Hielten den Degen gesenkt zum ehrenden Gruße; das Fußvolk
Schwenkte die Lanz’ und das blanke Gewehr, und der Reiter den Säbel.
Aber die Trommel scholl, und Drometengeschmetter ertönte.
Jetzo hätt’ er dem Heer gewichtige Worte gesprochen,
Ruhm den Tapfern gezollt, und gerügt Verblendung und Saumsal;
Aber da flog mit Kurd, im eilenden Laufe, Toledo
Näher, und hielt, kampfdürstenden Blicks, an der Spitze der Seinen.
Jener, dem Herrscher genaht, erhob tiefathmend die Stimme:
„Herr, wie die Fluthen des Meer’s im Hauch des stürmischen Nordwinds,
Zahllos, Wog’ an Woge gereiht, zum Strande sich wälzen,
So vom Olivengehölz dir nahen die feindlichen Scharen!“
Noch entfloh den Lippen nicht ganz die unfreudige Nachricht,
Als von den Felsenhöh’n mit Donnergetös’ und Gebrülle,
Lastende Kugeln heran, in des Lagers Mitte geschleudert,
Flogen: da sank in Reih’n und Gliedern, Jammer dem Anblick,
Häufig der tapferste Mann! Schnell riß die zischende Kugel
Diesem die Füße vom Leib, und warf sie, zerschmettert, zum Boden,
Jenem den Arm, und dem Dritten das Haupt, entsetzlich und furchtbar
Von dem taumelnden Rumpf’, und es wälzten sich treffliche Rosse
Dort mit dem Reiter, verwundet, im Blut. Unsichtbaren Fluges,
Treffen des Todes Geschoss’ aus den lautumdonnernden Schlünden:
Weder Kraft, noch Muth errettet von grauser Vertilgung,
Die aus der Fern’ urplötzlich Bewehrt’ und Wehrlose hinstreckt.
Jetzo gebothen sogleich des Krieg’s wohlkundige Führer
Wechselnde Stellung, und vor- und rückwärts, schief, und gerad’ hin,
Wogte das Heer: das Ziel zu entrücken der feindlichen Obmacht.
Aber der Kaiser sann. Er winkt’. Ihm nahte der Feldherr
Lichtstein: denn er gewahrte den Blitz in dem Auge des Fürsten.
„Lichtstein,“ also sprach er, „du ziehst den engeren Thalweg
Hinter dem Salzthurm fort, zu erstürmen die Schanze der Felshöh’n:
Weder Medscherda’s reißende Fluth, noch die schroffe Gebirgswand
Hemme des Siegers Lauf! Vier tausend muthige Schützen,
Tausend Reitern gesellt, genügen dir. Ist es gelungen:
Dann bedrohe den Feind, nicht achtlos Unser, im Rücken.“
Jener entschwand: ihm hob die Heldenseele des Herrschers
Ehrender Ruf, und erkor in Eile die tapfern Gefährten:
Oestreichs Reiter und Ungerns, die den tyrolischen Schützen
Folgten im munteren Schritt, und des Spessarts Kriegern, und Hessens.
Auch entboth er den Troß der fährschiffführenden Wägen,
Rossebespannt zu folgen der Schar werkkundiger Brückner.
Wieder begann der Herrscher, und rief mit leuchtendem Antlitz:
„Fort in den Kampf! Voraus die Reisigen, welche Mendoza
Heut’ in dem Vortrab lenkt, zum Ruhme der hohen Cortezza.
Ihnen folg’ in gemessenem Schritt, im Trommelgewirbel,
Und die Fahn’ im Blick, Neapels muthiges Kriegsvolk,
Jenem gesellt, das uns die erlauchte Roma gesendet.
Ueber sie heischt Toledo’s Blick die Leitung — sie werd’ ihm:
Denn ihm winket des Sieges Preis in der Stille der Felsnacht.
Aber die Ritter-Schar führt Garzia Lasso, und Alba,
Flammenden Muth’s, der Spanier schwergeharnischte Reiter
Gegen den Feind; nur Eberstein verharr’ in dem Lager,
Ihm ein schirmender Hort, mit den treuverlässigen Deutschen.“
Also geordnet, eilte das Heer in die stürmende Feldschlacht.
Wie der Heuschrecken Heere, gejagt aus Syriens Wüsten
Von zerstörender Gier, anstürmen im Sommer, daß weithin
Sauset die Luft, und die Sonne verlischt in der Helle des Mittags:
Also schwebten auch jetzt in zwei gesonderten Haufen,
Brausend, die Geister heran, und jeglichem eilten die Herrscher,
Muhamed erst, dann Attila vor: zwei finsteren Wolken
Gleich, die donnerschwer, in dräuender Stille heraufzieh’n.
Unmuth gohr in dem wilden Blicke des hunnischen Königs;
Auch die glühende Stirn’ und Wange des Koran-Verkünders
Zuckte vor Wuth: nicht die Christen all’ im Kampf der Entscheidung
Schauend. Lechzende Gier nach Blut erfüllte die Furchtbar’n.
Muhamed rief: „Erblick’ ich dort Arabia’s Krieger?
Wehe, denn weder an Muth, noch an Thaten sind sie mir ähnlich
Mehr, die Feig’umschwärmenden! Jetzt, und hinfort mir ein Liebling
Seye der Türk’. Aus Turkestans[54] sandiger Flur sich erhebend,
Kam er, ein brausender Sturm, und säte des heiligen Korans
Samen aus in die Welt, und lenkt’ an die Keime den Blutstrom,
Daß er erwuchs, und die Ernt’ in üppiger Fülle sich fortmehrt.
Hebe dich, luftige Schar: dem Christen errege die Gegner,
Daß er besiegt hinschwind’, und nie rückkehre zur Heimath!“
„Tapfere Scythen, ihr!“ rief laut der Hunnen-Beherrscher,
„Die, nach Attila’s Wink, den allverheerenden Flammen
Aehnlich, im Garbenfeld der schmachgereifeten Menschheit,
Wüthetet, als uns Rom auf den sieben Hügeln erbebte —
Byzanz neigte das Haupt: erhebet die luftigen Waffen,
Weil, der sterblichen Hüll’ entrückt, der Thaten Vollendung
Nimmer den Busen uns labt, nicht der Sieg im Jauchzen der Mordlust;
Auf, und dränget der Janitschar’n blutdürstende Rotten
Rastlos vor zum Gewürg’ in volkzermalmender Feldschlacht!“
Jauchzend vernahmen des Herrschers Ruf die luftigen Scharen;
Aber so laut und so mächtig sie schrie’n — es zischte nur leises,
Schwaches Geflister herab. Wohl starrt’ in der eilenden Heersmacht
Mancher der Krieger empor; doch leer ihn dünkte der Luftraum.
Leise, mit weitvorstrebendem Fuß, die klirrenden Waffen
Pressend im Arm, und das Roß, daß es schweig’, an den wallenden Mähnen
Streichelnd, nahte der Feind in täuschender Stille vom Wald her.
Doch als jetzt von den Felsenhöh’n das wichtige Zeichen
Donnernd erscholl, und fern in des Lagers Mitte Verderben
Säte der eherne Schlund: da jagten die listigen Scharen
All’, im geflügelten Lauf, im Getös’ empöreter Mordwuth,
Allah! Allah! brüllend, heran an des Lagers Umwallung:
Denn urschnell und in wilder Verzweiflung sollte der Christen
Schlummerndes Volk, so wähnete Hairaddin, Jammer ereilen.
Siehe, und als dem Wald, wie am wetterverheißenden Morgen
Zürnende Bienen dem Korb’, entströmte sein lärmendes Kriegsvolk,
Führt’ ihm Mendoza, der Held, im Blitze des Waffengeschmeides
Schon entgegen die reisige Schar: er selber den Kampfpreis
Heischend vor ihm, und kühneren Blick’s vorstürmend zum Angriff!
Wie, wenn lechzend nach Blut, der schreckliche Tieger im Dickicht
Leises Geräusche vernimmt, und dort, nur scheue Gazellen
Suchend, den Leu’n, den langvermied’nen, gewahret, da wankt’ er
Vor dem entsetzlichen Feinde zurück, und denket der Flucht schon;
Doch bald kehrt ihm die Wuth: er senkt die Brauen ergrimmter
Nieder, und fletschet die Zähn’, ihm den letzten der Kämpfe zu biethen:
So mit staunendem Blick sah Hairaddin jetzo die Gegner
Kommen im Feld, die er, würgend, vom Schlaf zu erwecken gedachte.
Aber er säumte nicht, trieb, und jagte die Zögernden vorwärts,
Und der Geister aufjauchzendes Heer flog brausend hernieder,
Nahte den Kriegern, und schrie in das Ohr dort Jeglichem: „Vorwärts!“
Wie der Bremsen erboßter Schwarm in der Stunde des Mittags
Rasch auf die Heerde des trägeren Hornvieh’s, dann auf der Rosse
Munt’res Gestütt’ sich wirft, und all’ in rasendem Taumel,
Brüllen, wiehern, und flieh’n: denn, ob ein schwindliger Abgrund,
Oder die tobende Fluth tief unten dräuet — sie stürzen
Unaufhaltsam hinab; so drängten die luftigen Geister
Hairaddins Volk an die Feind’, und furchtbar tönte der Schlachtruf.
Siehe, die Reiterschar der Araber tauchte vor allen,
Spornend das feurige Roß, und vorgebeugt aus dem Sattel
Bis zu den Mähnen, die Spitze des hochaufragenden Speeres
Dort in Mendoza’s Reih’n. Da fiel Segorbia’s Kampfheld,
Aguillar, und mit ihm Morillo, den Murzia sandte,
Fahnenjunker im Heer, mit dreißig erlesenen Kriegern,
Und in dem Waffengemeng’ erbebte Hispania’s Jugend,
Die zum ersten Male des Kriegs betäubendem Schrecken,
Hier in dem Feld, entgegen sich warf, und dachte der Flucht schon.
Doch jetzt nahte mit Sturmes Flug vor seinen Gefährten
Hermann heran: ihn lockte des Kampfs erwachender Donner
Fernher. Aehnlich dem Aar, der tief im schattigen Thalgrund
Beut’ ersehend, sogleich in sausender Schnelle herabfährt:
Also fuhr er herab, und rief dem edlen Mendoza:
„Sollten die Jünglinge flieh’n, ihr Ruhm ist gefährdet für immer.
Schau in die Vorwelt auf, wie dort der Heldengebiether
Hermann, den flüchtenden Kriegern zur Schmach und Wiederbesinnung,
Muthig den Schild ergriff, vordrang, und so, mit den Scharen
Wiedervereint, sich herrlichen Siegsruhm über des Varus[55]
Drei Legionen errang in dem eisernen Felde der Waffen:
Also mögest du jetzt den jüngst geworbenen Kriegern,
Kämpfend, ein Leitstern seyn auf dem grau’numnachteten Schlachtfeld!“
Glühende Röth’ umzog Mendoza’s Wangen; er dachte
Seines errungenen Ruhms Verdunkelung; schrie, und begann so:
„Spanier, kühn mir nach: nicht täuschet der edeln Cortezza
Hohes Vertrau’n, die euch sandte zum Heer; nicht gewahre der Herrscher
Euch unkriegerisch, feig; mir nach! Eh’ treffe der Tod mich
Selber durch Feindeshand, eh’ hier die Schande mich treffe.“
Jauchzend flog er dahin, und voll kühner Todesverachtung
Sprengten die Reiter ihm nach. Entscheidend für kommende Zeiten
Lenkt ein Held im Gefecht den neugeworbenen Krieger:
Denn nicht weicht er, und fällt, besiegt, im rühmlichen Tod nur:
Stets erfüllt ihm die Brust die erhabene Heldengesinnung.
Jetzo die stürmende Lanz’, und jetzt des sausenden Säbels
Blitz und Schlag ereilte der Araber dichte Geschwader
Mordend; es sank das Volk, und es sanken die Rosse getödtet.
Assad riß sich hervor, der Emir. Einst Beduine,[56]
Zog er in Syriens Wüsten umher, und häufte sich Reichthum,
Dort der Karavan’ auflauernd im einsamen Hohlweg.
Deß’ sich zu freu’n, wohnt’ er zu Tunis im stolzen Pallast nun:
Seinem Volke verhaßt, dem stets das Leben in Zelten,
Draußen im Steppengefild des Menschen würdiger dünket.
Jetzo im sausenden Ritt Mendoza genaht, und vertrauend
Eiserner Kraft, dacht’ er, mit dem blinkenden Speer ihn zu tödten;
Doch Mendoza riß an dem Zaum: sein mächtiges Streitroß
Setzt’, im kreisenden Sprung’, ihn schnell an die Seite des Emirs,
Und er jagt’ ihm das Schwert mit festnachstürmender Rechten
Tief in die Brust: er sank vom Sattel, und stöhnt’ in dem Tod noch.
Aber ihm naht’ Abulkassem, sein Sohn, ein furchtbarer Rächer.
Stöhnend vor Wuth durchrannt’ er Mendoza’s Arm mit dem Säbel,
Als er, gewendet, die Reih’n aufboth zum stürmenden Angriff.
Wieder erhob er den Stahl, und hätt’ ihn getödtet, da sprengte,
Rettend, Alonzo Cueva heran, der tapfere Hauptmann,
Schrie, und scheucht’ ihn zurück. Er barg sich schnell im Gewimmel
Seines Volk’s, das jetzt, des Feldherrn Wunde gewahrend,
Muthiger vorwärts drang, und laut aufbrüllte vor Mordlust.
Aber dem Schlachtengemeng’ entrissen die Krieger den Helden;
Eilten in’s Lager zurück, daß dort heilkundig der Arzt ihm
Stille das Blut, und träufle den weh’einschläfernden Balsam.
Und er ermahnete scheidend noch mit blässerem Antlitz,
Alle, zu folgen dem Wink des Helden Alonzo Cueva.
Heißer entbrannte die Schlacht. Wie im Süd- und Norden empöret
Donnerstürme sich nah’n, und, vermengt, zur Erde Verderben
Speien im Flammengezisch und im schrecklichen Hagelgeprassel:
Also prallten die Araber an, und zugleich die Hispaner:
Diese von Rach’ entflammt ob ihres verwundeten Führers,
Jene, voll Muths vorstürmend, und lautaufjubelnd im Vortheil.
Als sich gemengt im Feld die Wüthenden trafen, da tönte
Schrecklich der Mordausruf und das Schmettern der Waffen, dem Donner
Eherner Schlünde vereint, und Blut beströmte den Boden.
Schon warf zweimal der Christ des Mahoms Verehrer, im Sturmritt,
Drängend, zurück; schon jauchzt’ er des Sieg’s aufstrahlender Hoffnung;
Aber da warf, ergrimmt, auf Alonzo Cueva, den Dränger,
Abu-Sa-id den Dolch, und durchbohrt’ ihm den Hals und den Nacken,
Solchem Kampfe geübt; er sank, und verhauchte das Leben.
Siehe, den endlos Trauernden faßt’ am dämmernden Morgen,
Vor des Kampfes Beginn, heut’ ahnungentsprossene Schwermuth
So, daß ihm Jeglicher staunt’. Ach, seines erblindeten Vaters
Greisengesicht, und das wankende Haupt, wie schneeiger Tauben
Dunen, so weiß, schien ihm noch immer zu dräu’n ob dem Frevel
Stürmischer Jugendzeit: da er leis’annahend, des Vaters
Händen den Stab entwand, und der zürnende Greis, an der Schwelle
Stolpernd, kopflangs stürzt’, und blutete — Jammer zu schauen!
Immer trübte die That ihm jegliche Freude des Lebens
Seither. Aber der Vater horcht, vor dem Haus’ auf der Bank sich
Sonnend, dereinst begieriger auf, wenn kehrender Sieger
Jauchzen, der Waffen Geklirr, und das Wiehern der Rosse herantönt;
Ringsum Hast und Getös’ die Heimgebliebenen aufregt,
Und die Straßen entlang: „Willkommen uns in der Heimath!“
Jubelnden Rufs erschallt in mancherlei Stimmen des Alters.
Vor vom Sitze gebeugt, horcht er: ob endlich des Sohnes
Gruß er vernehm’, und harrt, hinzitternd, der frohen Umarmung:
Ach, umsonst: ihm sank der Theuere kämpfend vor Tunis!
Schrecken befiel die wiederverwaiseten Krieger: dem Unglück
Bebt’ ihr muthiges Herz, nicht den wildaufrasenden Gegnern.
Also, verschüchtert, wichen sie nun, und ihnen im Rücken
Brauste der Feind, und häuft’ im Felde die blutigen Leichen.
Sieh’, welch tapferes Häuflein kommt, die schnaubenden Rosse
Spornend, heran? Hell sprüht der zierliche Helm und der Harnisch
Hüpfende Funken umher; vom hochaufragenden Speerschaft
Blitzet der tödliche Stahl, und es blitzen die Augen der Männer.
Fünfzig sind’s der Edlen. Sie führt auf der rühmlichen Laufbahn
Garzia Lasso, der Held, und Hispania’s lieblichster Sänger.
Jetzo, dem Feinde genaht, und vorgebeugt aus dem Sattel,
Senkten die Kühnen den Speer, und warfen im sausenden Eilflug
Fünfzig der Feind’ in den Staub: da floh’n die entlasteten Rosse
Wiehernd zurück: weit gähnte die Kluft im dichten Geschwader.
Wie, wenn brückendes Eis auf dem breiten Rücken der Donau,
Oder des Rheins, das heut’ am Morgen noch eiserngefroren,
Unter der Wucht des schweren Gespanns und der lastenden Wägen
Drönete, nun ergriffen vom schmelzenden Hauche des Westwinds,
Krachend zerbirst, und zertrümmert im Schwall der finsteren Fluthen
Schwindet, daß links am Gestad’, und rechts das schimmernde Landeis
Aufragt: also standen die Reih’n, im entsetzlichen Durchbruch
Weitgeschieden im Feld’: sie blickten erstarrt in den leeren,
Scheidenden Raum: ihr Mordruf starb auf den bebenden Lippen.
Aber nicht rasteten dort die Scharenzertrümm’rer: sie würgten,
Was entgegen sich warf, in siegbeflügelter Hast noch.
Auch der Jünglinge Schar flog nun, um nimmer zu weichen,
Wieder im Felde heran, und vereint den siegenden Rittern,
Uebt’ ihr blitzendes Schwert vergeltende Rach’ an dem Gegner,
Der, von Schrecken betäubt, mit verhängtem Zügel den Läufer
Rückwärts trieb zu Hairaddins dichtannahender Heersmacht.
Unabsehbar herab vom Olivengehölz auf das Blachfeld
Lenkt’ er die Janitschar’n und fünfzig numidischer Horden
Wimmelndes Volk zum Kampf, als hier die Zersprengten dem Vortrab
Nahten. Er biß sich die Lippen vor Wuth; dann, eilig sich wendend,
Hieß er die Janitschar’n mit ausgebreiteten Armen,
Trennen die mittleren Reih’n, und erretten die flüchtenden Scharen,
Jene gehorchten dem Wink: mit rückwärtsstrebenden Fersen
Schwenkten die Reihen sich links und rechts: geräumigen Durchgang
Oeffnend dem flüchtigen Volk. So, wie, gehemmt in den Schleußen
Ruhet der brausende Strom, ein See, bis früh an dem Morgen
Oeffnen sie heißt der Schwemm’ erfahrener Meister: da stürzen
Wog’ auf Wog’ und Schwall auf Schwall, im Gebrause des Donners,
Zur verschlingenden Kluft die langegehemmten Gewässer:
Also stürzten, gedrängt, und drängend, mit wildem Getümmel
Durch den geöffneten Raum zugleich die erretteten Scharen:
Denn nachjagte der Feind, und rastete nicht; in dem Rücken
Sauste des Säbels Schlag und der Lanz’ einstürmender Mordstoß.
Aber die Janitscharen, die erst, sie schirmend, im Rückschritt
Wichen, kehrten zurück, und heischten, geordnet, den Angriff.
Hairaddin flog die Reihen entlang, und schrie im Getös’ hin:
„Söhne des großen Propheten, des Muths und der flammenden Kühnheit,
Denket, welch’ ihm die Erde, besiegt, gleich niedrigem Schämel,
Unter die Ferse gestellt: sie lag, und schmiegte sich duldend
Ihrem Druck. O dessen gedenkt! Ihr sehet die Gegner
Seines Nahmens vor euch; vernichtet sie, würgt sie gesammt hin.“
Muhamed, der ihn stets umschwebte mit liebender Sorgfalt,
Hörte mit Lächeln es an, wie er ihm vor gläubigen Moslems
Ruhm und Ehre gezollt; er selber, die Pfade des Lichtreichs
Fliehend, warnete nicht die Verblendeten, lächelte stolz noch!
Doch nun sah er erstaunt, daß Attila selbst, vor Entsetzen
Bebend, ihm nahte mit Sturmes Flug’, und rief ihm entgegen:
„Haben die furchtbar’n Mächte gesiegt? Soll Schreckliches kommen,
Fallen vom Himmel der Mond mit den glänzenden Sternen; die Sonne
Ausgebrannt hinschwinden in ewige Nacht und Zerstörung,
Spurlos? Attila bebt, der nie zu erschütternde Krieger?
Jener wiegte das struppige Haupt, und als er noch einmal
Nach den felsigen Höh’n aufsah, entgegnet’ er grimmig:
„Sieh’, dort fleugt ein Mann g’en Hairaddin! Angst und Verzweiflung
Trägt er im Busen: er kommt, Unheil zu verkünden dem Herrscher.
Willst du vernehmen die That, die entsetzliche, der ich erbebte?“
Doch was kündet der Bote voll Angst? ... Daß der tapfere Feldherr,
Lichtstein, glühenden Muths, die Schanz’ auf dem Felsen erstürmte.
Schon durchzog er zuvor die schaurigen Pfade des Waldthals,
Leis’ nur, wie es der Kaiser geboth: nicht Trommelgewirbel
Kündigte ferne den Zug, nicht schmetterten Lust die Drometen
Heut’ in dem eilenden Ritt dem Reiter und Roß in die Ohren;
Doch, als jetzt Medscherda, mit lautaufrauschenden Wogen,
Ihnen am Felsengestad’ entgegen sich dämmte, da hoben
Eilig die Brückner die Fähren herab von den knarrenden Achsen;
Warfen sie all’ in die Fluth, versenkten die zackigen Anker,
Gegen den Strom mit Tau’n sie festigend, und in des Bogens
Krümmung einete Fähr’ auf Fähr’ die gesonderten Ufer.
D’rauf hinreihend das lange Gebälk’, und quer auf die Balken
Breitend die Bohle, besiegten sie schnell die hemmenden Fluthen.
Unter des Rosses Huf und den Füßen der eilenden Krieger
Drönete fort und fort die schwankende Brück’ auf dem Strom hin.
Aber drüben vom schroffen Gestad’ erhob sich die Felsbahn
Schroffer noch himmelwärts. Der Reisige stieg aus dem Sattel,
Führte das Roß am Zaum’, und keucht’, und strauchelte häufig,
Ganz unkundig des Kletterns, und fremd in der hehren Gebirgswelt.
Aber es klomm, wie die Gemse, der Schütze Tyrols an der Felswand,
Tapferen Hessen vereint, und Spessartern, auf zu den Höhen.
Also errungen waren sie jetzt, und die Scharen geordnet.
Lichtsteins Ruf erscholl: „Hinan, tyrolische Männer!
Spessarter, vor mit den Hessen! Euch folge das Reiter-Geschwader
Dann, in gemessener Fern’, entscheidend zum blutigen Angriff.“
Jauchzend, im Sturmlauf ging’s an den Wall. Kaum trauend den Augen,
Sah der staunende Feind den Scharen des Feindes entgegen.
D’rauf erhob er Geschrei, und hieß des eh’rnen Geschützes
Donnergebrüll’ mit dem Schmettern der Büchsen erschallen, und säte
Saat der Vernichtung. Da fiel Arnulf, der kühne Passeyer,
Der sich am Ortheles einst, dem felsaufklimmenden Steinbock
Folgend, verstieg, wo ihm bald der Strahl der Lebenserrettung
Völlig erlosch. Erhob er die Blicke: da wölbte die Steinwand
Ueber ihm thürmend sich auf, und senkt’ er sie nieder, mit Vorsicht
Fassend den zackigen Fels: da bebt’ er, vom Schwindel ergriffen,
Zitternd wieder zurück: denn weit hinaus auf den Abgrund
Bog sich die Wand, und eingekrümmt entschwand ihm die Mauer.
Kaum erspähte sein Aug’ des Waldstroms Schimmer; verhallt war
Ihm sein Gebraus’, und verstummt das Leben im einsamen Luftraum.
Dort sich mit reuigem Sinn, zum Hungertode bereitend,
Sah er schon zweimal des Tages Licht aufdämmern im Osten,
Zweimal erblassen im Abendroth; doch sieh’, ihn vermißte
Jetzo der redliche Freund! Er wagte den Gang auf dem Felsgrath
Muthig, und schrie, und Geschrei vernehmend, senkt’ er das Bastseil
Nieder vom jähen Geklipp’, und rettete so den Gefährten.
Wie der Fischer empor zum Gestad’, der Ruth’, und des Fadens
Leises Zucken gewahrend, schnellt das zappelnde Fischchen:
Also entriß er den Freund, lautjubelnd, dem schrecklichen Tod dort,
Den er dahier nicht mied, durchbohrt von der schmetternden Kugel.
Neben ihm sank auch Eberhard, der erste der Schützen:
Nie verfehlt’ er das Schwarz’ in der kreisenden Scheib’, und er both sich
Selber dahier zum Ziel’, in des Herzens Mitte getroffen.
Feuriger: denn der Getödteten furchtbare Rächer, bestürmten
Ihre Gefährten den Wall, und rastlos krachten die Büchsen,
Rastlos tönte Geschrei, zu wecken den Muth der Entscheidung.
Weder die Spessarter, noch die gleichgewaltigen Hessen
Weileten fern’, einmüthig rang dem Helden der Held nach.
Wo die sternnachbildende Schanz’ im engeren Vorsprung
Ragt’, aufdrangen zuerst die muthigen Führer der Deutschen,
Werner und Wittekind, vom Graben. Erbebend der Kühnheit,
Wichen die Feinde zurück: da both Abdallah, des Bollwerks
Hort, im drometenden Ruf Stillstand, und rief im Getös’ her:
„Stillstand bieth ich euch an: wir räumen den Wall und die Schanzen
Eurer Gewalt, so ihr Abzug gönnt in würdiger Freiheit;
Oder, wollen wir erst den Wink der Herrscher erkunden?“
„Hör’t,“ schrie Lichtstein auf, „euch täusche die feindliche List nicht!
Muthig hinan: ihr kämpfet hinfort um den leichteren Sieg nur!“
Rascher eilten die Reih’n auf Reih’n jetzt vor, und erstiegen
Kämpfend den Wall: denn schrecklich erwies sich der Feind in der Nothwehr.
Werners Arm erlag Abdallah, der Schirmer des Bollwerks;
Aber ihm bohrte zugleich ein Derwisch, Fluch und Verwünschung
Brüllend gegen das stürmende Volk, den Dolch in den Nacken
So, daß dem Sinkenden schnell das Blut und das Leben entströmte.
Schwer vermißt ihn daheim die liebende Mutter, in Kummer
Lebend, seit ihr der Gatte versank in den Fluthen des Mainstroms,
Wo er vom berstenden Eis lautjammernde Menschen gerettet.
Nur ihr Einziger war ihr Trost in der schrecklichen Trennung
Von dem Gemahl, und Ernährer: denn stets heimbrachte der Sohn ihr,
Frommgesinnet, den Sold, und küßt’ ihr die Hände mit Ehrfurcht:
Dankbar sorgend für jene, die ihn mit Schmerzen geboren,
Oft den Schlummer entbehrt’, und viel herznagenden Kummer
Duldet’ um ihn mit Lieb’, in hülfebedürftiger Kindheit.
Ach, nun harrt sie umsonst des Guten! Ihn tödtet’ ein Derwisch
Hier auf dem Wall. Doch Wittekind ereilte den Meuchler
Schnell; erhob den Degen, und traf ihn mit kräftiger Rechten
Tief in’s Genick, daß er röchelnd sank, und im Blute sich wälzte.
Ihn umhäufeten bald, ringsher, die tapfersten Krieger.
Rasch umlenkend das Roß, aufschwang der Scharen Gebiether,
Lichtstein, jetzo das Schwert: verständlich blitzt’ es dem Volk’ auf.
Alsbald rief die Dromet’ in hellerklingenden Tönen
Roß und Reiter zum Sturm, und zugleich, dem Sporn in den Seiten
Stöhnend, flogen die Läufer gestreckt an den Graben. Sie setzten
Ueber ihn hin, und klommen, daß fest an dem Hals’ und den Mähnen
Pochte des Reiters Brust, an dem sandgehügelten Wall auf.
Dort war jetzt ringsum Gewürg’, und Gemetzel, und Wuthschrei:
Denn nicht der Hagel prasselt so laut aus berstenden Wolken
Nieder auf’s Breterdach (der Wandrer bebt vor Entsetzen,
Der sich unter ihm barg, zu entflieh’n dem grausen Gewitter)
Als der sausende Stahl, entlang den Wällen, auf Stirnbund,
Tulban, Harnisch, und Helm herrasselte, mordend die Scharen.
Mechmet entrann. Nun beugt’ er die Stirne vor Hairaddin dreimal
Tief in den Staub; dann stand er, und wollte beginnen, vermocht’s nicht.
Hairaddin faßt’ ergrimmt, des Zögernden Stirne zu spalten,
Schon den Säbel; da rief der bleichaufathmende Krieger:
„Herr, stets glänze dein Ruhm, wie, strahlend, die Sonne vom Aufgang
Glänzet zum Niedergang, und mögen die Feinde, vernichtet,
Schwinden vor ihm! Doch weh’! Entsetzliches muß ich dir künden —
Zittern vor deinem Zorn. Vernimm’s! Die Schanz ist erstürmet.
Keiner der Unsern lebt; ich allein entrann dem Gemetzel,
Dir zum Wohl: denn siehe, dein Sclav’ entriß sich dem Kampf nur,
Daß du es hörest von ihm: dir nahen die Feind’ in dem Rücken!“
Und er stieß sich den Dolch in die Brust. Da floß an den Wangen
Hairaddins wohl die Thräne herab, als dort in dem Sandstaub
Jener verhauchte den Geist? Ach, niemals hoben sich Thränen
Ihm aus der Brust empor zu den grimmgerötheten Augen;
Ihnen entstrahlte kein Mitgefühl, kein himmlisches Mitleid!
Schweigend starrt’ er umher; dann, so, wie ein Blitz in der Sturmnacht
Durch das finst’re Gewölk hinfleugt, umröthete plötzlich
Tiefaufgährender Zorn ihm die blässergewordenen Wangen,
Und er rief, daß Muhameds Aug’ erglänzte vor Wonne,
Grimmig den Janitschar’n entgegen, und schrie im Getös’ hin:
„Mögen sie immer im Rücken uns nah’n. Nicht eher verlassen
Wir die dürstende Heide, bis satt mit feindlichem Blut wir
Sie getränkt, und genügend ihr tischten das schreckliche Schlachtmahl.“
D’rauf, wie dort in des Waldthals Schlucht, aus berstenden Wolken
Niedergestürzt, ein Strom entgegen sich dränget dem ander’n,
Laut mit wildem Geräusch’, und im schrecklichen Wogengewirbel,
Tief aus dem Grunde gewühlt, die Vesten der Berge versinken
Links und rechts: da rollen die Felsen, da stürzen die Wälder
Gegen einander hinab in den brausenden Schaum der Gewässer:
Also stießen auch hier die feindlichen Heere zusammen.
Eilend vor Alba’s Reiterschar, flog Garzia Lasso
Jetzt mit den Rittern heran. Des Fußvolks treffliche Reihen
Folgten dem Kaiser selbst, dem stattlichen: kühn den Gefahren
Stehend im Kampf’, und stolz im Gefühle des sicheren Sieges.
Furchtbar donnerten schon die mächtigen Schlünde; zugleich flog
Lastendes Eisen, im Bogenwurf sich kreuzend im Luftraum,
Hin, und daher gesandt, entsetzlichen Jammer zu schaffen.
Fort und fort, im Gekrach der rastlosfeuernden Büchsen,
Prasselte Kugelsaat auf den Feind; laut kreischte der Säbel,
Zischte der Pfeil, ersausten die Speer’ und die Lanzen, und ringsum
Strömte das Blut: stets grimmiger wüthete Mord und Empörung.
Rechts, wo Hairaddins Heer, entfaltend die Flügel, der Mauren
Reisiges Volk aufwies, zog Alba, und Garzia Lasso
Links an die Araber, die voll Grimms gluthschnaubende Rosse
Tummelten, ihm entgegen zu steh’n im Gemenge der Waffen:
Denn im sausenden Flug’ umschwebte sie Muhamed selber,
Mit dem ergrimmten Gefolg ringsher anstürmender Geister,
Rastete nicht, und haucht’ empörende Gluth in die Herzen.
Listengeübt ersann er jetzt dem Garzia Lasso
Schnelles Verderben. Er sah, wie er, senkend den Speer, an die Gegner
Spornte das Roß; er eilet’ ihm vor, und empörte die Natter,[57]
Die, in dem Munde des Volks die Königsschlange gepriesen,
Gleich dem regen Gewürm die rührigen Hörner bewegend,
Sich in dem Sande vergräbt, dort schlau zu berücken die Vögel,
Daß sie ihr selbst, harmlos annahend, zur Beute sich böthen.
Zischend fuhr das grimmige, sandaufschnellende Giftthier
Vor dem Roß in die Höh’, und es schnob im taumelnden Aufsprung.
Dann, nicht achtend des Schmeichelworts, nicht des hemmenden Zügels,
Flog es hinüber, und trug den edelen Herrn an den Feind hin.
Dort, von den Seinen getrennt, und dem sicheren Tode geopfert,
Seufzt’ er im Geist: „Nun stirb — doch nicht unrühmlich, ein Feiger!“
Und den blinkenden Speer fortschleudernd, riß er das Eisen
Sich von der Hüft’, und hieb den ersten vor allen, Kilikdar,
Emir des Steppenvolks, vom Sattel: er regte sich nicht mehr.
Also blitzte sein Schwert nach jeglicher Seite, verderbend;
Doch, nun jagten wohl Hunderte her, den Ruhm zu erringen:
Daß sie die tapferste Brust mit dem tödlichen Stahle durchbohrten.
Hermann sah’s, in der Luft herschwebend, welche Gefahr ihm
Droht’; er schwang sich herab, und rief dem Kaiser mit Hast zu:
„Schaue von Feinden umringt den tapferen Garzia Lasso:
Rett’ ihn beherzt! Was schön und groß sich erweiset auf Erden,
Führet des Liedes Macht auf goldenen Schwingen zur Nachwelt.
Nur ein Schwall im Strome der Zeiten, entschwindet das Leben;
Aber der Sänger hascht im Fluge die zartesten Strahlen,
Die vom eilenden Schwall sich heben, ätherischer Schönheit,
Eint, und hägt sie in treuer Brust, und rettet mit Sorgfalt
Sie noch dem fernsten Geschlecht’ in ewiglebenden Tönen.“
Also sprach er in Hast, und winkte den Lüftegenossen,
Mutheinhauchend, den Christen zu nah’n: sie jauchzten ihm Beifall,
Schwingend den Speer und den Schild, aus schimmerndem Aether gebildet.
Aber des Kaisers Brust erpocht’ im hohen Gefühl jetzt,
Retter zu seyn des schwert- und liedergewaltigen Mannes.
Links, rechts, gab er dem Pferde die Sporn’: ihm wichen die Reihen;
Ihm nachjagte Gefolg’, nicht forschend, nicht lange besinnend;
Nur Del Guasto erblaßt’. Er hob die Hände vor allen
Ueber das grauende Haupt empor, und jammerte laut auf:
„Stirb, unglücklicher Greis, eh’ brechend dein Auge des Jammers
Fülle gewahrt! Wagt also ein Herrscher das edelste Leben?
Nichts gilt Weisheit mehr, nichts warnenden Alters Erfahrung.
Auf, ihr Tapferen, auf, und rettet den Kaiser! Auch Alba
Lenke die Reiter heran, zu erringen den herrlichsten Kampfpreis.“
Also geboth er dem Volk. Im Sturmlauf brachen die Scharen
Gegen den Feind. Hinflog auf dem schnaubenden Rosse der Herold,
Gomez, des Feldherrn Wort zu künden dem Heldengebiether,
Alba, und sieh’, nun schwebte der Angst umnachtendes Dunkel
Ueber dem Christen-Heer’, in des furchtbar’n Kampfes Entscheidung!
Ha, schon fiel der Rappe Garzia Lasso’s, getödtet.
Mühend entwand er das Bein dem lastenden Thier, und ihm selber
Warf jetzt Abu-Sa-id den blinkenden Speer in die Schulter,
Daß der erhobenen Faust, bluttriefend der Degen entschlüpfte,
Ihm einbrachen die Knie’, und die Augen umhüllete Nachtgrau’n.
Wieder erhob Scheik Roßlan das Schwert, ihm die Stirne zu spalten;
Aber da flog aus der Rechte des nahenden Kaisers der Wurfspieß:
Roßlan röchelt’ im Sand’, und schnell, noch ehe der Ritter
Kommende Schar das Weiß’ im Auge des Feindes gewahrte,
Fiel noch Jusuff, und Ismail Beg, und Haroun, der Emir,
Seines mordenden Stahls Blutgier und der Rechte Gewalthieb.
Nahend im Flug, und lautaufjauchzend den Thaten des Herrschers,
Rächten die Ritter zugleich den schwerverwundeten Führer.
Doch, wie ein mächtiger Schlag des lauterkrachenden Donners,
Der von des Himmels Rand’ auftobte zum finsteren Nordpol,
Wieder von Osten zurück mit tiefempöretem Ingrimm
Kehrt, und aus Wolkennacht herrollet im dumpferen Nachhall:
Also erscholl aus der Ferne heran der mächtigen Rosse
Donnernder Huf: denn Alba kam mit den Reitern geflogen.
Und, wie die stürzende Last der Gewitterfluth auf dem Saatfeld
Plötzlich die goldenen Halme zerschlägt: nicht im Windesgesäusel
Wogen sie mehr; sie liegen zerknickt, und zerschmettert im Staub dort:
Eben so ritt hier Mann und Roß das eisengehüllte,
Kräftige Reitervolk, andalusische Hengst’ an die schlanken,
Zartgestalteten Rosse der Araber, spornend, zu Boden.
Lautes Geheul erscholl jetzt unter den stampfenden Hufen;
Ringsum Waffengeklirr und tödlicher Büchsen Geschmetter.
Drüben rang in dem heißeren Kampf Del Guasto, des Fußvolks
Eiserngeschlossene Reih’n entgegendrängend dem Anfall
Wüthender Janitschar’n. Jetzt hin, dann wieder herüber,
Wie in der felsigen Bucht sich drehet die wirbelnde Brandung,
Wogten die Kämpfenden. Sieh’, und er wäre gewichen! Da brachen,
Fliehend vor Alba’s blitzendem Schwert, Arabias Völker
Durch die Reihen der Janitschar’n; sie schufen Verwirrung
Rings, und erfüllten Hairaddins Brust mit Wuth und Verzweiflung.
Furchtbar glühte sein Aug’; er ballte die Faust an der Stirn’ hin,
Hing aus dem Sattel vor, und sann entsetzliche Thaten;
Doch, von geworfenen Haufen umdrängt, und der Rettung gedenkend,
Führt’ er die Scharen zurück: ihm brauste sein flüchtendes Volk nach.
Nicht der Sorge vergaß für Garzia Lasso der Kaiser.
Blutend lag er im Staub, und lehnte das Haupt an den Rücken
Seines getödteten Thiers. Als nun der Retter vor ihm stand,
Strebt’ er noch den zerschmetterten Leib von dem Boden zu heben,
Sah durch Thränen ihn an, und lächelte. Jetzo begann er:
„Herrlich hast du gesiegt, und errettet den Sänger. Von nun an
Töne mein Saitenspiel nur dir, ruhmwürdiger Herrscher,
Daß im entzückenden Klang vernehme die staunende Nachwelt:
Wie du, erhabengesinnt, nach der Bürgerkrone dich sehntest,
Die, in dem Schlachtengefild’, einst Rom dem Retter des Kriegers
Aus umdrängender Noth um die Heldenstirne geschlungen!“[58]
Sprach’s. Da wandte sich jener behend, die Thräne zu bergen;
Winkte zugleich, und sanft erhoben die Krieger den Helden,
Ihn zu entreißen dem Sturm der Geschoß’, und eilten in’s Lager,
Daß er, mit Liebe gepflegt, sich freue der holden Genesung.
Aber auch allen umher den Verwundeten, sagte der Kaiser
Tröstende Wort’, und geboth, was Aller Rettung erheischte:
Ehrend den Menschen im hohen Gemüth, der vielfachen Jammer
Duldet, des Vaterlands erhabenem Rufe gehorchend.
Jetzt ersah er mit Lust, wie schnell die Krieger Toledo’s
Ihm nachbrausten im Feld, des Sieges Preis zu erringen;
Blößte das Schwert, und rief dann laut dem tapferen Feldherrn:
„Dort des See’s Gestad’ entlang beschirme des Heeres
Rücken mit Muth, und halte dich fest an dem Felsen, dem Fels gleich,
Den die zürnende Fluth umbraust mit eitelm Getümmel.
Herrlich strahlt aus dem Sieg das leidenlohnende Ziel dir.“
Mächtig erschüttert hob die flammenden Augen Toledo
Nach dem gütigen Herrscher empor, der, ahnend des Herzens
Schreckliche Qual, mit erhabenem Sinn ihm lindernden Balsam
Träufelte; ging, und führte sein Volk am Strande des See’s hin.
Wie auf dem Meer der kehrende Schiffer, den in der Sturmnacht,
Nahe dem schirmenden Port’, ein Donnergewitter ereilet,
Mitten im lauten Gebrüll der hochaufschäumenden Wogen,
Und in des Todes Grau’n, das rings sich lagert, der Hoffnung
Sehnsuchtsblick stets fest auf die strahlende Flamme geheftet
Hält, die hoch auf dem Leuchtthurm nährt die sorgliche Seestadt:
Also haftete jetzt sein Aug’ an den ragenden Felshöh’n,
Als an dem sicheren Port, in welchem sein Alles gerettet,
Und geborgen ihm schien, nach dauernden Stürmen des Lebens.
Ach, und hatte die Dulderinn noch des bitteren Kelches
Letzte Hefen geleert; noch sterbend vernommen den Donner
Von dem Hügel herab; der Höhle vorüber den Hufschlag
Feindlicher Ross’, und Eil’ und Hast unmenschlicher Räuber;
D’rauf die wilde Losung des Mords, Wuthschrei der Besiegten,
Jauchzen der Sieger, Geheul Verwundeter, Sterbender Röcheln?
Doch nur am tauben Gestein, am dunkeln Gewölbe des Grabes,
Hallte der Jammer hin — dem Ohre der Todten nicht hörbar.
Dort, geborgen durch Treu’ und Liebe des redlichen Greises,
Lag sie auf schwellendem Moos’, in der hehren Stille der Mondnacht.
Schneidend’ Weh und dumpfes Bangen drängte sich wieder
Ihr durch Mark und Gebein: denn oft verging sie in Ohnmacht,
Wachte wieder, und litt. Ach! keine mitleidigen Seelen
Nähern sich hülfreich ihr in der Stunde der Angst und des Jammers?
Siehe, und Roma’s Stolz, Cornelia,[59] Mutter der Gracchen,
Schwebte heran! So wie durch leuchtende Scheiben des Fensters
Dringet der Sonnenstrahl; so dringt ätherisch der Geist auch
Durch das dichte Gestein. Sie hörte die Jammernde, bebte,
Forscht’ in Hast ringsher: ob hülfekundig ein Wesen
Athme, ihr Rettung zu bringen? Umsonst! Des Tages Geräusch’ war
Lange verhallt, entfernt die Stadt, und still das Gehölz her.
Knieend hielt sie das Haupt der Leidenden, und, so verlassen,
Suchte sie, leidengeübt, ihr Muth in dem Herzen zu wecken.
Jetzo entwand sich in Weh’n dem Schooße Mathildens ein Knäblein.
Aber sie legt’ ihn matt an die todbleichschwebende Brust hin;
Griff nach der rieselnden Fluth, und taufte mit zitternder Rechten,
Ihn in dem heiligen Nahmen des Ein-Dreieinigen Gottes.
Dann noch fühlte sie tief, im eisigen Schauer des Todes —
Fühlt’ es, mit liebendem Blick nach Oben: ein Himmlischer löse
Sanft und mild das Band des irdischen Lebens. Ihr Herz schlug
Immer leiser und leiser. Es stand, und regte sich nicht mehr.
Schwebend über dem Fels, im hehren Flug zu des Himmels
Strahlenbahn, noch einmal senkte zur irdischen Heimath
Sie den verkläreten Blick, und sah am verblichenen Leichnam
Liegen ihr wimmerndes Kind, und suchen vergeblich um Nahrung
Dort an der bleicheren Brust umher. Da entstürzten die Thränen
Ihrem Aug’; doch Thränen der Wonn’: im himmlischen Eden
Harre der zarten Knospe Gedeih’n und Fülle der Nahrung,
Daß sie entfaltet blüh’ in nievergänglicher Schönheit,
Frische, und Kraft: denn jetzt verlosch auf dem ruhenden Herzen,
Aehnlich dem Abendstrahl, das mattaufflimmernde Leben.
Doch, wie ein glühender Docht, der Flamme genahet, sich wieder
Eilig entflammt: es hüpft die fächelnde Lohe nach ihr hin:
Wie die getrennte Fluth der bergentsprossenen Quelle
Schnell den blumigen Hügel umfließt, den sinnig der Gärtner
Jüngst in dem Lusthain schuf: die beiden Arme, gesondert,
Streben sich wieder zu einen, und flieh’n im schöneren Lauf fort:
Wonne, so flog an die Brust der überseligen Mutter
Nun ein Engel, ihr Kind; umschlang den glänzenden Hals ihr,
Holdauflächelnd, und lallt’ ihr entzückt Willkommen und Gruß nach!
Aber sie hob ihn empor; sie jauchzte hinauf in den Himmel,
Eilt’, und flog, wie ein Stern hinschwindend im glänzenden Aether,
Nach dem Gezelt, wo ihr Gatte, versunken in tödlicher Schwermuth,
Saß, und nach ihr sich sehnt’ in unaussprechlicher Rührung.
Nah’ ihm schwebte sie leis’: ihr pochte das Herz in dem Busen
Ob der Erinnerung ihres einstigen Glücks und der Leiden,
Die sie erduldeten beid’, in der Zeit entsetzlicher Trennung;
Legte den einen Arm um den Nacken ihm, legte das Söhnlein
Ihm an die Brust. Er stöhnt’, und blickt’ in schaudernder Ahnung
Um sich her: ihn ergriff die Näh’ unsterblicher Seelen.
Sieh’, ihn herzte das Kind, mit sanftumschlingenden Händchen
Hängend an seinem Hals, und pressend die Wang’ an die Wangen!
Doch sie sprach ihm leis’ an die Seele die Worte des Trostes:
„Gottes Friede mit dir! Der seligen Wiedervereinung
Stunde ist nah’: denn bald, verhauchend das tapfere Leben,
Eilst du mir freudig nach in die Segensgefilde des Himmels,
Wo kein Scheiden mehr ist, kein feindliches Schicksal, kein Tod mehr
Glückliche Herzen trennt; wo jegliche Thräne versieget,
Jede Klage verstummt, und Mathild’ dein harret mit Sehnsucht.“
Lispelte so. Sie küßte die thränenumflossenen Augen,
Leis’erbebend, ihm noch im innigen Kusse der Seelen,
Und entschwand, mit dem Engel im Arm, noch häufig herunter
Schauend, verklärt, und strahlender stets, wie ein Blitz in den Lüften.
Dort von des Felsens Höh’n ihr folgten Cornelia’s Augen.
Weinend hob sie die Händ’ ihr nach, und sagte beklommen:
„Vieles duldet’ ich einst: mit ehernem Muthe getragen
Hab’ ich den Tod der Söhn’, wie es heischte die Würd’ und der Ahnen
Beispiel. Im Busen erglühte mir heiß die Liebe des Nachruhms:
Mutter der Gracchen zu seyn, und zu heißen der römischen Frauen
Erst’ in der Gegenwart und spät in der kommenden Zeit noch,
Und mich ehrte mein Volk; doch, sah, bewundernd, ein Aug’ hier,
Welche Qualen sie litt, und wie, in der einsamen Felsnacht?
Nur das hohe Gesetz des göttlichen Lehrers ihr Leitstern;
Seine Lieb’ ihr Trost; ihr Ziel das bessere Leben.
O daß ich fern ihm wandelte — fern, auf dem düsteren Irrpfad!“
Süßer als Harfengetön im Zauber der nächtlichen Stille
Scholl aus dem Luftraum ihr der sanfteinladende Zuruf:
„Schweb’ empor, Cornelia! Einst tönt dir aus den Himmeln,
Wonnig-ersäuselnd, der Born unendlicher Huld und Erbarmung!“
Wie des Morgens Strahl auffleugt am rosigen Himmel,
Flog sie empor, auf einem der flammenden Sterne zu weilen,
Welche, dem Lichtreich nah’, im schöneren Laufe dahinzieh’n.
Doch nun drang Toledo, der Held, dem Sturme vergleichbar,
Der die Heide durchtobt in trüberen Tagen des Herbstes,
Immer des See’s Gestad’ entlang zum Felsen hinüber.
Freudig brausten die Scharen ihm nach. An dem edelen Feldherrn
Hing mit Liebe das Volk, der, immer so kühn, in Gefahren
Ruhm sich errang, und Ruhm und Ehre gewährte dem Krieger.
Schon erblickt’ er das Ziel; doch, ach, von Schauder ergriffen,
Sah er zugleich unendliche Macht der feindlichen Reiter,
Spähend, umstellen den Fels, geführt von dem schrecklichen Dragut!
Lautaufseufzte der Held: er wähnte verrathen des Felsens
Dunkele Höhl’, und ihm entrissen das edelste Kleinod.
Dragut gewahret’ ihn auch, und sann: ob er dem Verhaßten
Nahe, ob nicht? Doch schnell gedacht’ er der List, und urplötzlich
Jagt’ er davon, zum Hinterhalte die Feinde zu locken.
„Tapferer Greis,“ so rief Toledo dem römischen Feldherrn,
„Sey des Volkes leitender Hort! Verfolge die Gegner
Rasch hin, bis ich die Gattinn erlöst’ aus dem bergenden Fels hier,
Und mit Kurd, dem edelen Freund, entsandt’ in das Lager:
Denn mich heißet die Pflicht noch fürder im Kampfe zu stehen.“
Freudig gehorchte der tapfere Greis, Ursini. Des Jünglings
Feuer beseelt’ ihm die Brust: er eilte dem fliehenden Feind nach.
Wie die Löwinn, die erst auf dem Lager die Jungen zurückließ,
Hörend des Panthers Gebrüll fernher, schnell wieder zurückkehrt,
Vor die Höhle sich stellt, und harret des kommenden Gegners:
Denn sie vertrauet dem Muth und der siegenden Stärke: so muthig
Blickte Toledo umher (nicht Tausenden wär’ er gewichen)
Sprang aus dem Sattel mit Kurd, und legte mit zitternden Händen,
Nahe dem Felseingang, die blinkenden Waffen dann nieder;
D’rauf, nicht ahnend im Geist die entsetzliche Nähe des Jammers,
Half er dem treuen Gefährten, und hob, und wälzte vom Eingang,
Stöhnend, den mächtigen Block, und räumete Schutt und Gesträuch weg.
Weit aufgähnte die Höhl’. Er stieg: „Mathilde! Mathilde!“
Rufend, hinab. O Jammer, da sträubten, wie Stacheln des Igels,
Ihm von der Scheitel die Haare sich auf. Ein Schrei des Entsetzens
Schmettert’ aus seiner Brust; weit vorgebogen, und krampfhaft
Faltend die Händ’ an der Stirn’, hinstarrt’ er mit leblosen Augen —
Starrt’, und sah die Gattinn entseelt auf dem Boden, und ihr gleich,
Schlummernd an holder Mutterbrust den lieblichen Säugling.
Leis’ nur athmet’ er noch, und sank erblassend zusammen.
D’rüben lag Ursini dem Feind, verfolgend, im Rücken.
Unablässig erkrachte das Rohr, und säte Vernichtung
Unter die fliehende Schar; doch plötzlich brach vom Gehölz her,
Lauernd im Hinterhalte, der Feind auf den Sieger, und sandte
Zahllosschwirrende Pfeile heran. Da wandte sich Dragut
Eilig zu seinem Volk, und rief mit grimmigen Blicken:
„Jetzt umzingelt sie schnell. Sie sollen den Frevel mir büßen,
Den ihr Führer verübt’. Und, ha, nicht erseh’ ich ihn drüben
Unter der Schar! Hat etwa der Unsern Geschoß ihn ereilet,
Oder, wich er feige zurück, weil Dragut ihm nahte?“
Flugs umbrausten mit wildem Geschrei die maurischen Reiter,
Dragut folgend, und flugs numidische Horden, die Christen.
Aber der tapfere Greis, dem jetzt die feindliche Kugel
Stürmend die Rechte durchfuhr, erhob mit der Linken den Degen,
Ordnete schnell die Reihen, und rief den Geordneten: „Feuer!“
Denn sie hatten gezielt: da feuerten alle mit einmal
Ihre Gewehr’ ab: sie krachten, durch Rauch und Flammen versendend
Furchtbare Kugelsaat zur blutigen Ernte des Todes.
Schnaubend prallten die Rosse zurück; der wilde Numider
Wankte; von Schrecken betäubt, verweilte der maurische Reiter.
Nun gedacht’ Ursini der Flucht, der rettenden. Fliehend
Drängt’ in das Feuerrohr der Krieger des Todes Geschosse;
Stellte sich wieder, ereilt, und trieb die stürmenden Haufen
Mordend zurück. Doch wie der Staar’ unzählige Scharen,
Lüstern nach Traubenblut, die Rebenhügel umflattern:
Weder der Hüther Geschrei, noch die rastlos tönende Klapper
Scheucht sie völlig hinweg — stets kehren die Lästigen wieder:
Also umschwärmte der Feind die Fliehenden: Manchem das Leben
Raubend mit tödlichem Stahl, und fernhin scholl das Getümmel.
Dragut sah, erstaunt, die Waffen Toledo’s am Boden
Liegen. Er sprang voll Hast aus dem Sattel, und stieg in den Felsschlund
Rachebeflügelt hinab. Sein spähendes Auge gewahrte
Bald den Ersehnten im Grabesgewölb’, und er jauchzte vor Wuth auf;
Aber sein Flammenblick, den starrenden Blicken Toledo’s
Folgend, sah die entseelete Frau. Da faßte des Todes
Schauer ihn an: der Laut erstarb auf den Lippen ihm; wankend
Sucht’ er des Tages Licht, und stöhnte noch laut vor Entsetzen.
Schon braust’ ihm sein Volk entgegen im schmählichen Rückzug,
Von dem Feinde gejagt: denn Alba’s siegende Reiter
Brachten Ursini’s umstürmter Schar ersehnete Rettung.
Dragut schwang sich behend auf’s Pferd, zu entkommen den Augen
Hairaddins, daß er nicht feig ihn heiße, die blässeren Wangen
Schauend im Waffenfeld: nicht ahnend, was ihn betroffen.
Muhamed, der die Wälschen umdrängt, in grauser Verfolgung
Weichen sah, erregte den Muth des flüchtenden Herrschers,
Hairaddin, kühn zu besteh’n des Kaisers anstürmende Heersmacht.
„Wie,“ so rief ihm der Geist, „du, Hairaddin, schrecklicher Krieger,
Wendest den Rücken dem Feind’? Erschlafften des tapfersten Herzens
Schwingen so ganz, daß es scheu vor Schlachtengetümmel zurückbebt?
Auf, und versuch’ erneueten Kampf: denn Siegesgejauchz’ tönt
Dort von des See’s Gestad’, wo Dragut, der Schreckliche, kämpfte!“
Hairaddin horcht’, und vernahm fernher Getümmel und Schlachtruf.
Donnernd schrie er den Flüchtenden: „Halt!“ und stellte die Haufen
Gegen des Feindes Macht mit kampfanbiethender Stirn auf.
Auch das Siegel von Gold, das hell an der tapferen Brust ihm
Schimmerte, sandt’ er an Dragut hin: ein furchtbares Zeichen
Großer Gefahr, und des Ungehorsams dräuender Strafen,
Daß er ihm eine die Macht. Wie auf Windes Flügeln enteilte —
Spornte das Roß Ben-Dar, der Araber, der ihm ein Liebling
War vor allen im Heer’ mit dem kühnvordringenden Kampfmuth.
Aber vergebens spornt’ er das Blut aus den Seiten des Renners;
Hairaddin forschte nach Dragut umsonst: denn, fern von dem Schlachtfeld,
Nahet’ er schon im Flug den Thoren von Tunis, getrieben
Von entsetzlicher Angst. Ihm keuchte sein bebendes Volk nach.
Wie, verirrt auf Sibiriens schneeiger Heide, der Weidmann
Aengstlich forschend sich müht, den ihm entschwundenen Heimweg
Wieder zu finden, und jetzt am Rande des Himmels ein Wölkchen
Leis’ aufschwebt: da wähnt’ er, getäuscht, die trauliche Hütte
Sey es, und freut sich der Gattinn schon und der harrenden Kindlein;
Aber das Wölkchen schwand, und trostlos kehrt ihm der Abend:
Also getäuscht sah Hairaddin unmuthsvoll zu dem Seestrand
Forschend hinaus: denn fern’ ihm floh die ersehnete Kriegsschar.
Sieh’, und jetzt durchtobte zugleich das entsetzliche Schlachtfeld
Lärmenden Sieges Getös’, und Flucht und grause Verwirrung!
Dort brach Lichtsteins Volk, des herrlichen Schanzenerstürmers,
Jauchzend heran, und hier ihm brauste, dem wilden Orkan gleich,
Alba’s siegende Macht entgegen. Er blickte verzweifelnd
Um sich her, und geboth den bebenden Scharen den Heimzug.
Mordend folgten die Sieger ihm nach. Vom Blute geröthet
Wies sich den Kehrenden weit die siegverherrlichte Laufbahn.
Nahe dem Felsenschlund saß Kurd. Er senkte die Augen
Tief zur Brust, und schimmernde Thränen benetzten sein Antlitz,
Als der Kaiser an ihm vorüberzog in dem Siegslauf.
Dieser sprengte das Roß jetzt näher, und forschte mit Sorgfalt:
Was ihn betrübt’? Doch Kurd erhob sich, und führte den Herrscher
Ein in des Grabes Nacht, in die Wohnung unsäglicher Trauer.
Dort erbebte sein fühlendes Herz des Menschengeschickes
Nächtlichstem Bild. Er schwieg; doch dringender Hülfe gedenkend,
Faßt’ er Toledo am Arm, und stieg in die Helle des Tages
Rasch mit dem Wankenden auf; dann rief er dem treuen Gefährten:
„Kurd, erhebe dich schnell, und häufe die Trümmer mit Vorsicht
Auf an dem Schlund: denn bald erhöh’n wir, als Sieger, Mathildens
Denkstein, der ihr Trauergeschick verkünde der Nachwelt,
Und an den Wechsel des Erdenglücks den Sterblichen mahne!“
Also geschah’s. Doch heim zu dem Zelte des gütigen Kaisers
Schritt mit Toledo das trauernde Roß; er lenkte das eig’ne
Sorglich ihm an der Seit’, und sann voll Huld auf dem Heimweg,
Wie er das leidenerstarrete Herz zum Leben erwärme?
Und der ersehnete Abend sank. Die kehrenden Scharen
Eilten mit Siegesgesang, vom Gewirbel der drönenden Trommel
Und Drometengeschmetter umtönt, zurück nach dem Lager.
Weithin dehnte sich schon der riesige Schatten der Krieger
Und der Ross’, auf dem Sand. Die Sonne blickte noch einmal
Ueber des Meer’s hellschimmernde Fluthen herüber, und sandte
Scheidend, aus Rosengluth, auf den Fittigen säuselnder Lüftchen,
Endlich die Labung dem Heer’ in der mildumschmeichelnden Kühlung.
Noch umhüllete Nacht mit finsterem Schleier Goletta’s
Schweigende Flur; nicht sanftaufdämmerndes Roth an des Ostens
Duftigem Himmelsthor, nicht Geflister der lieblichen Sänger
Kündigte noch das Erwachen des Tag’s aus schauernden Zweigen,
Als im erleuchteten Zelt der Kaiser mit seinen Erwählten,
Doria, Guasto, und Eberstein, im wichtigen Kriegsrath
Saß, und Jegliches ordnete, nun zu erstürmen die Festung.
Näher gerückt war ihr das schanzende Volk, und gewahrte
Jetzo gerechtes Ziel, die furchtbare Bombe zu schleudern.
Mächtige Schlünde, den Kriegern genannt die „Mauerzertrümmrer“,
Sah’n aus dem Schanzkorb schon zur Veste hinüber, und ringsum
Lagen am Wall Sturmleitern gehäuft. Entlassend die Helden
Aus dem Gezelt, sprach noch der erhabene Kaiser mit Nachdruck:
„Segen des Himmels mit euch! Bald soll in heißeren Stunden
Sturmdrometender Ruf vor Goletta’s Mauern uns einen.“
Doria eilte zum Meeresstrand, zur spähenden Vorhuth
Guasto; nur Eberstein stand noch, und sagte bekümmert:
„Nagender Gram erfüllet die Brust der Deutschen; sie klagen:
Nur Hispaniens Söhn’ und Wälschlands theilten Gefahren,
Ruhm und Ehre mit dir; sie stünden vergessen im Lager,
Minder geachtet im Heer und deines Vertrauens nicht würdig.“
Lächelnden Blick’s, doch sanft verweisend, entgegnete jener:
„Häget des muthigen Volkes Hort den nagenden Unmuth
Auch in der tapferen Brust? Nicht vorlaut tadle der Krieger,
Was ich im ernsten Gemüth, auf Jegliches achtend, beschlossen.
Spanier, Wälsch’, und Deutsche, sie all’ sind theuere Kinder
Mir, und jen’ errangen sich schon erfreuenden Siegsruhm;
Aber noch höheren Muth erheischt, im Felde der Waffen,
Winkend zu Thaten, das höhere Ziel. Bald sollt ihr ersehen,
Ob ich dem Deutschen vertraut’, ein Deutscher, und dankend mich ehren.“
Freudigen Blick’s enteilte der Held, den harrenden Brüdern
Tröstend zu nah’n, und zu ordnen die Scharen zum Sturme Goletta’s:
Denn schon wüthete ringsumher des eh’rnen Geschützes
Furchtbar donnernde Macht. Bald hier von den kreisenden Schanzen;
Bald von dem Meerstrand dort, hinsausten die schrecklichen Kugeln.
Aber nicht minder zurück vom Walle der trotzenden Festung
Sausten im Donnerlaut die schmetternden hin und herüber:
Bebend drönte die Erd’, aufheulte der flammende Luftkreis.
Hannibal sah vom Gewölk die Christen im mächtigen Vortheil;
Sah nach Goletta hin die Donnerschlünde gewendet,
Ringsum Gedräng’ und Hast, das herrliche Ziel zu erringen,
Und erbebte vor Zorn. Der Kampferfahrne gedachte
Jetzo der List, und flog nach der Veste hinüber, wo Sinam
Erst auf dem Rasen des Walls entschlummerte, sorgenermüdet:
Denn in dem nächtlichen Grau’n vernahm er Getös’ in den Schanzen,
Und entsandte die Späher sogleich. Nun sah er im Traumbild
Rings versinken den Wall umher, und die Mauern Goletta’s
Stürzen, zertrümmert, in Staub, daß furchtbar gähnte der Abgrund.
Krampfhaft faßt’ er den Rasen, und stöhnt’, als Hannibal jetzt ihn,
Leise genaht, aufboth mit den mutherregenden Worten:
„Sinam, du ruhest dahier, ein Träumender? Schande dem Trägen!
Sieh’ schon wühlte der Feind, wie im nächtlichen Boden der Maulwurf,
Viel verzweigte Gänge sich bahnt, Laufgräben von Neuem,
Gegen die Veste sich auf; er häufte die Schanzen, und führte
Riesenschlünde heran, zermalmenden Donner zu wecken!
Schwand dir völlig die Kraft, Abwehr zu ersinnen und Kriegslist?
Wie, wenn Tapfere, nur das Geschütz zu verderben, entschlossen,
Hastig am Zündrohr dort einkeilten den eisernen Nagel
So, daß im weicheren Erz die scharf gehämmerten Kanten
Hafteten, und der Entschluß Errettung schaffte den Eu’ren?
Auf, und erwäge die That: dem Kühnen gesellt sich das Glück nur!“
Sinam entfuhr dem Rasen voll Hast, und dachte verwundert:
Ob er geträumt — ob Gottes Prophete den kühnen Gedanken
Ihm in die Seele gelegt? Doch als er die Späher vernommen,
Flog er zu Giaffar hin, und sagte mit leuchtendem Antlitz:
„Tapferer Aga, vernimm mit Staunen, was Gottes Prophet’ erst
Mir an die Seele gehaucht, im sinnebetäubenden Schlummer!
Wieder gelang’s, so melden die Späher, dem Feinde, Goletta’s
Mauern durch Schanzen zu nah’n: uns droht gewisses Verderben
Heute noch, wo uns nicht rettet der Muth und entschlossene Kühnheit.
Auf zu dem herrlichsten Sieg! In der glühenden Stunde des Mittags,
Wenn, ermattet, die Fremdlinge ruh’n, bestürme die Schanzen
Du mit erlesenem Volk. Das schwere Geschütz zu verderben,
Hastig am Zündrohr dort einkeil’ es den eisernen Nagel
So, daß im weicheren Erz die scharfgehämmerten Kanten
Haften, und uns hinfort die Vestezertrümmrer nicht schaden.
Groß ist des Sieges Gewinn, und dein: unsterblicher Nachruhm!“
Giaffar blickte mit Ernst dem stattlichen Schirmer Goletta’s
Lang’ in die flammenden Augen, und sprach, als jener verstummte:
„Nicht Unwichtiges sann, du Tapferer, jetzo dein Geist aus;
Oder dir nahte der große Prophet, wie du sagtest, in Wahrheit,
Sturm gebiethend, und dort das Vernageln des Donnergeschützes,
Wo in den Schanzen umher unzählig die tapferen Völker
Wachen! Aber, wohlan: nie bebte des Kampfes Gefahren
Giaffar noch, und sollt’ er im Sturm auch fallen, er bebt nicht!“
Also enteilt’ er sogleich, und rief die kühnen Gefährten,
Jauchzend, zum Sturmgang auf; doch Sinam sah ihm erstaunt nach.
Schon entfloh’n die Schatten der Nacht; der freundliche Morgen
Streuete Rosen umher an des hellaufstrahlenden Ostens
Goldenem Thor, und mit glühender Stirn’ erhob sich die Sonne,
Froh zu durchlaufen die Bahn in des Weltalls endlosen Räumen;
Aber nicht lange, so fleugt vor ihrem Blicke Verderben,
Jammer, und Tod aus den furchtbar’n Gluthgefilden der Wüsten
Ueber die Christen heran: denn schon empöret der Windstoß,
Wirbelnd, den flimmernden Sand; weit gährt, und zischet die Meersfluth.
Wer entflammte den Unhold dort, dem Heere der Christen
Tödlich zu nah’n? Wer stand ein Rettender über dem Kriegsheer?
Muhamed saß, ergrimmteren Blick’s, auf dem goldenen Halbmond,
Der von den Zinnen des Minarets, des wolkengethürmten,
Ueber die mächtige Stadt hinschimmerte, Moslems zur Wonne.
Wie Gewittergewölk auf das Hochgebirge sich lagert:
Gährende Blitz’ umröthen den Saum des finster’n, und furchtbar
Droht in die Thäler herab sein bald erkrachender Donner:
Also saß er erhöht auf dem Thurm. Die Schanzen gewahrend,
Dacht’ er Goletta’s Sturz, und der Feind’ unendlichen Sieg’sruhm —
Dacht’ es, und knirschte vor Wuth, und wühlte mit zuckender Rechten
Dann in dem Busen; die Linke zerkrümmte die Hörner des Halbmonds.
Jetzt auffuhr er in Hast. Wie aus tiefen Träumen erwachend,
Starrt’ er umher, und winkte den ringsumschwebenden Geistern:
Attila selbst, mit dem wilden Gefolg, dann seinen Erwählten;
Jetzt auch Hannibals Schar: denn er umschwebte Goletta’s
Mauern, und harrte des Kampfs im schlündeverderbenden Anfall.
„Mir nach,“ rief er der Geisterschar, „Aethiopiens Scheusal
Beut uns schreckliche Macht zur Rach’, in des Feindes Vernichtung!“
Und sie entflogen all’ im Schrei des empöreten Ingrimms.
Ueber Zender und Gingir[60] hinaus, wo rings um den Erdball
Sich der Gleicher[61] schlingt, gleich fern von dem Süd- und dem Nordpol
(Denn so ersann der stern’erforschende Weise das Zeichen:
Ahnend der Erd’ Umschwung um die eigene Achse, mit jenem
Schräg’ an der Sonn’ umher, in des Jahrs umrollenden Tagen)
Dort in Afrika’s Schooß, wo im öden Gefilde nicht, schattend,
Säuselt der Baum, nicht liebliches Grün entzücket die Augen,
Und von dem Flammenthron, senkrecht, versengende Strahlen
Schleudert die Sonn’ auf den kochenden Sand, der ewig der Wüsten
Unermeßlichen Raum in des Todes Trauergewand hüllt:
Dort umstarrt, gen Himmel gethürmt, ein Felsengebirg rings
Ein entsetzliches Thal, wohl hundert Meilen im Umkreis.
Nicht die Gems’ mit dem eisernen Muth und den ehernen Klauen,
Fänd’, aufklimmend, Bahn an der steilaufragenden Felswand,
Und aus der Tiefe herauf, die gräulich, vom Donner gespalten,
Gähnet, erhebt sich ein Flammenmeer, und wirbelt, und brauset
Auf zu des Kessels Rand, vom kochenden Schwefel und Erdharz
Unversiegend genährt. Doch weh’, wenn, übergefüllet,
Ihm entstürzet die Fluth! Da erbraust urplötzlich der Luftraum;
Weit erbebet die Erd’; aufhebt sich des Windes Vermögen:
Säul’ an Säule gedrückt, fortstürzt er im Flug um den Erdball.
Wenn er vom Mittelmeer nach Hesperiens Zaubergefilden
Fleugt: da glühet sein Odem noch, und erschlaffet die Menschen,
Trübumwölkten Gemüth’s. Umkreist er aus Süden des Nordpols
Eisige Stirn: da deckt der glänzende Reif ihm die Schwingen,
Und er schüttelt uns Schnee und den blütheverderbenden Frost her;
Aber, im schnelleren Flug durchbrausend des rosigen Aufgangs
Fluren, und d’rauf, heimkehrend im Sturm, von des Abends Gefilden,
Haucht er den Regen heran, den dauernden, der aus dem Weltmeer
Dunstgeboren sich hebt, und die schimmernden Lüfte verdüstert —
So wie im Gegenlauf, an des Altais[62] Höh’n, und des Urals[63]
Oestlichem Rücken erfrischt, er die Regengewölke verscheuchet
So, daß lieblich und kühl die Bläue des Himmels herabglänzt.
Also kehret er stets nach den grau’numhüllenden Felshöh’n
Wieder, an welchen er ruht, und die Lüft’ umschwimmen im Gleichmaß.
Dorthin, glühend vor Hast, kam Muhamed jetzt mit den Scharen
Zahlloser Geister, und hieß sie, mit drohendem Winke der Brauen,
Schnell umringen den Saum des furchtbarn Felsengebirges;
Aber er stand. Ihm leckten die dunkelgerötheten Flammen,
Prasselnd, die Füß’, und floh’n, und kehrten in wirbelnden Wogen.
Finster blickte sein Aug’, und glüht’ im Glanze des Feuers
Schrecklicher noch, da er laut erhob die gewaltige Stimme:
„Seht, Erwählte des Ruhms, vor allen Scythia’s Helden,
Welchen des Südens Wundergebieth erst heute sich aufhellt,
Hier im flammenden See den Samyel[64] — Völker erbeben
Schon dem Nahmen allein des todaushauchenden Unholds —
Lauern! Er mordet, geweckt, das Leben; im sausenden Eilflug
Hebt er die Wüst’, und stäubt sie empor in die Lüfte: sie wandelt
Hoch in dem Wolkenreich, nun schnell, nun zögernder vorwärts
Schreitend die Bahn, und deckt, entstürzend, mit thürmenden Bergen
Weit die Gefilde. O seh’t, o seh’t, nach Sahara hinüber!
Dort in dem Sandmeer wallt, verschmachtenden Herzens, seit Monden
Schon Karawanengefolg’ den heimischen Fluren entgegen;
Weh’, und Araber sind’s, mein Volk! O, nimmer erblicken
Sie das Heimathland! Von sinkenden Hügeln begraben,
Schwinden sie all’: ein Schauspiel noch entfernten Geschlechtern,
Wenn verweht die Hügel entflieh’n, und die Starren enthüllt sind.
D’rum jetzt Rache verübt, die schrecklichste, die noch verübt ward,
Dort an der christlichen Heeresmacht, der zahllose Moslems
Schon erlagen im Kampf für den welterleuchtenden Koran,
Für errungenen Ruhm, und die völkerverschlingende Herrschaft.
Stürzet vereint in den Flammensee, und empört der Vernichtung
Gährende Fluth noch mehr, daß selbe nach Tunis hinüber
Sende den Samyel, der, verschonend die tapferen Moslems,
Tilge sogleich die Ungläubigen dort mit erstickendem Gluthhauch.“
Siehe, da stürzten sich all’, empört von dem schrecklichen Herrscher,
Jauchzenden Ruf’s in den Flammensee. Sie tauchten hinunter
Bis in des Abgrunds Nacht, und fuhren herauf, und erregten
Also die Fluth, daß Wog’ auf Woge geschleudert dahinsank.
So, wie der Schilfteich braust, wenn plötzlich auf ihn des Orkans Wuth
Niederstürzt vom Gewölk, und rings die umufernden Dämme
Ueberfluthend, ergeußt sein dunkles Gewässer: so stürzte
Von dem Felsen die feurige Fluth. Entsetzlich zu schauen!
Himmel und Erd’, im furchtbar’n Wuthkampf ringend; die Sandwüst’
Wandelnd in Wolkenhöh’n, und der todaushauchende Gluthwind
Prasselnd im Sturmesflug nach dem Lager der Christen hinüber,
Drohten der zitternden Welt die Schrecken des letzten der Tag’ an.
Doch, auf Goletta’s Wall stand Giaffar, herrlichgerüstet,
Schon vor den Reihen der Janitschar’n. Sie staunten dem Hauptschmuck,
Der von des Tulbans Bund herschimmerte, zierend des Reihers
Schneegefieder, und gleich dem Fittig des Aars, sich entfaltend;
Staunten des Säbels Gehäng’, voll blitzenden Edelgeschmeides,
Den Suleyman ihm both, der Prächtige, als er vor Rhodus
Ruhm sich erwarb, im Sturm durchbrechend das eiserne Seethor.
Nie gewahrt’ ihn das Volk so reichgeschmückt in dem Feld noch.
Jetzo mit leuchtendem Blick’ erhob er die mächtige Stimme:
„Hört mich, Söhne des Siegs! Schon oft erlagen im Schlachtfeld
Eurem schrecklichen Arm die Ungläubigen; aber er wüthe
Heute noch mehr, als dort im Süden der wilde Hamaddan,[64]
Der im Feuergewölk auffleugt, und mit glühendem Odem
Bald das Lebende tilgt. Auch tödte sie Gram und Verzweiflung,
Jetzt in dem Ueberfall ihr Geschütz vernichtet zu schauen.
Auf, und erringet des Sieges Preis, nicht der sinkenden Brüder
Achtend! Falle wer muß: nur mögen die Seinen ihn rächen!“
Also entflammt’ er das Volk. Da scholl, wie brandender Wogen
Rauschen im Meeressturm, und das Brausen im dunkelen Eichwald,
Den der heulende Nord durchtobt, des stürmischen Volkes
Wuthausruf, von Goletta’s geöffnetem Thore; da rannten
Alle voll Hast nach der Schanze hinaus, die Ludwig, als Feldherr,
Strahlend in Jugendglanz, mit den niederländischen Helden
Und Lusitania’s tapferem Volk, krieg’skundig beschirmte.
Dort war lautes Getös’, war Rufen. Zur muthigen Abwehr
Eilte das Volk; doch unaufhaltsam, die Schanzen entlang hin —
Nicht des hagelnden Donnerrohr’s, nicht der sinkenden Brüder
Achtend, drangen die Wüthenden auf, und ihr gieriger Aarblick
Hing an den ehernen Schlünden allein. Ach, sieben umringten
Sie, vorstürmend in Hast! Bald töneten schmetternde Hämmer
An dem geflachten Kopf der eisernen Nägel: sie drangen
Fest in das weichere Erz, des Zündrohrs Höhle verkeilend,
Und zerstörend des Feldzeugs Macht mit den schneidenden Kanten.
Jetzo wäre noch mehr des schrecklichen Frevels geschehen;
Aber schon kam, und schrie Lusitania’s Zierde den Scharen:
„Brüder, hört! So ihr feig nicht rächet den schändlichen Frevel,
Welchen der Feind verübt’, entsag’ ich dem Stabe des Feldherrn
Jetzt, und hinfort, den mir der edelste Herrscher vertraute,
Euch zu lenken im Waffenfeld zu Thaten des Ruhmes.
Ha, willkommen der Tod, wo Schande, nicht Ruhm, mir zu Theil wird!“
Alsbald stürmt’ er vor, und hieb mit dem sausenden Mordstahl
Ein in die Scharen, daß links und rechts die Getödteten sanken.
Wie in dem dunkelen Forst, im Gebell verfolgender Rüden,
Schnaubend daher ein Eber fleugt: er suchet des Dickichts
Rings umschattende Nacht, und mäht mit den schrecklichen Hauern
Nieder die schlanken Stämme — dem Wüthenden sinket der Wald hin:
Also stürzete Mann auf Mann des Heldengebiethers
Würgendem Schwert. Sein Volk, vernehmend den schrecklichen Vorwurf —
Schauend den Helden im Kampf, schnob Rache. Nicht Büchsengeschmetter,
Sausen des Säbels und Speers war jetzt zu vernehmen: die Krieger
Faßten den Lauf des Feuerrohr’s, und schlugen, und drängten,
Mordend, die Feinde vom Wall. Sie floh’n, und Sterbender Röcheln
Scholl aus dem Graben herauf. Doch bebte das Herz in dem Busen
Giaffars nicht; er einte die Fliehenden schnell, und gedachte
Jetzt verderbender noch in den Schanzen des spanischen Volkes,
Wüthend im Ueberfall, den ehernen Schlünden zu nahen.
Siehe, da schwebt’ aus Wolkenhöh’n im brausenden Flug’ ihm
Attila näher, und schalt im Geistergelispel ihn also:
„Trotzest du nicht auf Kraft und Stärk’ in dem Heere vor allen?
Aber nur eitelen Trotz, nicht Thaten gewahrte das Heer noch.
Kehre zurück, und ford’re die tapfersten Gegner zum Zweikampf:
Ob nicht der Feldherr selbst, im glühenden Muthe der Jugend,
Dir sich stellt, und erliegt, und zur Sonne dein Nahme sich aufschwingt?“
Giaffar stand, und sann: „Heut hol’ ich,“ so rief er, „den Tod mir,
Oder den herrlichsten Ruhm. Drometer, gebiethe den Stillstand!“
Fröhlich ertönte das Erz, und Ludewig, kundig der Ritter-
Sitte, horchte dem ehernen Ruf’, und hemmte die Seinen.
„Wer sich von euch,“ schrie Giaffar laut, „im Heere vor allen
Tapfer erwies, der trete hervor, und stehe zum Kampf mir,
Einzeln dem einzelnen Mann, so wie einst in der schöneren Vorzeit,
Schild auf Schild, nah’ an, die muthigen Helden sich trafen,
Eh’ noch Pulver und Blei, o Schmach, aus der Ferne den Tapfer’n
Tückisch zu Boden schlug, und dem Feigeren schonend vorbeiflog!
Keiner besorge mir Trug und Hinterlist. Ehre gewinnen
Will ich nach Ritterbrauch: deß ruf’ ich Allah zum Zeugen.“
Grimmig schritt Alfred, der niederländische Hauptmann,
Gegen ihn vor, deß’ Riesenkraft in dem Heere gerühmt war —
Stand, und führte den Streich: doch Giaffar schlug ihm das Eisen
Aus der erstarrenden Faust, daß es blitzend am Sande dahinfuhr.
Raubet’ er jetzo vielleicht dem wehrlosen Christen das Leben?
Nein: denn edeler Stolz erfüllt’ ihm die Seele mit Großmuth.
Schnell barg er das blitzende Schwert in die Scheid’, und es faßten
Beide Kämpfer zugleich mit festumklammernden Armen
Eisern sich an, und beugten einander gleich ringenden Bären,
Pressend die Brust an die Brust, zur Rechten, zur Linken, daß beiden
Knirschte der Rücken, und Schweiß von den Gliedern in Strömen herabrann.
Jener gedachte der List, und schlug von hinten dem Türken
Rasch mit der Ferse die Beuge des Knie’s: ihn niederzustürzen;
Aber Giaffar stand wie die Eiche so fest auf dem Boden.
Jetzo, der Uebermacht sich bewußt, und zürnend der Arglist,
Hob er den Gegner empor, und drückte mit eisernen Sehnen
Ihn stets fester zur ehernen Brust, daß er, odemberaubet,
Dort verhauchte den Geist: aus seinen eröffneten Armen
Fiel er, langgestreckt, auf den Sand. Wie im Schimmer des Abends,
Lauernd, die Riesenschlang’ vom Wipfel des Baums, auf den Tieger,
Der ihm vorüberzieht, urplötzlichen Flugs sich hinüber
Schwingt, ihn schnell umringelt, und dann zum schütternden Stamm zieht;
Wie er auch brüllt, und sich mühet, der klemmenden Reife nur einen
Fest mit den Zähnen und Klau’n zu fassen — umsonst: sie erwürget
Ihn an dem Stamm’, daß ihm laut zerkrachen die Knochen: so würgte
Giaffars mächtiger Arm den Gegner, und streckt’ ihn entseelt hin.
Ganz unduldbarer Schmerz ergriff des tapferen Ludwigs
Brust: er schrie laut auf, und stürzte dem Türken entgegen.
Sieh’, da nahte, gelockt von des Kampfes Getöse, der Kaiser,
Und erstaunte, wie dort Lusitania’s herrlicher Sprößling
Kühn in die Schranken trat mit dem stärkeren Gegner! Ihm schwebte,
Angstgeweckt, auf die Zung’ ein Laut, der muthige Krieger
Hätte gerufen zum Kampf und zur Rettung des trefflichen Jünglings;
Aber er hemmt’ auf der Zunge den Laut, daß unrühmliches Mißtrau’n
Nicht mit giftigem Zahn, wie der Borkenkäfer im Hochwald
Sprossende Bäume zernagt am Mark, daß sie, trauernd, verdorren,
Ihn verwundete. Doch wie erblick’ er den Stahl in den Busen
Seines Lieblings versenkt, und dampfend vom Blute des Theuern?
Dennoch beherrscht’ er die Angst, und sah vom gehügelten Erdwall
Nach dem Waffengefild’, ein Sinnender, schweigend hinüber.
Giaffar, stolz des sicheren Sieg’s, gewahrte den Jüngling,
Lächelnd: er pries nun Gott, und dankte dem großen Propheten,
Der den blühenden Fürstensohn ihm entgegengeführt hat;
Doch, da er jetzt, wie ein junger Leu dem stärkeren Panther
Kühn entgegen sich wirft, im schimmernden Felde der Waffen,
Ueber den blanken Helm den Degen erhebend, daherkam,
Und sein Blick, mit des Todes Schrecken bewaffnet, ihn faßte,
Ha, da pocht’ ihm das Herz, ergriffen von heimlichem Schauder!
Nun das glühend’ Aug’ auf das Auge des Gegners geheftet —
Vorwärts stemmend den rechten Fuß im knisternden Sandstaub,
Strebten die beiden, ergrimmt, die tödlichen Streiche zu führen,
Und es erbebte die Luft dem rastlos sausenden Mordstahl.
Da von dem Helm, und dort von dem Stirnbund, Panzer, und Leibrock
Wußte der Kämpe, gewandt, die Waffe des Kämpen zu fernen:
Jetzt auffangend den Hieb, und jetzo vereitelnd den Herzstoß.
Und so hätte die sinkende Nacht allein, in dem Dunkel,
Heute die Helden getrennt, nicht des Sieg’s entscheidender Vortheil;
Doch als Giaffars Arm zum schrecklichsten Schlage den Säbel
Hoch aufschwang: da kreischete Ludwigs blitzender Degen
Laut, an des Säbels Kling’ abgleitend; da bohrte den Mordstahl
Sein nachstürmender Arm ihm tief in die pochende Brust ein.
Rücklings stürzte der stattliche Held; hoch spritzte der Sand auf,
Als er sank, von der Hand des tapferen Jünglings getödtet.
Aehnlich der Fichte lag er, die erst die nächtliche Windsbraut
Krachend dem Boden entriß; der Weidmann schauet am Morgen
Forschend nach ihr, die rings ihm diente zum leitenden Merkmaal:
Denn sie ragete hoch, vor allen Bäumen des Waldes,
Schon Jahrhunderte lang; nun liegt sie zertrümmert am Boden:
Also lag er im Staub, und erschütternde Stille war ringsum.
Attila schüttelte grimmig das Haupt: denn seinem Geflister
Horchte der Kühne zuvor. Er floh, umschart, in der Luft fort.
Als ein lohnender Ruf den Lippen des Kaisers entfloh’n war,
Und den Sieger umjauchzte sein Volk: da brachen die Gegner
Furchtbar heran, und Gebrüll, und Fluch, und Verwünschung ertönte
Schrecklicher noch als der Säbel Geklirr und Geschmetter der Büchsen.
Hoch von Goletta’s Wall gewahrte der tapfere Sinam,
Wie sein muthiges Volk, erstürmend die Schanze des Feindes,
Dort zerstörte das eh’rne Geschütz, und er hüpfte vor Lust auf;
Doch als Giaffar wich; zum Zweikampf rief der Drometer —
Rief zu Giaffars Fall: da hob er die Hände vor allen,
Himmelempor, und schrie den versammelten Kriegesgefährten:
„Weh, unseliger Muth, der, treulosen Feinden entgegen,
Giaffars Seele gereizt! Hinaus, durch jegliches Thor fort,
Drüben aus grauser Noth den tapfersten Mann zu erretten!“
Also geschah’s. Da brausten die Wüthenden näher: so brausen
Stürme vom Nord, und schleudern die schäumende Fluth zu dem Meerstrand.
Zwar nicht rettet’ ihr Muth den Tapferen: denn auf dem Boden
Lag er gestreckt im Blut, von Ludwigs Rechter getödtet;
Aber sie stürzten, zur Wuth entflammt, und entsetzlicher Rachgier,
Eilig daher an den Wall, und gräßlich ertönte der Mordruf.
Jetzo ersah das streitende Volk vom fernen Kairwan[65]
Und Constantina[66] herauf, des wildempörten Hamaddans
Dräuenden Flug, und bebte. In tausend gewirbelten Säulen
Eilte die Wüst’ ihm vor: im Knistern des Feuergewölkes
Deckend des Himmels Bläue mit Grau’n und Entsetzen. Die Sonne
Blinkete trauernd aus ihr, und goß nur düstere Dämm’rung
Ueber die Welt. Ein flammendes Meer aus den schwärzlichen Lüften,
Und dem Boden nah’, anstürmend, der prasselnde Gluthstrom,
Drohte den Lebenden rings urplötzliche, schnelle Vernichtung.
Doch zu den Kriegern gewandt, rief laut der erhabene Kaiser:
„Sollt’ uns der Samyel nah’n, der flammende Menschenerwürger,
Da gedenket des warnenden Winks: zur Erde geworfen,
Hüll’t in Gewande das Haupt, und harr’t an dem Boden, nicht athmend,
Einige Zeit. Bald tobt der Unhold vorüber — ihr lebet.“
Dann noch rief er, den flehenden Blick zum Himmel erhebend:
„Allmacht fleugt vor deinem Hauche daher, du Erbarmer;
Nah’ uns mit Huld, und errett’ uns jetzt vor des Samyels Wuth dort!“
Und aus dem Aethergefild flog nun, dem strahlenden Blitz gleich,
Seraph Eloa herab, den Christen zur Rettung gesendet.
Sonst sein Auge so mild wie des Himmels Bläu’, und die Stimme
Sanft wie Harfengetön, war jetzt entsetzlich zu hören,
Furchtbar zu schau’n. Er rief dem Samyel: „Halt, und entweiche!“
Und der Schreckliche floh. Auch kehrten die wirbelnden Säulen,
Seinem Winke gehorchend, zurück in die einsamen Wüsten.
Dann auf Muhamed, der zuvor in dem furchtbaren Gluthwind
Nahte, voll heißer Gier, die Christen vernichtet zu schauen,
Warf er einen der Blicke herab, der thürmende Felsen
Hüb’ aus den Vesten der Erd’, und aus Nachtabgründen die Meersfluth.
Jener entwich. Wie dürres Laub, verweht von dem Sturmwind,
Schwindet: so schwand er mit seinem Volk. Auch Attila folgte,
Schreckenbetäubt, ihm nach; aufheulten die flüchtenden Scharen.
Sinam drängete zweimal schon die Christen vom Blachfeld
Bis an des Grabens Rand, und so oft, nur schrecklicher warf ihn
Ludwig wieder dahin, wo, umhügelt von starrenden Leichen,
Giaffar lag, und im Blutbad schwamm: denn heißer entflammte
Dort des Getödteten Schau in dem Busen der Seinen des Mordens
Schreckliche Gier, daß sie standen im Kampf der Entscheidung, und furchtbar
Wüthete jetzo der Tod auf der siegverherrlichten Stelle.
Als der Samyel erst, des Seraphs Stimme gehorchend,
Heim in die Wüste floh, da weckte sein brausender Odem
Hoch in der Luft und im Schooße der Erd’ Aufruhr und Empörung.
Plötzlich thürmte Gewittergewölk am bläulichen Himmel
Furchtbar sich auf, und goß ein mitternächtliches Dunkel
Ueber das Waffenfeld, daß der Gegner dem Gegner entrückt schien.
Nur das Blitzen des Feuerrohr’s erhellte zuweilen
Noch das umnachtete Volk, entflammte des starrenden Kriegers
Aug’, und Harnisch, und Helm, und wies auf dem Feld des Entsetzens
Leichen auf Leichen gehäuft. Nun schwankte, den Wellen des Meer’s gleich,
Unter den Füßen des Kriegers der Grund; des Kampfes Getümmel
Schwieg, und „Erdbeben!“ scholl’s die zitternden Reihen hinunter.
Grau’nvoll rauschte das Meer; das Schmettern der Schiff’ an die Schiffe
Tönete schrecklich, vereint dem Geheul aus der Veste, dem Brüllen
Aus dem Gehölz, und rings dem Kreischen des kleinen Gevögels,
Das dem erschütterten Wald entstürzte mit kläglichem Angstruf.
Jetzt aufflammte der Blitz, und zerriß, von Osten bis Westen
Strahlend, die finstere Wolkennacht: der furchtbare Donner
Rollt’ auf ehernen Rädern ihm nach, und krachte zum Abgrund
Dumpf, und dumpfer hinab, an des Himmels drönendem Rand hin.
Brausend erhob der Sturm die sandige Fläche; die Fahnen
Haucht’ er zum Himmel empor, und riß auch die Zelt’ in dem Lager
Von dem ragenden Pfahl, und wälzte sie fort auf dem Flugsand.
Schreckenbetäubt entfloh der Feind; doch Ludewig folgte,
Unerschütterten Muth’s, dem flüchtenden nach bis Goletta.
Guasto aufathmete tief; er hielt, von dem Sturme gewendet,
Jetzo des Mantels flatternden Saum, und sagte dem Kaiser:
„Wie, du weilest noch hier, unbändigen Sinnes, und achtlos
All der Gefahr, die uns heut’ aus den hellaufflammenden Lüften,
Und aus dem Schooße des Abgrunds dräut? Auch stürzet des Regens
Prasselnde Fluth nun bald aus dem berstenden Wettergewölk her;
Eile nach deinem Gezelt: es trotzte dem schrecklichen Sturm noch,
Festeren Bau’s; schon fliehen die Feinde vor deinen Erwählten.“
Weder der donnererweckende Blitz, noch der schwankende Boden
Zog des Kaisers sinnenden Blick vom Kampfe der Helden
Ab. Er lächelte sanft auch jetzt, und sprach zu Del-Guasto:
„Laß mir den Frieden, o Greis! Ein Gleiches erduldet ihr Tapfer’n
Alle mit mir. Wer schirmt vor Gefahr, die hoch aus den Lüften,
Tief aus des Abgrunds Nacht uns dräut’, als Er, der Erbarmer?
Sein ist die Macht! Mir wohnt der Fried’ im vertrauenden Herzen.“
Doch nun flammte sein Blick, nun bebt’ ihm die Rechte; den Harnisch
Hob ihm die pochende Brust, und furchtbar scholl’s, da er sagte:
„Donner und Blitz sind mir die Stimme des Herrn, daß ich eile.
Hebe dich nun, mein tapferer Held, an’s Werk der Entscheidung:
Lenke die Völker heran. Laut brülle sogleich von den Schanzen —
Brülle vom Meer das Donnergeschütz zum endlichen Wallbruch,
Daß wir jetzt in dem Sturm erringen die Veste Goletta!“
Schaudernd blickte der Greis in die flammenden Augen des Herrschers,
Horcht’ ihm, schweigend, und ging, nun Jedes in Eile zu ordnen.
Schon entströmte der Wolkennacht unendlicher Regen,
Prasselnd durch Windesgeheul und Gebrülle des rollenden Donners,
Und umfloß, ein See, die Füße der triefenden Krieger.
Aber er löschte den Staub, und fesselte mächtig den Flugsand.
Wie in des Frostes Hauch der fluthende Weiher gefesselt
Starrt, daß auf ihm, lärmfroh, die muntere Jugend der Eisbahn
Räume durchfleugt: so erstarrte der Sand, und brachte den Christen
Frohen Gewinn: denn geübt, im ermattenden Sande zu laufen,
Nahte der fliehende Feind den Thoren der Veste Goletta.
Ihm nachbrauste der Sieger im Flug’, und Sinam gewahrte,
Bebend vor Schrecken und Angst, im nah’umzingelnden Vorsprung,
Hier den Gedrängten vermengt die Dränger zugleich, und er rief nun,
Rettung gebiethend, dem Volk’. Aufkrachten des mächtigen Thores
Flügel, und d’rauf, wie ein Bergstrom braust, wenn hoch von dem Gletscher
Niedergerollt, ein Block erfüllet die engere Thalschlucht,
Bis er des Bergs Abhang, mit steigendem Grimme, durchwühlend,
Bahn sich bricht, und die langgehemmten Fluthen zum Abgrund
Wälzet in schäumender Hast: so stürzten die flüchtenden Scharen
Sinams durch das geöffnete Thor, mit Lärm und Getümmel.
Doch nun sandte der Feind, dem also die Rettung gelungen,
Hagelnde Donnergeschoss’ und befiederte Pfeile vom Wall her,
Jubelnd, und warf aus der Schar der raschnachstürmenden Christen
Manchen Tapferen todt in den Staub. Da dachte des Heimzugs
Ludwig, der Held, und hieß im drometenden Rufe die Krieger
Kehren. Nicht folgte des Feldherrn Ruf Diego Davila,
Fahnenjunker im Heer, entsprossen aus Lissabons Mauern,
Trotzend auf Jugendkraft, und kühnerer Thaten sich freuend.
Als er das Jubeln der Feinde vernahm: da ergrimmt’ er im Herzen,
Eilte zurück, und klomm, ein kundiger Kletterer, jauchzend
Auf an dem Wall’, und erhöhte die Fahn’ auf den Zinnen der Festung.
Jene wehrten es nicht, von erstarrendem Staunen gefesselt;
Doch bald wühlten in seiner Brust unzählige Lanzen.
Sinkend faßt er die Fahn’, und warf sie herab von der Mauer,
Sie zu entreißen dem Feind’. Er rief dem getreuen Gefährten:
„Albin, rette die Fahne! Sie stand erhöht auf dem Wall hier:
Herrlichen Siegesruhm winkt’ euch ihr wehender Schimmer;
Rette sie kühn, und jenseits noch dir dankt es Davila!“
Sieh’, er lächelte sanft, und freute sich sterbend der That noch!
Aber der Muthige kam, ergriff, von sausenden Kugeln
Rings umstürmt, die Fahn’, und brachte sie freudig in’s Lager.
Diesem entströmten jetzt die Tapferen, herrlich geordnet.
Rechts hin führete Guasto die Macht hispanischen Fußvolks,
Wälschen vereint, und Eberstein, in der Mitte, die Heerschar,
Die er in Deutschland warb, nun endlich zu Thaten gerufen.
Aber die Macht lusitanischen Volks und brabantischer Scharen,
Führete drüben der Held, der Giaffarn siegend erlegte.
Laut erkrachten die Schlünd’ und Mörser zum endlichen Wallbruch.
Furchtbar wüthete zwar der Sturm und das grause Gewitter
Noch, und der röthliche Blitz, im Gefolg des schrecklichen Donners,
Zischt’ umher im Gewölk, erhellend die sinkenden Fluthen;
Aber entsetzlicher noch, mit den Schrecken der Lüfte vermenget,
Scholl das Krachen der Schlünd’ umher an der Veste. Der Wurfschütz
Rührte des Brändchens Rohr mit der Lunt’: im bläulichen Rauch flog
Flamm’ empor; zurück, dann eilender wieder zur Stelle
Rollte der eherne Schlund, und warf durch Feuer und Flammen,
Donnernd, im Bogenwurf, die Kugel zur Veste hinüber.
So von den Schanzen, und so von dem Meer hinsausten die Kugeln;
Aber nicht minder zurück von dem Wall der trotzenden Festung,
Sausten im Donnerlaut die schrecklichen her, und hinüber.
Rings erbebte der Grund, als sollten die Vesten des Erdballs,
Von den Orkanen der ewigen Nacht erschüttert, versinken,
Und die Gefild’ umher nachstürzen in wüster Zertrümmrung.
Drüben umfing sie am Meer, dem silbergehörneten Mond gleich,
Doria’s wogende Macht. Aus ihres verehrten Gestirnes
Bild ihr kam der Jammer gesandt, und die grause Vertilgung.
Immer entfuhr die Volle Lage[67] dem Raume des Schiffes,
Das sich der furchtbar’n, eiserne Last, aus Rauch und aus Flammen
Schleudernden Donnergewalt nachbog, und mit sinkendem Rand noch
Streifte die Fluth. Die sanftergossene Fläche des Meeres
Rauscht’ aufbrandend empor. Bald schäumten die bläulichen Wogen,
Bald erglühten sie tief im Glanze des röthenden Feuers,
Welches im Flug durchzuckte die Luft. Die Mauern erkrachten —
Sanken in Schutt, und dumpf ertönte der Steine Gerassel.
Sieh’, die Malta gesandt, die nächsten dem felsigen Ufer,
Schleuderten sonder Rast nach dem Thurm, der hoch aus dem Vorgrund
Ragte, Verderben! Er neigte das Haupt, sturzdrohend, ein paar Mal;
Zitterte jetzt, und sank mit grausem Gepolter zusammen:
Staub flog auf, und Geschrei, wehklagend, und jubelnd ertönte.
Aber der Kaiser rief: „Verdoppelt das Feuer!“ So riefen
Guasto, und Rogendorf, und jeglicher Schanze Gebiether,
Und noch schrecklicher tobte die Wuth des ehernen Feldzeugs.
Doria brach von dem Meer’ her donnernd, das eiserne Seethor
So, daß des Feindes Geschütz dort schon auf dem Walle vernichtet
Lag, und verstummt’. Dann öffnete dicht am Thor von Buschatter
Ludwig aus seiner Schanz’, urplötzlich nach jenem, den Wallbruch,
Weit, daß ein Wagen durchfuhr, der heim die Garben vom Feld führt;
Aber die breitere Kluft, daß zwanzig der Krieger, gereihet
Aneinander, sie leicht durcheileten, sah nach dem Oehlwald,
Gähnend hinaus: eröffnet mit Macht aus der Schanze der Wälschen,
Die von Toledo verwaist, nun Guasto’s Winken gehorchten.
Vorwärts stürzte der Wall und die Mauer, und ebnete weithin
Dort die ersehnete Bahn den Stürmenden, füllend den Graben.
Nun verstummte zugleich am Himmel das grause Gewitter,
Nur an des Erdballs drönendem Rand noch murrte der Donner
Dumpfer hinab, wenn dort der Blitz die feurigen Schwingen,
Fächelnd, erhob. Aus zerriss’nem Gewölk sah bläulich der Himmel
Her auf das regenerfrischte Gefild, und die scheidende Sonne
Goß aus dem rosigen Duft des Abends Schimmer herüber,
Und erhellte gar wunderbar die belagerte Festung.
Lauter pochte die Brust des edelsten Kaisers; ihm rief nun
Ahnend das Herz: schon sey die entscheidende Stunde gekommen.
Jetzt erhob er das Schwert, den Feldherrn Thaten gebiethend,
Und sie gehorchten dem Wink’. Auf dem Land und im wogenden Schiffsraum
Schwieg, verhallend umher, der ehernen Schlünde Getümmel.
So an dem felsumstarreten See verhallet des Waldhorns
Klang, den fern im Ruderschiff erweckte der Künstler,
Horchenden Freunden zur Lust: nun da, nun dort am Gebirg hin,
Tönt er im Wiederhall, bis er dann, stets leiser, dahinstirbt.
Aengstliche Stille herrschte rings, und beklemmendes Schweigen.
All’ aufmerkten dem Wink: da zogen in brausendem Eilflug
Scharen auf Scharen dahin, und jauchzten der rühmlichen Arbeit.
Dort an den Mauerbruch, der weit aufgähnte zum Oehlwald,
Eileten Wälsch’ und Hispaner, zum Thor von Buschatter die Deutschen;
Doch Lusitania’s Volk, den Niederländern und Malta’s
Muthigen Kriegern vereint, erreichte das eiserne Seethor.
Tausend ergriffen bei jeglicher Schar die ragenden Leitern:
Kühneres Volk, zu erklimmen den Wall im stürmenden Anlauf.
Welches der Völker kam dem andern zuvor in dem Wettlauf?
Erst das hispanische; d’rauf nachdrangen den Wälschen die Krieger
Portugalls und Brabants. Wie, stürmten die tapferen Deutschen
Nicht vor allen zuerst? Sie hemmte der kühne Cherusker,
Hermann: denn, sein edeles Volk vor Tücke zu wahren,
Schwang er in Hast nach Eberstein sich herunter, und rief ihm:
„Hemme den rascheren Lauf, vorschauend, und Tücke vermeidend:
Weit durchhöhlte der Feind, vor deinem Ziele, des Erdreichs
Dunkelen Schooß; ihm nahet die Lunt’, und donnernd erhebt sich
Bald entsetzlicher Rauch, und Feuer, und wilde Zertrümm’rung.“
Jener hemmte sein Volk. Zwar ächzte der Krieger, und Thränen
Netzten sein glühendes Aug’, im Vorsprung schauend die Fremden;
An dem Gewehr’ ihm bebte die Faust, und die strebenden Fersen
Bohrten tiefere Spur unwilliger Rast in den Sand ein.
Doch nun schwankte der Grund: aufflog, die Lüfte verfinsternd,
Qualmender Rauch, und Loh’, und Wust des berstenden Erdreichs
Ueber den Flatterhöhlen umher, die rings an dem Wall sich
Kreuzten, erfüllt mit der Last des entflammenden, schrecklichen Zündstaubs.
Bebend stürzten die Reihen zurück; aus den Augen der Krieger
Glänzte dem Feldherrn Dank, der so sie entriß dem Verderben.
Aber er wandte sich nun, und rief mit gewaltiger Stimme:
„Dort das herrliche Ziel, wo Siegespalmen dir winken,
Schaue, mein edeles Volk — nicht des Todes gähnenden Abgrund!
Schwer ist die That; die Stelle gefahrvoll; aber uns ehrte
Deutschlands edelster Hort, da er Deutschen das Höchste vertraut hat.
Tapferer Radburg, vor mit den muthigen Bayern, und Stollberg
Vor mit den Sachsen zum Sieg! Du, Römhild, entflamme die Helden
Schwabens, und jene aus Brandenburg ermuthige, Siegfried,
Jetzo dein Ruf. Vereint erringet den Preis der Entscheidung.“
Hermanns luftige Schar aufjauchzte des Heldengebiethers
Worten, und kam, und mehrte den Muth ruhmdürstender Männer,
Dort zu erstürmen den Wall, wo am blutigsten winkte des Sieg’s Preis.
Sinams Riesenkraft rang dort den Stürmern entgegen.
Ihm war Hannibal brausend genaht: denn mächtig erschreckt’ ihn
Drüben das Stürzen der Wäll’ und das Jauchzen der kommenden Sieger,
Ringsum. Listengeübt haucht’ er ihm jetzo den Rath ein:
„Ha, nun gilt’s mit festausharrendem Muthe des Feindes
Wuthandrange zu steh’n, und nicht entehrender Feigheit
Heute zu opfern den Ruhm entschwundener Jahre! Wohlan, horch!
Schafft der gewichtige Ball, vom Donnerrohr in die Haufen
Wimmelnder Feinde geschleudert, schon entsetzliches Unheil:
Welch’ entsetzlicher’s noch ersähst du mit staunenden Blicken,
Wenn, umhüllt von geplättetem Eisen, die Büchsengeschosse
Mit zertrümmertem Blei in die nah’anstürmenden Gegner
Wütheten? Auf, und gebiethe den Mord und die grause Vernichtung!“
So rief Hannibal; doch nun sah, voll Zorn in dem Busen,
Hermann zugleich, wie schnell, dem listigen Gegner gehorchend,
Sinam die Donnerrohr’ in der Breite des gähnenden Wallbruchs
Pflanzen hieß, daß im kreuzenden Feuer der gräßliche Hagel
Tilge des Feindes Reih’n. Er jammerte laut und begann so:
„Schmacherfindende Zeit! Daß nichts mehr gelte des Tapfer’n
Eigene Kraft; daß nimmer das Aug’ in das Auge des Gegners
Schleudre des Todes Blitz’, und, heimgekehret, der Krieger
Nimmer weise mit Stolz dem grauenden Vater, der Mutter,
Oder der Gattinn die ehrende Narb’ an der Brust und der Scheitel,
Und erzähle zugleich, wie solche der Feind ihm geschlagen
Dicht im Gemeng’, wo jener ihm sank, in dem Kampfe getödtet —
Nein, daß er dort: ob feig’, ob tapfer, ein elender Krüppel
Arm- und beineberaubt, umhinke, den Seinen zur Trauer,
Hast du das Scheusal erzeugt, die Würgerinn heißend Kartätsche!“
Sieh’, Ursini der Greis, flog hin, wie ein feuriger Renner
Fort auf der Rennbahn fleugt, zu erringen dem Reiter den Wettpreis:
Hoch von dem Nacken ihm flattert die Mähn’, und vom blanken Gebisse
Ueberschneiet der Schaum ihm die Brust; er schnaubet, und sprühet
Gluth aus der starrenden Nas’, und ihm blitzen die spähenden Augen
Feuriger stets, da er jetzt mit lauterem Hufesgerassel,
Sprung auf Sprung, im Galopp vorbraust zum winkenden Ziel hin;
Fern ihm folgen, gespornt von den Reitern, die schwächeren Rosse:
Also strebte der Greis im edelen Muthe des Herzens
Gegen den Wall, wo Darjuh, an Giaffars Stelle der Aga,
Nach den Gefahren des Kampf’s und glänzenden Thaten sich sehnte.
Als er den Greis ersah, da entriß er das mächtige Schießrohr,
Doppelhaken genannt, den Händen des Kriegers, und jagte,
Schmetternd, verdoppeltes Blei in die Stirne des tapferen Feldherrn.
Lautlos sank er zur Erd’: ihm färbte das silberne Haupthaar
Quellendes Blut. Ach, nimmer bewirthet der freundliche Greis mehr
Fremd’ in seinem Palast, die aus nahen und fernen Gefilden
Heilige Sehnsucht trieb, der ewigen Roma zu nahen,
Und im Schutt noch die Wunder zu schau’n gewaltiger Vorzeit:
Denn er stürzte verwundet zur Erd’, und verhauchte das Leben.
Aber Ludewigs Schar rang dort am zertrümmerten Seethor,
Schnell zu erklimmen den Wall, wo, empört durch Attila’s Ingrimm,
Und durch Hannibals Muth, das Volk in grausamer Nothwehr
Wüthete. Pech, noch siedend, und Oehl, noch wallend der Flamme
Goß, erbittert, der Feind auf die Stürmenden — wälzte der Mauer
Lastende Blöcke herab, und solch’ unrühmlichem Tod, ach,
Sanken die Tapfersten schon! Auch tödtete Manchen der Speerstahl,
Manchen das krachende Rohr, wenn, kühnerhöhend, die Leitern,
Sie aufrangen zum Wall aus der Tiefe des dunkelen Grabens.
Doch weit schrecklicher noch, und entsetzlicher, scholl vor Buschatters
Thor Mordruf und Gewürg’, wo Deutschlands herrlichvereinte,
Siegsruhmdürstende Schar, im Auge den Heldengebiether —
Muth und Gluth in der Brust, und des kreuzenden Feuers nicht achtend,
Vorwärts drang. Schon dreimal flog, mit dem kühnen Geschwader
Brandenburgs, dort Siegfried hinan, den Wall zu erklimmen,
Und er kehrete stets erbitterter, ähnlich dem Rüden,
Der, vom Jäger gedrängt, dem verwundeten Bären genaht ist —
Doch bald flieht, bald kehrt: denn immer scheuchen die Klauen
Und das Gebrülle des Thiers ihn fern: so wüthete jener.
Jetzt, im erneueten Lauf, durchbohrte das muthige Herz ihm
Schmetterndes Blei, und er sank. Auch blutete neben ihm Hinkmar,
Strebend mit matter Hand, den Pfeil aus der Lunge zu reißen.
Eberstein sah dort hinsinken die tapferen Helden
Brandenburgs; alsbald entriß er die Fahne dem Junker,
Schwang sie empor in die Luft, und rief hellleuchtenden Blickes:
„Jetzo mir nach, wem deutsches Blut in der Ader und Kampfgier
Glüht in der männlichen Brust! Wir löschen das feindliche Feuer,
Das entsetzlich die Unser’n tilgt aus der grausen Kartätsche,
Nur mit des Feindes Blut; mir nach! Nie sterben die Tapfern!“
Sagt’ es, und drang, wie ein Pfeil, in sausender Eile zum Wall hin.
Aber Stollberg zog mit kräftiger Rechten den Helden
Wieder zurück, und rief: „Nicht dir — uns werde die Stelle!“
Also jubelten laut wohl tausend Stimmen auf einmal.
D’rauf, erklimmend den Wall, und durcheilend die Tiefe des Grabens,
Drangen mit Lärm und Getös’ Germania’s tapfere Völker
Ein in den Mauerbruch, wo erlesene, muthige Gegner
Standen zur Gegenwehr, der sinkenden Brüder nicht achtend,
Und zu sterben bereit, ein Jeglicher — alle für Einen.
Wenn dem Donnergewölk’ entstürzen die Fluthen, und plötzlich
Ueberschwemmen die Stadt, daß laut in den engenden Gassen
Brauset der Strom, aufschäumt die Wog’ an die Fenster: da flüchtet
Volk auf die Berge hinaus, und Volk auf die luftigen Zinnen:
Also erklommen auch hier die muthigen Deutschen die Höhen —
Stollberg allen zuvor; dann Scharen auf Scharen, und würgten,
Racheschnaubenden Grimm’s, die Kämpfenden rings auf der Mauer.
Sinam entfloh. Nicht mied er zuvor des wüthenden Kampfes
Schrecknisse, fest, wie ein Fels, die Stirn’ darbiethend den Feinden;
Doch, als jetzt im Sturm eindrangen die Deutschen: da wankte,
Bebte der tapfere Greis, und floh, das heimliche Pförtchen
Oeffnend am Damme des See’s, mit tausend Gefährten nach Tunis.
Dorther naht’ ihm unzähliges Volk, von dem Herrscher gesendet;
Aber mit Thränen im Blick, erhebend die Rechte, geboth er
Allen errettende Flucht aus den Händen des schrecklichen Feindes.
Schon war Siegesgejauchz’ am Seethor, schon an dem Wallbruch
Dort, wo Wälsch’ und Hispaner im Sturm erstiegen die Mauern,
Wo ringsher Mordruf ertönete — rings in den Straßen
Strömte das Blut, bis jetzt, zu den Füßen des Siegers gesunken,
Bleich, mit verstörtem Gesicht, der Feind erflehte die Schonung.
Nun verklang das Getös’; nur Jubel des Kriegers ertönte,
Der von den Wällen herab in den Graben den finsteren Roßschweif
Warf, und dort aufpflanzte mit Stolz die Fahne der Heimath.
Lieblich flog sie umher in dem Abendwind, und erregte,
Ruhmausstrahlend, in jeglicher Brust noch höhere Wonne.
Durch das hallende Thor, umjauchzt von unzähligen Stimmen,
Kam in die Veste der Kaiser herauf. Stets enger, und enger
Schloß sich der Lärmenden Kreis um ihn her, und, als sie verstummten,
Hob er die Händ’ empor zu dem Himmel, und stimmte das Loblied:
„Herr, dich loben wir!“ an. Ein heiliges Feuer entflammte
Jegliches Herz. Erschütternd zu schau’n: wie aus Tausender Augen
Stürzen die Thränen zugleich; wie Tausender Hände zum Himmel
Fleh’n, und zu hören erschütternder noch: wie Tausender Stimmen
Wirbeln empor in die Luft, und sie all’ Dank rufen im Einklang.
Hassan, der König, erschien. Er war an dem dämmernden Abend
Gestern gelandet, und barg sich scheu in der einsamen Herberg,
Die Zafrano ihm both, von schattenden Cedern umfangen.
Weder gerüstetes Volk, noch Mundvorrath, in des Krieges
Zehrenden Tagen ersehnt, bracht’ er dem Bundesgenossen:
Denn er lauerte nur, ob Hairaddin, oder der Christen
Mächtiger Herrscher erringe den Sieg? in den Mauern von Kabesch.
Tief sich beugend zuvor, begann er jetzt vor dem Herrscher:
„Gott ist mit dir, und Segen die Fülle: des herrlichsten Sieges
Ruf verkündet es bald den fernsten Völkern zum Staunen.
Ach, nicht bieth’ ich dir Mundvorrath und tapferes Hülfsvolk,
Wie ich’s verhieß! Nicht horchte der Muselman mehr dem König,
Der sich dem Christenvolke verband: hier steh’ ich als Bettler!“
Und er sank auf die Knie’; da sah der edelste Kaiser,
Wie der Mond, umflort vom Regengewölk auf den Hügel
Heftet den Schwermuthsblick, nach dem Flehenden trauernd hinunter,
Hob ihn empor, und rief ihm mit trostverheißendem Lächeln:
„Sieh’ eröffnet des Reiches Thor, das Hairaddins Herrschgier
Dir entriß;[68] dein sey’s mit jeglichem Segen des Himmels!“
Hassan stammelte Dank; laut zollt’ ihn der Kaiser den Helden
Allen umher, die im Sturm errangen die trotzende Festung.
Aber zu Stollberg sprach er dann mit lohnendem Blick so:
„Werde Goletta’s Hort und Vertheidiger; ordne der Mauer
Feind’abwehrenden Bau; doch jetzt gebiethe mit Sorgfalt,
Daß die Verwundeten all’ errettender Hülfe sich freuen!
Morgen am Tage des Herrn, das Denkmaal unseres Heiles
Feiernd, gedenken wir auch, zu bestatten die Todten, und dankbar
Ihnen die Maale des Ruhm’s zu erhöh’n für die kommende Zeit noch.“
Jetzo führt’ er die Scharen zurück in des Lagers Umwallung,
Sie zu erquicken durch Rast; doch Stollberg ging, daß er übe
Alles und Jedes sogleich nach dem Willen des gütigen Herrschers.
Und die Schatten der Nacht umhüllten den schlummernden Erdkreis.
Hairaddin stand auf dem Söller der Burg, aufhorchend im Zwielicht
Sinkender Nacht. Von Goletta heran vernahm er des Feldzeugs
Rastlosdonnernden Sturm, dem die Erd’ erbebte, die Fenster
Klirrten, und drönte die Wand zu dem untersten Grunde der Mauern,
Und, wie im Abendwind die Welle des fluthenden Weihers
Nun sich hebt, nun sinket: so wechselte Furcht und Verzweiflung
Oft mit der Hoffnung des Sieg’s in seinem zerrissenen Herzen;
Aber er horcht’ umsonst noch gieriger jetzt, nach Goletta
Wendend das Ohr, nicht athmend, die starrenden Blicke zum Boden
Heftend. Nicht donnerten mehr die entsetzlichen Schlünde; verhallt war
Drüben der Mörser Gebrüll und das Schmettern des Feuergewehres.
„Sie ist verloren!“ so rief er, stampfte den Estrich, und eilte
Schnaubend herab. Dann schritt er im hellerleuchteten Saal hin,
Kehrete wieder, und stand, und horchte, die Bothen erwartend.
Immer vernehmlicher wähnt’ er Getrab anstürmender Rosse —
Wähnte verwirrtes Geschrei heimflüchtender Krieger zu hören:
Aehnlich dem sturmentmasteten Schiff, das fern auf dem Weltmeer
Wechselnde Strömung entrafft, und endlos dreht auf dem Irrpfad,
Schwankt’ er umher, im Gemüth nicht Dieß’, nicht Jenes beschließend.
Bald erhob sich Suleymans Grimm wie ein nächtlicher Unhold,
Dräuend, vor seinem Blick; bald lächelte Muley Hassan
Hohn ihm entgegen im Glanz der wiedergewonnenen Herrschaft.
Ihn umnachtete rings nur wilde Verzweiflung: den Schimmer
Seines errungenen Ruhms auf immer erloschen zu schauen.
„Ha,“ so rief er ergrimmt, „eh’ solche Schande mich treffe ...
Schande?“ Er faßte den Dolch; nach dauerndem Schweigen begann er:
„Fiel Goletta, erstürmt, so werden sie kommen, mir Algiers
Und Telmessans Thron, und den Zepter von Tunis zu rauben;
Werden mich stürzen hinab in den Staub, daß sich krümme des Glückes
Liebling, ein Sclave, voll Angst, an des Siegers zermalmenden Fersen.
Ha, nicht des Tages Licht gedenk’ ich fürder zu schauen:
Denn es enthüllte nur Schmach! D’rum fort — hinab in das Dunkel
Ewiger Nacht, zu entgeh’n der Qual, die jetzo mir droht! ... Doch
Soll ich verschleudern das Ein’, und Einzige, das ich erkenne?
Schwand mir völlig die Hoffnung dahin? Ist Alles verloren?
Drängt nicht Hunderttausende noch mein Wink in die Feldschlacht,
Heute — sogleich? Zurück in die Scheide, geschliffener Mordstahl:
Nur dem Gegner, nicht mir, zerfleische das Herz in dem Busen!“
Sagt’ es, und barg in den Gürtel den Dolch. Mit schüchternen Blicken:
Denn er scheut’ Eloa’s Zorn, war Muhamed jetzt ihm
Wieder genaht. Er hörte die zagenden Worte des Herrschers,
Ballte die Faust vor Wuth, und kam, der schrecklichsten Thaten
Allerschrecklichste noch, in die gährende Brust ihm zu hauchen.
Wie auf des Südens Meereiland der scheußliche Vampyr[69]
Ueber dem Schlummernden schwebt, und, mit weitgebreiteten Flügeln
Fächelnd, den Schlaf ihm mehrt, das Blut zu entsaugen der Ader:
Also schwebt’ auch Muhamed leis’ auf Hairaddin nieder,
Schaudernd und bleich, der Fluchthat selber erbebend: er hauchte
Höllenfrevel ihm ein, und floh durch die finstere Nacht fort.
Hairaddin stand, und sann: ihm rollten die feurigen Augen,
Aehnlich dem Blitz im Gewittergewölk, in den finsteren Wimpern.
Jetzo die Straßen herauf ertönte des eisernen Hufes
Schmetternder Schlag; in dem Hofraum scholl absitzender Krieger
Rufen. Nicht lang, so trat der tapfere Sinam mit Dragut,
Muhamed Temtes, und Abu-Sa-id, tieftrauernden Blickes,
In den erleuchteten Saal, den zürnenden Herrscher zu söhnen.
Rasch ging dieser umher vor den Bebenden, und nur zuweilen
Traf sein verachtender Blick vor Sinams Füßen den Boden;
Doch nun stand er, und rief, durch die festgeklammerten Lippen,
Stöhnend, das Wort: „Ihr Feigen!“ und lächelte grimmig für sich hin.
Stolzer erhob nun Sinam das Haupt, und sagte verweisend:
„Welch ein Wort, Gewaltiger! floh dir, scheu, von den Lippen,
So die tapferen Männer zu schmäh’n? Wir feig in der Feldschlacht?
Zahllos jammern daheim die Verwaiseten — jammern die Bräute,
Wie auch die Gattinnen, bald, und auf immer die Lieben vermissend,
Die, zu Hügeln gehäuft, wir tödteten rings um den Wall her.
Galt es, mit Sterblichen nur in die Schranken zu treten: wir hätten
Herrlich gesiegt. Doch heimlich vereint mit den Geistern der Hölle,
War der bebende Grund mit jeglichem Schrecken des Luftraums
Aufgestürmt um Goletta: wir wichen den furchtbaren Mächten,
Aber nicht feig’, da wir zu dem blutigsten Kampfe bereit steh’n.“
Also der tapfere Greis; da höhnete Dragut den Helden:
„Armer, du schwärmst vor Angst! Auch uns erklangen die Ohren,
Als der brüllende Donner erscholl; mit dem bebenden Boden
Wankten auch wir; uns schlug nicht minder der prasselnde Regen.
O, daß ich fern’ war! Nein, nie hätte den Geistern der Hölle
Dragut gebebt, von dem das Volk sich erzählet: er würde
Selber den Satan besteh’n in nie zu erschütternder Kühnheit.“
Sinam schwieg; doch Hairaddin trat den Hadernden näher,
Faßte den Dolch, und sprach mit zornausblitzenden Augen:
„Denket der Trauer nicht mehr, weil uns die Veste geraubt ward,
Die mit wuchernden Blutes Gewinn ein herrlicher Sieg uns
Wieder erringt. Zum Kampf denn! Am Morgen ertöne der Schlachtruf —
Töne so schrecklich, so laut, daß umher die Gefilde des Todes
Schauern vor Angst. Doch hört, was dringend erheischet die Vorsicht,
Und die Rache gebeut ob Giaffars Fall, und Goletta’s.
Unter den Kerkern der Burg, wo in Banden die christlichen Sclaven
Liegen, und all’, im thörichten Wahn: der tapfere Moslem
Falle dem Christen so leicht, nun harren des kommenden Retters,
Häuften im ringsdurchhöhleten Grund die Söldner des Zündstaubs
Furchtbare Last. Entflammt aufschleudre sie jetzo die Hochburg —
Schleudre zerschmettert die Sclaven all’ empor in den Luftraum
So, daß nicht einer entrinne dem Tod und dem grausen Verderben.
Also gescheh’s, noch ehe der Morgen im Osten heraufglänzt!“
Sinam erblaßt’; auch Abu-Sa-id und Muhamed Temtes
Zitterten; doch noch frecher begann der schreckliche Dragut:
„Wahrlich,“ so rief er, „nur Gott, und sein erhabner Prophet nur
Gab den Gedanken dir ein: ich beuge mich tief vor Erstaunen!
Alle zugleich! So möge mit Jenen der heuchelnde Graukopf,
Der mir Mathilden entriß, zerschmettert, verhauchen das Leben:
Denn ich sann ihm entsetzlichen Tod: er fahre zur Hölle!“
Grimmig lächelt’ er nun. Da wandt’ ihm, von Schauder ergriffen,
Sinam den Rücken, und sprach zu Hairaddin schmeichelnden Lautes:
„Mächtiger, wie, du solltest den Ruhm errungener Lorbern
Heute durch solch’ entsetzliche That auf immer beflecken,
Die von der Feigheit gezeugt, und Verzweiflung geboren, zum Abscheu
Allen, Suleymans Huld dir entzöge für jetzt und auf immer?
Wie der Morgenstern vor jeglichem strahlt an dem Himmel,
Also zieret sein Herz der Tugenden schönste, die Großmuth.
Was vermöcht’ in der Felsenburg der wehrlosen Sclaven
Fesselbelastete Schar? Sie mög’ in festlichen Reihen,
Nach vollendetem Krieg, den Siegeswagen dir schmücken!“
Aber der Wüthrich schwieg. Noch kämpfte die Furcht mit der Mordlust,
Ob Suleymans Zorn, in seinem beklommenen Busen;
Endlich obsiegte die Furcht. Er sprach, tiefsinnenden Blickes:
„Ha, wenn Reue mir würde dereinst, der klügelnden Weisheit
Sinams gewichen zu seyn! Ich bebe der dunkelen Ahnung,
Die mich ergreift. Wohlan, ich weiche dir! Eilt in das Lager,
Dort zu erregen das Heer; ich entwaffne die Freunde des Hassan
Hier in der Stadt, die mich verriethen im Kampf der Entscheidung.“
Jene, gehorchend dem Wort, enteileten; aber der Wüthrich
Zog in den Straßen umher mit Gefolg, das Volk zu entwaffnen.
Wie in der Schreckenszeit volktödtender Seuche, der Hauptstadt
Einsame Straßen entlang, nur leichensammelnder Träger
Fußtritt schallt, und mit Angst erfüllet die Herzen der Menschen,
Die sich, verborgen daheim in der Kammer, ergeben der Hoffnung,
Dort zu entgehen der scheußlichen Pest: so flüchteten, bebend,
Jetzt die Tunisier heim in der Nacht, als rings mit Getümmel
Hairaddins Würgerschar durchtobte die hallenden Straßen.
Trauernden Blickes saß auf der Zinne der luftigen Hochburg
Regulus: denn er sah, wie jüngst der grausame Wüthrich
Unter den Kerkern umher, die Last des schrecklichen Zündstaubs
Häufen ließ, die Sclaven gesammt urplötzlich zu tödten.
Muhamed brauste heran, der grau’nerregenden Unthat
Zeuge zu seyn, die er Hairaddin erst einhauchte voll Arglist.
Auf der Zinne der Burg den Einsamen schauend, begann er:
„Stets entfernt von der Heldenbahn, der rühmlichen Vorzeit
Nicht gedenkend, nur Hülf’ und Errettung sinnend dem Volk hier,
Das nicht deines Geschlechts, nicht deines Glaubens sich rühmet,
Irrst du umher, Verblendeter! Bald vernimmst du mit Schauder —
Schauest mit Schrecken es an, wie die Lunt’ ein kühner Geselle
Hin zu dem Zündstaub senkt, die Flamm’ auffleugt zu dem Himmel,
Donner erkracht, und der Berg, aus seinen berstenden Vesten
Taumelnd vor Angst, empor in den sturmbewegeten Luftraum
Schleudert unendlichen Wust, und im Wuste die christlichen Sclaven,
Die dein Herz erkor, zerschmettert entschwinden dem Erdkreis.
Jammere dann! Nichts half dir all dein wüstes Beginnen.“
Rief’s, und entschwand. Doch Regulus sah nach Medelin: er horchte
Von dem Erker der Burg in die Nacht. Vor dem kommenden Sieger
Schwieg das Gefild umher, und der Lärm verhallte zu Tunis.
Bald des Siegers gedacht’ er mit Angst: denn schändlich verrathen
Hatt’ er sein Volk, und für Trug verschmähet die heilige Wahrheit;
Bald umgaukelten ihn die Bilder der lieblichen Heimath,
Dort die fröhliche Jugendzeit, verlebt in dem Umgang
Holder Gespielen, und dort die liebende Mutter in Jammer
Ob des Sohnes Verlust — in Trauer die Freund’ und Verwandten.
Gleich dem starrenden Eis, das schnell des laueren Westwinds
Odem schmilzt, begann ihm die Wuth in dem Busen zu schmelzen,
Und sein Aug’, das lange nicht mehr des reuigen Herzens
Sanftere Thräne gekannt, erhellten schimmernde Perlen.
Regulus schwebte herab, umschlang den Nacken Medelins,
Daß er in seiner Brust entflammte des himmlischen Mitleids
Glimmende Funken, und regt’ ihn auf in dem Seelengelispel:
„Hast du dem Vaterland, den Lieben daheim und dem Glauben
Deiner Väter entsagt, und geopfert für schändlichen Reichthum
Ruh’ und Glück? Doch sieh’, nicht bringt dir solcher hienieden
Jemals Gewinn: denn bald, in entsetzlicher Stunde der Nothwehr
Wenn nicht Sinam es hemmt, der mildergesinnete Feldherr,
Schleudert des Wüthrichs Grimm die Sclaven, und schleudert dich selber,
Flammenumbraust, in die Luft. O, rette die armen: dem Mitleid
Oeffne dein Herz, und der Reue, zu sühnen den schändlichen Undank!“
Schaudernd vernahm im Geist die schrecklichen Worte Medelin;
Stieg die Stufen herab, und Regulus blickte, vor Wonne
Bebend, ihm nach: er ging, die Brüder zu retten, entschlossen.
Jetzt urplötzlich umstrahlt von seelenentzückender Klarheit,
Und vernehmend den Ruf unendlicher Lieb’ und Erbarmung,
Fuhr der Geist verklärt empor, in lichteren Räumen
Seliger stets, der Himmelshuld entgegen zu harren.
Doch schon stand Medelin umringt von den Christen im Kerker;
Riß sich das Kleid entzwei; zerschlug sich die Brust und die Hüften,
Lautaufjammernd, und rief mit thränenumhülletem Blick so:
„Wehe mir schändlichem Mann: den heiligen Glauben verläugnet
Hab’ ich für schnöden Gewinn, verkauft dem falschen Propheten
Ruh’ und Glück; doch über das Haupt des schändlichen Räubers,
Hairaddin, komme der Fluch! Ihr all’, o Frevel der Hölle,
Solltet jetzt, in die Luft geschleudert, zerstieben im Zündstaub,
Den er gehäuft im Fels tief unter den Kerkern! Nur Sinam
Hemmte den Wüthenden noch, und siegt’. Mir schwand die Verblendung
Schnell vor den Augen: ich schwur, dem Gräuel erbebend, euch Rettung,
Und, wenn Reue noch frommt, so wird erbarmende Huld mir.
Hör’t, nur tödt’ euch die Freude nicht, hör’t! Euch Freiheit zu schaffen,
Rückten die Christen mit Heer’smacht an; im Sturme bezwungen,
Liegt Goletta im Staub; die goldenen Zinnen von Tunis
Beben dem Sieger; der Wüthrich flieht, und der schimmernde Halbmond
Sinkt vor dem heil’gen Panier, das unser’n Erlöser getragen.“
Rief’s, und, als er die Bande gelöst von den Händen und Füßen
Hugo’s, da sprach er zu ihm, mit thränenerhelleten Augen:
„Eile zu unserm Gebiether und Herrn, dem Kaiser, und künd’ ihm,
Was hier eben gescheh’n. Die eisernen Thore der Hochburg
Will ich verschließen vor Hairaddins Wuth, die entfesselten Sclaven
Waffnen, und harren des Wink’s zum Verein mit ihm und der Heersmacht;
Aber er eile heran: denn furchtbar wäre das Säumen.“
Als er geendet, da scholl um ihn her entsetzliches Rufen,
Weinen, und Jauchzen des Volk’s, daß er selber in bebenden Schauern,
Wonn’entseelt, hinsank, und stöhnete. Freudig enteilte
Hugo des Kerkers Nacht, dem Kaiser die Kunde zu bringen.
Liebliche Still’ umfing das Lager der Christen. Entschlummert
Ruhte der Krieger im luftigen Zelt; nur rings um den Wall her
Stand die Wache, nicht scheuend für heut’ den feindlichen Anfall
Mehr, und summte, gelehnt an’s Gewehr, ein munteres Liedchen
Leis’ in die Stille hinaus, sich die nächtlichen Stunden zu kürzen.
Ueber die Cedern herauf, an Zafrano’s entfernteren Höhen,
Schwebte der Mond, und erhellete rings den schweigenden Erdkreis.
Draußen im duftigen Meer, auf den fern entgleitenden Wellen,
Glomm sein düsteres Licht; er zog in dem finstern Gewässer
Hin die strahlende Bahn. Vom Schilf her säuselte Kühlung;
Summend wiegten die Mücken der Nacht sich in würzigen Lüften,
Und in das leise Getös’ der fern’ aufbrandenden Wogen
Mengte vom dunkelen Hain die kreischende Stimme der Laubfrosch:
Rings verstummte die Welt, und entschlummert ruhten die Krieger.
Aber kein Schlummer umfing die glühenden Augen des Kaisers.
Sinnend saß er vor seinem Gezelt, und blickte zuweilen
Schwermuthsvoll in die liebliche Helle des Mondes, zuweilen
Nach dem trüblichen Schimmer hinaus auf den gleitenden Wellen,
Hörte der Wogen Geräusch am fernen Gestade; der Mücken
Summenden Flug, und das Kreischen der grünlichen Zweigebewohner,
Und er seufzte dann laut des Herzens nagendem Kummer.
Sieh’, nicht schlummert’ auch Eberstein! Ihm brannten die Wunden
Noch an dem Arm, den erst, im Sturm der Veste Goletta,
Ein befiederter Pfeil durchfuhr. Er lag in dem Mondlicht,
Vor dem Gezelt, die Labung kühlumsäuselnder Lüftchen
Athmend. Nun horcht’ er bewegt, und blickte verwundert um sich her,
Als er die Seufzer vernahm vor dem Zelteingange des Herrschers.
„Wer durchstöhnet die Nacht?“ so rief er, dem einsamen Denker
Nahend mit zögerndem Schritt. „Er selber?“ Da wich er betroffen,
Kehrete wieder, und sann: ob er dort den Einsamen störe?
Doch sein trauerndes Aug’ entlockte dem Zweifler das Wort jetzt:
„Hat mich das Lüftchen getäuscht, das leis’ in den Zweigen des Oehlbaums
Säuselt, Seufzenden gleich? Geußt Blässe des Todes der Mond nur
Dir auf die Wangen? Wie, du wachest, in Trauer versunken,
Nach dem Tage des herrlichsten Sieg’s, dem Falle Goletta’s?
Sprich, Erlauchter, warum denn ewig dir finstere Schwermuth
Falte die Stirn’? Enthülle dem Treuen des Herzens Geheimniß:
Haben die Sorgen des Thron’s, hat unverschuldetes Herzleid
Sie schon frühe gezeugt, und großgezogen zum Jammer?“
Ernster wandte nach ihm die sinnenden Blicke der Kaiser;
Legte die Hand auf die Brust, und begann mit erschütternder Stimme:
„Lasest im Antlitz du die Züge des nagenden Kummers?
O, so schaue sie kenntlicher noch mir im Herzen, und schweige!
Früher Gram, vermengt mit den zartesten Freuden der Kindheit
Wurzelt’ in dieser Brust, die dort des herrlichen Vaters
Tod, und um ihn, der Mutter im Wahnsinn endende Trauer,
Grausam zerriß. Doch winkte mir ewig der Völkerbeherrschung
Ernstes Ziel; ihm weiht’ ich die fröhlichen Jahre der Jugend,
Schweigend, der Blödigkeit Bild, bis Valladolids Turnierbahn,[70]
Und des Schild’s hochsinniger Spruch mir glänzenden Ruhm gab.
Als ich Hispania’s Zepter ergriff, durchtobten des Aufruhrs
Schrecken das herrliche Land. Von Bürgerblute besudelt,
Weckt’ es Entsetzen mir an den Schranken der furchtbaren Laufbahn;[71]
Aber zugleich erstand auf der dornenvollen ein Feind mir,
Unversöhnlich, den Thron des heiligen, römischen Reiches
Neidend, und glühend vor Haß, in Frankreichs stolzem Beherrscher.[72]
Hat er nicht endlos Krieg, und ach, unnennbares Elend
Rings auf unsere Völker gewälzt: zu Bundesgenossen,
Er, deß’ Thron in dem Nachruhm prangt des Christlichsten Königs,[73]
Mahoms Söhne gewählt,[74] des Kreutzes schrecklichen Erbfeind,
Den ich im seligen Jugendtraum, dereinst Europa’s
Rettender Hort, zurück nach Asia’s Steppen zu drängen
Hoffte? Sieh’, auch jetzt, als uns viel tausender Christen
Schreckliche Noth nach Afrika’s ferne Gestade gerufen,
Weckt er daheim mir Haß, und nährt verderbenden Aufruhr!
Deutschland — Mann, du erbebst dem Jammergeschicke der Heimath,
Fröhnt ihm sogar, verkennend mein treues und redliches Streben:
Durch den freien Verein so vielfachgesonderter Gauen
Endlich die heimische Macht und Würde für immer zu gründen!
Doch nun trennt sie ein Streit, das Heiligste, Höchste der Menschheit:
Gottes Wort, sich erkiesend zum strenggebiethenden Vorwand:
Jeden Verein zum Wohl noch kommender Zeiten zu fernen.[75]
Wahr, daß Schatten das Licht umhülleten; heilig wie Gottes
Satzung, der Unfug dünkte dem Volk’, und die Wiedergestaltung
So an dem Haupt wie den Gliedern ersehnt’ auch die bessere Mehrzahl,
Die dem Heiland getreu verharrt für immer und ewig!
Doch nur von Schlacken das Gold, von der Spreu zu sondern das Fruchtkorn,
Heischte die Lieb’, und es hob sich schon der Tempel der Eintracht
Herrlich empor: er ward zertrümmert in schrecklicher Willkühr.
Nur zerstörend wollte man bau’n. Die reitzende Neu’rung
Und der empörende Ruf unwahrgedeuteter Freiheit
Lockte das Volk — das Eigen der Kirche die Fürsten. So rang ich,
Denkend des schrecklichen Bauernkriegs,[76] und der Gräueln der Zukunft,
Lang’ entgegen dem Strom, dem Jammer zu wehren, vergebens!
Ha, ein Gesicht, erst jüngst in des Heiligthums Dunkel enthüllet,
Sträubte das Haar an der Scheitel mir auf! Ich zitterte, bebte:
Deutschland sah ich erwürgt nach dreißigjährigem Wuthkampf,[77]
Rauchend im Schutt die Burgen, Paläst’, und Hütten, und Tempeln;
Heiliges frech entweiht, die Määler der Künste vernichtet,
Und verödet die Gau’n. Wo früher die goldenen Aehren
Wogten im schimmernden Abendroth; wo blöckende Heerden
Hüpften im lachenden Grün; der Mensch in seliger Unschuld
Gleichbeseligte Menschen ersah, und sich freute des Daseyns,
Herrschte nur Grabesstill’, und im dornumwucherten Saatfeld
Bleichte das nackte Gebein weithin erschlagener Völker.
Spät erst wagte, mit schüchternem Blick, der Verscheucht’ aus dem Schutte
Sich zu erheben, und sah er nun dort den Schüchternen kommen,
Dacht’ er, „Weß Glaubens er sey?“ und brütete Haß und Verfolgung.
Sieh’, Jahrhunderte floh’n! Da lag auf den Fluren der Heimath
Finstres Gewölk; die röthlichen Blitz’ erhellten zuweilen
Hinter der Wolkennacht, die Jammergefilde der Zukunft.
Ueber dem Rhein scholl Mordausruf: bald wirbelten endlos
Auch in die deutschen Gau’n, vernichtend, herüber des Aufruhrs
Flammen, und laut umher ertönte Gebrülle von Freiheit!
Gleichheit! Doch von dem Wagen des lautumjauchzeten Siegers
Klirrten die Fesseln schon entehrender, schimpflicher Knechtschaft.
Fiele der Deutsche so tief? Er beugte den kräftigen Nacken
Selber der Schmach? O dahin, ich wußt’ es, unselige Trennung,
Führst du mein edeles Volk: dir rang ich vergeblich entgegen!“[78]
Jetzo verstummt’ er, und neigte zum pochenden Busen das Antlitz,
Thränenumflossen, herab; doch sieh’, er hob es, erschüttert,
Wieder empor: im Blitz erhab’ner Gesichte der Zukunft
Schwand ihm die Gegenwart! Er sah in beglückteren Tagen,
Freiheit bringend und Ruhm, an den lieblichen Ufern der Pleisse[79]
Siegender Heere Verein: erstanden in ihrem Vermögen
Deutschlands Völker, geschlossen den Bund hochsinniger Fürsten,
Schlacht und Feindesflucht, im helleren Glanze des Rheinstroms
Freihinwallende Fluth, und Sieg auf Siege gehäuft fort —
Sah vorstrahlend im Fürstenbund den glücklichen Enkel:
Glücklich im hohen Gefühl des ruhmgekröneten Lebens,
Und in der Liebe des Volk’s, das treu und redlich ihm anhing,
Auch in dem nächtlichsten Sturme der Zeit.[80] Da schwand ihm des Anblicks
Zauber; er starrt’ umher, und rief: „Ein täuschender Traum war’s!“
Und mit dem Blick voll inniger Trauer begann er von neuem:
„Solcher Kummer belastet mein Herz: ich denke der Zukunft.
Alles, was ihr dieß Herz mit Liebe zu weihen sich sehnte,
Hemmte der Sectenwuth blindlingsvernichtender Unsinn,
Der, mein Leben begeifernd mit Gift, mir Haß in der Nachwelt
Fernsten Tagen erregt, und Schmähung bereitet die Fülle.
D’rum lechzt meine verwundete Brust nach freieren Lüften,
Ferne vom Thron, wo nie die Freude mir lächelte, rastlos
Feindlicher Haß mich traf, und herzzermalmender Undank.
Aber ich sehe das Morgenroth, das mir an dem Abend
Noch die Sonne verheißt nach dauernden Stürmen des Tages.
Jüngst, nach ermüdendem Weidwerk, both in Estremadura’s
Lieblichem Thal, Sankt-Just,[81] der Hieronymitaner
Einsames Kloster uns Ruh’. In der hehren Stille des Abends
Faßt’ uns gar wunderbar vom erhelleten Dome der Psalmen
Herrliche Festmelodie, der Orgel mitwallender Jubel,
Und das wehmuthsvolle Getön der Glocke vom Thurm her,
Die zum Abendgebeth uns lud, und zu stiller Betrachtung.
Schweigend durchirreten wir des vielfachgesonderten Gartens
Dunkle Pfade, wo frei, nach Lust unschuldiger Willkühr,
Jeder im Bruderverein mit Sorgfalt baute sein Gärtchen.
Einer mit silbernem Haupt und himmlischheiterem Antlitz,
Wandelte dort: er band, dem festlichen Morgen zur Feier,
Kränze, mit zartem Sinn vermengend mancherlei Farben;
Knüpfte, hinwandelnd im Duft, gesunkene Blumen an Stäbchen
Fest, und labte die schmachtende Flur, aus der Fülle des Springquells
Schöpfend die Silberfluth mit hellerglänzender Kanne.
Freundlich nickt’ er den Gruß erst mir, dann meinen Gefährten
Freundlicher noch; er ging, und waltete, meiner nicht achtend,
Wieder so ruhig fort in überseligem Frieden.
O, so dacht’ ich, nicht fühlt er die herzzernagenden Sorgen,
Die mein Antheil sind auf des Lebens verworrenen Pfaden!
Ihm ist sein Blumenbeete die Welt, von sanften Bewohnern
Blühend und duftend belebt; sie lohnen mit seligen Freuden
Stets ihm jegliche Müh’: er herrscht und waltet im Segen.
Schnell wie ein Blitz aufflammt’ in meinem Busen ein Vorsatz,
Welchen das Herz ergriff, festhielt, und erwählte für immer.
Staune nicht so, mein Held! Einst siehst du mich glücklicher. Reift nur
Mein Erzeugter zum Manne heran, auf dem Pfade des Herrschers
Würdig zu wandeln: dann, o sehnlich erwarteter Festtag,
Eil’ ich mit Adlers Flug in des Friedens himmlische Thäler:
Denn, wie, kämpfend mit Sturm und Noth, der zagende Schiffer
Fern auf dem Meer umtreibt, als berstend die Maste vom Bord ihm
Stürzen, die schäumende Fluth fortwälzt die Tau’ und die Segel,
Und sein Fahrzeug, leck, schon tiefer sinket, er plötzlich
„Land! Land!“ hört, da füllt ihm die Brust unnennbare Sehnsucht,
Und sein thränender Blick hängt starr an den fernen Gestaden:
Also zieht mich das Herz hinüber nach Estremadura’s
Winkendem Friedensport, und Sankt-Justs heiligen Mauern.
Dort, den Sorgen der Erd’ entrückt, vom Menschengewühl fern,
Und dem Himmel geweiht, entschwind’ in seliger Stille
Jede Erinnerung mir der leidenerfülleten Vorzeit!
Sieh’, schon glänzet der Abendstern, verwandelt, des Morgens
Herold: die Nacht entweicht! Schon wecken die rasselnden Trommeln —
Wecken Drometen das schlummernde Volk. Nun will ich des Sonntags
Heilige Feier begeh’n im Kreise der tapferen Krieger,
Dann, will’s Gott, erringen das Ziel in dem Kampfe vor Tunis!“
Waffengeräusch erscholl im dunkeln Gezelte des Kaisers,
Wo seither dem düsteren Schmerz ergeben, Toledo
Trauerte. Ihn zu erheitern sann der gütige Herrscher;
Aber umsonst: denn kalt und schweigend verschloß er die Brust ihm.
Jetzt, aufhorchend im Zelt dem Klagenden, fühlet’ er plötzlich
Wieder erglühen den Muth im schmerzerstarreten Busen;
Sprang vom Lager behend’, umfaßte die glänzenden Waffen,
Gürtete sich, und kam, und sprach zu dem Staunenden also:
„Wie, so wohnet denn Gram auch im edelsten Herzen? So lohnt ihm
Völkerbeglückende Müh’ und Sorge nur schändlicher Undank?
Schwinde, mein Leid! Verstumm’t, ihr Klagen! Ich wähnet’ euch endlos;
Doch nun tret ich, beschämt, vor diesen erhabenen Dulder,
Der dem größeren Schmerz obsiegt, und handelt, der Pflicht treu.
Hör’ ich drometenden Ruf — der weckenden Trommel Gewirbel?
Fleugt das Schlachtroß wiehernd im Feld, und blitzen die Waffen
Tod in den Feind? Ich komme! Mit Schrecken gewahrt er Toledo’s
Waffen, und netzt sie mit Blut, und, wenn auch Thränen sie netzten —
Meine Thränen: ich trockne sie schnell, des Dulders gedenkend.“
Rasch enteilt’ er dem Zelt. Dem Nahenden jauchzten die Krieger
Freudigen Gruß: denn liebend hing das Volk an dem Helden.
Aber ihm folgte bewegt, mit den tapfersten Führern der Kaiser
Jetzt in das Lager hinaus, Aufbruch zu gebiethen der Heersmacht.
Schon versank am fernen Gebirg der blässere Vollmond;
Leise verhüllten die Stern’ ihr Strahlenhaupt, und im Frühroth
Glomm die erwachende Welt, als jetzt das geordnete Kriegsheer
Sich nach Goletta erhob. In tieferschütternder Stille
Schritt es einher. Nun wurde die finstere Stirne des Kriegers
Mild, nun sanft sein drohender Blick: denn heiliger Andacht
Sollt’ er am Tage des Herrn sich weih’n; des göttlichen Mahles
Andenken würdig feiern, und dann die erschlagenen Krieger
Senken in’s dunkele Grab, und den Tapfern erhöhen den Denkstein,
Daß er entflamme des Kriegers Brust in der kommenden Zeit noch.
Sieh’, am Strande des See’s, auf dem weitumschauenden Hügel
Hob sich über dem Zelt aus Zweigen des säuselnden Oehlwalds
Eine Laube, dem Opferaltar zum wölbenden Dom auf.
Krieger pflanzten die Laub’ in Hast, und zur Linken und Rechten
Neben dem Bild des Gekreuzigten, nährt’ auf silbernen Leuchtern
Emsiger Bienchen Fleiß die fächelnde Flamme der Kerzen.
Als die erlesene Heeresmacht, dem schimmernden Halbmond
Aehnlich, die Laub’ umgab: da folgte der stattliche Priester
Eilig, im Feiergewand, dem dienenden Jüngling zum Altar.
Dort vor dem Allerheiligsten sprach er die offene Schuld erst;
Dann lobsang er dem Herrn, und bethet’ um Himmelserleuchtung,
Daß das sehnende Herz erkenne die Wege der Wahrheit;
Kündigte dann aus dem Brief des großen Jüngers die Tröstung
An die fromme Gemein’: „Einst soll, was dunkel im Leben,
Wie in umflortem Spiegel erschien, auf immer enträthselt,
Schimmerndhell uns werden im Anschaun ewiger Wahrheit.“
Dann die Worte des Evangeliums, mild und erhebend:
„Liebet auch euren Feind, als Kinder des Einen und Höchsten,
Der mit Vaterhuld für den Frommen und Bösen die Sonne
Aufgehn heißt mit erwärmendem Strahl, und gedeihlichen Regen
Sendet der Saat des einen, und andern!“ Auch sprach er des Glaubens
Frohes Bekenntniß, und opferte Brot und Wein zur Versöhnung
Unserer Schuld; doch bald nach dem Dreimal-Heilig erhob er
Nun das Heiligste selbst, und, als er im frommen Gebeth auch
Jener gedacht, die, schon entrückt, im Lande des Friedens
Schlummerten, sprach er das hohe Gebeth des Herrn, und, in Demuth
Schlagend die Brust vor dem Lamm, das, uns Erlösung zu bringen
Sich in den Tod hingab, genoß er die Speise der Seelen.
Jetzt noch fleht’ er um frohe Geduld in den Tagen der Trübsal,
Und entließ mit segnender Rechte die Christenversammlung.
Aber das Haupt entblößt, und die Augen zur Erde geheftet,
Stand umkreisend das Heer, und ehrte die heilige Sühnung
Durch erhabnen Gesang: die melodischen Laute des Herzens
Flogen zum Himmel empor, und weckten die sanfteren Thränen,
Die nur die Andacht weint in wonn’erhöhter Empfindung.
Glänzender wölbte sich rings des Himmels blaues Gezelt auf,
Und ein Sonnenmeer umwogte das hehre Geheimniß
Unseres Heils. Der schimmernde See, von milderen Lüftchen
Leise geküßt, erhob in schauernder Wonne die Wellen
Nach dem Strand, wo in lispelndem Grün der Opferaltar stand.
Freudig neigten sich ihm die Wipfel der Cedern Zafrano’s;
Auch das Olivengehölz ersäuselte sanft, und des Luftraums
Liebliche Sänger horchten still in den flisternden Zweigen;
Feierlich schwieg umher die tiefanbethende Schöpfung.
Als gefeiert das Fest, und vollendet das göttliche Mahl war:
Da geboth der Kaiser dem Volk die Begrabung der Todten.
„Eilt,“ so rief er, „an’s heilige Werk: der Erde zu geben
Leichtverwesliche Saat zur Ernte des ewigen Lebens,
Wenn der Posaune Klang uns all’ aus den Gräbern hervorruft!
Denket des tapferen Sarno zugleich, den ehrenden Denkstein
Ihm erhöhend. Auch Giaffar sey an den Mauern Goletta’s
Ehrend die Säule geweiht: denn schön ist es, kommenden Zeiten
Noch den Heldenmuth erschlagener Feinde zu künden.“
Eilig gruben die Krieger das Grab; weit gähnte das Erdreich,
Biethend die Ruh’ im dunkeln Schooß den entschlummerten Todten.
Thränenden Blick’s hintrug so mancher den treuen Gefährten,
Der auf des Lebens Dornenpfad’ ihm redlich die Bürden
Tragen half, und treu sich bewähret’ in Noth und Gefahren.
D’rauf, als alle das Grab umfing, und der ehrende Hügel
Deckte: da hob, aufblickend, der Priester den Trauergesang an;
Sprengte geweihetes Wasser umher, und schwenkte des Fäßchens
Weihrauchduftende Gluth der Ruhestätte zum Segen.
Dann versenkten sie auch im gesonderten Grabe, die Leichen
Ihrer Gegner, vereint; erhöhten mit Liebe den Denkstein
Sarno’s Ruhme geweiht — auch Giaffars. Freudig gewahrte
Ludwig das Ehrenmaal des Tapferen, den er erlegte.
Hell, in des Mittags Gluth erglänzten die Zinnen der Festung,
Als die christliche Heeresmacht, dem Herrscher gehorchend,
Sich g’en Tunis erhob. Der Wetterwolke nicht ungleich,
Die an dem fernen Gebirg aufschwebt, dann eilenden Fluges,
Rings die Lüft’ umhüllt, und des Himmels Bläue verschlinget,
Deckten die Kriegsheerscharen das Land. Sonst tapfere Krieger,
Lechzend vor Durst im qualmenden Staub, der unter des Rosses
Huf und des Mann’s vorstrebendem Fuß zu den Wolken emporstieg,
Murreten jetzt in den Reih’n: da schwang der Kaiser voll Hast sich
Aus dem Sattel; er zog in mutheinflößender Hoheit,
Selbst mit den Scharen einher, und führte sie vor auf dem Heerweg.
Plötzlich verstummte die Klag’, und, wie durch kühlendes Wasser,
War die lechzende Zunge gelabt, der finstere Sandstaub
Ohne Beschwerd’, und die Gluth der schrecklichen Sonne verloschen.
Doch als jetzt in des Meeres Fluth g’en Westen ihr Antlitz,
Goldumflammt, sich spiegelte; dort- und vom nahen Gehölz her
Liebliche Kühlung kam: da ersah’n die staunenden Krieger
Tunis, mit thürmenden Minarets und prangenden Häusern
Glühen im rosigen Licht der ersehneten Stunde des Abends.
Lautaufjauchzten sie all’, und schlugen mit nervigen Rechten
Dann an die blanken Gewehr’: entscheidender Thaten sich freuend.
Aber der Kaiser geboth, urschnell erforschend die Gegend,
Seinen Tapferen „Halt!“ denn links am Gestade des See’s hin,
Rechts am Olivengehölz, wo droben die Schanze der Felshöh’n
Salis bewähretem Muthe vertraut, der lagernden Heersmacht
Sichere Stellung verhieß, und die silbernrieselnde Quelle
Labung ihm both, gedacht’ er des Heers kampfrüstige Flügel
Auszubreiten, und dort der Morgenröthe zu harren.
Und, wie im wölbenden Dom die unzähligen Laute der Orgel,
Von dem Künstler geweckt, sich all’ in brausender Strömung
Herzerschütternder Harmonie’n vereinen zum Wohlklang;
Oder so wie die Räder all’ im vollendeten Uhrwerk
Willig sich dreh’n nach des Penduls Schlag, und die Zeiger der Stunden
Kreisenden Lauf und die Bahn der Stern’, und der Sonn’ und des Mondes
Weisen zugleich auf dem Zifferblatt: so folgten die Krieger
Jetzo des Herrschers Wink. Und schnell, wie im künstlichen Webstuhl,
Kreisenden Spuhlen entfloh’n, im Zug sich entwirren die Fäden,
Und verschlingen zum schönen Gebild: so entwirrten sich alsbald
Hier die verschlungenen Reih’n, und lagerten dann in dem Blachfeld
Trefflich geordnet umher. Die Reiter, auf jedem der Flügel
Deckten schirmend des Fußvolks Macht und des eh’rnen Geschützes
Ordnungen, die von dem Vorderzug das mittlere Treffen
Sonderten. So gestellt, nachtlagerten jetzo die Krieger.
Sieh’, da nahten die Feind’ unzählig herüber von Tunis,
Hairaddins drohendem Blick und schrecklichem Rufe gehorchend!
Wie auf dem Stillen-Meer des Sturms erbrausender Odem
Weit die Fluthen empört, und endlosstarrende Wogen
Fort zum entferneten Welttheil wälzt — sie stürzen gedrängt hin:
Zahllos so, herübergejagt von dem furchtbaren Herrscher,
Nahten die Moslemim: denn im Gemüth nicht Tausender Leben
Achtend, däucht’ es ihn leicht, die schmählichverlorene Festung,
Jetzt im nächtlichen Ueberfall dem Feind’ zu entreißen.
Grimmig verlacht’ er darum die Worte der Späher: ihm stehe
Dräuend entgegen der Feind, und ordne die Scharen zum Kampf schon;
Dennoch drängt’ er den Sporn in die Seite des ächzenden Rosses,
Das ihn im Staubgewölk und im sausenden Donnergalopp hin
Bis an die Vorhuth trug. Dort hielt er, und sah, vor Erstaunen
Starr, die Gerüsteten: Wuth und Verzweiflung engte die Brust ihm.
Wie die Wetterfahn’ im Hauch des wechselnden Windstroms,
Bald nach Osten, und bald nach Westen gewendet, umherfleugt:
Also schwankte sein Geist, im Sturm und Drange des Herzens,
Unentschlossen, umher: denn schnell, mit dem Blicke des Adlers,
Heeraufstellender Kunst und Angriffs kundig, gewahrte
Sein umspähendes Auge das Heer des mächtigen Gegners
Trefflich beschirmt, und ihm entfloh’n die Stunde des Angriffs.
Schweigend kehrt’ er zurück, und rief den Scharengebiethern,
Frohsinn heuchelnd, und Muth, weil Angst ihm füllte den Busen:
„Preist den Herrn der Welt und seinen erhabnen Propheten,
Der uns herrlichen Sieg verheißt, und dem Feinde Verderben
Sendet! Die Nacht entsinkt dem Sternengefilde; nicht kämpfen
Heut’ wir mehr: denn hör’t! Nur tobenden Muthes Getümmel,
Sang und Klang ertöne vom Lager; unzählige Feuer
Mögen die dunkle Nacht umwandeln zur Helle des Tages,
Und enthüllen das Heer, das schon an dem kommenden Morgen,
Gleich dem Sturm vorbrausend im Feld, hintilge die Christen.
Abu-Sa-id, dich ruft vor jeglichem Führer dein König
Heute zur That! Zeuch hin mit zwanzigtausend Erwählten,
Sonder Geräusch, entlang die felsigen Ufer Medscherda’s,
Nach Buschatter, um dort zu umgehen das feindliche Lager;
D’rauf, den flammenden Blitz des Donnerrohrs und der Büchsen,
Schauend in dämmernder Früh’, und des Kampf’s erwachtes Getümmel
Hörend, erklimme die Höh’n, und stürze dich, ähnlich dem Gießbach,
Der im zerstörenden Lauf fortbraust nach unendlichem Regen,
Rasch in das Lager hinab, daß uns die flüchtigen Scharen,
Seiner Wälle beraubt, dann all’ erliegen im Schlachtfeld.
Denke des herrlichen Zugs, und der Beut’ unsäglichen Werthes!“
Sagt’ es, und Abu-Sa-id ging stolzumschauenden Blickes,
Seinem harrenden Volk und dem nahen Verderben entgegen.
Doch, auf Hairaddins Wink, des furchtbar’n Mannes, erwachte
Jetzt Aufruhr, und Lärm, und Getös’ in dem wimmelnden Lager:
Denn des Kessels schmetternden Klang hier mengten die Einen —
Dort des Horns Gebrüll die Andern (mit schwellenden Backen
Und vorquellendem Aug’ erzwingend des Erzes Gewaltton)
Furchtbarer stets, in das laute Geschrei der rasenden Krieger
So, daß die schlummernde Welt vor Angst aufschauderte ringsum!
Und in den hellsten Tag verwandelte, prasselnd, des Reisigs
Mächtige Lohe die Nacht. An den Zelten der Völker hinunter
Trugen ragende Pfähl’ unzählbarflammende Kessel,
Leuchtend, empor: ihr fächelnder Schein durchblitzte die Gegend
Endlos, immer geweckt von des Harzes aufwallenden Fluthen.
Raschelnd wogte vor Hairaddins Zelt die Heilige Schlachtfahn’ —
Also dem Volke genannt, in die Lüfte. Die türkische Tonkunst
Feierte dort ihr Fest: die Trommel polterte; Teller
Zischten mit ehernem Laut; hell klingelten Schellen und Glocken;
Pfeifchen gellten mit Zink- und Hörnerklängen vereinet.
Doch vor des Bascha Zelt, vor jeglichem rings in dem Lager,
Stand das düstre Panier, von des Rosses buschigem Schweifhaar
Zwei- auch dreifach erhöht: die Würde des Orta-Gebiethers
Kündend. Also durchwachten die Nacht die empöreten Völker.
Abu-Sa-id entschlich, dem wildaufspürenden Weidmann
Aehnlich, dem Heer’, und eilte Medscherda’s Fluthen hinunter,
Mit erlesenem Volk, ihm Stille gebiethend, zum Ziel hin.
Lange noch hört’ er des Lagers Getös’, und freute der List sich.
Aber da lag auf des Felsens Höh’n, im Kreise der Schützen,
Salis, der tapfere Hort, und sah nach den Sternengefilden
Schweigend empor. Er bebte, daß dort, millionen von Meilen
Ueber dem glänzenden Sirius noch, das Aug’, mit des Fernrohrs
Zaubermacht bewehrt, aufdrang, und dennoch kein Ziel fand;
Zahllos über ihm noch die Sonnen wandeln, und zahllos
Erden und Monde sich dreh’n im Raum des unendlichen Weltalls:
Das erfüllt’ ihm die Brust mit Schauern der nahen Vernichtung!
Weinend senkt’ er den Blick zum niedrigen Staube hinunter —
Dachte sich selber nur Staub im wehenden Hauche der Allmacht.
Sieh’, da flog, auf des Lüftchens Fittigen säuselnd im Nachtgrau’n,
Eilender Schritte Getös’ und klirrender Waffen Getümmel
Ihm an das horchend’ Ohr. Mit dem spähenden Auge des Falken,
Der aus Wolkenhöh’n im dunkelen Grase den Raub sieht,
Forscht’ er rings in den Thälern umher, und sah an Medscherda’s
Ufer annahendes Volk. Schnell ahnt’ er, besorgt in dem Herzen,
Feindlichen Ueberfall, und, gedenkend entscheidender Abwehr,
Flog alsbald, gesendet von ihm, Ruinard in das Lager,
Von dem Kaiser verstärkende Macht zu erfleh’n: und sie ward ihm.
Bald erklommen die Höh’n noch tausend erlesene Schützen,
Löwenbeherzt, und froh der feindabwehrenden Arbeit.
Aber am Strande des See’s, wo im Lager die Scharen der Christen
Ruheten, war nicht Getös’ auftobenden Volkes zu hören.
Nicht erleuchtete Flammenschein (so wollt’ es der Herrscher)
Dort die dunkele Nacht, daß in ihrem Schleier geborgen,
Fest vertrauend dem Muth in der Brust und der leitenden Weisheit,
Lächle der Tapfre getrost des schreckenvollen Getümmels,
Das die Verzweiflung gebar, nur feigeren Seelen zur Täuschung.
D’rauf erquickte nur Brot die Lagernden, heute zum Spätmahl
Kärglich gespendet; sie löschten den Durst nur am Born, und gedachten,
Scherzend, des reichlichen Mahls zu Tunis, am kommenden Abend.
Aber der Kaiser ging im Kreise der schmausenden Krieger,
Zögernden Schrittes umher, und sagte mit Lächeln dem Einen,
Und dem Ander’n ein freundliches Wort, beim Nahmen ihn nennend:
Da in dem zahllosen Heer’ kein Tapferer fremd ihm geblieben.
Doch nun rief ihm der Reisige, Horst, der früher des Kaisers
Dienender Mundschenk war, da er ging, im heiteren Scherz nach:
„Carolus, unser gebiethender Herr,“ so spöttelt’ er, winkend
Noch mit den Augen, ihm nach, „vermisset mit trauerndem Herzen,
Heute wohl auch die erlesene Menge der Speisen im Prunksaal,
Wo er dem Tisch sonst naht in traulicher, lieber Gesellschaft:
Denn nicht dampfen aus China’s buntem Geschirr ihm die Brühen
Würzig entgegen, und nicht das Fleisch gemästeten Rindes,
Mancherlei Brühen gesellt, nicht das zarte Gemüse, des Rehes
Saftiger Rücken, des Wildschweins Kopf, mit grünenden Sträußchen
Zierlich umhüllt, nicht der Braten von zahm- und wildem Geflügel.
Auch das feine Gebäck, so vielfachgestaltet aus Rohrmehl,
Das uns die Neue Welt hersendet in schimmernden Kegeln,
Reitzt nicht heut’ ihm den Gaum, nicht das Obst, erzwungen im Treibhaus,
Oder weit schöner gereift von Gottes gewaltiger Sonne.
Weder des Rheinweins Gold, noch Malaga’s dunkler Gewürzsaft,
Und des Tokayers Gluth weckt ihm aus silbernen Bechern
Heute mehr Lust. Erwünscht nun wäre mir selber der Speisen
Abhub, der uns Dienenden ward nach vollendetem Gastmahl;
Aber getrost: uns winkt aus Tunis der freundliche Wirth schon!“
Also sprach er im Scherz, und laut auflachten die Krieger.
Abgewandten Gesichts horcht’ ihm der edelste Kaiser;
Doch nun wandt’ er sich schnell, und lächelt’ ihm, als er den Finger
Gegen ihn drohend erhob. Dem Scheidenden folgte der Krieger
Jubelgeschrei, noch weit zu seinem erhellten Gezelt hin.
Sieh’, jetzt kam ein christlicher Sclav’ im nächtlichen Dunkel
Eilenden Lauf’s zur Vorhuth; stand, und streckte zum Himmel,
Dankend, die Händ’ empor; dann rief er: „Erkennet ihr Hugo?
Ich bin’s! O, wer führt mich schnell zu dem waltenden Herrscher?“
„Hugo?“ so rief Toledo im Schlaf, und riß sich vom Boden,
Lautaufstöhnend. Er lag, der äußersten Scharen Gebiether,
Dort entschlummert im Feld. Nun küßte die bebende Hand ihm,
Auf die Kniee gesunken, der Greis, und schluchzete sprachlos;
Aber Toledo hing mit schrecklicherblassendem Antlitz
Ueber dem weinenden Greis’, und tief aus den Tiefen des Herzens
Seufzend, sah er ein strahlendes Bild hinschwinden im Nachtgrau’n:
Dann noch dunkler das Leben umher; er stürzte zum Meer fort.
Hugo, bebend vor Angst, vernahm von den Kriegern Mathildens
Trauergeschick und Toledo’s herzzermalmenden Jammer,
Und im wechselnden Kampf erblutete jetzo die Brust ihm:
Denn bald sah er die Flucht des unglückseligen Gatten,
Bald vernahm er im Ohr Wehklag’ und Geschrei nach Errettung
Tausender, die ihn gesandt aus den scheußlichen Höhlen des Todes;
Doch, was höher ihm schien, und galt im redlichen Herzen,
War ihm Gesetz. In Hast eintretend zum Herrscher, begann er:
„Herr, kein Fremdling vor dir, erscheine ich heut’ ein Gesandter
Zwanzigtausend in Noth und Jammer verschmachtender Christen!
O, ich habe den Jammer geseh’n, und wäre gestorben,
Hätte nicht himmlische Huld mich bewahrt bei dem gräßlichen Anblick!
Allerbarmend ist Gott, er lenkte die Seele Medelins
Wieder zurück auf die Wege des Heil’s, die er treulosen Sinnes
Abschwur, und erboßt, den Christensclaven ein Henker,
Wüthete. Sieh’, er kam, und löste den armen die Fesseln —
Löste sie mir, dem Draguts Rache den schrecklichsten Tod sann,
Daß ich dir künde zuvor: verschließen wird er der Hochburg
Eiserne Thore des Wüthrichs Macht, die entfesselten Sclaven
Waffnen, und harren des Wink’s zum Verein mit dir, und den Deinen!
Als ich der Höhl’ entfloh, da tönte herauf aus dem Abgrund
Freudengeschrei und Gerassel der sinkenden Ketten, daß alsbald
Mir erstarrte das Blut in den Adern vor Angst und Entzücken.
Wahrlich, mich leitete jetzt der Himmlischen einer in’s Lager
Her, in der dunkeln Nacht, Medelins Worte zu künden:
Herr, der Rettung gedenk’: denn furchtbar wäre das Säumen!“
Hastig enteilt’ er jetzt, die Spur zu erforschen Toledo’s.
Aber mit pochender Brust, mit thränenumflossenen Wimpern
Blickte der Kaiser ihm nach, und rief den tapferen Radburg,
Dann auch Römhild auf, die Führer der Bayern und Schwaben:
„Eil’t, ihr beide, vereint, mit tausend erlesenen Kriegern
Jeglicher, nach der Felsenburg; im nächtlichen Dunkel
Führt euch Hugo, der Greis, und dort eröffnet Medelin
Euch die Thor’, aus welchen noch heut’, o Wonne, der Christen
Eiserngefesselte Schar auszieht in seliger Freiheit!
Haltet die Veste besetzt, bis wir im schallenden Sieg’sruf
Nah’n, und die armen all’, entfloh’n dem Kerker, uns danken.“
Also geschah’s: denn schnell entbothen die muthigen Führer
Ihr erlesenes Volk, die Burg zu erreichen im Nachtgrau’n.
Draußen am Meeresgestad’, am schwindligen Rande des Felsens,
Stand Toledo gebeugt, und sah mit erblassendem Antlitz
Starr in die schimmernde Fluth. Ihm schwand dort die Erd’ und der Himmel:
Denn jetzt horcht’ er, verwirrt, dem fluthenden Geistergelispel —
Stöhnete dann, und horchte wieder: die wechselnden Wellen
Sanken, stiegen, und schienen allein in dem frostigen Meergrund
Für sein brennend Weh’ ihm labende Kühlung zu biethen.
Also fand ihn der Greis! er hob die Händ’ und die Augen
Weinend zum Himmel empor, und bethete leise für sich hin:
„Der du, ein guter Hirt in der Wüste das irrende Schäflein
Suchtest, und so das Gefundene, liebendumfaßt, auf den Schultern
Heimtrugst: laß auch ihn nicht verloren seyn, du Erbarmer!“
Dann umfaßt’ er ihn schnell; bedeckte mit brennenden Küssen
Ihm den Nacken, und rief mit leisem Gewimmer: „Mathilde!“
Lautaufstöhnt’ er dem Wort’, und wandte sich, starrend in Hugo’s
Thränendes Aug’; doch jetzt ergriff er die Hand des Getreuen,
Preßte sie heftig, und floh nach dem Lager zurücke. Der Wogen
Dumpfes Rauschen erfüllte noch fern ihm die Seele mit Schauder.
Hairaddins Völker umfing noch bleierner Schlaf und Betäubung.
Wie aus dem dämmernden Saal, nach lautem Gelage der Fastnacht,
Schleicht ermüdetes Volk; das schimmernde Licht von den Leuchtern
Schwindet; Tanz und Getöne verstummt, und Getümmel verhallet;
Also verhallte der Lärm in dem weitumkreisenden Lager
Hairaddins; doch, vom Schlummer erquickt, und zum Kampfe gerüstet,
Harrten die Christen schon des donnernden Zeichens zum Angriff.
Siehe, der Morgen erhob die Stirn’ an dem östlichen Himmel,
Rosenumkränzt, und sah mit schüchternerröthenden Wangen
Nach der Erde herab, die, sich des nächtlichen Grauens
Arm entwindend, aus Wolkenhöh’n mit dem Jubel der Lerchen,
Und in den Fluren rings mit schimmernden Thränen ihn grüßte!
Jetzt, in des Morgens Hauch, zum Kampf entbiethend die Scharen,
Schwang der Kaiser das Schwert in die Luft. Des Winkes gewärtig,
Eilte der Wurfschütz vor, und senkte die Lunte mit Vorsicht
Hin an des Zündrohrs dunkelen Rand: aufflammte das Pulver.
Erst nur ein weniges vor — dann eilender wieder zur Stelle
Rollte der eherne Schlund, und warf im Donnergetümmel
Durch die Lüfte den Ball nach dem feindlichen Lager hinüber.
Einst, wie zum Weltgericht die Posaun’ erschallt in dem Luftraum,
Schnell die Gebein’ aus Staub und Moder zum Leben sich regen,
Und in schaudernder Hast, dem Rufe folgend, die Todten
Alle ersteh’n: so scholl, in der heiligen Frühe, des Schlachtrufs
Donnergetümmel dem Feind’. Alsbald ergreifend die Waffen,
Stürzeten alle zugleich mit Lärm und Getös’ in die Reihen.
Rings in die Umwelt flog auf den Fittigen säuselnder Lüftchen,
Donnergetön, und traf in dem fernentlegenen Waldthal
Abu-Sa-ids aufhorchendes Ohr. Er wähnte: begonnen
Wüthe die Schlacht — besiegt von Hairaddin, fliehe der Fremdling
Schon, dem er den schirmenden Wall zu entreißen herankam.
Schnell entboth er sein Volk, und klomm an der ragenden Bergwand
Aufwärts, keuchend vor Hast, und triefend von Schweiß an den Gliedern:
Denn ihn drängte nach Beute die Gier, die Hairaddin gestern,
Träumend von Siegen, ihm both. Er hieß die folgenden Scharen
Leis’ erklimmen den Berg, und winkte mit Augen und Händen;
Zischt’, und pressete fest an die Lippen den dräuenden Finger,
Daß sie den wehrlosen Feind erwürgten im plötzlichen Anfall.
Aber nicht achtlos saß auf dem buschigen Saume der Felshöh’n
Salis, der Held. Im Kreise der ringsumspähenden Schützen,
Sah er hinschwinden die Nacht, und jetzt vernahm er vom Wald her
Nahender Laute Gezisch: denn unter den eilenden Füßen
Rauschte das Laub, und verrieth die Kommenden. Muthigen Herzens
Fuhr er vom Boden, und rief dem Volk: „Gebt Acht!“ und die Schützen,
Beugend das rechte Knie’, an die Wange pressend des Rohres
Zierlichen Schaft, mit gespanntem Hahn, scharf zielenden Augen
Harrten des „Feuer!“ gebiethenden Ruf’s. Da faßte der Feldherr
Selber den kunstgezogenen Lauf, den er auf dem Herweg
Kaufte für blinkendes Gold von dem tridentinischen Meister,
Stand, und zielete. Jetzt, in des dunkel’n Waldes Umlaubung,
Schauend Abu-Sa-id, der stolz vor den Seinen daherkam,
Ließ er erkrachen das tödliche Rohr. Die schmetternde Kugel
Röthete schnell ihm die Stirn’, und sterbend sank er zu Boden.
Also birgt sich im Schooß des hundertjährigen Ahorns,
Lauernd, der Luchs, da im Lauf hereilt der muntere Rehbock;
Aber er fahet ihn nicht: denn drüben erkrachet des Hirsches
Sechzehnendiger Krone bereits der hemmende Hochwald,
Und er stürzt sich jetzt auf den harmlos Nahenden, Blutgier
Athmend, herab, und zernagt den Hals und den Rücken des armen,
Im verzweifelten Lauf, bis ganz ermattet er hinsinkt:
Salis erlauerte so vor allen den Führer des Volkes,
Abu-Sa-id, und warf ihn entseelt hinunter am Abhang.
Schreckenbetäubt, nicht ahnend woher die entsetzliche Kugel
Brausete, stand sein Volk, und starrt’ umher in dem Dunkel;
Doch als endlos fort vom Gebüsch der Büchsen Geschmetter
Tobte; nach jeglichem Schuß Gejauchze des Schützen ertönte,
Der, scharfzielend, durchbohrte die Brust des einmal Erkornen;
Als die schreckliche Wucht entrollender Steine, des Berges
Saum entlang, wo in dunkeler Nacht sie häuften die Schützen,
Donnernd die Reihen begrub, und Reihen verwundet umherwarf:
Da scholl Jammergestöhn’ verwundeten — Lärm und Getümmel
Flüchtenden Volk’s, das schnell hinunter den stäubenden Abhang
Stürmt’ und von Schrecken gejagt, im Thal forteilte g’en Tunis.
Stille herrschete rings, und so, wie berstende Wolken
Brausen vom Hochgebirg in das Thal, die entwurzelte Waldung
Schwindet, und kahl aufstarrt das Gefild: so brausten die Mauren,
Flüchtend, im Waldthal fort, und rings verstummte die Gegend.
Freudig erscholl fernher das Schmettern der Büchsen des Kaisers
Horchendem Ohr; doch freudiger noch ihr schnelles Verstummen:
Denn er ahnte den Sieg auf den Höh’n, und führte die Scharen
Eilender vor. Da flog, vom schnaubenden Rosse getragen,
Guasto, der Greis, ihm entgegen, und rief, ein Flehender, also:
„Herrlich dämmert dein Siegestag, erlauchter Gebiether;
Laß dieß grauende Haupt mit dem schönsten der Kränze geschmücket,
Kehren vom Kampf, so ich heut’, beherrschend den muthigen Vortrab,
Dir bereite die Bahn zu dem Sieg voll ewigen Nachruhms!“
Als ihm des Herrschers lächelnder Blick die Bitte gewährte,
Spornte das Roß Del-Guasto, und flog, wie Wettergewölk fleugt,
Von dem Sturme gejagt, an die Spitze des muthigen Vor-Zugs,
Wo des Fußvolks Reih’n, fünftausend erlesener Wälschen,
Oestreichs tapferen Reitern gesellt, mit Jubel ihn grüßten.
Jene lenkte Toledo zum Kampf, und die Reisigen Lichtstein:
Beide Söhne des Ruhms, erzogen im Felde der Waffen.
Wie in dem Sternenzelt, verherrlicht vor allen, des Morgens
Glänzender Stern aufschwebt: so kam an dem Flügel zur Linken
Ludwig, der siegverherrlichte Held, neuntausend der Krieger,
Die aus Brabant, und mit ihm her aus Lusitanien zogen,
Vorzuführen im Feld. So folgten zur Rechten die Deutschen
Ebersteins Panier, der kühn, wie ein Eber des Waldes
Sich auf den Gegner warf im Gefecht; wie ein Fels in dem Meergrund
Stand im wilden Tumult umdräuender Todesgefahren,
Und in dem Busen (den Edelstein) das edelste Herz trug.
Hunyady eint’ ihm die Macht roßtummelnder, kühner Magyaren
Hier, voll Muths vorstürmend im Feld; dort nahte mit Ludwig
Alba heran, der stets ein Schrecken der Feinde, der Heimath
Schwergeharnischte, reisige Schar, entflammte zu Thaten.
Doch, wie Sterne der Mond, den Mond, aufstrahlend, die Sonne
Schnell verdunkelt an Pracht: so ragte der edelste Kaiser
Vor in der Mitte des Heers. Ihm folgten aus jedem der Völker
Tausend Erwählte zum Kampf, daß jegliches, gleich in Gefahren,
Gleich in des Ruhms hochlohnendem Glanz, sich freue des Vorzugs.
Aber im Nachhalt stand Aurel mit den Tapfern von Malta,
Und, den Rittern gesellt, den furchtbarn, standen die Reiter,
Die Hispania’s Cortes entsandt’ im rühmlichen Wettstreit:
Doria’s Heldenkraft vertraute der Kaiser die Scharen.
Jetzo herauf und hinunter im Feld, die Reihen zu mustern,
Jagt’ er das feurige Roß, und es streute vom blanken Gebisse
Schneeigen Schaum, und wieherte stolz in dem sausenden Ritt hin.
Doch nun hemmt’ er, zur Mitte gekehrt, den schnaubenden Läufer,
Hob vom Haupte den Helm, und wandte sich gegen die Krieger.
Siehe, da fuhr an des Himmels Rand’ im Osten die Sonne,
Rosigschimmernd, herauf, und weckte den lieblichsten Morgen,
Der sich je zur Erd’ auf goldenen Fittigen senkte!
Ringsum jauchzt’ ihr entgegen die Welt: denn wonnige Kühlung
Hauchte das Meer und der See von Tunis herüber, des Kriegers
Busen erfüllend mit dauernder Kraft, und am blaueren Himmel,
Dem erhabnen Altar des Herrn des kreisenden Weltalls,
Schwamm ein zartes Gewölk umher, gleich duftendem Weihrauch,
Der zum Dank aufwallt in der heiligen Stunde der Andacht.
Als er entblößte das Haupt, da hellte die strahlende Sonne
Ihm die erhabene Stirn’; er bethete laut vor den Scharen:
„Herr, nun stärke dein Volk! Nicht trieb uns im dunkelen Schiffsraum
Gier nach Beute heran; nur deinen Bekennern die Freiheit —
Frieden dem raubgefährdeten Meer zu erkämpfen im Schlachtfeld,
Ziehen wir freudig das Schwert. Von dir kommt Sieg und Errettung.“
Dann aufschwang er den Stahl mit der Rechten; er barg mit der Linken
Schnell das Haupt in den Helm, und rief, erschütternd, den Kriegern:
„Golgotha’s Hügel herab entströmte des sterbenden Mittlers
Kreuze die knechtschafttilgende Huld: sie bracht’ uns Erlösung.
Christen, des Kreuzes gedenkt, und errettet die schmachtenden Brüder!“
All’ aufjauchzten dem Wort mit thränendem Blick, und im Sturmflug
Ihres empöreten Muths erscholl ihr brausender Zuruf:
„Fort, in die blutige Schlacht! Nicht allein auf dem Felde vor Tunis
Streite dein Volk; auch fern an Jerusalems heiligen Mauern
Stirbt es den Heldentod für dich, zu erringen der Kronen
Erste dem edelsten Haupt. Jetzt hin, wo im Donnergetümmel
Blitzt das würgende Schwert; wir schmettern die Feinde zu Boden!“
Also erscholl’s in dem Heer. Da flammte plötzlich der Luftraum
Auf; die Wolken floh’n; laut rauschten des Meeres Gewässer,
Und es erbebte die Erd’, als sollte zerstieben das Weltall:
Denn aus den glänzenden Höh’n der endlosen Räume des Himmels
Kam Eloa herab: von den streitenden Heeren der Geister
Wilden-Muth-empörende Schar zu entfernen. Sie bebten,
Als er das flammende Schwert aufschwang, und mit dräuendem Blick rief:
„Hör’t, daß Keiner aus euch den Völkern: nicht diesem, nicht jenem,
Nahe mit thatenerweckendem Hauch: denn selber bewähren
Soll sich der Muth, der hier den Sclaven erringet die Freiheit!“
Nun, da er fern’ im bläulichen Aethergefilde dahinschwand,
Sah’n sie trauernd ihm nach. Ihr Herz erfüllte die Sehnsucht
Nach dem seligen Land: des Friedens ewiger Heimath.
Dann, gesondert im Kreis’, auf schimmernden Wolken sich lagernd,
Ruheten all’ umher, und blickten herunter auf’s Schlachtfeld.
Muhamed floh mit den Seinen davon: ihn schreckte des Seraphs
Dräuender Blick, und Gram entflohener Hoffnung ergriff ihn.
Sieh’, auch Hairaddin trieb des brausenden Heeres Geschwader
Zahllos gegen die Christen heran: so brauset des Meeres
Sturmgeschaukelte Fluth in tausender Wogen Empörung!
Erst die reisige Schar der Araber, feurige Rosse
Bändigend, und ermüdend im Kampf durch wechselnden Anfall,
Flog den Numidiern vor, die rasch von der Sehne des Bogens
Schnellen den schwirrenden Pfeil, und fern durchbohren den Gegner.
D’rauf, wie die Schwärme der Kräh’n anstürmen im Herbst, und erfüllen
Weit mit lautem Gekrächze die Luft: so folgte der Mauren
Lanzengewaltiges Volk den Numidiern, und in dem Rücken
Dieser Unzähligen kam, von schnaubenden Rossen gezogen,
Rasselnd, im sanddurchpflügenden Zug, des schweren Geschützes
Dräuende Macht. Nach jeglichem Donnerrohr’, in der Rechten
Schwingend die dampfende Lunte zur Luft, und den Helfern gebiethend,
Schritt der Wurfschütz her, und siebenzig waren der Schützen:
Dragut führte dieß Volk, dem Vorderzuge gebiethend.
Aber die Janitschar’n, gewaltiger Thaten sich freuend:
Jetzo des Feindes Reih’n mit des Säbels sausendem Mordschlag
Niederzuwerfen, und jetzt, aus schmetternden Feuergewehren,
Mitten in Feindesbrust zu entsenden die tödliche Kugel,
Eilten im Nachzug vor. Da waren die Brauen der Krieger
Tiefer gesenkt, das Auge geröthet vor Wuth, und die Lippen,
Gleich dem gespannten Bogen gekrümmt, voll schrecklichen Ingrimms.
Hairaddin spornte das Roß herauf und hinunter: von Unmuth
Gohr ihm die Brust, daß er jüngst von Sinam bethöret, nicht würgte
Dort die Sclaven gesammt, aufschleudernd die Burg in den Luftraum.
Grimmig hing sein Blick an der Burg, und er wandte das Schlachtroß
Nach den felsigen Höh’n, den armen verderbend zu nahen;
Doch schon brausten die Christen heran, und heischten drometend,
Trommeln wirbelnd, Kampf, und Gemenge der mordenden Waffen.
Jetzt, wie im thauenden Lenz von zween aufstarrenden Bergen
Plötzlich der Schnee sich lös’t, und gegen einander gewirbelt,
Link’s, und rechts herdonnern in’s Thal die grausen Lawinen:
Weit erbebet die Luft; zerschmetterte Wälder erkrachen,
Und die Hütten umher mit den Lebenden deckt die Zertrümm’rung;
Aber zugleich wie zween aufbrausende Ströme der Lava,
Der aus Süden gejagt, und jener aus Norden, sich plötzlich,
Tief in des Abgrunds Nacht begegnen im feindlichen Ansturz:
Siehe, da zittert die Welt; im Beben der Erde versinken
Mächtige Städt’, und der berstende Berg speit Flammen zum Himmel:
Also trafen dahier die feindlichen Heere zusammen:
Da war Mordesgetös’ und Geschrei, war Sausen der Lanzen,
Zischen der Pfeil’, und Klirren der Säbel umher in dem Blachfeld.
Dragut stürmte zuerst mit einem erlesenen Haufen
Kühner Araber vor, und hieb in den Reihen der Vorhuth
Ein, wo Wälschlands blühendes Volk entgegen ihm kämpfte.
Blut durchströmte den Sand: denn hundert blühende Krieger
Lagen erwürgt, eh’ noch mit verhängtem Zügel die Reiter
Oestreichs nahten, und schnell für jeden erschlag’nen Gefährten
Zween erlegten dem Feind’ im Gemenge der blitzenden Säbel.
Aber so tapfer die reisige Schar, vereint mit dem Fußvolk,
Drängte des Drängers Macht, so vieler Getödteten Blut floß,
Dennoch siegten sie nicht: denn zahllos stürmten die Mauren,
Mit den empörten Numidiern vor, und stärkten des Vor-Zugs
Wankende Reih’n. So stemmen umsonst des berstenden Eises
Tausendfältiger Macht die Pfähl’ in dem Strom sich entgegen:
Krachend thürmen die Schollen sich auf, und über den Damm hin
Braust ihr verheerender Zug: wie hier den wimmelnden Scharen
Guasto’s tapfere Krieger umsonst entgegen sich stemmten.
Doch schon nahte der Greis. Er führte die Scharen vom Nachzug
Eilig im Sturmlauf vor, und die ehernen Kriegesdrometen
Schmetterten heller, und lauter erscholl im Sturme der Trommeln
Wirbelnder Ruf; empöreter stets aufjauchzten die Krieger,
Stöhnten die Rosse hinan zum entsetzlichen Kampf der Entscheidung.
Wer durchsprengt im sausenden Flug die Reihen, vor allen
Heischend den Todeskampf? Wer wagt es, entgegen zu stehen
Dragut, dem Schrecklichen? Wer, als Toledo, der edelste Feldherr?
Fröhlich umgab er sich heut’ am dämmernden Morgen die Rüstung,
Die ihm der Kaiser gab zum Geschenk, und trat aus dem Zeltthor
Heiteren Blickes zu Kurd, dem treubefundenen Freund hin.
Schüttelnd ihm traulich die Hand, begann er mit sanfterer Stimme:
„Kurd, in der Blüthe der Jahr’, im Rosenschimmer des Morgens,
Goß ein Gewittersturm urplötzlich ein nächtliches Dunkel
Um mich her; zerknickte voll Wuth die Blüthen mir alle:
Hinschwand jegliches Licht, und ich taumelte fort an des Abgrunds
Schwindligem Rand; doch jetzt erseh’ ich des schöneren Morgens
Hellaufdämmernden Strahl, und die hehren Gefilde des Friedens,
Wo des Dulders lohnendes Ziel, Mathilde, mir winket,
Ewig beglückt! Leb’ wohl, und fall’ ich, so denke mit Sorgfalt
Hugo’s, des treuen, und werd’ ein Tröster dem trauernden Vater!“
Ach, der arme, nicht ahnt’ er’s nun, daß der trauernde Vater,
Ob des Sohnes Geschick, erst jüngst verhauchte das Leben,
Und ihn deckte das Grab mit tiefumnachtenden Schauern!
Also sprach er dem Freund, in den Sattel sich schwingend, und horchte
Gierig des schlachtgebiethenden Ruf’s. Die Kriegesdrometen
Schmetterten kaum, so flog er hinaus, und stürmte die Reihen
Seiner Erlesenen durch. Er hatte Dragut ersehen.
Aber auch Dragut sah ihn schon fern’, und dachte, Verderben
Ahnend, der Flucht; doch, ach, wie ertrüg’ er Hairaddins Ingrimm,
Wie den höhnenden Blick des feindlichgesinneten Sinam!
Zweifelnd wankt’ ihm die Hand an dem leitenden Zaum; vor den Augen
Dunkelte rings ihm die Welt, und aus seinen erblassenden Lippen
Stöhnte die Wuth; doch sieh’, nun rafft’ er in seinem Vermögen
Nur ergrimmter sich auf, und warf mit umschwingender Rechten,
Zielend, den blinkenden Dolch dem furchtbar’n Rächer Mathildens
Weit entgegen! Er traf, im sausenden Fluge, Toledo
Meidend, den tapferen Kurd, der rasch dem Freunde gefolgt war:
Lautlos sank er vom Sattel herab, in die Stirne getroffen,
Und verhauchte den Geist. Toledo, vor allen den Einen
Nur im Aug’: denn rach’entflammt, gewahrte des Freundes
Schrecklichen Unfall nicht. Er spornte den schäumenden Läufer
Dicht an das Schlachtroß Draguts hin, daß die wallenden Mähnen
Beider sich streiften im Gegensprung, und, jetzt ihn ereilend,
Brach durch Stirnbund, Haut und Bein sein schmetternder Degen
Sich die blutige Bahn: er neigte die Stirn’, wie ein Mohnhaupt,
Das in der Reife, vom Sturm zerknickt, sich neigt, und des Samens
Schwärzlichen Strom zur Erd’ ergeußt; dann folgend dem Blutstrom,
Sank er vom Sattel hinab, und röchelte sterbend im Sand dort.
Doch nun wandte das schnaubende Roß der Rächer Mathildens
Von dem Todten, und rief zu vereintem Gewürge den Freund auf.
Wehe, er lag entseelt auf dem Sand’! Er blickte verstummend
Auf ihn nieder: nur zwei, im Sturz, hellschimmernde Thränen
Weihet’ er, hingebeugt, dem Theuern; drückte die Spornen
Dann in des Rosses Bauch, und schwang, vor entsetzlicher Rachgier
Stöhnend, das Schwert: um ihn her, zur Sühne, die Leichen zu häufen.
Wie der schreckliche Wolf, vom wüthenden Hunger getrieben,
Weder der nahenden Hunde Gebell, noch drüben der Hirten
Lautes Geschrei, die gern von der Heerde der Lämmer ihn scheuchten,
Achtet: denn er würgt voll Hast die in Haufen Gedrängten
Links und rechts, und nach jeglichem Mord noch wächst ihm die Blutgier:
Also rächt’ er den Freund in des Feindes Blut. Abdorrahman
Sank ihm zuerst, der laut mit Geschrei vordrängte die Mauren;
Dann Ben-Esrid, der Scheik arabischer Horden (im Schlachtgrau’n
War er den Reisigen stets ein Leitstern) ihn aus dem Sattel
Riß er behend’, und hieb, mit kräftigem Schwunge des Degens,
Ihm die Scheitel entzwei, daß lautaufstöhnend er hinsank.
Wie auf der Heid’, im Herbst, das Feuer die bärtigen Disteln
Tilgt, vom Sturme gejagt; so tilgte sein Eisen die Gegner.
Nahend dem Vorderzug gewahrte der Kaiser Toledo’s
Waffenthaten, und schrie mit jubelndem Laut im Getös’ hin:
„Tapferer, so besiegst du Tausende! Muthig, nur vorwärts!
Ha, der sank, und dort auch jener, und nimmerermüdend
Würgt dein schrecklicher Stahl? Nie welkenden Lorber erringt dir
Heute dein Muth: er reißt im Sturm die Helden zum Sieg fort!“
Aber wie Glockengeläut’ im Sturm bald näher und näher,
Heller und lauter erschallt, bald wieder vom wechselnden Windschwall
Ferne verweht, in der sausenden Luft verhallet den Ohren:
So verschlang das Getös’ des Kaisers lohnenden Zuruf.
Jetzo nach Rogendorf, dem tapferen Meister des Feldzeugs,
Sah er zurück, und erhob, zum verständlichen Wink ihm, den Degen.
Jener entschwand auf dem feurigen Roß, und, als er vom Nachhalt,
Gegen den Vorderzug die Donnerrohre zu führen
Nahete, rief er noch laut den Feuerwerkern, im Vorgeh’n:
„Schaffet mir Ruhm! Euch winkt im Feuer mein blitzender Degen
Heute zum letzten Mal. Mit trauerndem Herzen des Freundes,
Salm, gedenkend, will ich hinfort in der einsamen Kammer
Weilen daheim, und harren des Tag’s ersehnter Vollendung.“
Also entflammt’ er das Volk, und, schnell zur Stelle gefahren,
Schleuderten jetzt die Donnerrohr’ in den Reihen des Feindes
Tod und Verderben umher: obsiegend dem donnernden Feldzeug
Hairaddins. Denn wie ein Sturm, der, plötzlich die Lüfte verfinsternd,
Saust, entschüttelt das Eis, und die wogenden Saaten zerschmettert,
Warf des Kaisers Geschütz im dichten Gedränge der Gegner
Hunderte nieder, da hier in den Reih’n der tapferen Christen,
Jenes nur wenige traf, durch Schuld unkundiger Schützen.
Hairaddin bebte vor Wuth, und fluchte laut vor den Scharen
Auf das schwere Geschütz, das dort im Donnergetümmel
Weder verstummen hieß das feindliche, noch in dem Blutfeld,
Jenem gleich, vertilgte das Volk: ihm schrecklich zu schauen!
Doch nun spornte Del-Guasto das Roß in die Nähe des Kaisers,
Neigte vor ihm das Haupt, und rief mit leuchtenden Augen:
„Jetzt, wo hochentflammt die Seele des Kriegers nach Thaten
Lechzet, das Aug’ ihm glüht, in das Auge zu schauen des Gegners,
Und die Faust ihm zuckt, und die strebenden Füße nicht rasten:
Jetzo gebieth’ im Sturmanlauf des Kampfes Entscheidung!
Doch du weiche zurück: o säume nicht, weiche zum Nachhalt,
Daß du, gefahrenumdroht, nicht Angst erweckest den Deinen!“
Kaum daß der warnende Ruf den Lippen des Greises entflohn war,
Warf zerschmetternd ein Eisenball den tapferen Ottmar,
Oberleitmann im Heer’, an der Seite des Kaisers zu Boden:
Blutend lag er im Staub. Entsprossen der freundlichen Hauptstadt,
Die in dem weitumkreisenden Thal mit silbernen Wellen
Rasch durchfluthet die Muhr,[82] ein Sohn ruhmwürdiger Aeltern,
Wählt’ er des Kriegers Bahn, als dort der stattliche Kaiser,
Nahend in siegender Heere Verein Vindobona, der hohen,
Mächtigen Kaiserstadt, Suleyman, den schrecklichen Großherrn,
Fliehen hieß mit unzähliger Macht.[83] Stets folget’ er seither
Seinem Panier; doch jetzt hinsank er im Kampfe vor Tunis.
Laut aufschrie’n die Krieger vor Angst; es erblaßte Del-Guasto,
Ob des Herrschers besorgt; da rief er mit lächelndem Antlitz:
„Fernet die Angst: kein Kaiser erlag dem Donnergeschütz noch!“[84]
Und er geboth alsbald des Angriffs Weisen den Feldherrn.
Wie, durch Flammen geweckt, die Dämpfe des siedenden Wassers
Aus dem eisernen Bauch des ringsumschlossenen Kessels
Drängen im unaufhaltsamen Flug; doch weiß sie der Meister
Sinnig zu hemmen, und heißt sie Gewaltiges wirken, und schaffen
So, daß Unkundige Furcht und Schauder ergreifet bei’m Anblick
Jener verborgenen Macht: so wundersam lenkte zum Angriff
Hier die unendlichen Reih’n ein Wink des waltenden Herrschers,
Und von neuem begann des schrecklichen Kampfes Getümmel.
Ludwig warf vor allen zuerst vom schimmernden See her
Sich auf die feindlichen Reih’n. Das Feuerrohr an die Wangen
Pressend, feuerten, bald im Verein, bald einzeln, die Krieger
Jauchzend, es los: dumpf, schmetternd, scharf, erkrachten die Büchsen,
Und in des Mittags Glanz umhüllte des flammenden Pulvers
Dichtaufwallender Rauch die Völker mit nächtlichem Dunkel.
D’rauf hinstürmt’ im Flug, von dem tapfersten Helden geführet,
Alba’s reisige Schar. Sie schmetterte da Janitscharen,
Dort Numider, und hier arabische Reiter zu Boden,
Pferd’ und Mannen zugleich: weit deckten die Todten den Staub dort.
Rechts vom Olivengehölz drang Eberstein mit den Deutschen,
Ehernen Muth’s in der Brust, unzähligen Mauren entgegen,
Die, von Muhamed Temtes empört, gleich wüthenden Thieren,
An die gesenkten Speer’ und die flammenden Rohre sich stürzten.
Aber da rief Held Eberstein den Tapferen laut zu:
„Jetzt noch fester geschlossen die Reih’n! Des edleren Muthes
Flammendrang in der Brust, nicht blind umtobender Ingrimm,
Heißt den Krieger zum winkenden Ziel vorstürmen im Schlachtfeld!“
Also ermahnt, besiegte die Macht des empöreten Feindes
Deutschlands tapferes Volk: es stemmte sich, gleich der Gebirgswand,
Die vom blühenden Thal des Sturm’s verderbenden Ingrimm
Abwehrt, ihm entgegen, und drängt’ unbändigen Muth’s ihn,
Wieder zurück. Auch warf die tapferen Reisigen Ungerns
Hunyady jetzt, in gedehneten Zügen ihm rasch in die Seiten.
Hochaufqualmte der Staub, und den stampfenden Hufen erbebte,
Drönend, der Grund, als vor- zu dem mähnigen Halse sich beugend,
Und zu des Kalpacks Zier erhebend den blitzenden Säbel,
Flogen die Reiter im Feld. Den Kommenden streckten die Mauren
Speere, so dicht, wie im Forst aufragen die Fichten, entgegen;
Doch der muthige Reiter zerhieb, im gewaltigen Aufschwung
Führend den schneidenden Stahl von der Linken zur Rechten, von unten
Aufwärts, jeglichen Speerschaft so, daß umher in den Lüften
Sausten die Trümmer im Flug’, und die Geister da oben erbebten:
Denn entsetzlich erscholl des würgenden Kampfes Getümmel.
Aber im Vortrab, wo Toledo geboth, und der Ritter
Glänzende Schar, entflammt zum blutigen Kampf der Entscheidung,
Eilete, scholl entsetzlicher noch Getümmel und Schlachtruf.
Wie der schreckliche Brand, der fern an den äußersten Straßen
Einer ummauerten Stadt sich erhob, bald weiter und weiter
Wüthet im brausenden Sturm, bis rings die unzähligen Häuser,
Dom’, und Thürme zugleich, auflodern, und Jammer erschallet:
Also entbrannte die Riesenschlacht, und schrecklich ertönte
Sterbenden Volk’s Wehklag’, vermengt dem Jauchzen des Siegers,
Und der Verwundeten Schrei dem Wiehern der tobenden Rosse.
Blut durchströmte das Feld, und wandte den schäumenden Lauf oft,
Von den Haufen der Todten gehemmt, an Menschen und Thieren.
Hairaddin sah der Seinen so viel’ im Kampfe getödtet,
Und erblaßte vor Wuth. Doch, als auch Dungur Toledo’s
Blitzendem Schwert erlag, der Algiers Thron ihm zu schaffen,
Selber mit frevelnder Hand Euthemi, den König, erwürgte,
Da verflucht’ er sich selbst, und rief, daß die Völker erbebten:
„Wer verschlinget, voll schrecklicher Gier, die Theuren mir alle?
Ha, nicht schaut er hinfort die leuchtende Sonn’ an dem Himmel!“
Sieh’, und er spornte sogleich, den Speer erhebend, das Streitroß
Vor, und drang auf Toledo mit todausblitzendem Aug’ ein!
Diesem erpochte vor Wonne die Brust: den mächtigsten Gegner
Dort zu besteh’n, ihn siegend zu bändigen, oder des Lebens
Dornenbesäete Bahn zu vollenden im rühmlichen Wettlauf.
Flugs hinspornte das Roß auch er, und hieb, in den Bügeln
Sich erhebend, auf Hairaddin ein; doch dieser entwich ihm,
Und sein Schwert durchschnitt nur die Riemen des leitenden Zügels,
Auch das muthige Roß am wölbenden Halse verwundend,
Daß es, gebäumt, aufschnob, und ächzte, von Schmerzen gefoltert.
Jetzt war’s um ihn gescheh’n; doch Hairaddin lenket’ im Eilflug
Sein gelehriges Thier, mit eisernem Drucke der Schenkel
Wieder herum, und stieß den tödlichen Speer ihm so mächtig
Durch die tapfere Brust, daß er flugs dem Sattel entstürzend,
Auch den Schaft aus Hairaddins festumklammernder Faust riß.
Wie der ragende Mast, der erst die wehenden Wimpel
Noch in die bläuliche Luft erhob, vom Donner getroffen,
Sausend dem Bord’ entstürzt: auffleugt im Falle des Leines
Schimmergewebe: so fiel er, den Speer im pochenden Herzen
Tragend, vom Roß. Sein Auge verglomm, wie drüben des Abends
Schimmer, und sein verblutendes Herz bewegte den Speer noch
Leis’; dann stand’s, entrückt des Lebens Geschossen für immer:
Denn die Krone des Siegers im Schooß der himmlischen Freundinn
Schauend, entschwebte der Geist den trüben Gefilden des Erdballs.
Hairaddin kehrte zurück: mit noch empörterer Blutgier
Führt’ er die Janitschar’n und die Reihen der Schrecklichen vorwärts,
Und von neuem begann des wüthenden Kampfes Getümmel.
Dort, wo vor Toledo zuvor, das maurische Kriegsvolk
Wich, da brausete jetzt mit Orkanengewalt und des Blitzes
Flug’, erhebend sein Allah-Geschrei, der schreckliche Türk her.
Rechts war Eberstein, und links Lusitania’s Ludwig
Vorgedrungen, und so das mittlere Treffen gesondert,
Feind’umschart, und verloren im Feld. Es erblaßte Del-Guasto;
Aber nicht wich ihm der Muth. Er rief den tapferen Führern:
„Trennet die Reihen des Volk’s, und heißt sie nach Osten und Westen,
Heißt sie nach Süden und Norden, die Stirn’ im dräuenden Viereck
Wenden sogleich, und bestehen den Kampf, wie es Helden geziemet!“
Also der Greis: da tönte der Ruf, da erblitzte der Degen
Tapferer Führer; es stand das Volk geschlossen im Viereck,
Und in dem mittleren Raum, mit den Herolden, schaltend, Del-Guasto.
Mochte der Feind nun da, nun dort anprallen: dem Felsen
Gleich, den draußen im Sturm umbrausen die wüthenden Wogen,
Standen die Tapfer’n im Feld; sie hielten die stürmenden Scharen
Kämpfend zurück, und häuften umher unzählige Leichen.
Solches gewahrend, entboth der edelste Kaiser die Völker,
Die zum entscheidenden Schlag er heut’ erkor in dem Heer’, so:
„Jetzo hinaus an den Feind! Dem winket der schönste der Lorbern,
Der hier seiner Gewalt entreißt die tapfer’n Gefährten.
Vorwärts! Hier in dem Feld und dort in der felsigen Hochburg
Winket des Sieges Preis erhabener Christenerrettung.“
Sieh’, und er führte sogleich die erlesenen Scharen vom Nachhalt
Gegen des Feindes Macht! Die jauchzenden Krieger bewegten,
Eilend dahin im Waffenfeld, die hurtigen Schenkel,
Wie das muthige Roß, dem Ziele genaht, in dem Wettlauf,
Immer schnelleren Flugs durchbraust die stäubende Rennbahn.
Hairaddin sah die Kommenden. Ihm erbebte der Busen
Jetzo vor Angst: denn ach, sein mächtiger Gegner, der Kaiser,
Flog an der Spitze der Kühnen daher! Er wandte das Reitroß
Schnell, und entfloh. Da erhellte des Sieg’s aufstrahlende Hoffnung
Sein umwölktes Gemüth: er fluchte der niedrigen Feigheit,
Die so fremd ihm war, wie draußen dem schrecklichen Löwen,
Der die Wüste durchbrüllt, den Gegner zu wecken; dann faßt’ er
Gierig den ragenden Speer, und schwang sich zurecht in dem Sattel.
Doch schon war ihm dahier der siegverherrlichte Kaiser,
Brausend genaht, und warf ihm die Lanze mit kräftiger Rechten,
Weitausholend zuvor, so rasch entgegen, und traf ihn
Jetzt in die Rechte so fest, daß ihr entschlüpfte der Speerschaft,
Und der Verwundete floh, von Wuth und Schmerzen gefoltert,
Schnaubend zurück: ihm schlug der Feind’ umhallender Sieg’sruf
Jetzo der Wunden noch mehr; dann hieß er die Schrecklichen vorgeh’n,
Kämpfen, und metzeln, von Rach’ erfüllt, und schrecklicher Mordgier.
Ha, zu dem letzten Gewürg’ ereilten sich jetzo die Gegner!
Nicht der sturmentwurzelte Wald, nicht der schreckliche Donner,
Der in des Mittags Gluth den schwarzumnachteten Himmel
Durchras’t, krachet so laut, als hier erkrachten die Waffen,
Und wie im engeren Thal des Strom’s ergossenen Fluthen
Stürzt das Föhrengehölz, daß, übereinandergeworfen,
Liegen die Stämm’ auf dem Grund’, und mengen die Aest’ und die Wipfel:
Also lagen im Feld die Erschlagenen, welche vor allen
Sich in dem Vorderzug hinwürgten in Hast und Erbitt’rung.
Aber nicht lang’: da floh’n die völliggeworfenen Scharen
Hairaddins fort mit Geschrei und in wilder Verwirrung nach Tunis,
Und er folgte den Flüchtigen stumm, und verachtenden Blick’s, nach.
Sinam, des Nachzugs Hort, erwägend des fliehenden Heeres
Noth, und scheuend des Herrschers Grimm, da er gestern die Sclaven
Rettete, hielt nun da, nun dort die ausreißende Schar auf;
Aber vergeblich. Wie dort die flüchtigen Gemsen der Weidmann
Ein in das felsenumstarrete Thal, wo gierig die Schützen
Harren, im Lärm und Getös’ nachstürmenden Volkes zu treiben
Nimmer vermag: denn fern erwitterten jene die Schützen
Schon, und brechen dahier und dort durch lärmende Treiber:
Also entfloh sein Volk. Doch er, wohlkundig des Krieges,
Rastete nicht, und deckte mit tausend erlesenen Türken:
Jetzo entfliehend mit List, und jetzt mit unbändiger Kühnheit
Wagend erneueten Kampf, den Rücken des flüchtigen Heeres,
Bis urschnell, wie ein Hagelgewölk, hervor aus dem Nachhalt
Doria kam, und den Feind sein reisiges Volk mit dem Faustrohr,
Das an dem Sattel ihm, links und rechts in der Halfter geborgen,
Ruhte, vertrieb: den Zaum mit den Zähnen fassend im Anlauf,
Und aus jeglicher Hand abfeuernd das knallende Faustrohr.
Jen’ entfloh’n wie Spreu im Hauch des stürmenden Windes.
Jetzt, am errungenen Ziel, der nächtlichen Weihe gedenkend,
Welch’ ihm Solches verhieß, erhob der stattliche Kaiser
Seine, von Thränen des Danks umhülleten Blicke zum Himmel.
Zahllos schwebten die Geister herab: sie umjauchzten des Siegers
Ruhmgekrönetes Haupt und des Heer’s unendliche Reihen.
Aber, so laut und so mächtig sie schrie’n: des horchenden Kriegers
Ohren vorüber erscholl nur ein leises Geflister; er blickte
Staunend umher. Da hob zu dem übersinnlichen Luftraum
Attila finster sich auf. Sein Aug’, erhellet von Muth sonst
War erloschen — erschüttert sein Herz. Er zürnte dem Seher
Muhamed, der ihn mit ruhm- und siegverheissenden Worten
Wieder herab aus den Höhen gelockt. Nun sah er von dorther
Mit umdüstertem Blick entgegen der dunkelen Zukunft.
Aber die andern entfloh’n, und zogen umher in den Lüften,
Wie das Herz sie drängt’ auf dem Pfade der Läuterung, jenseits.
Hugo nahte voll Angst. Nicht erspähte sein Auge Toledo’s
Schimmernden Helm in dem Vorderzug, nicht das blitzende Schwert mehr,
Dem die Feinde gebebt; doch jetzt gewahrt’ es ihn blutend —
Todt in dem Staub, und neben ihm Kurd, den treuesten Freund auch.
Gleich zween säugenden Leu’n, die ein grimmiger Panther erwürgte,
Als entfernt nach Beut’ umirrte die sorgliche Mutter,
Lagen sie dort; und, wie die Kehrende heulet, und wehklagt
Um die Lieben, daß rings, mittrauernd, die Wälder erschallen:
So wehklagte der Greis, und rief zu Toledo gebeugt hin:
„Mußtest du sterben dahier im fern entlegenen Welttheil,
Ferne der Heimath: den Lieben fern, du Herzensgeliebter!
Hugo kehret allein! Nicht schaust du vom kehrenden Schiff mehr
Dort den hohen Palast, wo in unbehülflicher Kindheit
Er dein erstes Lallen vernahm, auf den Armen dich wiegend;
Nicht umfängt, aufweinend vor Wonne, der fürstliche Vater
Dich Gelandeten dort, nicht die zärtliche Gattinn — was sagt’ ich?
Sie ist nicht mehr! Schon floh der Engel zur besseren Heimath
Wieder zurück: du folgtest ihm schnell in liebender Sehnsucht.
Ruhet denn beide vereint, im nämlichen Grab, und es ruhe
Neben euch dort im Frieden die Hülle des theuersten Freundes!
Dann erhoben, auf seinen Wink, die tapferen Krieger,
Die er so oft zum Kampf’ und zum Siege geführet, den Helden
Dort mit dem treuesten Freund’ auf die Schultern, und folgten ihm, schweigend
All’, und mit Thränen im Blick, zum moosumwucherten Fels hin.
Als er den finsteren Schlund der Höhl’, entfernend den Steinwust,
Selber enthüllt’; als jetzt an der Seite Mathildens Toledo
Lag, zu dem Engel gewandt, der ruhend am Herzen der Mutter
Lächelte, sah er sie lange noch an, und sagte mit Andacht:
„Schlummert im Frieden dahier der Auferstehung entgegen,
Bis der Posaunenruf euch dann zu dauernder Wonne
Wiedererweckt. So sey’s! Sie wandelten weinend, und sä’ten
Saat der Verwesung; allein, bald kehren sie jauchzend, und tragen
Freudig die Garben heim in die Scheuern des ewigen Lebens.“[85]
Sieh’, und als er auch Kurd, den redlichen Freund, an des Freundes
Seite gelegt, und das Schwert ihm dort in die Rechte gegeben,
Das er zur Rettung des Freundes gezückt: da stieg er beklommen,
Und mit thränendem Blick noch oft zu den Todten sich wendend,
Wieder zur Tageshelle herauf. Er winkte den Kriegern,
Und sie wälzten sogleich den lastenden Stein an der Höhl’ auf:
Vor unheiligem Blick die Hülle der Edeln zu wahren.
Aber er ging, und harrt’ am Strand der ersehneten Heimfahrt.
Hairaddins Völker floh’n, durchbrausend die Straßen von Tunis,
Und er folgte den Feigen voll Grimms; doch jetzo die Hochburg
Schauend im Abendglanz, erwog er noch zweifelnden Sinnes:
Ob er erklimme die Höh’n, und dort, die entfesselten Sclaven
Waffnend, stehe zur Wehr’, und fall’ im rühmlichen Tod nur?
Hastig spornt’ er das Roß bergan, zu erklimmen die Höhen;
Doch nun hielt er erstaunt. Ihm brausete Fluch und Verwünschung
Schrecklich an’s Ohr; hellschwirrende Pfeil’ und schmetternde Kugeln
Wühlten um ihn, entsinkend der Luft, im Staub, und die Mörser
Spie’n mit Donnergetös’ ihm zermalmende Kugeln entgegen.
Und, o schreckliche Schau: es wehte die Fahne des Kaisers
Hell von den Zinnen der Burg, die dort aufpflanzten die Deutschen!
Jetzt ergriff er die Flucht. Entfaltend die nächtlichen Flügel,
Rauscht’ ihm Verzweiflung, Angst, und Todes-Grau’n in dem Rücken;
Doch gewahrend im flüchtenden Heer’ auch Sinam, des Nach-Zugs
Tapferen Hort, ergrimmt’ er sogleich, und schmähte den Greis so:
„Ha, wer siegte mir ob mit tönender Zunge voll Arglist,
Daß ich die Sclaven gesammt nicht erwürgen ließ in der Burg dort?
Sey verflucht dein Rath — verflucht du selber auf immer!“
So vom Zorn entflammt, entriß er dem Krieger den Bogen,
Zog die Sehn’ an die Brust, und schoß nach den Zinnen der Hochburg,
In ohnmächtiger Wuth, den breitbefiederten Pfeil hin;
Dann entfloh er nach Bona hinaus, wo seiner die Schiffsmacht
Harrt’, und Sinam folgt’ entfernt mit dem schweigenden Heer nach.
Als nun rings im Gefild’ des Krieges Getümmel verhallt war,
Herrschte, die Straßen entlang, in der meilenumkreisenden Hauptstadt,
Grabesstille. Verstummt, und zitternd bei jeglichem Laut schon
Saßen die Menschen daheim, und harrten des nahenden Feindes.
Aber mit wankendem Schritt und thränenumflossenen Wimpern
Traten, je zwei und zwei, die Greis’ aus dem Thore von Tunis:
Aelteste nennt sie das Volk, die am Markt und im wölbenden Stadtthor
Sitzend, sprechen des Rechts Urtheil als kundige Richter.
Fünfzig kamen der Greis’. Ihr Haupt von silbernen Haaren
Spärlich umhüllt, erweckete Mitleid; Achtung geboth ihr
Schneeiger Bart, der tief zu dem goldenen Gürtel herabfloß.
Jeglicher trug in der Rechte herbei den grünenden Oehlzweig, —
Trug in der Linken Geschenk’, und horcht’, erbebend vor Angst, auf:
Denn schon tönete laut, und lauter des eisernen Hufes
Schmetternder Schlag: schon klang das Rasseln der blitzenden Waffen
Näher; des Vor-Zugs reisige Schar herbrauste, dem Sturmwind
Aehnlich, und drang in die Stadt, der bebenden Greise nicht achtend.
Dort, noch glühend vom Kampf, und entrüstet in blutiger Arbeit,
Würgt’ ihr Schwert unseliges Volk, das thörichten Herzens
Hairaddins Worten vertraut’, und, dem Schrecklichen treu sich bewährend,
Muthige Abwehr sann, und furchtbarer Rache gedachte.[86]
Aber umsonst: bald floh die unzählige Menge zerstäubt fort.
Jetzt an der Spitze des jauchzenden Heer’s, in eherner Trommeln
Wirbelndem Ruf, im Drometengetön, und der flatternden Fahnen
Sanftem Gesäusel, erschien der stattliche Kaiser. Die Feldherrn,
Eberstein und Doria rechts — links Guasto mit Ludwig
Folgten ihm. Doria, groß und mächtig im Sturme der Seeschlacht,
Sah ihn erringen den Sieg, und heftete seitdem die Augen
Schweigend auf ihn; ihm pochte die Brust vor erschütternder Ehrfurcht.
Als der Herrscher die Greise, gebeugt im Staube, gewahrte,
Sprang er vom Sattel, und hieß sie mit sanftgebiethender Stimme
Stehen, und sprechen vor ihm mit Muth und würdiger Freiheit.
Siehe, da sprach El-Had, der hundertjährige Greis so:
„Segen mit dir, gewaltiger Heer’- und Völkerbesieger,
Der du mit Huld uns hörst! Nun herrsch’ in Fülle des Glückes
Ueber ein Volk, das jüngst im strafenden Zorne die Vorsicht
Hairaddins Wuth preis gab, des grausamgesinneten Mannes!
Ach, und wir haben doch einst viel bessere Tage gesehen,
Als auf dem Thron von Tunis ein Fürst voll göttlicher Weisheit,
Maula Mehemed, saß, deß’ Staub der Segen des Himmels,
Wie die Sommerflur der thauende Morgen, erquicke;
Als des Siegers Schwert’ erbebten die Gegner, im Frieden
Blühte dieß Land, und rings auf dem weltverbindenden Meer noch
Wogte sein Handelsschiff, des Segens Fülle verbreitend —
Sammelnd im frohen Verkehr! Doch zürne dem eifernden Greis’ nicht,
Herr: denn stets umschwebt ihn das Bild entflohener Zeiten,
Und errette das Volk in den Mauern der zitternden Hauptstadt,
Wo nach dem schrecklichen Kampf der rach’erfüllete Sieger
Wüthet. Vielleicht, daß auch dir ein grauender Vater daheimblieb,
Welcher im Gram des Tages gedenkt, an welchem du hingingst;
Oder am Strande des Meer’s die Mutter des blühenden Säuglings
Deiner, des Gatten, beraubt, aufweint in trauernder Sehnsucht.
Solches erwäg’, und errette — gebiethe dem stürmischen Krieger,
Daß er den lüsternen Blick, voll heiliger Scheu, von des Harems
Thüre verwende, und Leib und Gut dir opfert dein Volk dann!“
Also der Greis, und mild, wie ein liebender Vater den Kindern
Streichelt die Wange zum Trost, zur Ermunterung, nahte der Kaiser
Jetzo dem flehenden Greis’, und sprach mit erheiterten Blicken:
„Ein, und derselb’ erbarmende Gott ist über uns allen,
Der den Sieg uns gab, und den frevelnden Räuber in Staub warf.
Aber nicht mir und den Meinen, nur Muley Hassan, dem König,
Huldige fürder dieß Land: ihm werde das Erbe der Väter,
Ihm der entrissene Thron, die Lieb’ und die Treue des Volkes.
Möge die Zukunft ihm und euch im Segen erblühen!“
Sagt’ es, und nahm die Geschenk’ an köstlichen Früchten und Blumen,
Die, nach der Sitte des Land’s, ihm die zitternden Greise verehrten,
Nahend je zwei und zwei, und die Herolde hieß er, den Kriegern
Einhalt thun mit gebiethendem Wort’, in den Straßen von Tunis.
Jene gehorchten, und bald verstummte der Waffen Getümmel.
Doch welch’ dunkeler Strom ergeußt sich vom Felsengebirg her?
Zahlloswimmelndes Volk entströmt den Thoren der Hochburg.
Ha, die Geretteten sind’s — sie sind’s, erschütternd zu schauen!
Wie, zum Schwarme gereift, die unzählige Menge der Bienen,
Summend, dem duftenden Korb entfährt am sonnigen Lenztag:
Also entströmten auch hier wohl zwanzigtausend der Christen —
Jetzo nicht Sclaven mehr, den Kerkern der Stadt und der Hochburg:
Bleich, ermattet durch Qual, durch Hunger und grause Behandlung!
Glückliche, die nun zuerst umschlangen die Kniee des Kaisers,
Knieend im Staub; auf die Hand ihm preßten die zitternden Lippen —
Netzten mit glühenden Thränen sein Kleid! Nur Stöhnen und Schluchzen
Tönte noch ringsumher aus der angsterregenden Stille.
Jetzt ein Weinen und Heulen erscholl, und jetzo mit einmal,
Furchtbar, hallte Geschrei: „O Vater, Retter, Befreier!“
Wie die Meeresfluth, vom nahenden Sturme gehoben,
Erst nur leis’ aufrauscht; doch bald im schrecklichen Aufruhr
Heulet in Wolkenhöh’n, und braust in des gähnenden Abgrunds
Tiefen, daß, schaudernd vor Angst, ihr die Erd’ und der Himmel erdrönet:
Also ertönte der Schrei der Glücklichen rings um den Kaiser.
Tausender Händ’ empor zu dem Vater im Himmel gehoben,
Zeigten die Bahn, auf welcher des tieferschütterten Herzens
Dank aufflog, und des Segens Füll’ erflehte dem Retter.
Lauter ward das Getös’, und bewegter die wimmelnde Schar dort.
Einer dem andern sank an die Brust, und fragte noch zweifelnd:
„Ist es gewiß: wir frei — entronnen auf immer den Banden?“
Einzeln, dann wieder vereint, dann immer gewaltiger scholl’s nun:
„Werd’ ich dich wiederseh’n, o Vaterland — in der Heimath
Seh’n dich, väterlich Haus, wo mir der fröhlichen Kindheit
Jahre entschwanden im Glück? Werd’ ich den zärtlichen Vater —
Ich die liebende Mutter umfah’n — die holde Geliebt’ ich,
Liebend und treu, und ich, den Freund, die Kinder, und Gattinn?“
Also erscholl’s aus dem brausenden Strom endlosen Entzückens;
Aber der Retter stand im Kreise der staunenden Feldherrn,
Von den seligen Scharen umjauchzt. Er blickte, verstummend,
Ueber die Menge hinaus, in des hochaufwölbenden Aethers
Schimmernden Raum empor (an seinen Wangen herunter
Stürzte die Thrän’) und als er nun senkte das Haupt, und voll Dankes
Preßte die Recht’ an das pochende Herz: da wandt’ er sich lächelnd,
Weinend, nach Eberstein, und sagte mit leiserer Stimme:
„Stürb’ ich doch jetzt: denn ach, mir wurde die Wonne des Himmels!“
D’rauf mit erheitertem Blick begann er, und sagte zu Guasto:
„Edeler Greis, vertraut sey dir die Pflege der Freien,
Daß du mit Vaterhuld, und weis’umschauender Sorgfalt
Stillest die Noth der Hungrigen, und bekleidest die Nackten!
Heimwärts schiffen wir bald. In des Meer’s freiwogenden Fluthen
Rauschet der Kiel, und vom Mast erglänzen die Kränze der Sieger:
Dort den Lieben zur wonnigen Schau. Doch nimmer entschwindet
Uns das errungene Ziel hinfort; nicht welket der Kranz mehr,
Der uns geworden: denn seht: er keimte hienieden, und blühet
Unvergänglich fort in den hehren Gefilden des Himmels!“
Jener führte die jauchzende Schar zu des Meeres Gestad hin,
Sorgend für Aller Wohl nach dem Willen des edelsten Herrschers;
Aber er trat voll Wehmuth ein in die Thore von Tunis!
[1] Vers 27.
Nach der Schlacht von Zama, soll P. Corn. Scipio den Hannibal gefragt haben: wen er für den größten Feldherrn halte? Dieser nannte zuerst Alexander den Großen, dann Pyrrhus den Epiroten, und den dritten sich selber. Scipio, darüber empfindlich, sprach weiter: „und was würdest du erst gesagt haben, wenn du auch mich überwunden hättest?“ — „Dann“ entgegnet’ ihm jener — „würde ich mich weit über jene Beiden gesetzt haben.“
[2] Vers 29.
Ludwig IX. (der Heilige), König von Frankreich, Sohn Ludwigs VIII. und Blanca’s von Castilien (geb. den 25. April 1215), der durch seine Frömmigkeit, Weisheit in Regierungsgeschäften, und durch persönliche Tapferkeit sich allgemeine Hochachtung erworben hatte, unternahm zuerst einen Kreutzzug nach dem gelobten Lande; eroberte im Jahre 1249 Damiata, und schlug den Sultan von Aegypten zu wiederholten Malen. Allein durch Hungersnoth und ansteckende Krankheiten zum Rückzug gezwungen, verlor er die errungenen Vortheile mit der Freiheit, die er nur durch die Zurückgabe von Damiata, und durch ein großes Lösegeld für sein mitgefangenes Heer, wieder erhielt. Im Jahr 1270 unternahm er einen zweiten Kreutzzug, schiffte nach Afrika über, und eroberte die Veste von Tunis; doch auch hier, wie in Syrien, raffte eine ansteckende Krankheit einen Theil seines Heeres weg, deren Opfer er selbst, am 25. August desselben Jahres, geworden ist. (Siehe dessen Lebensbeschreibung durch Delachaise und des Abtes de Choisi.)
[3] Vers 40.
Hairaddin (Chereddin) und Horuc-Barbarossa, von Mitylene, auf der Insel Lesbos, gebürtig, und, als Korsaren, der Schrecken des mittelländischen Meeres, bemächtigten sich des Thrones von Algier, wohin sie Selim-Euthemi, der König, gegen die Spanier zu Hülfe gerufen hatte. Chereddin übertraf seinen Bruder noch an Kühnheit, und begründete eigentlich das so lange, zur Schande Europa’s, bestehende System der Seeräuberei an der Nordküste Afrika’s. Nachdem er Constantina und noch andere Städte daselbst wegnahm, ernannte ihn Solyman II., oder Prächtige, zum Oberbefehlshaber seiner Flotten. Im Jahr 1535 bemächtigte er sich durch Verrath der Stadt Tunis; sammelte dort eine bedeutende Seemacht, und anstatt, wie im vergangenen Jahre, nur die Küsten Italiens zu plündern, ging er mit nichts Geringerem um, als Sicilien mit einer Menge Türken und Mauren zu erobern, wodurch er sich die Wege zu dem Throne Neapels zu bahnen gedachte. In demselben Jahre wurden seine unabsehbaren Plane durch Carls V. herrlichen Zug nach Tunis vereitelt. Doch Carls unversöhnlicher Feind, Franz I., König von Frankreich, ward Chereddins Verbündeter, mit dessen Macht vereint, er im Jahr 1543 Nizza wegnahm. Er starb im Jahr 1546 zu Constantinopel, — im 88. seines Lebens. An dem Strande des Meeres zu Beschiktasch, am europäischen Ufer des Bosphorus, ist sein Grabmahl (wie Hofrath v. Hammer in seiner Verfassung des osmanischen Reichs Theil II., Seite 317, sagt), und erregt ernste Gefühle bei dem Geräusche der Wogen, die an ihm emporklimmen. (Paul. Jov. in Elog. I. 6. — Hist. I. 33. 41. 44. — Thuan. Hist. L. III.)
[4] Vers 55.
Andreas Doria (geb. 1468) aus einem altadelichen Geschlechte Genua’s, war früher französischer Admiral, wählte aber freiwillig Kaiser Carls V. Flagge, und blieb zur See in dessen Diensten bis zu seinem Tode im J. 1560. Er war der größte Seeheld seiner Zeit; gab Genua eine bessere Verfassung, und ward der Vater und Befreier des Vaterlandes genannt, das er im J. 1528 vom Joche der Franzosen befreiet hatte.
[5] Vers 61.
Muley Hassan (Maula-Hascen), Maula Mehemeds Sohn, König von Tunis. Er war der jüngste Sohn von zwei und zwanzig Geschwistern, unter welchen er seine Brüder, auf den Rath seiner unnatürlichen Mutter, theils blenden, theils tödten ließ, um also zum Throne zu gelangen. Sein älterer Zwillingsbruder, Al-Raschid, entfloh nach Constantinopel, bei Solyman Hülfe zu suchen. Er ward heimlich erwürgt, und der eben von dort absegelnde Chereddin eilte nach Tunis, und bekam bald, im Nahmen des todten Al-Raschid gebiethend, dem das Volk anhing, Goletta die Veste, und dann auch Tunis in seine Gewalt. Muley Hassan ward zwar durch den siegreichen Kaiser in sein ihm entrissenes Land wieder eingesetzt, wurde aber nach wenigen Jahren von seinem Sohn, Hamida, des Thrones beraubt, und geblendet. So kam er zu dem Kaiser nach Augsburg, nochmals um Hülfe zu flehen, und starb auf der Rückreise in Rom. (Siehe: M. Cardonne Histoire de l’Afrique et de l’Espagne etc. T. III. Paris chez Saillant 1765, und Jov. Hist. 33. c.)
[6] Vers 99.
Solyman II. (Suleyman, der Prächtige benannt) folgte Selim I., seinem Vater, im Jahre 1520 in dem türkischen Kaiserreiche nach. Nie ist dieses Reich auf einer glänzenderen Stufe der Macht und des Ruhmes gestanden, als unter diesem, durch Herrscherweisheit und Thatkraft ausgezeichneten Fürsten. Im Jahre 1521 eroberte er Belgrad, und im folgenden Jahre die Insel Rhodus, von wo er die Johanniter-Ritter vertrieb. Im Jahre 1526 gewann er in der Schlacht von Mohatsch den Sieg über den König der Ungern, Ludwig II., der sammt seinem Pferde in einem Moraste zu Grunde ging, und, nachdem er einen großen Theil von Ungern in seine Gewalt bekommen hatte, rückte er im J. 1529 vor Wien, von wo er nach einer vergeblichen Belagerung, da der Kaiser, Carl V., mit einem Heere näher gerückt war, sich schnell nach Ungern hinabzog. Er starb daselbst am 4. September 1566, bei der Belagerung der Veste Sigeth, die Niklas Zriny, ein zweiter Leonidas, so heldenmüthig gegen ihn vertheidigt hatte, im 72. Jahre seines Alters, und im 46. seiner Regierung. (Paul Jov. in Solim.)
[7] Vers 105.
Istambul, Stambul, nennen die Türken die Stadt Constantinopel.
[8] Vers 406.
Die heiligen Urkunden sprechen von einem Orte der ewigen Seligkeit, wohin die Guten kommen, und von welchem die Bösen auf immer ausgeschlossen bleiben. Aus ihnen schöpfte die Allgemeine Kirche die Lehre von einem Mittelzustande, von jenem der Läuterung, durch welche der Uebergang zu jenem möglich wird. Ueber alle drei ist in dieser Kirche, seit der ersten Zeit ihrer Verbreitung bis zu dem heutigen Tage, ein, und derselbe Glaube geblieben, welchen sie bestimmt, und deutlich gelehret hat. In Bezug auf dieses dreifache Geisterreich, von welchem die Kirche Beschreibungen zu geben, weder konnte, noch wollte, ließ sie auch einige Stellen in den Briefen des Apostel Paulus unberührt, die mit jenem in Verbindung gebracht werden konnten. Dieß sind die Stellen, in welchen er von den, im Luftraum wohnenden Geistern spricht, und auf welche der Sänger der Tunisias, und des Rudolph von Habsburg, sein Wunderbares im Epos, (nicht als Exeget, sondern als Dichter) gegründet hat. Im Brief an die Epheser VI. vom 11-13. Vers („Ziehet an die volle Rüstung Gottes, damit ihr stehen könnet gegen die Nachstellungen des Versuchers: denn unser Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider Fürstenthümer, Gewalten und Weltherrscher der finsteren Gegenwart: wider die bösen Geister im Uebersinnlichen“) ist von Geistern die Rede, die böser Natur sind, und gegen deren Einflisterungen der Christ zu kämpfen hat. Vorher, III. Cap. 10. V. („Damit den Mächten und Gewalten, im Uebersinnlichen, durch die Kirche“ — die Bekenner der christlichen Lehre, „die mannigfaltige Weisheit Gottes bekannt werde“) spricht er aber von solchen, welchen auf dem Pfade der Läuterung ein Aufschreiten vergönnt zu seyn scheint. Besonders die erstere Stelle fände ihre Erläuterung in jener im I. Brief an die Chorinther XV. Cap. 24. V. &c., wo Paulus von dem Weltende spricht: („... Dann ist das Ende, wenn Gott die Fürsten, Mächte und Gewalten“ — im Uebersinnlichen — „außer Wirksamkeit gesetzt haben wird. Das Letzte aber, was sein Ende erreichen soll, ist der Tod.“)
Daß diese Stellen in den Briefen des Apostel Paulus schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung auf eine ähnliche Art ausgelegt wurden, beweisen die merkwürdigen Worte des größten Schriftauslegers aller Zeiten, des h. Hieronymus, der zu obiger Stelle im VI. Cap. des Briefes an die Epheser, sagt: „Haec autem omnium Doctorum opinio est: quod aer iste, qui coelum et terram medius dividens, inane appellatur, plenus sit contrariis Fortitudinibus.“ S. Hieronym. Comment. in Epist. ad Ephes. Q. 3. c. 5.
[9] Vers 465.
Die grundlose Beschuldigung, die der Sectenhaß so vielen, selbst ausgezeichneten Geschichtschreibern eingab, daß nämlich Carl V. nach der Alleinherrschaft in Europa gestrebt habe, ist dem Unpartheiischen wohl aus seinem ganzen Herrscherleben klar genug; doch findet er sie völlig widerlegt durch seine Lage nach dem berühmten Siege, den er bei Mühlberg (24. April 1547) über den Smalkaldischen Bund errungen hatte. Seine ergrimmtesten Gegner sanken dort überwunden zu seinen Füßen; seine spanischen Veteranen, mit vielen italienischen Scharen, standen ihm zu Geboth, und er — begnügte sich dem frechen Uebermuth, der ihn nur als Carl von Gent mehr gelten ließ, ein Ziel gesetzt zu haben, entließ seine sieghaften Scharen, baute auf Treu und Glauben: denn das hatte er wohl nie gedacht, daß sein Liebling, Moritz von Sachsen, den er an seinem Herzen groß gezogen hatte, so undankbar an ihm handeln würde, und gerieth, von diesem mit einem Ueberfall bedroht, schon fünf Jahre (J. 1552) nach jenem Siege, in solche Gefahr, daß er sich, von Gichtschmerzen gefoltert, in einem Tragsessel noch in der Nacht von Innsbruck fort über die Gebirge nach Kärnthen, als ein Flüchtender, mußte tragen lassen.
[10] Vers 23.
Ortilo, dessen wichtige Fragmente von den Babenbergern, als Herrschern Oestreichs, Chrysostomus Hanthaler aufgefunden und bekannt gemacht hatte, sagt zu dem Jahr 1191 von Leopold dem Tugendhaften, unter anderm: „Da der Herzog bei der Belagerung (von Ptolemais) so tapfer focht, daß sein ganzer Körper, mit Ausnahme jenes Theils, den der Leibgurt umgab, mit Feindes Blut bespritzt war, so hat in der Folge der Kaiser, Heinrich VI., den Schild Oestreichs, in dem bisher fünf Lerchen zu sehen waren, geändert, und zeichnete solchen durch ein rothes Feld aus, das durch einen weißen Querbalken mitten durchschnitten ist.“ Ortilo war ein Zeitgenosse Leopold des Tugendhaften, und vier Jahre darauf, bei seiner Begräbniß in heil. Kreuz, gegenwärtig. Spätere Schriftsteller, wie Cuspinian, Lazius &c. &c. sind anderer Meinung über die Bedeutung dieses Wapens. (Siehe Fast Campil. T. I. pag. 434, und Recens. Dipl. Geneal. Arch. Campil. pag. 196.)
[11] Vers 58.
In dem Werkchen: Eutropii Diarium Expeditionis Tunetanae a. 1535, die in der Sammlung „Scriptores Rer. Germ. per S. Schardium,“ Gießen, 1673, enthalten ist, wird ausdrücklich gesagt, daß der Kaiser während seiner Abwesenheit die Regierung Spaniens seiner Gemahlinn, Isabella, übergeben, und sogar sein Testament hinterlassen habe: „priusquam Madritio discederet, omnibus adhibitis solemnitatibus testamentum suum condidit,“ pag. 321.
[12] Vers 91.
Hermann, der Sohn des Cherusker-Fürsten, Siegmar (geb. 18 J. vor Chr.), ward in Rom erzogen, und im römischen Heere angestellt. Doch, er beschloß der Retter seines Vaterlands zu werden; vernichtete in seinem 26. Jahre die Legionen des Quintilius Varus in dem Teutoburger Walde, und nachdem er zwölf Jahre hindurch die Angelegenheiten Deutschlands geleitet hatte, besiegte er Marbod, den König der Marcomannen, zwei Jahre vor seinem Tode. Er soll, weil er nach Alleinherrschaft strebte, von seinen Anverwandten ermordet worden seyn. (Tacit. L. I. et II. Annal.)
[13] Vers 97.
Hannibal, der Sohn des Hamilkar Barkas (geb. im J. 247 vor Chr. zu Karthago), nach seinem berühmten Zuge über die Alpen der Besieger der Römer an der Trebbia, am Trasimenus, vor Cannä &c., wurde bei Zama von dem ältern Scipio besiegt, und starb als Flüchtling in Bithynien (183 J. vor Chr.) in seinem 65. Jahre, nachdem er in seinem 26. den großen Kampf gegen die Römer begonnen hatte. (Polyb. L. III. c. 17 et 64. Livius. L. 21.)
[14] Vers 97.
Regulus (Marcus Attilius), um das Jahr 254 vor Chr. Consul von Rom, ward (siehe die folgende Anmerkung) in der Schlacht von Tunis gefangen, und von den Karthagern, wegen der Auslösung ihrer Gefangenen, mit noch andern Abgeordneten, nach Rom gesandt, wo er dem Senat, mit wahrer Römergröße, rieth: die Gefangenen nicht zu lösen. Er kehrte, seinem Eidschwur treu, als Gefangener nach Karthago wieder zurück, und soll dort, nach Einigen, grausam hingerichtet, nach Andern, eines natürlichen Todes gestorben seyn. (Polyb. Lib. I. — Liv. 17 et 18. — Palmerius, in Appian. pag. 151.)
[15] Vers 143.
Xanthippos hieß der edle Spartaner, der Karthago einen glänzenden Sieg über Rom verschaffte. Nach der Niederlage von Eknomos, die jene im J. 254 v. Chr. zur See gegen die Consuln Cajus Sulpitius, und Attilius Regulus erlitt, ward sie von dem Letzteren, der in Afrika landete, und Tunis zu seinem Waffenplatze erkor, an den Rand des Verderbens gebracht. Da landete mit einem Schiffe griechischer Miethlinge auch Xanthippos, der von Gestalt unansehnliche, aber geist- und kraftbegabte Spartaner, von dem C. Sil. Pun. L. 6 singt:
Nulla viro species, decorisque et frontis egenum
Corpus; in exiguis vigor, admirabile, membris
Vividus, et nisu magnos qui vinceret artus.
Er machte den Senat auf die Fehler seiner Heerführer aufmerksam; übte das ihm anvertraute Heer nach griechischer Kriegskunde zuvor ein; besiegte die Römer in der Schlacht von Tunis, und nahm den Consul A. Regulus mit dem Ueberreste seines Heeres gefangen. — Ihm war das stolze Bewußtseyn genug: eine ganze Nation dem Untergange entrissen zu haben: denn er kehrte gleich darauf wieder nach seinem Sparta zurück. (Siehe Fr. Mich. Vierthalers vortreffliche Philosophische Geschichte der Menschen und Völker V. B. S. 306.)
[16] Vers 212.
Attila, König der Hunnen, die aus Scythien kommend, sich in Pannonien niedergelassen hatten, gelangte im J. 434 zur Herrschaft. Nachdem er sich gerühmt: das Schwert Tyr’s, des Kriegsgottes, aufgefunden zu haben, ermordete er seinen Bruder Bleda, und entboth ein ungeheuer zahlreiches Heer, um als die Geißel Gottes, wie er sich nannte, die Erde verheerend zu durchziehen. Er fiel um das J. 441 zuerst in Thrazien ein, drang bis nach Armenien vor, und verwüstete dann das morgenländische Kaiserthum, zwingend den Kaiser Theodosius, den er überwunden hatte, ihm einen Tribut zu zahlen. Auf seinem zweiten großen Verheerungszuge nach Frankreich wurde er bei Chalons sur Marne, durch die vereinte Macht der Römer unter Aetius, und der Westgothen unter Theodorich, auf das Haupt geschlagen; zog sich über den Rhein zurück, und wandte sich zu dem dritten, gegen Rom selbst, da er Honoria, die Schwester Valentinian III., zur Ehe verlangte, und diese ihm abgeschlagen worden war. Er verwüstete ganz Ober-Italien, bei welcher Gelegenheit die Flüchtlinge auf den Inseln der Lagune dem berühmten Venedig den Ursprung gaben. Von der Zerstörung Roms hielt ihn der Papst, Leo der Große, ab. Er kehrte nach Pannonien zurück, wo er im J. 453, in der Nacht nach seiner Vermählung mit der baktrianischen Prinzessin, Ildiko, in seinem Blute erstickt gefunden ward. (Siehe Jornandes; und Bonfinii Hist. Decad. I. L. 7.)
[17] Vers 245.
Tyr nach der nordischen Götterlehre, der Sohn Odins, und der tapferste unter den Göttern, wie es bei den Griechen Ares war, den die Römer Mars benannten.
[18] Vers 321.
Kabesch. Kabes, eine Stadt im Königreiche Tunis von 25,000 Einwohnern. Sie liegt in dem Golf gleiches Nahmens, sonst auch die Kleine-Syrte genannt.
[19] Vers 26.
Ludwig, Infant, Bruder des Königs Emanuel von Portugal, und der Isabella, Gemahlinn des Kaisers Carl V.
[20] Vers 35.
Ruyter. Hier ist keineswegs der berühmte holländische Seeheld, Michael Hadrian Ruyter (geb. zu Vließingen im J. 1607, gest. 1676) gemeint, der sich vom gemeinen Matrosen bis zum Range eines Admirals aufschwang; die englische Seemacht zu verschiedenen Malen schlug; von seinem Vaterlande nach Verdienst geehret ward, und endlich bei der Unterstützung der Spanier in Sicilien, dem Aetna gegenüber, in einem Treffen durch eine Kanonenkugel den Fuß verlor, an welcher Wunde er bald darauf in der Bay von Syrakus starb, sondern Franz Ruyter, den Paul Jovius in seiner Geschichte des tunetanischen Feldzugs unter den Feldherrn aufführt. (Siehe: Paul Jov. Hist. Lib. 34. pag. 284 Basileae an. 1578.)
[21] Vers 47.
Porto Venere an der südwestlichen Spitze des Genueser Gebiethes.
[22] Vers 49.
Alphons Avalos, Marchese del Vasto (auch Guasto), einer der berühmtesten Feldherrn Carls V. aus dem Hause der Pescara im Königreich Neisen, im J. 1502 geboren, wohnte der Schlacht von Bicocca (im J. 1522) bei; wurde nach Anton Leyva’s Tode Gouverneur von Mailand, und hatte den Oberbefehl des Heeres bei dem Kriegszug nach Tunis. Im J. 1543 entsetzte er Nizza, das von den Franzosen, und ihrem Verbündeten, Chereddin Barbarossa, belagert war. Er starb im J. 1546 zu Vigevano, wahrscheinlich aus Kummer, den ihm die gegen die Franzosen verlorne Schlacht von Cerisoles in Piemont (14. April 1544) zugezogen hatte. (P. Jov. Hist. et Roscio Capit. illustr. p. 288.)
[23] Vers 57.
Das Geschlecht der Ebersteine soll schon zu Carl d. Gr. Zeiten in großem Ansehen gestanden seyn. Was die Geschichte Gewisseres von ihnen gibt, ist: daß Eberhard, der Stammvater der Ebersteine, Hedwig, die Tochter Kaisers Heinrich I. geehlicht, und seinen Hof in Hohentviel gehabt habe. Als Abgesandter des Kaisers an den Papst, erhielt er von diesem am Pfingstfeste zu Rom die goldne Rose zum Geschenk, die er, nach dem Gebrauche der römischen Kirche, getragen hatte, und die bei seiner Heimkunft der Kaiser in den Wapenschild der Ebersteine setzen hieß. Sein Sohn Ludwig wohnte der Schlacht Heinrichs I. gegen die Ungern vor Merseburg bei. — Die zweite Stammlinie der Ebersteine richtete Graf Otto I. in Pommern zu Neugarten auf. Otto III. der um das Jahr 1370 gelebt, soll der Stifter der würtembergischen Hauptlinie seyn. — Otto II. ein anderer Stammvater der Ebersteine, verbesserte die Herrschaft an der Weser, und erbaute das Schloß Ottenstein. Man sieht noch die Ruinen des Schlosses Eberstein unweit Holzminden an der Weser. (Meibom. Rerum Germ. T. II. p. 515. Luca: Grafen-Saal, pag. 943.)
[24] Vers 74.
Donau, Danubius (Ister hieß er den Alten von Wien hinab) einer der größten Flüsse Europas, da er nach Büsching eine Strecke von 700 Meilen durchläuft, und mehr als 160 größere und kleinere Flüsse in sich aufnimmt, entspringt, nach der gewöhnlichen Meinung, am Schwarzwalde bei Donaueschingen, obschon Andere diese Ehre zwei anderen Quellen, der Brega und Brigach, mit welcher sich jene vereinigt, ertheilen. Die Donau endet an der Küste Bessarabiens ihren Lauf, und stürzt sich durch sechs Arme mit solcher Gewalt in das schwarze Meer, daß ihr Wasser mehrere Meilen weit im Meer noch süß und erkennbar seyn soll.
[25] Vers 119.
Hunyady (Johann Corvinus Hunniades), den, nach einigen, ein walachischer Bojar mit der Elisabeth Paläologa, aus dem Geschlechte der letzten griechischen Kaiser; nach Andern, König Sigismund, außerehlich — mit der Tochter eines edeln Walachen erzeugt haben soll, wurde zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts geboren. Er war, während der Minderjährigkeit des Königs Ladislaus Posth., Statthalter von Ungern, während seines ganzen Lebens ein Schrecken der Türken, die er in verschiedenen Schlachten besiegte, und zuletzt (am 6. August 1456) von Belgrad vertrieb, und starb am 16. Sept. desselben Jahrs. Von seinen zwei Söhnen wurde der ältere, Ladislaus, im folgenden Jahre zu Ofen enthauptet. Der jüngere, Mathias (Corvinus), gelangte zur ungarischen Krone. (Bonfin. Hist. Hung.)
[26] Vers 132.
Zirknitz (Czirknitzer See) im Lande Krain, sechs Stunden von Laibach, gibt dem anstoßenden See den Nahmen, der eine Meile lang, und eine halbe breit ist. Das Wasser dieses wunderbaren Sees versinket gewöhnlich des Jahres einmal durch Oeffnungen, die sich in seinem Bette befinden. Sobald es sich zum Ablauf neiget, eilt Jung und Alt, die Fische in großer Menge herauszuziehen. Nach beiläufig zwanzig Tagen wächst dort, wo erst das Wasser stand, vortreffliches Gras, und nachdem dieses eingeerntet ist, wird noch Hirse darin gebaut, wo auch die Jagdfreunde an Hasen und wildem Geflügel reichliche Beute finden.
[27] Vers 149.
Niclas Salm und Wilhelm Roggendorf, dessen Tochter die Gemahlinn des ersteren war, vereinte auch das Band der zärtlichsten Freundschaft. Beiden als Feldherrn, war die Vertheidigung Wiens gegen Solymans zahlloses Belagerungsheer anvertraut. Eine Kanonenkugel fuhr in den Wall, und schleuderte einen zertrümmerten Stein gegen Salms Schenkel, bei dem letzten Sturm, den Solyman am 14. October 1529 gegen die Wälle Wiens unternahm. An der erhaltenen Wunde starb dann Salm am 4. Mai 1530 zu Marcheck, wohin er sich hatte bringen lassen. (Siehe Taschenbuch für die vaterländische Geschichte durch Freih. von Hormayr &c. vierter Jahrgang. S. 102.)
[28] Vers 238.
Elba, eine kleine Insel des mittelländischen Meeres, von beiläufig zwölf Meilen, Livorno gegenüber. Ihr Hauptreichthum sind die Eisenminen von Rio, deren Erze mehr als die Hälfte reines Metall geben, und von ihrer schillernden Farbe (Eisenglanz) bekannt sind. Porto Ferrajo (Eisenport), mit einer guten Rhede und 3000 Einwohnern, ist die Hauptstadt der Insel.
[29] Vers 372.
Toledo, Pedro Alvarez de Toledo, Vice-König von Neapel, ein Sohn des zweiten Herzogs von Alba, bekam mit seiner Gemahlinn Maria Osorio Pimentel den Staat von Villafranca, und war der Schwieger des ersten Herzogs von Florenz, Cosmus von Medicis.
[30] Vers 43.
Alba (Ferdinand Alvarez von Toledo, Herzog von) war im J. 1508 geboren. Erst unter Carl V., dann unter Philipp II., seinem Sohn, war er stets ein siegreicher Feldherr ihrer Heere. In dem Kriege gegen die Niederländer hatte er nach seiner und seines Herrn Ueberzeugung, Rebellen bekämpft, und in solchen Kriegen hat man wohl sonst auch von ähnlichen, und noch größeren Grausamkeiten gehört; doch da dieser Krieg den Protestanten für einen Religionskrieg galt, und noch heut zu Tag dafür gegeben wird, so mußte er, besonders seit Schillers poetisch-entworfenem Bilde von ihm, als einer der grausamsten Wüthriche geschildert, erscheinen. Andere rühmen an ihm, nebst seinen großen Feldherrntalenten, seine unerschütterliche Treue, und dabei sein freies, offenes Benehmen gegen seinen Regenten, seinen Edelmuth und Weisheit. Indeß ist er von Härte und Grausamkeit nicht frei geblieben. Er starb im J. 1582 im 74sten Jahre seines Lebens.
[31] Vers 43.
Alarcon (Ferdinand d’Alarzon), einer der tapfersten spanischen Feldherrn Carls V. Nach dem Siege von Pavia (24. April 1525), wurde ihm die Bewachung des gefangenen Königs von Frankreich, Franz I., anvertraut, so wie zwei Jahre später, jene über den Papst, Clemens VII., der sich den Kaiserlichen ergeben hatte. (Jov. Hist. 34. cap. — Imhof. Geneal. 20. Fam. Hisp. p. 203.)
[32] Vers 45.
Garzia Lasso (Garzilaso de la Vega), im J. 1503 zu Toledo geboren, ein berühmter spanischer Dichter in der Gattung der Ekloge, Epistel, Oden, Lieder und Sonette. Er wohnte unter Carl V. den Feldzügen im Jahr 1529 gegen Solyman, und im J. 1535 gegen Tunis bei; in dem letzteren wurde er an dem Arm verwundet. Im folgenden Jahre zog er mit dem Kaiser gegen Marseille, als Befehlshaber eines Heertheils, und erhielt bei der Bestürmung eines Thurms die gefährliche Kopfwunde, an welcher er nach drei Wochen im 33. Jahre seines Alters starb. Sein Leichnam wurde in der Folge nach Toledo gebracht. (Jov. Elog.)
[33] Vers 97.
Constantin der Große (geb. im J. 274), erster christlicher Kaiser, soll vor der Entscheidungsschlacht an dem Ponte Milvio (h. z. T. Ponte Molle) bei Rom, gegen den Maxentius, am hellen Mittage, unterhalb der Sonne, ein flammendes Kreuz mit der Inschrift: „In hoc vinces,“ erblickt haben. (Eusebius in Vita Constantini M. et Hist.)
[34] Vers 179.
Atlas. Der Berg, besteht eigentlich aus zwei Ketten, die sich über den größten Theil von Nordafrika verbreiten. Die eine heißt der Große Atlas (mehr als 11,000 Fuß über der Meeresfläche erhöht), welcher sich vom Reiche Marrokko bis zur Wüste Sahara hinabzieht, und die andre der Kleine Atlas, der sich von Osten nach Westen bis zum Mittelländischen Meere erstreckt. — Nach der Mythologie der Griechen war er einer der Titanen, dem Zeus die Strafe auferlegte, das Himmelsgewölbe zu tragen.
[35] Vers 239.
Janssen von Middelburg. Zacharias Janssen, ein Brillenmacher zu Middelburg in Seeland, war der Erfinder des Fernrohrs im Jahre 1590, indem er zwei Linsen, eine convex, die andere concav, in verschiedener Richtung von dem Auge hielt. Er brachte sie dann in eine Röhre, und bot die gelungensten zwei, von 16 Zoll Länge, dem Prinzen Moritz von Nassau, und Erzherzog Albert an. Der berühmte Galiläi hörte davon in Venedig, und machte sogleich darauf einen Versuch. (Siehe: Hier. Sirturus de Telescop; und Petr. Borell de vero Telescopii Inventore. Hagae-Comitum. 1655.)
[36] Vers 526.
Die Franzosen, unter Lautrec, und die mit ihnen vereinten Schweitzer, wurden bei Bicocca, unweit Mailand, im Mai 1522 durch die Truppen Carls des V. mit großem Verluste geschlagen.
[37] Vers 13.
Villiers-L’isle-Adam (Philipp v.), zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Frankreich geboren, und zum Großmeister des Johanniter-Ordens von Jerusalem im J. 1521 erwählt. Im folgenden Jahre überzog Solyman die Insel mit einer großen Belagerungsmacht, die jener so tapfer gegen ihn vertheidigte, daß über 100,000 Türken dabei das Leben einbüßten. Amarat, des Ordens Kanzler, ward an ihm zum Verräther, und nur so gelang es endlich Solyman, die Insel gegen Capitulation, und unter der Bedingniß eines freien Abzugs der Ritter und der christlichen Einwohner, zu erringen. Vergeblich suchte er L’isle-Adam in seine Dienste zu ziehen, dessen Heldenmuth er vor seinem Heere, und mitten unter den Leichen der Gefallenen lautes Lob ertheilte. Villiers-L’isle-Adam starb im J. 1534 als Großmeister des Ordens zu Maltha, welche Insel Carl V. ihm zum neuen Ordenssitze geschenkt hatte. (Siehe: Bouhors Siège de Rhodes.)
[38] Vers 75.
Gomert oder Zafrano rechts, und Bona links, heißen h. z. T. die zwei Vorgebirge, von welchen jenes einst dem Apoll, und dieses dem Hermes geweiht war, welchen vorüber die Einfahrt in den tiefer liegenden karthaginensischen Meerbusen geschah. Von dort dehnt er sich im halben Zirkel, bis an die Mündung des hinterhalb liegenden Landsees von Goletta hin, wobei die Landschaft der vormals wegen ihrer heilsamen Bäder berühmten Stadt Rada zur Linken bleibt, und jener gegenüber zeigt sich dann die Lage des zerstörten Karthago, des Oehlwalds, und der steilen Hügel, über welche man zu dem Flusse Makar gelangte. (Jov. Hist. Lib. 34.)
[39] Vers 105.
Der Wasserthurm steht nördlich von dem steilen Felsen — einst die hohe Byrsa, auf welcher der berühmte Tempel des Aeskulap stand, und nahe der schmalen Erdzunge, die das feste Land mit der Halbinsel verband, auf welcher Karthago erbaut war. Auf dieser befanden sich wahrscheinlich die Ställe der Elephanten. Obige Cisternen sind fast die einzigen noch erhaltenen Ueberreste der zerstörten Karthago.
[40] Vers 117.
Goletta, die Veste, hatte zur Zeit Carls V. eine beinahe viereckige Form, und zwei Abtheilungen, von welchen die Wälle der oberen 40, und der unteren 50 Schritte breit waren. Sie enthielt eine vortreffliche Cisterne, in welcher sich das Regenwasser sammelte, und viele bombenfeste Gewölbe zur Aufbewahrung des Kriegsbedarfs. Mit ihr in Verbindung stand vorne an der Mündung des Sees von Tunis, ein mit Wällen versehener Thurm, der vom Meere her jedem Schiffe den Eingang verwehrte. Der See, beiläufig 12,000 Schritte breit und eben so lang, erhält aus dem karthaginensischen Meerbusen sein Gewässer, und ist auf beiden Seiten so seicht, daß man nur in der Mitte desselben auf kleinen Fahrzeugen nach Tunis gelangen kann. (Eutropii Diar. Exp. Tunet. apud Schard. pag. 331. und Jov. Hist. Lib. 34.)
[41] Vers 83.
Eutropius in seinem Diar. Exped. Tunet. p. 325. (Rerum Germ. Scrip. apud Schard), sagt ausdrücklich: daß vor Allen die Deutschen bei der Landung, über jeden Aufschub ungeduldig, sich auf ihren, in das Wasser gesenkten Speeren auf das Land hinaus geschwungen, und den Kampf mit dem Feinde sogleich begonnen haben.
[42] Vers 79.
Pizarro (Francisco), ein Spanier, von unbekannter Herkunft, ging mit noch andern Abenteurern nach der neuen Welt, verband sich im J. 1524 mit Diego d’Almagro, und eroberte Peru, nachdem er den Inca Atahualba auf eine grausame Art hatte hinrichten lassen. Er war schon früher zum Statthalter der neu zu entdeckenden Länder ernannt worden, und er traf wirklich sehr viele Vorkehrungen zum Besten jener Länder, die um so mehr in Erstaunen setzen, da er nicht einmal des Lesens und des Schreibens kundig war. Er wurde im Jahr 1541 durch einen Anverwandten Almagro’s getödtet, nachdem früher dieser von Pizarro zum Tode verurtheilt worden war. Die Stadt Lima verdankt ihm ihre Gründung. Sonst ist sein Nahme mit der Beigabe eines grausamen Eroberers auf die Nachwelt gekommen. (Siehe W. Robertson History of America in II Volumes London 1777.)
[43] Vers 386.
Casas (Bartholomeo de las), Bischof von Chiapa in Mexico, im J. 1471 in Sevilla geboren. Schon in seinem 19. Jahre reiste er mit dem Weltentdecker Columbus nach St. Domingo, kehrte aber von dort wieder nach Spanien zurück, um sich im Orden der Dominikaner zum Missionär vorzubereiten. Voll glühendem Enthusiasmus für ein wichtiges Anliegen der Menschheit, stand er beinahe durch 50 Jahre als ein Anwald der mißhandelten Einwohner der neuen Welt da, und schrieb, und unternahm häufige Reisen nach Europa, sie vor dem Throne zu vertreten; doch war das Interesse so vieler Großen dabei gefährdet, und er starb im Jahr 1556 zu Madrid, ohne daß er bedeutende Vortheile für jene erwirkt hätte. Unter seinen Schriften (gedruckt Sevilla im J. 1552) ist auch eine Geschichte von Westindien. (Siehe Perez del Castillo Mex. Hist.)
[44] Vers 521.
Freundsberg (Georg von Frundsberg, Frondsberg &c. Herr von Mindelheim, geb. 1475 und gest. 1528 daselbst), kaiserlicher Feldherr, wegen seiner persönlichen Tapferkeit und Leibesstärke berühmt, da er ein wildanlaufendes Pferd sogleich fest halten, und den stärksten Mann mit einem Finger von der Stelle drängen konnte. Er bildete sich unter Max I. und Carl V. in der Kriegskunst aus, half dem Letztern die Schlacht von Pavia (im J. 1525) gewinnen, und führte auch das folgende Jahr 12,000, auf eigene Kosten geworbene Krieger, dem kais. Feldherrn Carl von Bourbon, gegen Clemens VII. nach Italien zur Verstärkung zu, wo ihn bei Ferrara, bei einem Aufstand der Krieger wegen rückständiger Löhnung, der Schlag traf, und dann zwei Jahre darauf sein Tod erfolgte. (Siehe Herrn Georgen und Kasparn von Frundsberg ritterliche Kriegsthaten. — Jov. in Elog. Hist.)
[45] Vers 592.
Byrsa hieß die Burg von Karthago, auf dem Gipfel eines steilen Felsens, um welchen ringsher die einst mächtige Stadt Karthago erbaut war. Dort befand sich der herrliche Tempel des Aeskulap, zu welchem man auf 50 Stufen hinanstieg, und in dessen Flammen die Gattinn Hasdrubals, der zu dem Zerstörer Karthago’s, Scipio, überging, sich stürzte, nachdem sie vorher im Angesichte der Römer und ihres feigen Gemahls, ihre beiden Kinder ermordet hatte. J. 146 vor Chr. G. (Siehe Vierthalers phil. Gesch. der Menschen und Völker. V. Band.)
[46] Vers 85.
Zama, der Ort, vor welchem der große Held Karthagos, Hannibal, durch den römischen Feldherrn Scipio im J. 201 vor Chr. überwunden ward, lag zwischen Adrumetum und dem, fünf Tagreisen davon entfernten, Karthago.
[47] Vers 190.
An dem Ufer des Bagrada (h. z. T. Medscherdah), der nicht fern von Utika vorüberfloß, soll der Consul M. Atil. Regulus eine ungeheure Schlange, deren Länge auf 120 Fuß angegeben wird, mit Katapulten beschossen, und getödtet haben. (A. Gell. L. VI. c. 3. — Valer. Max. L. I. c. 8.) Wahrscheinlich war sie eine Riesenschlange (Boa Constrictor).
[48] Vers 329.
Barda heißt die Sommerresidenz des Dey von Tunis, mit einem weitläufigen Schlosse, und den schon zu Carls V. Zeiten berühmten bardäischen Gärten an der Küste von Maritia. Sie liegt an der Westseite von Tunis, und hängt durch die Gärten mit der Stadt zusammen.
[49] Vers 410.
Houris sind, nach Muhameds Lehre, die blendend schönen Jungfrauen, welche von zarter, ätherischer Gestalt, die Seligkeit der Männer in seinem Paradiese ausmachen. Die Schilderungen von ihnen sind ganz in dem orientalisch-üppigen Geschmack entworfen.
[50] Vers 54.
Laufgräben (tranchée’s) sind drei bis sechs Fuß tiefe, zehn und zwölf Fuß breite, in verschiedener Richtung gegrabene Wege, welche mit der zum Wall, gegen eine belagerte Festung aufgeworfenen Erde, die Belagerer in den Stand setzt, sich ihr mit Sicherheit nähern zu können.
[51] Vers 199.
Thor der Glückseligkeit, heißt der Eingang zu dem Harem des Großherrn, der dem Aga der Verschnittenen anvertraut ist. (Siehe Hrn. Joseph von Hammers Verfassung des osmanischen Reichs, Band II. Seite 9.)
[52] Vers 201.
Circassien, eine große Landschaft in Asien, welche sich von dem schwarzen bis zum caspischen Meere erstreckt, und nördlich von dem Caucasus begränzt wird. Ihre Bewohner, sowohl männlichen als weiblichen Geschlechts, sind sehr wohlgestaltet, und die Letzteren werden vorzüglich für die türkischen Harems gesucht. Ihre Männer sind treffliche Reiter, ungemein tapfer im Felde, und daheim Verehrer des Gastrechts. Der größte Theil ihres Landes ist dermalen unter russischer Bothmäßigkeit.
[53] Vers 284.
Bagrada, h. z. T. Medscherdah, ein Fluß, der in der Nähe von Buschatter (Utika) sich in das Mittelmeer ergießt.
[54] Vers 15.
Turkestan, das eigentliche Stammland der heutigen Türken, ist eine Landschaft in Mittel-Asien, die von dem Königreiche des großen Moguls, von der großen Tartarey, von Catay und Zagatey begränzt wird. Das Land ist sehr fruchtbar, dessen Einwohner Tartaren sind, und sich zur muhamedanischen Lehre bekennen.
[55] Vers 58.
Varus (Quintilius), unter Augusts Regierung erst Proconsul in Syrien, dann in denen, seit Julius Cäsar eroberten deutschen Provinzen, wurde durch das Haupt der Cherusker, Hermann, aus seinem verschanzten Lager bis in den Teutoburger-Wald, h. z. T. Grafschaft Lippe, gelockt und dort sammt seinen drei Legionen zu Grunde gerichtet. Varus entleibte sich selbst. August soll sich bei der erhaltenen Nachricht die Haare gerauft, und ausgerufen haben: „Varus, schaffe mir meine Legionen wieder!“ (Tacit. Sveton. Velej. Pater. L. I. 2.)
[56] Vers 103.
Beduinen, oder nomadische Araber, sind unabhängige, freie Stämme muhamedanischer Religion, die unter ihren Fürsten (Emir) oder Familienhäuptern (Scheich) die Wüste, größten Theils unter Zelten lebend, bewohnen. Sie sind Krieger und Hirten zugleich, und verachten stolz alle übrigen Beschäftigungen. Seit Jahrtausenden sind ihre Sitten dieselben geblieben, wie sie in den allerältesten Urkunden, nämlich in der h. Schrift, durch Moses, geschildert werden. (Niebuhr, Beschreibung von Arabien, S. 379 und f. — D’Arvieux III. 125.)
[57] Vers 382.
Natter. (Cerastes) Hornschlange — nach dem Volksglauben auch die Königsschlange genannt, weil sie, laut jenem, eine Krone auf dem Haupte haben soll. Die arabischen Gaukler pflegen der Hornschlange zarte Vogelklauen einzusetzen, um damit das Volk zu täuschen.
[58] Vers 477.
Bürgerkrone, war bei den Römern eine große Auszeichnung für Jenen, der in der Schlacht einem Bürger das Leben gerettet hatte. Sie war von Eichenlaub gemacht, und führte die Aufschrift: „Ob civem servatum.“ Bei Schauspielen, oder im Senate, wo sie getragen wurden, stand die ganze Versammlung vor ihm auf.
[59] Vers 520.
Cornelia, die Mutter der Gracchen, war die Tochter des älteren Scipio, des Siegers bei Zama, und hatte zwei Söhne, Tiberius Sempronius, und Cajus, mit ihrem verstorbenen Gatten, Tib. Semp. Gracchus, erzeugt, der zweimal Consul war, und die Insel Sardinien eroberte. Jene beiden, von ihrer trefflichen Mutter gebildeten, und mit den schätzbarsten Eigenschaften ausgerüsteten Söhne, fanden in den, von ihnen erregten bürgerlichen Gährungen (der ältere im J. 133, und der jüngere im J. 121 vor Chr.) den Tod, indem sie als Tribunen zu sehr nach der Volksgunst gestrebt, und das agrarische Gesetz gegen den Senat durchzusetzen gesucht hatten. (Liv. I. 41. c. 12. — Valer. M. Plutarch etc.)
[60] Vers 116.
Zender und Gingir, zwei große, gen Süden unterhalb des Aequators liegende Länder in Afrika, unter dem 50-55. Grad der Länge, und dem 5-8. Grad der Breite.
[61] Vers 117.
Gleicher, Aequator der Erde, oder Aequinoctial-Linie, und von den Seefahrern die Linie genannt, ist derjenige größte Kreis unserer Erdkugel, der von den Polen der Erde in allen Punkten um neunzig Grade absteht. Alle Orte, die er durchschneidet, haben gleich lange Tage und Nächte: daher der Nahme Aequator.
[62] Vers 146.
Altai, auch Belgian genannt, ein großes Gebirg Asiens in der Nord-Tartarey, und im Königreiche Montgal.
[63] Vers 146.
Ural, in der tartarischen Sprache ein Gürtel, ist die beinahe 300 Meilen lange Gebirgskette, die von dem caspischen Meere beginnend, Europa von Asien scheidet, und Sibirien von dem übrigen Theile Rußlands trennt.
[64] Vers 160.
Samum von den Arabern; von den Hebräern זִלְעָפָה; von den Türken Samyel, und in Afrika Hamaddan genannt, ein heißer Wind, der in den Monathen Juni und Juli in Arabien, Persien, Babylonien, und in den Wüsten von Aegypten; aber am heftigsten, zuweilen schon im März und noch im November, in Nubien weht. Er dauert höchstens nur 7 bis 8 Minuten, aber er tödtet augenblicklich Alle, die aufrecht stehen; daher ist es nöthig, sich auf das Antlitz niederzuwerfen, die Sohlen dem Winde zuzukehren, und so wenig als möglich Athem holend, den Mund auf den Boden zu pressen. So streicht er dann unschädlich vorüber, da er zwei Schuh hoch über der Erde dahin zieht, aber dennoch ein heftiges Zittern und starken Schweiß verursacht. Die Thiere tödtet er zwar nicht, doch senken auch sie den Kopf zur Erde, und zittern am ganzen Leibe. Die Vorbothen des Samums sind, nach Brüce, röthliche Sandsäulen, die sich in die Luft erheben und stets näher schweben. Die Getödteten werden sogleich schwarz und zu Mumien gedörrt. (Brüce’s Reisen &c. im Auszug Rinteln I. S. 496 und S. 129 folg. &c. — Thevenot Voy. 295. — Ives II. 83. &c.)
[65] Vers 358.
Kairvan (Cairoan, Carvan), eine Stadt im Gebiethe von Tunis nicht ferne von dem Meerbusen von Kabesch. Sie war die erste, welche die Muhamedaner in Afrika, unter dem dritten Kalifen in Syrien, Ottmann, gegründet hatten, und wegen ihrer hohen Schule berühmt. Doch wurde sie, bald nach der Heimkehr Carls V. von Tunis, mit diesem Königreiche vereinigt. (Marmol. Africae L. 6.)
[66] Vers 359.
Constantina (Cuguntina), die Stadt, nach Einigen das alte Cirtha, in Nord-Afrika, liegt auf einem hartzugänglichen Felsengebirge, weßwegen sie überaus fest ist, und gehört nun zu Algier. Zu Anfange des vierten und fünften Jahrhunderts sind da zwei Concilien gehalten worden, von welchen in den Werken des h. Augustinus die Acta aufbewahrt sind.
[67] Vers 510.
Die volle Lage geben, heißt das schnelle Abfeuern aller Kanonen auf der Seite eines Kriegsschiffes.
[68] Vers 732.
„The Emperor marched into the Goletta through the breach; and turning to Muley-Hassan, who attended him, „Here“ — Says he — „is a gate open to you, by which you shall return to take possession of your dominions.“ (Robertson Histor. of Charles V. III. T. Book V.)
[69] Vers 44.
Vampyren, die größte Gattung der Fledermäuse; und unter diesen wird hier der so genannte Blutsauger (V. Spectrum) gemeint, dessen Heimath die neue Welt, Surinam, Guiana, Brasilien u. s. w. ist. Durch das Wehen seiner Flügel erquickt er den Schlummernden, leckt ihm mit seiner rauhen Zunge die Haut auf, und wenn das Blut, an welchem er sich satt gesogen hatte, aus einer Hauptader strömt, so kann sich der Fortschlummernde leicht verbluten. (S. Tob. Wilhelm Unterh. aus der Naturgeschichte der Säugethiere, 1. Thl.)
[70] Vers 255.
Valladolids Turnierbahn. Carl V. ließ in seinem bereits vorgerückten Jünglingsalter noch wenig von dem hohen Verstande, und der Thatkraft ahnen, die ihn in der Folge als Herrscher so sehr auszeichneten, so, daß Viele, die nicht tief genug sahen, versucht waren, ihn für blödsinnig zu halten, bis er auf dem Turniere zu Valladolid (im J. 1517), durch seine Gewandtheit in allen ritterlichen Uebungen, und den Wahlspruch seines Schildes: „Nondum!“ All’ in Erstaunen setzte. (Siehe Freih. von Hormayrs Oestr. Plut. 6. Heft S. 423.)
[71] Vers 259.
Während Carl V. nach seiner Wahl zum röm. Kaiser, und wegen entstandener Feindseligkeiten mit Frankreich, in Deutschland, in den Niederlanden und in England, von Spanien abwesend war, brach Empörung und Bürgerkrieg in allen Theilen dieses Königreichs aus. Er begann im Mai 1520 zu Toledo, wo das Haupt der Empörer, Don Juan de Padilla, Sohn des Commandanten von Castilien, war, und in den spätern Gefechten, im April des Jahrs 1521 von dem Generale der königlichen Truppen gefangen und enthauptet ward. (Robertson History of the Reign of the Emp. Charles V. II. Volume. B. 3.)
[72] Vers 262.
Franz I., König von Frankreich, bewarb sich sehr heiß um die deutsche Kaiserkrone; da aber diese seinem Nebenbuhler, Carl V., zu Theil ward, so trieb ihn, von jener Zeit an, die Rachgier unaufhörlich, diesen zu demüthigen, und ihm in seinen Unternehmungen Hindernisse in den Weg zu legen. Vereint — und Beide hatten so viele Ursache, sich gegenseitig zu achten! — hätten sie unsäglichem Jammer, der erst Deutschland, dann mehrere Länder Europa’s traf, wehren können. (Siehe obiges Werk, II. B.)
[73] Vers 265.
Den Titel christlichste Majestät, führten die Könige von Frankreich bis auf die neuesten Zeiten, und zwar seit Chlodwig dem G. J. 496, wo er ihm selber von dem Pabst beigelegt ward.
[74] Vers 266.
Franz I. war der erste christliche Fürst, der mit dem Erbfeind der Christenheit offenbar in ein Bündniß trat. La Forest, sein Geschäftsträger in Constantinopel, schloß (im J. 1336) solches mit Solyman II. ab, vermöge welchem dieser Neapel und Ungarn feindlich überziehen sollte. Es wurde ihm auf eine furchtbare Art Genüge geleistet! (Siehe obiges Werk, III. B.)
[75] Vers 278.
Man sehe Vogts Staats-Relationen. VI. Bandes 2. Heft.
[76] Vers 289.
Der Bauernkrieg in Franken und Schwaben wurde durch Johann Böhme, einen Bänkelsänger im Würzburgischen, veranlaßt, wo er Freiheit und Gleichheit aller Stände predigte. Der Krieg kam dort im J. 1525 zum Ausbruch, und kostete über 50,000 Bauern das Leben. Mehr als 180 Schlösser und Burgen lagen im Schutt, und 26 Klöster waren vernichtet. — Er verpflanzte sich auch nach Sachsen und Thüringen, wo Thomas Münzer, erst Schullehrer in Aschersleben, dann Prediger in Zwickau, sich mit dem Haupte der Wiedertäufer, Klaus Storch, verband, und später zu Altstedt in Thüringen die Gemeinschaft der Güter predigte. Er kehrte nach Sachsen zurück, verband sich mit einem andern Schwärmer, Pfeiffer, und sammelte einen großen Haufen Aufrührer um sich, bis er gegen die ausgesandten sächsischen, hessischen und braunschweigischen Heerhaufen (15. Mai 1525) die Schlacht verlor, sammt seinem Anhänger, Pfeiffer, gefangen, und in Mühlhausen hingerichtet ward. (Sleidan. de statu rel. L. 5. — Fabritius de orig. Sax.)
[77] Vers 293.
Der dreißigjährige Krieg (von 1618-1649) — eine Folge der Reformation — biethet ein Schauspiel unerhörter Grausamkeiten dar. Während diesen ward Deutschland von einem Ende zum andern durch Mord und Brand verödet, und um viele Millionen Menschen ärmer gemacht. Der westphälische Friede setzte ihm zwar ein Ziel; aber was durch ihn zerstört worden, wird wohl keine Zeit mehr ersetzen. (Siehe Schillers und Westenrieders Geschichte des dreißigjährigen Krieges.)
[78] Vers 315.
Die Geschichte von beinahe zwei Jahrzehenden vor der Völkerschlacht von Leipzig liefert die unwiderlegbaren Belege zu dieser Stelle!
[79] Vers 320.
[80] Vers 328.
Leser! möchte dir der Zuruf nicht fremd seyn, welchen der gütigste Landesvater am 1. Hornung 1806 an seine Völker richtete, und der mit den Worten beginnt: „Ich habe meinen guten und treuen Völkern den Frieden gegeben!“ — und mit den Worten endet: „Durch das wechselseitige Band des festesten Vertrauens und der innigsten Liebe mit meinen Unterthanen verbunden, werde ich nur dann erst glauben, meinem Herzen als Fürst und Vater genug gethan zu haben: wenn Oestreichs Flor fest gegründet, wenn vergessen ist, was seine Bürger litten, und nur das Andenken an meine Opfer, an ihre Treue, und an ihre hohe unerschütterliche Vaterlandsliebe noch lebt!“
[81] Vers 342.
St. Just. Nicht ferne von der Stadt Placenzia, in Estremadura, lag das einsame Kloster der Hieronymitaner, St. Just, das Carl V. viele Jahre vor seiner Abdankung zu seinem einstigen Asyl erkoren hatte. Es lag in einem lieblichen Thale mit einem hellen Bach, mit Hügeln und Wäldern umher, und war wegen seiner gesunden Luft berühmt. Einige Monate vor seiner Ankunft erschienen dort Werkleute, die seine aus fünf bis sechs Klosterzellen bestehende Wohnung, mit einem Ausgang in den Garten, den er selbst pflegen, und dem andern in die Capelle, wo er seine Andacht halten wollte, bereiteten. Er zog daselbst am 24. Februar des J. 1557 ein, und starb am 12. September 1558 in seinem 59. Lebensjahre.
[82] Vers 336.
Grätz, die Hauptstadt der Steyermark, und der Sitz des Guberniums von Inner-Oestreich, mit beiläufig 40,000 Einwohnern.
[83] Vers 340.
Im Jahre 1532 stand Solymann II. mit einer ungeheuren Macht vor Wien, und zog sich bei der Annäherung Carls V., der an der Spitze eines Heeres von mehr denn 90,000 Mann zum Entsatz herbeieilte, durch Ungarn bis nach Constantinopel zurück. (Jov. Hist. L. 30. p. 100.)
[84] Vers 344.
Bei der Beschreibung des letzten Kampfes vor Tunis, führt Jovius (Hist. L. 34. p. 361 apud Schard.) die Worte Carl V. an, der mitten im Kugelregen Del Guasto diese Antwort gab. („Subridens Caesar, et ne id timeret, subdens, quando Augustorum Caesarum nemo unquam tormenti violentia concidisset.“)
[85] Vers 555.
Psalm 125.
[86] Vers 608.
Robertson sagt von der Plünderung der Stadt Tunis durch die Christen (History of the Reign of the Emperor Charles V. Vol III. p. 115): „Above thirty thousand of the innocent inhabitants perished on that unhappy day, and ten thousand were carried away as slaves.“ — Eutropius im Werke (Diarium Expeditionis Tunetanae p. 334. apud Schard.) sagt: „Post introitum Imperatoris in urbem, ecce tibi Miles Hispanus aliquotque alii stationarii, passim in aedes magno impetu irruunt, .... Mauros resistentes occidunt, spoliant, compilant, evertunt omnia cum pulvere.“ — P. Jovius Hist. Lib. 34. pag. 363 apud Schard sagt: „Primus inhiantium praedae impetus, uti invadentium et effringentium fores varii casus tulerunt, promiscua caede cruentus fuit.“ — Beide setzen hinzu: „Caesar sevitiae modum imposuit, pronunciarique jussit, capitale fore, si quis Tunetanum violaret civem, aut in servitutem abduceret.“ — Sepulveda, dem Carl V. sein ganzes Leben erzählte, und mit jenen Beiden ihm gleichzeitig war, sagt: „In hac direptione ex oppidanis pauci gladio conciderunt, et hi suo magna ex parte stulto consilio, qui muros rebus desperatis, ne conati quidem tueri, suas domos, uxoresque et liberos defendere quidam tentaverunt. Qua temeritate milites irritati in nonnullos sine discrimine parumper saevierunt, praesertim Germani etc.“ (Siehe: Opera P. Sepulvedae Vol. I. p. 405. Matriti ex Typ. Reg. 1780.) — Dieß zur Würdigung obiger Geschichte!
Anmerkungen zur Transkription
Die Schreibweise der Buchvorlage wurde weitgehend beibehalten.
Satzzeichen wurden in eindeutigen Fällen stillschweigend korrigiert. Einige wenige weitere Fehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt, teilweise unter Verwendung weiterer Ausgaben (vorher/nachher):
End of the Project Gutenberg EBook of Tunisias, by Johann Ladislav Pyrker *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TUNISIAS *** ***** This file should be named 56086-h.htm or 56086-h.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/6/0/8/56086/ Produced by richyfourtytwo, Heiko Evermann, Jens Sadowski, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. They may be modified and printed and given away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is unprotected by copyright law in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country outside the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. 1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg-tm License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided that * You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has agreed to donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60 days following each date on which you prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." * You provide a full refund of any money paid by a user who notifies you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm License. You must require such a user to return or destroy all copies of the works possessed in a physical medium and discontinue all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm works. * You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the electronic work is discovered and reported to you within 90 days of receipt of the work. * You comply with all other terms of this agreement for free distribution of Project Gutenberg-tm works. 1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread works not protected by U.S. copyright law in creating the Project Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGE. 1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to the person you received the work from. If you received the work on a physical medium, you must return the medium with your written explanation. The person or entity that provided you with the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the work electronically, the person or entity providing it to you may choose to give you a second opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a refund in writing without further opportunities to fix the problem. 1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.